Ren Dhark – Weg ins Weltall 58: Götter der Niapave - Achim Mehnert - E-Book

Ren Dhark – Weg ins Weltall 58: Götter der Niapave E-Book

Achim Mehnert

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Beschreibung

Die Bedrohung für die Wächter ist vorerst gebannt, sodass sich Ren Dhark wieder dem drängenden Problem des Miniuniversums widmen kann. Momentan hat die Besatzung der POINT OF jedoch keinen Anhaltspunkt, wo sie die Suche nach den benötigten Hinweisen, wie mit dieser Gefahr umgegangen werden muss, fortsetzen soll. Da taucht ein weiteres Mal der geheimnisvolle Unbekannte in der Zentrale der POINT OF auf, und neuerlich kann niemand sagen, was er wirklich im Schilde führt. An anderer Stelle in der Milchstraße sitzen Danog ut Keltris und seine Begleiter in einer unterirdischen Forschungsstation fest. Dort müssen sie ein altes Geheimnis lüften, das Geheimnis um die Götter der Niapave... Jan Gardemann, Achim Mehnert und Nina Morawietz verfassten einen wendungsreichen SF-Roman nach dem Exposé von Ben B. Black.

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EPUB
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Seitenzahl: 360

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Ren Dhark

Weg ins Weltall

 

Band 58

Götter der Niapave

 

von

 

Jan Gardemann

(Kapitel 1 bis 7)

 

Nina Morawietz

(Kapitel 8 bis 14)

 

Achim Mehnert

(Kapitel 15 bis 20)

 

und

 

Ben B. Black

(Exposé)

Inhalt

Titelseite

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

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Impressum

Prolog

Im Herbst des Jahres 2067 scheint sich das Schicksal endlich einmal zugunsten der Menschheit entwickelt zu haben. Deren Hauptwelt heißt längst nicht mehr Terra, sondern Babylon. 36 Milliarden Menschen siedelten auf diese ehemalige Wohnwelt der Worgun um, als die irdische Sonne durch einen heimtückischen Angriff zu erlöschen und die Erde zu vereisen drohte. Mittlerweile konnte die Gefahr beseitigt werden, und das befreundete Weltallvolk der Synties hat den Masseverlust der Sonne durch die Zuführung interstellaren Wasserstoffgases fast wieder ausgeglichen.

Die Erde ist erneut ein lebenswerter Ort, auf dem allerdings nur noch rund 120 Millionen Unbeugsame ausgeharrt haben. Die neue Regierung Terras unter der Führung des »Kurators« Bruder Lambert hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Erde nach dem Vorbild Edens in eine Welt mit geringer Bevölkerungsdichte, aber hoher wirtschaftlicher Leistungskraft zu verwandeln, und ist deshalb nicht bereit, die nach Babylon Ausgewanderten wieder auf die Erde zurückkehren zu lassen.

Allerdings haben auch die wenigsten der Umsiedler konkrete Pläne für einen neuerlichen Umzug innerhalb so kurzer Zeit. Es kommt die katastrophale Entwicklung hinzu, die Babylon seit dem Umzug der Menschheit nahm: Durch eine geschickt eingefädelte Aktion war es dem höchst menschenähnlichen Fremdvolk der Kalamiten gelungen, den Regierungschef Henner Trawisheim, einen Cyborg auf geistiger Basis, derart zu manipulieren, dass er zu ihrem willenlosen Helfer und Vollstrecker bei der geplanten Übernahme der Macht über die Menschheit wurde. Erst in allerletzter Sekunde gelang die Revolution gegen die zur Diktatur verkommene Regierung von Babylon und damit gegen die heimlichen Herren der Menschheit, die Kalamiten. Während den meisten der Fremden die Flucht gelang, wurde Trawisheim aus dem Amt entfernt und in ein spezielles Sanatorium für Cyborgs gebracht.

Daniel Appeldoorn, der schon zu den Zeiten, als Babylon noch eine Kolonie Terras war, als Präsident dieser Welt fungiert hatte, bildete mit seinen Getreuen eine Übergangsregierung, deren wichtigste Aufgabe es ist, das Unrecht der Diktatur wiedergutzumachen und neue, freie Wahlen vorzubereiten. Gleichzeitig ist es Ren Dhark und seinen Mitstreitern gelungen, die geheimnisvolle Schranke um Orn abzuschalten – und mit ihr auch die verhängnisvolle Strahlung, die die Worgun, das bedeutendste Volk dieser Sterneninsel, in Depressionen, Dummheit und Dekadenz trieb.

Nach seiner Rückkehr in die Milchstraße kann Ren Dhark dem Angebot des Industriellen Terence Wallis nicht länger ausweichen und lässt seinen Körper mit Nanorobotern behandeln, die ihn und sieben von ihm Auserwählte unsterblich machen sollen. Doch anstatt sich mit seiner nun vollständig veränderten Lebensperspektive beschäftigen zu können, muss sich Ren Dhark einer neuen Herausforderung stellen: Eine unbekannte Macht namens Kraval sorgt dafür, dass der Hyperraum nicht länger zugänglich ist.

Als man diese Herausforderung endlich überwunden glaubt, tauchen die Wächter mit einer neuen Hiobsbotschaft auf: Im Zentrum der Milchstraße hat sich etwas etabliert, das die gesamte Schöpfung in Gefahr bringen könnte. Dort hat sich scheinbar aus dem Nichts ein Miniaturuniversum gebildet, das allerdings exponentiell wächst und schon in wenigen Jahren den Untergang unseres Universums herbeiführen könnte.

Ren Dhark und die Wächter versuchen, einen Weg zu finden, um den drohenden Untergang abzuwehren. Dabei spüren sie nach und nach eine ganze Reihe alter Worgunstationen auf, was sie einer Lösung des eigentlichen Problems jedoch bislang nicht näher bringt. Im Gegensatz dazu trägt die Suche nach dem verbrecherischen Utaren Lek erste Früchte, allerdings bekommt es Rikers Verband nun mit einem übermächtig scheinenden Gegner zu tun …

1.

Gebannt starrten die in der Zentrale der NARVIK anwesenden Offiziere auf das in der Bildkugel dargestellte fremde Raumschiff. Wie ein gigantisches Ungeheuer schob es sich aus dem Ortungsschatten des Trabanten, um sich dem Kampfverband der Terraner entgegenzustellen.

Der plumpe, kegelförmige Schiffskörper verjüngte sich zum Heck hin und endete in flossenähnlichen Stummelflügeln. Der Bug maß in der Breite zwei und in der Höhe drei Kilometer. An den Seiten des insgesamt fünf Kilometer langen Rumpfes standen senkrecht zwei Flossenflügel ab. Die Außenhaut des Schiffsgiganten schimmerte matt grau.

Zwei an Stoßzähne erinnernde Ausleger ragten vorne aus dem Bug hervor und verliehen dem Konstrukt das Aussehen eines klobigen Walrosses. Doch anders als bei diesen Tieren von der Erde verliefen die Hauer nicht senkrecht nach unten, sondern standen bedrohlich nach vorn ab – und nun fingen sie plötzlich an, fahl zu schimmern …

Im nächsten Moment lösten sich Milliarden weißlicher Materiekügelchen von den Stoßzähnen und jagten auf den Kampfverband der Menschen zu.

Dieser bestand aus zwölf Ovoid-Ringraumern mit je achtundzwanzig Flash sowie drei Ikosaeder-Raumern der Terence-Klasse mit je achtzig Flash an Bord. Der von Dan Riker befehligte Verband war in seiner Standardformation an seinen Einsatzort transitiert.

Die Ovoid-Ringraumer bildeten, in einem Abstand von jeweils einer Lichtsekunde, eine gerade Linie. Die drei Ikos flogen außerhalb dieses Stabes und formten ein gleichschenkeliges Dreieck zwischen den Ringraumern sechs und sieben.

Am Anfang und am Ende der Formation schwebten, zu einem Quadrat mit einer Seitenlänge von einer Astronomischen Einheit angeordnet und in einem Abstand von ebenfalls einer Astronomischen Einheit, vier Spezial-Flash. Statt des zweiten Sitzes befanden sich speziell entwickelte Hochleistungsortungsanlagen an Bord dieser zylinderförmigen Beiboote.

»Bei diesen Stoßzähnen handelt es sich also tatsächlich um die Abstrahlvorrichtung für Kampfstrahlen!«, rief Michael Sharp grimmig, während die rotierenden Materiekügelchen wie ein sturmgetriebener Nebel durch den Leerraum auf den Kampfverband zujagten.

Nur fünf Zentimeter fehlten dem Kommandanten der NARVIK, um die stolze Körpergröße von zwei Metern zu erreichen. Der kräftig gebaute Mann stand hoch aufgerichtet vor dem Kommandantensessel. Mit seinen stahlblauen Augen starrte er auf die Bildkugel hinab.

Sein geübter Blick verriet ihm sofort, dass die Salve an den Schiffen der babylonischen Flotte vorbeizischen würde. Es handelte sich also lediglich um einen Warnschuss.

»Wir haben es hier mit dem Weißen Strom zu tun – eine typische Utarenwaffe!« Tomas Smicer, Ortungsoffizier des Flaggschiffes, wusste, dass jeder der Anwesenden den weißlichen Kampfstrahl längst identifiziert hatte. Trotzdem wäre es dem gebürtigen Prager mit dem Lockenkopf und dem an den Enden in die Höhe gezwirbelten Oberlippenbart nicht eingefallen, seine Pflicht zu vernachlässigen, die darin bestand, die Offiziere über die Analyseergebnisse seiner Ortungsanlage zu informieren.

Yorke Avery machte sich in seiner Funkbude bemerkbar: »Wir werden gerufen!«

»Durchstellen und die Videoübertragung in der Bildkugel anzeigen!«, befahl Riker.

Der Erste Funker zuckte bedauernd mit den Schultern. »Da gibt es nicht viel zu sehen, Sir. Es handelt sich lediglich um eine Audionachricht.« Der Leutnant schaltete den Funkruf auf die Bordsprechanlage.

»Hier spricht der Kapitän der GILLSETER. Ich rufe das Flaggschiff des Kampfverbandes, der in unser Hoheitsgebiet eingedrungen ist«, ertönte eine helle, aber doch eindeutig als männlich identifizierbare Stimme. Der Sprecher bediente sich des Angloters, das er offenbar akzentfrei beherrschte.

Riker meinte den blauhäutigen Zwerg, dem diese Stimme gehörte, förmlich vor sich zu sehen. Wie bei den Utaren üblich, die selten größer als einen Meter wurden, würde auch dieser Gnom seine blauen Haare sicherlich zu einer Tolle drapiert haben.

Tigge Linderoth, der Erste Offizier der NARVIK, reichte Riker hastig ein Kehlkopfmikrophon. Diese Vorrichtung sollte gewährleisten, dass nur die Worte des Konteradmirals per Funk übertragen wurden, alle sonstigen in der Zentrale geführten Gespräche dem Anrufer jedoch vorenthalten blieben.

»Hier spricht Konteradmiral Dan Riker.« Der einen Meter sechsundsiebzig große, schwarzhaarige Mann justierte das Kehlkopfmikrophon, während er den Blick seiner blauen Augen fest auf die Bildkugel richtete. Ein spöttischer Zug umspielte seinen breiten Mund, das Kinn war störrisch vorgereckt. »Und mit wem habe ich das Vergnügen?«

»Das geht dich nichts an!«, blaffte der Anrufer. »Ich bin Utare, das sollte dir genügen. Ich rate euch, von hier wieder zu verschwinden. Dieses Sonnensystem und auch die drei umliegenden zählen zu unserem Machtbereich.«

»In den offiziellen Sternenkarten ist dieser Raumsektor nicht als Hoheitsgebiet der Utaren ausgewiesen«, entgegnete Riker gelassen. »Es handelt sich um unerforschtes Gebiet.«

»Eure Karten sind nicht auf dem neuesten Stand«, erklärte der Blaue frech. »Aber jetzt wisst ihr Bescheid, also verschwindet wieder, bevor ich ungemütlich werde.«

Wie um diese Warnung zu bekräftigen, begannen die Stoßzähne des Gigantraumers wieder fahl zu schimmern.«

»Sie laden ihre Waffensysteme neu auf!«, warnte Smicer. Sein hohlwangiges Gesicht mit den tiefen Grübchen unter den Augen vermittelt den Eindruck, als ob er seit Tagen fastete.

»Das sehen wir selbst!«, fuhr Sharp den Mann an. »Erzählen Sie uns lieber, was Sie sonst noch über diesen Koloss herausgefunden haben!«

»Der scheint überaus kampfstark zu sein, wenn man der Ortung trauen kann«, antwortete Smicer. »Die angezeigten Werte sind extrem hoch. Die Auswertung ist noch in vollem Gange. Ich kann noch keine abschließende Lagebeschreibung abgeben.«

An der Arbeitsstation des Ortungsoffiziers liefen sämtliche von dem Kampfverband erhobenen Messdaten zusammen. Der Hyperkalkulator überwachte den Datenstrom und steuerte seine eigenen Analyseergebnisse bei. Dieser Prozess ging nicht ohne einen gewissen Zeitaufwand vonstatten.

»Wir sind im Auftrag der babylonischen Regierung hier«, versuchte Riker, auf Zeit zu spielen. »Ich verlange, dass ihr euch identifiziert und ausweist. Im Übrigen unterstützt eure Regierung auf Esmaladan unsere Mission.«

»Ich glaube, ich habe mich nicht verständlich genug ausgedrückt«, gab der Utare in harschem Tonfall zurück. »Wenn ihr nicht sofort verschwindet, eröffnen wir das Feuer. Und dann wird es euch schlecht ergehen!«

Smicer presste die Lippen so fest aufeinander, dass sie weiß wurden. »Der Antrieb dieses Walrosses ist unseren, was Schnelligkeit und Reaktionszeit angeht, weit überlegen!«, rief er mit rauer Stimme in die Runde. »Der Schutzschirm ist ebenfalls extrem widerstandsfähig.« Der gebürtige Prager blickte von den Anzeigen auf und sah zu Sharp hinüber. »Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass dieser Koloss unserem Kampfverband gefährlich werden könnte. Der Hyperkalkulator hält es sogar für möglich, dass wir vollständig aufgerieben werden, wenn es zu einem Gefecht kommt. Das Walross selbst wird dabei kaum etwas abbekommen!«

Einen Moment lang herrschte Schweigen. Sämtliche Kommandanten des Verbandes waren per Konferenzschaltung miteinander verbunden. Die in der segmentierten Bildkugel dargestellten Gesichter der Kapitäne wirkten wie versteinert.

»Dieses Szenario erinnert mich – verdammt noch mal! – fatal an unser letztes Manöver«, warf Oberst Hinault über Funk schlechtgelaunt ein. Hinault, ein Mann mit mächtigem Brustkorb und volltönender Bassstimme, kommandierte den Ovoid-Ringraumer TAIRA. »Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich behaupten, dies ist wieder eine von Bultons vertrackten Spezialübungen!«

Jedes Mitglied des Spezialverbandes, ob Offizier, Wissenschaftler oder einfacher Maschinist, erinnerte sich noch lebhaft an das noch gar nicht so lange zurückliegende letzte Manöver. Der Verband war zu einer Zusammenrottung von gestohlenen S-Kreuzern beordert worden, die angeblich von Kalamiten befehligt wurden. Als der Verband in dem Raumsektor eintraf, wurde er augenblicklich in eine Schlacht verwickelt. Während die Schiffe von Rikers Verband langsam die Oberhand zu gewinnen begannen, tauchte wie aus dem Nichts plötzlich ein riesiger Kubus auf, der augenblicklich zu Gunsten der Kalamiten in das Kampfgeschehen eingriff.

Der Übermacht dieses mehrere Kilometer großen Giganten hatten weder die Ringraumer noch die Ikos etwas entgegenzusetzen. Sogar gebündelter Beschuss richtete kaum etwas gegen dieses Schiff aus, das sowohl über eine überlegene Bewaffnung als auch über einen extrem widerstandsfähigen Schutzschirm verfügte. Die Terraner mussten herbe Verluste einstecken und schließlich die Flucht ergreifen. Nur dem kühl kalkulierten Befehl des Konteradmirals und dem beherzten, aufopferungsvollen Vorgehen der Kommandanten der Ikos war es schließlich zu verdanken, dass der Koloss gestoppt und vernichtet werden konnte.

Doch der Preis, den der Spezialverband für diesen Sieg hatte zahlen müssen, war hoch.

Wie sich anschließend herausstellte, hatte es sich bei dem dramatischen Geschehen bloß um eine geschickt eingefädelte Übung gehandelt. Das Flottenkommando hatte sich für den Spezialverband etwas ganz Besonderes ausgedacht und den mörderischen Kubus mithilfe eines mit Projektoren präparierten Spezial-Ringraumers ins Leben gerufen. Den Rest hatten die Hyperkalkulatoren der Verbandsschiffe erledigt, indem sie die Salven und deren Trefferwirkung mit den entsprechend manipulierten Schiffseinrichtungen realistisch darstellten.

Die Erfahrung der Niederlage und des Verlustes von zahlreichen Kameraden war den Beteiligten tief in die Knochen gefahren. Das als real empfundene Erlebnis wirkte noch lange nach, trotz der Erkenntnis, dass alles nur eine Übung gewesen und niemand zu Schaden gekommen war.

Auch jetzt konnten sich nur wenige von der Beklemmung befreien, die die Erinnerung an das Manöver heraufbeschwor. Schuld daran war nicht zuletzt der Anblick des gigantischen Kampfschiffes der Utaren, das noch einmal doppelt so gewaltig wirkte wie der simulierte Kubus. Noch nie zuvor hatten die Terraner ein solches Schiff gesichtet. Die Vermutung lag nahe, dass es sich um eine Neuentwicklung der verbrecherischen Utaren handelte, die seit einiger Zeit, von der Öffentlichkeit unbemerkt, geheime Forschungseinrichtungen betrieben, in denen sie ethisch zweifelhafte Experimente durchführten, um die Ergebnisse dann an dubiose Kunden teuer zu verkaufen.

Um eine solche Station auszuheben, war der Spezialverband in dieses Sonnensystem gekommen.

Smicer schrie unwillkürlich auf, als aus den Stoßzähnen nun wieder Weißer Strom hervorschoss. Diesmal sengten die auf Hochgeschwindigkeit gebracht Materiekügelchen dicht an den Intervallfeldern der terranischen Schiffe vorbei. Die Belastungsanzeige der Schutzschirme schnellte bedrohlich in die Höhe.

»Die nächste Salve wird euch nicht mehr verschonen!«, warnte der Utare. »Kehrt um und macht euch aus dem Staub, ehe es für euch zu spät ist!«

»Diesen Verbrecher-Utaren stehen in ihrem Koloss enorme Energiemengen zur Verfügung!«, warnte Smicer, den Blick fassungslos auf die entsprechende Anzeige geheftet. »Das ist nicht normal!«

»Wahrscheinlich haben sich die Blauen die Forschungen von diesem Lek zunutze gemacht, als sie dieses Kampfschiff konstruierten«, überlegte Eric Stapleton laut.

Der rothaarige Oberst befehligte die FRIEDRICH, einen der drei Ikos, die auch die drei F genannt wurden, da ihre Namen jeweils mit diesem Buchstaben begannen. Stapleton, der wesentlich jünger wirkte, als er in Wahrheit war, galt als zäher Bursche. Er war ein Militär mit Leib und Seele und hatte sich während des letzten Manövers nicht gescheut, seine Mannschaft, das Schiff und sich selbst zu opfern, um den riesigen Kubus zu zerstören. Als er zum Zeitpunkt des von ihm eingeleiteten Unterganges der FRIEDRICH von dem Hyperkalkulator gesagt bekam, dass es sich bloß um eine Übung handelte, die anderen Mitglieder des Verbandes die gesamte Besatzung und ihn nun aber für tot hielten, hatte er nur die Fäuste geballt und ein raues, schwer zu deutendes Lachen ausgestoßen.

»Womöglich befindet sich eine Anlage an Bord dieses Walrosses, die es diesen blauen Teufeln erlaubt, unbegrenzt Energie aus dem Hyperraum abzuzapfen«, spekulierte er jetzt.

»In dem Fall müsste es Lek inzwischen gelungen sein, die unerwünschten Nebeneffekte, die dieser Energiegewinnungsprozess mit sich bringt, in den Griff zu bekommen«, ging Sharp auf die Überlegung des Oberst ein.

Wie alle anderen Offiziere, so hatte auch er die Berichte, die Marschall Bulton ihnen hatte zukommen lassen, aufmerksam studiert. Darin waren die Erkenntnisse, die Ren Dhark und seine Gefährten über die verbrecherische Utarengruppe gesammelt hatten, ebenso vertreten wie die Berichte des GSO-Agenten Ömer Giray und seiner Partnerin Liv Sanders, deren Nachforschungen Rikers Verband letztendlich hierhergeführt hatten.

Smicer ließ den Blick prüfend über die Anzeigen seiner Station schweifen. »Die Spürer haben bisher keine Phänomene registriert, die denen gleichkämen, die man in der POINT OF und der ARKANDIA registrierte, als sie zufällig das Sonnensystem kreuzten, in dem Lek und seine Spießgesellen ihre Forschungsstation betrieben haben. Bislang deutet nichts auf einen experimentellen Zugang zum Hyperraum hin.«

Rikers Miene wurde im Laufe der Mutmaßungen immer grüblerischer. Auch ihm steckten die aufwühlenden Ereignisse des letzten Manövers noch in den Knochen. Er hatte Entscheidungen treffen müssen, die ihm zutiefst zuwider gewesen waren und die das Leben von hunderten Kameraden gekostet hätten, wenn das Geschehen real gewesen wäre. Eine solche Erfahrung wollte er jetzt nicht noch einmal durchleben!

»Also gut, Utare!«, sagte er rau und reckte das Kinn noch weiter vor, auf dem sich der rote Fleck jetzt deutlich abzeichnete, der sich dort immer bildete, wenn Riker innerlich aufgewühlt war. »Wir werden uns …«

Der Konteradmiral brach ab, denn Oberst Hinault gestikulierte hektisch in Richtung der Bildkugel, um ihm etwas zu bedeuten. Mit einem unwirschen Kopfnicken gab Riker dem Oberst zu verstehen, sich zu erklären.

»Ich habe unseren Leute in den Spezial-Flash befohlen, das neue Suchprogramm zu verwenden, das ich von meinen Wissenschaftlern entwickeln ließ«, verkündete Hinault.

»Suchprogramm?«, echote Sharp. »Was genau meinen Sie damit, Hinault?«

Der Frankokanadier grinste leicht verlegen. »Ich wollte gewappnet sein, wenn Bulton uns das nächste Mal wieder ein Manöver auftischt«, erklärte er. Sein Ringraumer war während besagtem Manöver auf unrühmliche Weise zerstört worden, worüber er nicht eben glücklich war. »Aus diesem Grund habe ich meine Leute ein Programm entwickeln lassen, welches es uns ermöglicht, zu erkennen, ob wir es statt mit einem realen Feind etwa nur mit einer Projektion zu tun haben.«

»Kommen Sie endlich zur Sache, Mann!«, drängte Sharp.

»Dieses Walross-Schiff – es existiert nicht«, erklärte Hinault. »Es handelt sich lediglich um eine geschickte Projektion. Die Täuschung ist technisch noch etwas besser umgesetzt als die, mit der wir es während des Manövers zu tun hatten. Dennoch konnte das Suchprogramm die Fälschung aufdecken. Im Innern dieses Monstrums befinden sich höchstwahrscheinlich gewöhnliche Pyramidenraumer, wie wir sie von den Utaren kennen. Wie viele es sind, konnte allerdings noch nicht herausgefunden werden.«

»Der Weiße Strom, den diese Utaren bisher auf uns abgefeuert haben, unterscheidet sich energetisch tatsächlich nicht von dem gewöhnlichen Weißen Strom der Blauen«, bekräftigte Smicer die Worte des Oberst frankokanadischer Abstammung. »Trotzdem bleibt diese Waffe für uns gefährlich.«

Sharp, der nicht so leicht aus der Fassung zu bringen war, machte große Augen. »Das ist ja unglaublich. Hervorragende Arbeit, Hinault!« Er grinste süffisant. »Sie können sich als rehabilitiert betrachten.«

Hinault bemühte sich zu verbergen, wie sehr ihn dieses Lob aufbaute. Die während des Manövers erfahrene Schmach war plötzlich wie weggeblasen.

»Ihr werdet euch was?«, schallte da plötzlich die wütende Stimme des Utaren durch die Zentrale. »Ich verliere langsam die Geduld mit euch, Terraner. Zwingt mich nicht, euch alle auszulöschen!«

Riker straffte seine Körperhaltung, der rote Fleck auf seinem Kinn verblasste langsam. »Wir haben euer Spiel durchschaut, Utare!«, verkündete er. »Die GILLSETER ist nur ein Phantom. Ihre ungeheure Feuerkraft gibt es genauso wenig wie ihre ominösen Schutzfelder!«

»Was redest du da für einen Unsinn, Riker!« Ein schriller Unterton mischte sich in die Stimme des Blauen. »Mach endlich, dass du mit deiner Flotte wegkommst!«

»Ich fordere euch auf, euch zu ergeben«, wurde der Konteradmiral noch dreister. »Wir sind hier die Überlegenen, auch wenn ihr das mit eurem Täuschungsmanöver zu überspielen versucht.«

»Sir!«, rief Smicer aufgeregt. »Die Stoßzähne fangen wieder an zu schimmern. Dieses Ungetüm wird gleich Weißen Strom abfeuern!«

Riker riss sich das Kehlkopfmikrophon vom Hals. »Wir haben lange genug ausgeharrt. Kampfformation einnehmen. Die Spezial-Flash sollen ausgeschleust bleiben. Wir werden sie noch brauchen!«

*

Wie ein Schwarm aufgescheuchter Bienen stoben die Ringraumer zu den Seiten weg. Der Weiße Strom der Utaren fuhr wütend in die sich auflösende Formation hinein. Diesmal sollten die Salven treffen und zerstören, doch die breiten Bahnen aus Milliarden weißlicher Materiekügelchen stachen ins Leere. Im unterlichtschnellen Flug strebten die Raumer auseinander, um eine Halbkugel zu bilden. Die Ikos jedoch blieben an ihren Positionen und nahmen das Phantom mit Nadelstrahl unter Beschuss.

Die pinkfarbenen, überlichtschnellen Strahlen jagten ungehindert durch den vermeintlichen Schutzschirm hindurch, durchdrangen die graue Außenhaut des Ungetüms und traten auf der gegenüberliegenden Seite wieder aus. Für gewöhnlich lösten die Nadelstrahlen die Materie, auf die sie trafen, in Energie auf. Doch in der Hülle des Walrosses hinterließen sie nicht einmal ein Einschussloch.

»Dieser Gigant ist tatsächlich bloß ein Hologramm!«, ließ Stapleton die anderen über Funk wissen. »Die Nadelstrahlen jagen ungehindert hindurch, als würde man einen Schuss in den Leerraum abfeuern!«

»Wenn wir die Salven breit genug fächern, landen wir mit etwas Glück vielleicht sogar einen Treffer«, meinte Derringer, der Kommandant der FRANCISCO. »Irgendwo hinter dieser gigantischen visuellen Hülle müssen sich die Pyramidenraumer ja verbergen.«

»Ich schlage vor, wir nehmen die Stoßzähne ins Visier.« Es war Oberst Ayala, der diesen Gedanken vortrug. Der einen Meter neunzig große Argentinier mit dem schlohweißen Bürstenhaarschnitt befehligte die FOSTER. »Die Kampfstrahlen kommen direkt von dort. Also müssen sich Pyramidenraumer in der Nähe aufhalten. Es sei denn, diese Utaren haben ein Verfahren entwickelt, den Weißen Strom aus dem Nichts heraus entstehen zu lassen.«

»Das haben sie sicherlich genauso wenig, wie sie dieses Ungetüm mit der von Lek entwickelten Technik ausstatteten«, warf Derringer sarkastisch ein und verzog dabei das Gesicht. Unter den Kommandanten der drei F wirkte er am unscheinbarsten, doch galt er als ausgesprochen pflichttreu und loyal. »Ayala und ich nehmen die Stoßzähne aufs Korn, während Stapleton aufs Geratewohl in den Giganten hineinfeuert.« Derringer lächelte dünn. »Wie ich unseren sommersprossigen Scheinjüngling kenne, wird das Glück ihm hold sein, sodass er einen Volltreffer landen kann.«

Stapleton winkte grinsend ab. »Verstehe schon«, sagte er übertrieben vernünftig. »Nachdem ich während des Manövers die Lorbeeren einheimste, wollen die Gentlemen nun auch etwas Lob kassieren, indem sie die hinter den Stoßzähnen verborgenen Pyramidenraumer ausschalten.«

»Machen wir uns ans Werk!«, rief Ayala und gab seinen Offizieren ein Zeichen, Derringers Vorschlag in die Tat umzusetzen.

Unterhalb der vorgereckten Stoßzähne, die jetzt unentwegt kurze Strahlenbahnen Weißen Stroms in mehrere Richtungen abfeuerten, bildeten sich zwei bläuliche Felder. Sie lösten sich und jagten auf die FOSTER sowie die FRANCISCO zu.

»Achtung! Blaues Feld!«, funkte Smicer, der den Koloss unentwegt im Auge behielt, den drei F zu.

Das Blaue Feld zählte ebenfalls zu den Spezial-Waffen der Utaren. Dabei handelte es sich um einen auf hyperenergetischer Basis arbeitenden Magnetstrahl, der ein Intervallfeld bis zu achtundfünfzig Prozent zu belasten vermochte.

Die Kommandanten der Ikos brauchten nicht lange zu überlegen, was die Utaren bezweckten. Die Blauen Felder sollten die Intervallfelder der drei F schwächen, damit der Weiße Strom bessere Trefferwirkung erzielte. Die weißen Materiekügelchen sollten das geschwächte Intervallum durchdringen und in die Hülle der Ikosaeder einschlagen. Allerdings würden die auf Hochgeschwindigkeit gebrachten, weißlichen Materiekügelchen weniger Schaden an der widerstandsfähigen Carboritflächen der Ikos verursachen, als wenn sie die Unitallhüllen der Ovoid-Ringraumer träfen. Doch das schienen die blauen Zwerge entweder nicht zu wissen oder in Kauf zu nehmen. Jedenfalls konzentrierten sie den Beschuss jetzt auf die Ikos, deren Piloten sich dadurch gezwungen sahen, Ausweichmanöver einzuleiten.

Da die Ringraumer nun nicht mehr bedrängt wurden, gelang es den sie lenkenden Offizieren endlich, die Halbkugelformation zu vollenden. Kaum war dies geschehen, begannen die Schiffe, eine breite Wand aus pinkfarbenen Strahlen auf den Gegner abzufeuern.

Die überlichtschnellen Kampfstrahlen jagten wie ein Partikelsturm durch die Illusion hindurch.

Das walrossähnliche Gebilde begann zu flackern. Die Konturen mehrerer Pyramidenraumer zeichneten sich für einen kurzen Moment dahinter ab.

»Wir haben es mit fünf gegnerischen Schiffen zu tun«, setzte Smicer die anderen über seine Beobachtung in Kenntnis. »Es ist, wie Mister Ayala vermutete. Hinter den Stoßzähnen lauern zwei wütend feuernde Pyramidenraumer!«

»Wir nehmen jetzt das Schiff in der Mitte der Projektion unter Beschuss«, ließ Derringer den Konteradmiral via Konferenzschaltung wissen. »Ich vermute, diese Pyramide ist für die Aufrechterhaltung des Hologramms verantwortlich.«

»Machen Sie das«, gab Riker sein Einverständnis. Dann erteilte er den Feuerleitständen der Ringraumer erneut Schießbefehl.

Eine weitere Wand aus pinkfarbenen Strahlen stürzte auf das Walross zu, das aus seinen Stoßzähnen Weiße Ströme spie. Das Gebilde begann heftig zu flackern, woraufhin die Ikos den in der Mitte des Gebildes plötzlich sichtbar gewordenen Pyramidenraumer ohne zu zögern unter konzentrierten Nadelstrahlbeschuss nahmen.

Im selben Moment, da das Schutzfeld des beharkten Raumers zusammenbrach, kollabierte auch das Hologramm.

Offenbar waren die Projektoren durch den Angriff zerstört worden, denn das gigantische Scheingebilde baute sich nicht wieder auf.

Ohne die sie umgebende, gewaltige Illusion wirkten die Utarenschiffe vergleichsweise winzig und verloren. Da sie jetzt nicht mehr an das Phantom gebunden waren, konnten die Schiffe frei in das Kampfgeschehen eingreifen. Hätten die Pyramiden vor dem Kollaps des Hologramms gefeuert, hätte der aus dem Walrossrumpf wahllos hervordringende Weiße Strom die Illusion gefährdet. Jetzt aber feuerten die Pyramiden hemmungslos aus allen verfügbaren Abstrahlvorrichtungen.

»Diese blauen Teufel sind wild entschlossen, uns zu vernichten«, murrte Sharp. »Sie benehmen sich wie Wahnsinnige, nun da ihr Schwindel aufgeflogen ist.«

»Ich denke, sie wollen uns nur aufhalten«, warf Smicer von seiner Arbeitsstation aus ein. »Unsere Spezial-Flash haben sich dem Mond inzwischen unbemerkt nähern können. Die unterirdische Forschungsstation der Utaren wurde von den Piloten bereits aufgespürt. Mir liegen die ersten Messergebnisse vor. Wie es aussieht, verringert sich die Anzahl der in der Station angemessenen Bioimpulse beständig.«

Riker nickte grimmig. »Dort unten geschieht momentan das Gleiche wie seinerzeit in Leks Station: Die Utaren setzen sich mit Hilfe eines Transmitters ab!«

Sharp fuhr sich mit der Hand über sein volles schwarzes Stoppelhaar. »Das bedeutet, die Blauen gehen davon aus, dass ihre Station verloren ist. Von Anfang an wussten sie, dass sie gegen uns keine Chance haben. Ihre ganze Hoffnung beruhte darauf, uns mit ihrem Phantom so sehr zu beeindrucken, dass wir vor Furcht das Weite suchen.«

Riker wandte sich der Bildschirmwand mit den Gesichtern der Kommandanten des Verbandes zu. »Die Zeit drängt, Gentlemen. Beenden wir dieses Scharmützel, bevor die verbrecherischen Wissenschaftler in der Forschungsstation sich alle aus dem Staub machen können!«

*

Der Pyramidenraumer in der Mitte der Formation verging als erster. Was die in das ungeschützte Schiff hineinjagenden Nadelstrahlen nicht in Energie auflösten, wurde in einer gewaltigen Explosion ins All hinausgeschleudert.

Außer sich vor Wut spien die verbliebenen Pyramiden den Ringraumern weißliche Strahlenbahnen und Blaue Felder entgegen. Doch die terranischen Piloten wichen den Kampfstrahlen geschickt aus. Nur selten zerschellten die weißen Materieteilchen an den Intervallfeldern oder streifte ein Blaues Feld die doppelten, übereinanderstehenden Kontinuumsblasen.

Die beiden Utarenschiffe, die hinter den Stoßzähnen gelauert hatten und deren Schutzschildgeneratoren wegen des zuvor stattgefundenen Beschusses stark beansprucht worden waren, brachen schließlich endgültig zusammenbrachen. Gezielte Nadelstrahl-Salven zerstörten die Abstrahlantennen für die Kampfstrahlen und die Antriebssektionen, sodass die Raumer schließlich weder manövrieren noch feuern konnten.

Die beiden übriggebliebenen Schiffe drehten daraufhin ab und suchten ihr Heil in der Flucht.

»Sollen wir den Fliehenden nachsetzen, Sir?«, erkundigte sich Hinault über Funk.

Riker schüttelte den Kopf. »Das würde uns nur aufhalten. Außerdem möchte ich, dass der Verband zusammenbleibt, um unliebsamen Überraschungen besser begegnen zu können.«

Kaum hatten sich die flüchtenden Pyramidenraumer weit genug von dem Sonnensystem entfernt, transitierten sie, wobei die Schiffe auf kurze Distanz mehrere Sprünge hintereinander absolvierten, sodass die Impulse sich überlagerten und auch mit den modernen Ortungsanlagen des Verbandes nicht mehr festgestellt werden konnte, wohin sie letztendlich verschwanden.

»Die Besatzungen der beiden unschädlich gemachten Pyramiden nehmen rapide ab!«, warnte Smicer, der wie immer alle relevanten Ortungsereignisse im Blick hatte. »Die Utaren setzen sich per Transmitter ab!«

»Wir konzentrieren uns trotzdem auf die Forschungsstation«, entschied Riker. »Zwei Ringraumer sichern jeweils eine Hemisphäre des Mondes, und zwei weitere kümmern sich um die Pyramidenwracks. Ich will sichergehen, dass von denen keine Gefahr mehr für uns ausgeht. Der Rest des Verbandes folgt der NARVIK zur Mondoberfläche!«

Sharp übernahm es, den Schiffen ihre Aufgaben zuzuteilen, und gab die entsprechenden Befehle an die Kommandanten durch. Schließlich nahm das Flaggschiff Kurs auf die Mondoberfläche. Neun Schiffe, darunter die drei F, folgten dem Ringraumer, während die anderen die ihnen zugeteilten Positionen einnahmen.

Wie gezielt hinabgeworfene Ringe stießen die Raumer auf die schroffe Oberfläche des Trabanten hinab. Misstrauisch behielt Smicer die Ortungsergebnisse im Auge, jederzeit darauf gefasst, in den Daten einen Hinweis auf Waffenaktivität zu erspähen.

Doch die Utaren dachten offenbar nicht daran, das herannahende Geschwader mit den stationären Geschützen aufzuhalten, die es durchaus gab. Die Blauen wussten, sie hatten gegen die Übermacht des babylonischen Kampfverbandes keine Chance. Statt zu den Waffen zu eilen, zogen sie es vor, sich so schnell wie möglich aus dem Staub zu machen.

Ohne Zwischenfälle landeten die Schiffe um die Region herum, wo die Spürer die verborgene Forschungsstation unter der Oberfläche ermittelt hatten.

»Die Flashgeschwader sollen ausrücken und in die Station einfliegen«, befahl Riker. »Primäres Ziel ist es, einen möglichen Selbstzerstörungsmechanismus zu finden und unschädlich zu machen. Eine solche Vorrichtung wird es dort unten unzweifelhaft geben. Außerdem sollen so viele der Blauen festgesetzt werden wie möglich. Dafür ist es unabdingbar, den oder die Transmitter aufzuspüren und zu zerstören!«

Wenige Minuten später durchdrangen dutzende in ihre silbrig schimmernden Intervallfelder gehüllte Flash die carboritschwarze Außenhüllen der drei Ikosaeder-Raumer, deren Landevorrichtungen sich tief in das spröde Mondgestein gegraben hatten. Auch aus den Ringkörpern der Ovoid-Raumer kamen die Beiboote hervor. Die von ihrem Intervallum umflorten Zylinder sanken, kaum dass sie aus dem Mutterschiffe hervorgekommen waren, zu Boden und drangen wie in eine Holografie in das grauschwarze Gestein ein, um schließlich vollends darin zu verschwinden.

2.

Die Flashpiloten Maurice Bailey und Jim Dew stammten beide aus Bristol. Gemeinsam verlebten sie ihre Kindheit in der im Südwesten gelegenen, sechstgrößten Stadt Englands. Damals hatte Bristol noch als Zentrum der Luftfahrtindustrie gegolten.

Die beiden Jungen, die in derselben Straße aufwuchsen und schnell Freunde wurden, begeisterten sich schon früh für das Fliegen. Sobald sie die Schule abgeschlossen hatten, absolvierten sie eine Ausbildung zum Flugzeugbauingenieur. In ihrer knapp bemessenen Freizeit aber frönten sie ihrer Lieblingsbeschäftigung: dem Fliegen. Später traten sie der Terranischen Flotte bei und wurden, nachdem sie von der vereisten Erde nach Babylon ausgewandert waren, von der babylonischen Flotte übernommen.

Die beiden Männer zählten zu den routiniertesten Flashpiloten an Bord der FRIEDRICH. Sie galten als gut eingespieltes Team und unternahmen die meisten Flüge daher gemeinsam – so auch den Vorstoß in die verborgene Forschungsstation der verbrecherischen Utaren.

Mit seinen Gedanken steuerte Bailey den in sein Intervallum gehüllten Flash durch das Felsmassiv des Trabanten. Immer tiefer sank das Beiboot in das tote Gestein. Der Bildschirm über den Köpfen der beiden Männer zeigten schwarze Flächen, da sich draußen, außerhalb des Intervallums, nichts als finsterste Gesteinsmassen befanden. Der an leichter Leibesfülle leidende Bailey orientierte sich beim Navigieren an den Daten in den Speichern des Beibootes und nahm dabei auch die aktuellen Ortungsergebnisse der Spezial-Flash zu Hilfe.

»Wir sind die ersten, die die Station erreichen!«, freute sich Dew, der die technischen Anlagen überwachte.

Im selben Moment hellten sich die Monitore wieder auf.

Die beiden Rückenlehne an Rückenlehne sitzenden Männer sahen unwillkürlich zum Hauptbildschirm hinauf. Der Flash war durch eine Hallendecke geschwebt und verharrte jetzt in dem Raum. Dieser war dicht mit Regalen vollgestellt. Das Intervallum, das den Flash in einem Zwischenkontinuum hielt, verhinderte, dass das Beiboot irgendwo anstieß. Es glitt wie eine Illusion wesenlos durch die Materie hindurch.

»In unmittelbarer Nähe sind keine Biosignale aufzuspüren«, informierte Dew seinen Freund. Die sehnigen Finger des hageren Mannes huschten in routinierter Eile über die Bedienfelder.

»Werden irgendwelche energetischen Auffälligkeiten registriert?«, fragte Bailey.

»Davon gibt es eine ganze Menge.« Dews Gesicht wirkte angestrengt. Aufmerksam studierte er die auf seiner Arbeitsstation dargestellten Werte. »Die technischen Anlagen dieser Station arbeiten offenbar alle auf Hochtouren. Es scheint, als hätten die Utaren alle ihnen zur Verfügung stehenden Geräte eingeschaltet, vermutlich, um unsere Spürer zu verwirren.«

»Mach es kurz, Mann!«, blaffte Bailey. »Wir sind hier, um nach einer Selbstzerstörungseinrichtung zu suchen!«

»Der energetische Wirrwarr hier lässt keine Interpretation zu.« Dew fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. »Die Selbstzerstörungsvorrichtung könnte überall in dieser Anlage verborgen sein.«

Bailey steuerte den Flash aufs Geratewohl in eine beliebige Richtung, blieb dabei jedoch innerhalb des ihnen zugewiesenen Quadranten. Das Materialdepot, durch das sie sich im Moment bewegten, wirkte riesig. Lebensmittel wurden hier ebenso gelagert wie Chemikalien und Ersatzteile, wie die Behälter vermuten ließen. »Haben die anderen irgendetwas Brauchbares herausgefunden, Jim?«

Der Flashpilot schüttelte den Kopf.

Zu der Gruppe, die die Selbstzerstörung verhindern sollte, zählten zwanzig Beiboote. Inzwischen waren alle Flash der Staffel an ihrem Bestimmungsort eingetroffen, sodass die Forschungseinrichtung zeitgleich flächendeckend abgesucht werden konnte.

»Die fischen ebenso im Trüben wie wir«, erklärte Dew. »Es liegen keine signifikanten Ortungsergebnisse vor, die explizit auf eine Bombe oder ähnliches hinweisen. Wie gesagt: die energetischen Impulse in dieser Anlage sind so dicht gestaffelt, dass kaum etwas Konkretes über die Quellen ausgesagt werden kann.«

»Dann müssen wir eben unsere Phantasie spielen lassen und improvisieren.«

Mit ausgeschaltetem Brennkreis glitt der Flash durch die Mauer des Depots hindurch und tauchte in den Nachbarraum ein. Mehrere sarkophagähnliche Behälter standen darin. Die Metallkästen schimmerten matt im Licht der Deckenleuchten. In die Deckel eingearbeitete Fenster gewährten Einblick in die Behältnisse.

»Ich empfange schwache Bioimpulse«, berichtete Dew aufgeregt. »Diese Sarkophage – sie sind nicht leer!«

»Das sehe ich selber.« Baileys Stimme klang rau.

Der Flash verharrte über einem der Behälter. Die Kamera, die via Reizstrahl Aufnahmen der Bereiche außerhalb des Intervallums aufzeichnete, zielte direkt auf das in den Deckel eingelassene Fenster. Dahinter schimmerte das blaue Gesicht eines Utaren hervor. Mund und Augen des Blauen standen offen. Er schwamm in einer transparenten Flüssigkeit, mit der der Behälter bis zum Rand gefüllt war. Die blauen Augen starrten blicklos vor sich hin. Verwirbelungen über den offenstehenden Lippen verrieten, dass der Gefangene die Flüssigkeit atmete.

»Sie haben mit ihren eigenen Leuten rumexperimentiert«, stellte Bailey fassungslos fest.

»Hier geht irgendwas vor sich!«, warnte Dew. »Die Sarkophage, sie werden plötzlich mit Energie versorgt!«

Bailey furchte die Stirn. »Warum denn das plötzlich?«

Dew wusste sofort, worauf sein Partner hinaus wollte. »Es wäre durchaus denkbar, dass unser Eindringen von Spürern bemerkt wurde.«

Bailey presste die Lippen aufeinander. »Das würde bedeuten, es gibt hier Intervallfeldspürer.«

Die Deckel der Sarkophage glitten synchron auf. Sie öffneten sich wie die Sargdeckel von in ihrer Gruft ruhenden Vampiren, die sich nach Einbruch der Dunkelheit aus ihren Schlafstätten erhoben, um ihr grausiges Nachtwerk zu verrichten.

»Das Geheime Imperium hat solche Ortungsanlagen entwickelt, um die Annäherung eines intervallfeldgeschützten Raumschiffs rechtzeitig festzustellen«, erinnerte sich Dew. Er schluckte trocken, denn die in den Behältern ruhenden Utaren setzten sich nun auf, während die Flüssigkeit an ihren Körpern hinabrann und aus ihren blauen Haar troff.

»Das Geheime Imperium befindet sich aber doch in Andromeda«, wandte Bailey ein.

»Aber es sind ebenfalls Utaren. Offenbar gibt es eine Verbindung zwischen den Blauen des Geheimen Imperiums und den verbrecherischen Zwergen in der Milchstraße.«

Die tropfnassen Utaren stiegen aus den Behältern und begannen, ziellos in dem Raum umherzutappen. Sie stießen aneinander oder prallten gegen die Wände. Taumelnd drehten sie sich um ihre Achsen, als versuchten sie vergeblich, sich zu orientieren.

»Das sind doch alles nur Spekulationen«, zeigte sich Bailey von den Mutmaßungen seines Kameraden wenig überzeugt. »In den Dateien, die Giray und seine Partnerin sicherten, ist über solche Zusammenhänge jedenfalls nichts zu erfahren gewesen. Es ist auch nicht unsere Aufgabe, uns die Köpfe über die Seilschaften dieser Utaren hier zu zerbrechen. Wir müssen die anderen warnen. Sie müssen wissen, dass es in dieser Station Intervallfeldspürer gibt!«

»Das werde ich übernehmen«, erklärte Dew.

Bailey beobachtete das Treiben der Utaren missmutig. »Ich verstehe nicht, was dieser Zauber bezwecken soll«, murmelte er, während Dew eine Meldung an die anderen Flashpiloten durchgab. »Diese armen Gestalten hier können uns nichts anhaben. Es ergibt keinen Sinn, dass sie aus ihren Sarkophagen entlassen wurden.«

»Der Grund liegt doch auf der Hand«, ging Dew auf das Geflüster seines Kameraden ein. »Diese Utaren sollen uns aufhalten. Und das tun sie auch gerade.«

Bailey nickte verstehend. »Weil wir hier verharren und rumgaffen, anstatt unsere Arbeit zu machen. Die Blauen wollen uns beschäftigen, damit wir die Selbstzerstörung der Anlage nicht abwenden.« Wütend, diesem einfachen Trick auf dem Leim gegangen zu sein, steuerte Bailey das Beiboot aus dem Raum hinaus.

»Wo willst du hin?«, erkundigte sich Dew.

»Dorthin, wo die Selbstzerstörungseinrichtung am sinnvollsten untergebracht wäre: zur zentralen Energieversorgung der Station. Dort hatten Lek und seine Spießgesellen in ihrer Anlage auf Blitz die Selbstzerstörungsanlage jedenfalls installiert. Hier wird es höchstwahrscheinlich genauso sein!«

*

Sada Ganesha konnte es sich nicht abgewöhnen, ihren Kopf zu drehen, wenn sie mit Krishan Vibes sprach, der im Sitz hinter ihr saß. Sehen konnte sie ihren Partner allerdings nicht, da die beiden aneinander liegenden Rückenlehnen ihr die Sicht verstellten.

Das Licht des Bildschirms über ihren Köpfen verfing sich in dem blauschwarzen, kurzen Haar der Inderin, deren Figur ausgesprochen knabenhaft und juvenil wirkte. »Die Kammer, in dem sich der Transmitter befindet, ist jetzt nur noch etwa hundert Meter von uns entfernt«, informierte sie ihren Kameraden.

»Wir fliegen das Ziel schnurgerade an«, bestätigte Vibes, der die Gedankensteuerung des Flash innehatte. »Ist die Abstrahlantenne auf Strich-Punkt-Strahl eingestellt? Ich will so viele Utaren wie möglich paralysieren, bevor sie durch den Transmitter abhauen können!«

»Es ist alles bereit« Ganesha spitzte den Mund. Der Biospürer zeigte in unmittelbarer Nähe plötzlich einen beunruhigenden Wert an. »Wir müssten gleich auf eine Lebensform stoßen«, erklärte sie.

»Lebensform? Kannst du dich nicht etwas genauer ausdrücken, Sada?«

»Es ist jedenfalls kein Utare, den der Biospürer da anzeigt. Das Signal deutet auf ein etwa zwei Meter hohes Geschöpf hin; es ist also doppelt so groß wie die Blauen.«

»Wahrscheinlich ist es wieder ein Schleichsoldat«, erwiderte Vibes. »Von denen sind uns in den Korridoren schon einige begegnet. Sie können uns in unserem Flash nichts anhaben, Sada. Das Intervallum schützt uns.«

Ganesha verdrehte die Augen. »Wann gewöhnst du es dir endlich ab, mich beruhigen zu wollen, Krishan? Nur weil ich eine Frau bin, heißt das noch lange nicht, dass ich von Grund auf ängstlich bin.«

»Du machst dir aber doch Sorgen. Das ist deiner Stimme deutlich anzuhören.«

Ganesha rieb sich gereizt die Handflächen. »Ich bin tatsächlich besorgt. Dieser Bioimpuls – er tauchte wie aus dem Nichts plötzlich in dem Raum vor uns auf.«

Vibes hielt auf die Mauer zu. »Gleich werden wir sehen, worum es sich handelt.«

Im selben Moment erreichte Sada Jim Dews Funkspruch.

»Es soll hier Intervallfeldspürer geben!«, gab Ganesha die Information weiter, wobei sie den Kopf ruckartig zu ihren Kameraden herumdrehte. »Vielleicht ist das Biosignal deswegen so urplötzlich aufgetaucht, weil der Intervallorter unser Nahen bemerkt hat!«

Der Flash jagte durch die Wand hindurch.

Bei dem Raum, in den sie eindrangen, handelte es sich unzweifelhaft um ein Labor. Vibes und Ganesha hatten zahlreiche ähnlich aussehende Einrichtungen auf ihrem Weg zum Transmitter durchflogen. Nur selten waren diese Räumlichkeiten verlassen gewesen. Utaren hielten sich darin jedoch nicht auf – die befanden sie alle auf dem Weg zum Transmitter, um zu fliehen. Stattdessen hatten die beiden Flashpiloten in den Laboren die zum Teil sehr skurrilen biologischen Züchtungen der Blauen erblickt, unter ihnen auch die berüchtigten Schleichsoldaten, humanoide Kreaturen, auf deren gebeugten Leibern Hornplatten wuchsen. Sie bewegten sich völlig lautlos und waren, wie die anderen Genexperimente auch, zum Töten abgerichtet.

Dieser Anblick hatte die beiden Flashpiloten nach und nach abgestumpft, und so empfanden sie kaum noch Abscheu, als die spindeldürre Gestalt plötzlich auf dem Bildschirm über ihren Köpfen auftauchte. Die Haut des Geschöpfs, das offenbar nackt war, schimmerte silbrig. Der eiförmige, kahle Kopf besaß kaum Konturen, die an ein Gesicht erinnerten. Die Augen glänzen ebenfalls silbrig, und die langen, dolchförmigen Klauen glitzerten wie poliertes Edelmetall.

Vibes, der nichts Böses ahnte und so schnell wie möglich an sein Ziel kommen wollte, reagierte nicht, als das Wesen, das mit dem Kopf fast an die Decke des für Utaren ausgelegten Raumes stieß, sich dem Flash mit einem ungelenken Schritt in den Weg stellte.

Der in sein Intervallum gehüllte Flash glitt wie gewohnt durch die dürre Gestalt hindurch. Doch anders als die Materie, die das Beiboot sonst durchflog und die nicht in das Zwischenkontinuum vordrang, in das der Flash gebettet war, tauchte das Wesen plötzlich in der Kabine des Beibootes auf. Wie ein Geist durch eine Wand glitt es durch die Hülle und die Konsolen und hob den rechten Arm zum Schlag.

Als würde der silbrige Glanz plötzlich von den Krallen herabfließen, wurden diese schlagartig pechschwarz.

Vibes schrie auf und riss das Beiboot herum. Doch da bohrten sich die messerscharfen Klauen des Ungeheuers auch schon in seine Brust und rissen sie auf.

Der Flashpilot war auf der Stelle tot.

Ganesha riss den Kopf herum und schrie nun ebenfalls, als sie die silbrige Gestalt aus den Augenwinkeln wahrnahm. Die schwarzen Krallen, an denen das Blut ihres Kameraden klebte, überzogen sich wieder mit dem silbrigen Glanz. Im nächsten Moment verschwand das Wesen aus dem sich waagerecht fortbewegenden Flash.

Doch damit gab sich das Ungeheuer nicht zufrieden. Wie die angstvoll starrende Ganesha auf dem Bildschirm über ihrem Kopf sehen konnte, setzte die Gestalt dem Beiboot nach.

Das Geschöpf holte aus und hieb mit lang ausgestrecktem Arm nach dem Flash. Der Unterarm durchdrang das Intervallum und die Hülle. Die Krallen, von denen sich der silbrige Schimmer blitzartig zurückzog, sodass sie schwarz wurden, zischten nur eine Handbreite von Ganeshas Gesicht entfernt durch die Luft.

Die Pilotin erstarrte für einen Moment, dann packte sie den Steuerhebel und riss den Flash nach oben, sodass er durch die Decke entschwand und das Labor hinter sich zurückließ. Die Spitze einer Kralle, die von dem silbrigen Flor nicht mehr rechtzeitig bedeckt werden konnte, ehe der Arm aus dem Flash hinausglitt, blieb an der Konsole hängen, riss ab und fiel Ganesha zwischen die Füße.

Der jungen Frau blieb jedoch keine Zeit, Ekel zu empfinden, denn in dem Raum, in den sie mit den Flash vorgedrungen war, hielt sich ebenfalls ein spindeldürres, silbriges Geschöpf auf.

»Was, in Gottes Namen, geht hier vor?«, schrie sie. Mit der Faust hieb sie auf den Notruftaster.

Nur den Bruchteil einer Sekunde später stachen die schwarz gewordenen Krallen der Kreatur tief in ihren Hals.

*

»Wir haben einen Flash verloren!« Jim Dews Stimme war anzuhören, dass er die Nachricht nicht glauben konnte, die er da gerade von sich gab. »Sada Ganesha und Krishan Vibes – sie sind beide tot!«

»Wie konnte das passieren?« Maurice Bailey lenkte den Flash langsam durch die Halle, in der der zentrale Energiemeiler stand.

Den außerhalb des Intervallums liegenden Brennkreis einzusetzen, ohne dabei eine der zahlreichen Leitungen zu beschädigen, die entlang des Bodens verliefen, stellte sich als knifflige Aufgabe heraus. An dem Meiler hafteten kastenförmige Aggregate und zylinderförmige Aufsätze, die weit in den Ringkorridor hineinragten, der um den Block herumführte. Doch Bailey besaß genügend Erfahrung und Fingerspitzengefühl, um den Flash sicher durch die Anlage zu lenken, ohne dabei mit dem Brennkreis Schäden anzurichten.

In knappen Worten gab Dew den Bericht aus der Leitzentrale wieder: »Wenn Ganesha nicht den Alarm ausgelöst hätte, wären womöglich noch weitere Kameraden ums Leben gekommen. Sie konnte die anderen noch warnen, ehe sie starb.«

Bailey machte ein angestrengtes Gesicht. »Halte bloß die Augen offen, Jim! Vielleicht bekommen wir es auch mit einem dieser dürren Intervallmonster zu tun.«

»Offenbar halten die sich nur in der Nähe des Transmitters auf, den die Utaren zur Flucht benutzen«, erwiderte Dew. »Diese Kreaturen sollen vermutlich den Rückzug der Blauen sichern.«

»Wie viele Utaren befinden sich denn überhaupt noch in der Anlage?«, wollte Bailey wissen. »Wir müssen damit rechnen, dass hier alles in die Luft fliegt, sobald der letzte blaue Teufel auf und davon ist!«

Dew hielt mit der Leitstelle kurz Rücksprache. »Laut den Biospürern halten sich nur noch etwa ein Dutzend Utaren in der Nähe des Transmitters auf. Alle übrigen Bioimpulse, die in der Anlage registriert werden, stammen entweder von unseren Leuten oder von den unsäglichen Bioexperimenten, die hier überall ihr Unwesen treiben.«

»Wir müssen zusehen, dass wir die verfluchten Sprengsätze des Selbstzerstörungsmechanismus endlich finden und unschädlich machen!«, drängte Bailey.

Dew beugte sich vor, starrte die auf seiner Arbeitsstation angezeigten Messwerte konzentriert an. Das hohe Aufkommen an energetischer Strahlung, das in der Halle herrschte, machte es jedoch fast unmöglich, differenzierte Werte zu empfangen. Dew konnte nicht einmal ahnen, wo die Blauen die Sprengsätze deponiert hatten. Jeder der Kästen und Zylinder, mit denen der Meiler gespickt war, konnte eine Bombe beinhalten.

»Es ist zwecklos«, murmelte Dew. »Auf herkömmliche Art werden wir die Sprengsätze niemals rechtzeitig entdecken!«

»Haben die anderen Bombensucher denn schon etwas Verdächtiges gefunden?« Bailey bugsierte den Flash unter einer meterdicken Rohrleitung hindurch, wobei der Flash halb in den Boden einsank.

»Die tappen ebenso im Dunkeln wie wir«, erwiderte Dew.

»Meines Erachtens suchen unsere Kameraden an der falschen Stelle«, murrte Bailey. »Die Sprengsätze müssen hier irgendwo deponiert sein. Alles andere erscheint mir unlogisch.«

Dew nickte beipflichtend – und plötzlich kam ihm eine Idee.

*