Ren Dhark – Weg ins Weltall 66: Aufruhr in Voktar - Achim Mehnert - E-Book

Ren Dhark – Weg ins Weltall 66: Aufruhr in Voktar E-Book

Achim Mehnert

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Beschreibung

Bei der Zollkontrolle auf Danlechraa werden die GSO-Agenten Liv Sanders und Ömer Giray getrennt. Sanders taucht nicht wieder auf, und ihr Partner befürchtet das Schlimmste, weshalb er sich umgehend auf die Suche nach seiner Kollegin begibt. Etwa zur selben Zeit stellen Ren Dhark und seine Begleiter in der fernen Galaxis NGK 3109 fest, dass es dort unter der friedlich wirkenden Oberfläche zu brodeln scheint. Chris Shanton, Arc Doorn und Amy Stewart, die immer noch nach einem Weg in die heimatliche Milchstraße suchen, bekommen es inzwischen mit einem weiteren kriegerischen Volk zu tun. Alles sieht ganz danach aus, als herrsche Aufruhr in Voktar... Jan Gardemann, Achim Mehnert und Nina Morawietz schrieben diesen spannenden SF-Roman voller Action nach dem Exposé von Ben B. Black.

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Ren Dhark

Weg ins Weltall

 

Band 66

Aufruhr in Voktar

 

von

 

Achim Mehnert

(Kapitel 1 bis 6)

 

Nina Morawietz

(Kapitel 7 bis 12)

 

Jan Gardemann

(Kapitel 13 bis 18)

 

und

 

Ben B. Black

(Exposé)

Inhalt

Titelseite

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

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Impressum

Prolog

Im Herbst des Jahres 2067 scheint sich das Schicksal endlich einmal zugunsten der Menschheit entwickelt zu haben. Deren Hauptwelt heißt längst nicht mehr Terra, sondern Babylon. 36 Milliarden Menschen siedelten auf diese ehemalige Wohnwelt der Worgun um, als die irdische Sonne durch einen heimtückischen Angriff zu erlöschen und die Erde zu vereisen drohte. Mittlerweile konnte die Gefahr beseitigt werden, und das befreundete Weltallvolk der Synties hat den Masseverlust der Sonne durch die Zuführung interstellaren Wasserstoffgases wieder ausgeglichen. Die Erde ist erneut ein lebenswerter Ort, auf dem allerdings nur noch rund 120 Millionen Unbeugsame ausgeharrt haben. Die neue Regierung Terras unter der Führung des »Kurators« Bruder Lambert hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Planeten nach dem Vorbild Edens in eine Welt mit geringer Bevölkerungsdichte, aber hoher wirtschaftlicher Leistungskraft zu verwandeln, und ist deshalb nicht bereit, die nach Babylon Ausgewanderten wieder auf die Erde zurückkehren zu lassen.

Allerdings haben auch die wenigsten der Umsiedler konkrete Pläne für einen neuerlichen Umzug innerhalb so kurzer Zeit. Es kommt die katastrophale Entwicklung hinzu, die Babylon seit dem Umzug der Menschheit nahm: Durch eine geschickt eingefädelte Aktion war es dem höchst menschenähnlichen Fremdvolk der Kalamiten gelungen, den Regierungschef Henner Trawisheim, einen Cyborg auf geistiger Basis, derart zu manipulieren, dass er zu ihrem willenlosen Helfer und Vollstrecker bei der geplanten Übernahme der Macht über die Menschheit wurde. Erst in allerletzter Sekunde gelang die Revolution gegen die zur Diktatur verkommene Regierung Babylons und damit gegen die heimlichen Herren der Menschheit, die Kalamiten. Während den meisten der Fremden die Flucht gelang, wurde Trawisheim aus dem Amt entfernt und in ein spezielles Sanatorium für Cyborgs gebracht.

Noch im selben Jahr nimmt Ren Dhark das Angebot des Industriellen Terence Wallis an und lässt seinen Körper mit Nanorobotern behandeln, die ihn und sieben von ihm Auserwählte unsterblich machen. Doch anstatt sich mit seiner nun vollständig veränderten Lebensperspektive beschäftigen zu können, muss sich Ren Dhark einer neuen Aufgabe stellen: Eine unbekannte Macht namens Kraval sorgt dafür, dass der Hyperraum nicht länger zugänglich ist.

Als man diese Herausforderung endlich gemeistert hat, tauchen die Wächter mit einer neuen Hiobsbotschaft auf: Im Zentrum der Milchstraße hat sich scheinbar aus dem Nichts ein Miniaturuniversum gebildet, das allerdings exponentiell wächst und schon in wenigen Jahren den Untergang unseres Universums herbeiführen könnte.

Mithilfe der Nomwarun – nur etwa 50 Zentimeter große Nachfahren der Worgun – gelingt es schließlich, der Gefahr zu begegnen. Allerdings spielen die Nomwarun nicht mit offenen Karten und zerstören das Miniuniversum, anstatt es wie versprochen in ein anderes Kontinuum zu versetzen, weil das anscheinend nicht möglich gewesen ist. Ren Dhark macht dieses Resultat sehr zu schaffen, doch es gelingt ihm nicht, die Nomwarun entsprechend zur Rede zu stellen.

Knapp zwei Jahre später, im Sommer des Jahres 2072, scheint endlich Ruhe in der Milchstraße eingekehrt zu sein und die Normalität zu herrschen, die sich jedermann wünscht. Da erhält Ren Dhark einen Notruf von der Erde: Arc Doorn, Chris Shanton und Amy Stewart haben eine uralte Einrichtung der Wächter unterhalb des Titicacasees erforscht und sind seither verschollen. Auf der Suche nach den Freunden folgen Ren Dhark und seine Getreuen einer Spur, die sie in die Galaxis Voktar führt. Doch dort ist es bei Weitem nicht so friedlich, wie es zuerst den Anschein hatte …

1.

Mit versteinerter Miene stand Ren Dhark am Fenster des Regierungsgebäudes, dem der Ansturm der aufgebrachten Loon galt. Die anderthalb Meter großen Igelwesen trampelten über die Blumenrabatten hinweg, wälzten sich durch penibel beschnittenes Buschwerk und veranstalteten dabei einen Heidenlärm. Die Pfiffe und Schreie, das Lärmen der Tröten und die aus Megafonen dringenden Parolen der Demonstranten steigerten sich zu einer schrillen Kakofonie. Inzwischen war die Menge auf fünfhundert oder mehr Loon angewachsen, schätzte der Commander.

Demonstranten oder Aufständische?, fragte er sich. Und was trieb sie zum Marsch auf das Regierungsgebäude?

Dhark vermochte sich die Fragen nicht zu beantworten. Sie wussten zu wenig über die Verhältnisse auf Schruun. Eigentlich, korrigierte er sich in Gedanken, wussten sie gar nichts. Sie konnten nur spekulieren und Schlüsse ohne Hand und Fuß ziehen.

Sein Blick wanderte nach links hinüber, wo ein Glutnest schwelte und Flammen über die Fassade leckten. Sie stammten von Brandsätzen.

»Kommen Sie, Sir.« Kai Nunaats Stimme. »Sie sind hier nicht mehr sicher. Ziehen wir uns durch den Hinterausgang zurück.«

»Durch den sich auch die Regierungsverantwortlichen verkrochen haben?«, gab Dhark schärfer als beabsichtigt zurück. Es widerstrebte ihm, sich feige davonzumachen, während sich vor dem Haus eine regelrechte Schlacht entwickelte. »Warum redet niemand mit den Leuten?«

Mit Reden hielten sich Piirlos in Panzerkleidung gehüllte Sicherheitskräfte nicht auf. Sie drangen mit Schlagstöcken auf die Menge ein, und dabei gingen sie nicht zimperlich vor.

Der reinste Bürgerkrieg. Dhark rief sich in Erinnerung, dass der Proteststurm mit der Anwesenheit der Besucher aus dem Weltraum zusammenhing, mit der Anwesenheit der POINT OF und ihrer Besatzung.

»Wir sollten jetzt wirklich gehen, Sir«, drängte Nunaat. »Die Angreifer brechen durch. Es ist besser, wir halten uns aus der Angelegenheit raus, denn sie ist nicht die unsere.«

Nicht die unsere? Aber sehr wohl unsere Schuld, hielt Dhark dem Cyborg gedanklich entgegen. Auch wenn ich nicht weiß, wieso.

Er wollte sich gerade umdrehen und Nunaats Drängen nachgeben, als eine Veränderung eintrat. Zunächst entdeckte Dhark verwaschene Lichtreflexe in der Dunkelheit, die sich Sekunden später als Scheinwerfer entpuppten. In geringer Höhe schossen Gleiter heran. Dhark vergaß den Cyborg glatt, denn das schaurige Geschehen schlug ihn in den Bann. Wie Raubvögel auf der Jagd stießen die Gleiter herab, schlanke, an Torpedos erinnernde Maschinen, und stürzten sich auf die Loon.

In dem Moment, als sie feuerten, brach auf dem Platz Panik aus. Der Sturm auf das Regierungsgebäude endete jäh, als draußen die ersten lebenden Fackeln aufflammten.

Dharks Augen weiteten sich vor Entsetzen. Betäubungsstrahlen – er hatte mit Betäubungsstrahlen gerechnet. Stattdessen richteten die Insassen der Gleiter ein Massaker an.

»Aufhören!«, schrie Dhark. Oder bildete er es sich nur ein? Seine Stimme übertönte kaum die Schreie der Menge. »Sofort das Feuer einstellen!«

Die Demonstranten stoben auseinander, hetzten, rannten, stolperten in blinder Flucht davon. Zu Dutzenden wurden sie von den Energiestrahlen niedergemäht.

In dem Chaos entdeckte Dhark Piirlo, der sich mit seinen Sicherheitskräften ins Gebäude zurückzog, um nicht versehentlich getroffen zu werden. Währenddessen ging das Sterben weiter. Dhark stand an seinem Fensterplatz sozusagen in vorderster Reihe, wie ein Zuschauer mit der teuersten Eintrittskarte. Sekundenlang war er unfähig, sich zu rühren. Er fühlte sich, als sei sein Körper zu Eis erstarrt.

Nachdem er den ersten Schock überwunden hatte, wirbelte er herum, suchte Lunguun.

Der Obmann hielt sich als letzter verbliebener Loon im Gebäude auf. Er wagte nicht, den Besuchern von der Seite zu weichen, doch nicht einmal sein fremdartiges Aussehen verbarg die Angst, die er ausstand. Er kauerte hinter den Raumfahrern, mit vornübergebeugtem Körper. Der breite Stachelkamm, der sich an Stelle von Haaren von der Stirn ausgehend über den ganzen Kopf erstreckte, sträubte sich.

»Wovor fürchtest du dich?«, herrschte Dhark den Igel an. Er deutete hinter sich, durch die Scheibe. »Die Loon sind zurückgeschlagen. Sie stellen keine Bedrohung mehr dar. Ich verlange, dass du dieses Massaker umgehend beendest.«

Lunguun zuckte zusammen. Die kohlenschwarzen Augen unter der kegelförmigen, spitzen Nase schimmerten. »Es ist alles in Ordnung. Sieh nur, der Angriff der Aufrührer wurde beendet.«

Dhark schielte über die Schulter. Tatsächlich, die protestierenden Igelwesen hatten sich in alle Richtungen zerstreut – genauer gesagt, diejenigen, die das Massaker überlebt hatten. Sein Blick wanderte über die zum Teil grässlich verstümmelten Leichen.

»Hundert oder mehr Tote«, murmelte er entsetzt.

»Ich muss mich bei Piirlo und seinen Sicherheitskräften bedanken«, drängte sich Lunguuns Stimme in seine Überlegungen. »Sie haben die Situation unter Kontrolle gebracht, wie nicht anders zu erwarten.«

Wie aufs Stichwort betrat Piirlo den festlich geschmückten Raum, in dem das verwaiste Buffet duftete.

»Aufgabe erledigt«, verkündete er. »Geht es unseren Besuchern gut?«

Besucher. Schon wieder dieser Ausdruck!

Seit der Landung der POINT OF bezeichneten die Loon die Raumfahrer so.

Dhark konnte es nicht mehr hören, wie so einiges andere, mit dem sie seit ihrem Zusammentreffen konfrontiert wurden. Bisher hatte er das seltsame Verhalten über sich ergehen lassen, um an Informationen zu gelangen, doch die eben miterlebte Barbarei änderte alles.

»Nein, den Besuchern geht es nicht gut.« Zumindest mir nicht. Zum ersten Mal seit Beginn der Krawalle gewahrte der Commander seine Begleiter.

Die Cyborgs Kai Nunaat und Bram Sass standen nur wenige Schritte von ihm entfernt. Vermutlich hatten sie ihn nicht eine Sekunde aus den Augen gelassen, Nunaats Appell hin oder her. Artus und Jimmy verhielten sich abwartend.

Dhark selbst war auf hundertachtzig. »Geht es euch etwa gut mit all den Toten da draußen? Ihr habt eure eigenen Leute abgeschlachtet, unnötig und sinnlos. Es hätte genügt, sie zu paralysieren. Erzählt mir bloß nicht, ihr besäßet keine Möglichkeit, sie zu betäuben.«

»Die besitzen wir durchaus«, räumte Lunguun ein, »aber ich verstehe dich nicht. Es ist uns gelungen, in kürzester Zeit den Frieden wiederherzustellen. Ist das nicht das Wichtigste?«

»Wir können jetzt wieder ungestört produktiv sein«, fügte Piirlo hinzu.

»Ihr seht, bei uns ist alles in Ordnung, Besucher. Es gibt nichts zu beanstanden«, versicherte der Obmann.

Dem Commander lag Widerspruch auf der Zunge. Er verschluckte ihn, als Artus ein menschliches Räuspern imitierte. Ihm war klar, was der Roboter ihm bedeuten wollte. Sie befanden sich als Gäste auf Schruun, auf der Suche nach Informationen über die Galaxis Voktar, in der sie sich aufhielten, um nach den verschollenen Arc Doorn, Chris Shanton und Amy Stewart zu suchen. Doch damit konnten die Loon ihnen nicht dienen, oder sie wollten es nicht. Stattdessen wiederholten sie in ihrer scheinbaren Naivität andauernd, wie friedfertig und zugleich produktiv sie seien.

Ein Beispiel ihrer sogenannten Friedfertigkeit hatte Dhark soeben erhalten. Dennoch hielt er sich zurück, denn Artus hatte recht. Es stand ihm nicht zu, sich in die inneren Angelegenheiten eines anderen Volkes einzumischen, eines Volkes zudem, das sie erst seit einem Tag kannten. Die Zusammenhänge blieben ihm verborgen. Weder wusste er über die Zusammenhänge Bescheid noch über die Vorgeschichte des gewaltsamen Zusammenstoßes zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften. Wer sagte ihm denn, dass die aufmarschierten Loon nicht selbst die Schuld an ihrem Schicksal trugen?

Du machst dir etwas vor. Egal was geschehen sein mag, es ist unentschuldbar, eine unbewaffnete Menge mit Energiegeschützen niederzumähen.

Unbewaffnet bis auf die Brandbomben, schränkte Dhark in Gedanken ein.

Nach und nach kehrten die durch den rückwärtigen Ausgang geflohenen Politiker und Wirtschaftsvertreter in den Regierungssitz zurück. Kaum jemand verschaffte sich einen Eindruck von der Lage vor dem Haus. Da Piirlo sich bei Lunguun aufhielt, schienen alle davon auszugehen, die Bedrohung sei ausgeschaltet. Die zahlreichen Toten auf dem Platz, wo, wie Dhark sich überzeugte, inzwischen Aufräumarbeiten einsetzten, interessierten niemanden.

Schon nahmen die ersten Loon wieder am Bankett Platz, das sie zuvor fluchtartig verlassen hatten. Andere standen beisammen und tuschelten, und einmal mehr registrierte Dhark die Gefühle, die die Igelwesen ihren Besuchern entgegenbrachten: Respekt, Ehrfurcht, wenn nicht sogar Angst.

»Wollt ihr wieder Platz nehmen?«, bot Lunguun den Raumfahrern an.

Dhark schüttelte den Kopf, eine Geste, die sein Gegenüber nicht verstand. Er legte keinen Wert auf einen weiteren Bissen. Der Appetit war ihm gründlich vergangen.

Die meisten Loon kannten solche Zurückhaltung nicht. Sie griffen schon wieder zu.

Dhark verzichtete auf kritische Bemerkungen.

»Ich bedanke mich für eure Gastfreundschaft, Obmann, doch wir möchten an Bord unseres Schiffes gehen«, erklärte er mit frostiger Stimme. »Sorge bitte für ein Transportmittel, das uns zum Raumhafen bringt.«

»Ganz wie du willst. Ich veranlasse es umgehend«, antwortete Lunguun und entfernte sich.

Dhark verzichtete auf eine Verabschiedung von den hochgestellten Persönlichkeiten dieser Welt. Er gab seinen Leuten ein Handzeichen, und sie folgten ihm nach draußen. Beißender Gestank empfing die Raumfahrer, der Gestank von verbranntem Fleisch.

Unwillkürlich blieb Dhark stehen. Die zum Teil schauderhaft entstellten Leichen wurden bereits abtransportiert. Gleiches galt für Verletzte, deren Schmerzensschreie den Albtraum noch verschlimmerten. Beiläufig registrierte der Commander den Ausfall einiger Scheinwerfer, die den buckelförmigen Bau zuvor in bunten Farben angestrahlt hatten.

Artus schien seine Gedanken zu erraten. »So viele Tote für ein wenig Sachbeschädigung? Dafür gibt es keine rationale Erklärung.«

»Vielleicht wäre es ohne das Eingreifen der Sicherheitstruppe nicht bei Sachbeschädigung geblieben«, wandte Bram Sass ein. Der stämmige Cyborg mit den schulterlangen, dunklen Haaren und dem groben, kantigen Gesicht schickte entschuldigend hinterher: »Nicht, dass mich jemand missversteht. Die Reaktion von Piirlos Leuten steht in keinem Verhältnis zum Auftreten der Aufständischen.«

»Aufständische?«, echote Dhark. Der Ausdruck klang so negativ.

»Meinetwegen nennen wir sie Demonstranten«, sagte der in Südtirol geborene Ladiner.

Wie Kai Nunaat flankierte auch Sass den Commander. In ihrer typisch vorsichtigen Art kalkulierten die Cyborgs sogar die Möglichkeit ein, dass die Loon gegen die Raumfahrer vorgingen. Dhark hielt das für Unsinn.

Nicht gegen die Besucher.

Immer wieder stellte er sich dieselben Fragen, ohne eine Antwort zu finden. Als in der nächsten Minute der Gleiter eintraf, der sie zur POINT OF bringen sollte, widerstand Dhark dem Impuls, sich noch einmal umzusehen.

*

»Goglong erteilt uns Starterlaubnis«, wunderte sich Glenn Morris, kaum dass Ren Dhark die Zentrale betrat. »Ich habe ihn nicht angefunkt.«

»Bestätigen Sie«, wies der Commander den Funker mit der schmalen Gestalt an. Er warf sich in den Kommandantensessel und griff auf die Steuerung des Ringraumers zu. Die Freigabe des Zweiten Sichters der Raumhafenkontrolle überraschte ihn nicht. »Goglong hat Anweisungen von Lunguun erhalten. Die Loon sind froh, uns wieder los zu sein.«

»Das klingt, als sei Ihr Besuch nicht nach Wunsch verlaufen«, meldete sich Hen Falluta zu Wort.

»Das kann man wohl sagen.« Dhark brachte die POINT OF in die Luft. Er überließ es Artus, einen Bericht über den Verlauf des Abends abzugeben.

In der Zentrale machte sich Entsetzen breit. Niemand konnte sich das rigorose, an Massenmord erinnernde Verhalten der Loon erklären.

Schnell blieb der zweite Planet hinter dem Schiff zurück.

Dhark warf einen missmutigen Blick zu der in der Bildkugel prangenden blauen Sonne, die ihn so sehr an Foru erinnerte, das Zentralgestirn im Heimatsystem der Worgun. Er verschwendete nur einen beiläufigen Gedanken daran, dass auf Schruun Worgun als Lingua franca galt.

»Vor unserem Aufbruch habe ich mit meinen feinen Sensoren eine Bemerkung aufgeschnappt, die euch entgangen ist«, beendete Artus seinen Bericht. »Die Loon gehen davon aus, dass sie die Prüfung bestanden haben.«

»Was denn für eine Prüfung?«, fragte der aus Mailand stammende Funker Tino Grappa.

»Darüber wurde leider kein Wort verloren«, bedauerte der Roboter. Er zupfte sein Stirnband mit dem goldenen »A« zurecht. »Ich erkannte während des Verlaufs unseres Besuchs nichts, was sich als Prüfung auslegen ließe.«

»Ob sie mit den dramatischen Ereignissen vor dem Regierungsgebäude in Zusammenhang steht?«, überlegte Grappa laut.

»In welcher Weise?«

Der Mailänder hob die Schultern.

Auch Dhark zerbrach sich vergeblich den Kopf. Noch einmal legte er die unerklärliche Scheu, fast Angst, der Loon vor den Raumfahrern dar und erinnerte an den Eindruck, den sie gehabt hatten, dass sie vielleicht mit früheren Besuchern verwechselt wurden, die ihnen äußerlich ähnelten.

Niemand fand eine Erklärung, und auch der Checkmaster übte sich in Zurückhaltung.

Was Dhark am meisten beschäftigte, war der Umstand, dass sie keine Hinweise auf den Verbleib ihrer verschollenen Freunde erlangt hatten. Er war froh, dass sich Wächterin Doris nicht in der Zentrale aufhielt und darauf drängte, den von der INSTANZ erhaltenen Informationen nachzugehen.

»Vielleicht sind wir zu schnell aufgebrochen. Vielleicht haben wir zu schnell aufgegeben.« Nun, da die POINT OF die Grenze des Sonnensystems erreichte, ärgerte sich Dhark über den hastigen Aufbruch. »Wir hätten Lunguun und seine Beiräte mit der von Artus aufgeschnappten Bemerkung konfrontieren sollen. Dann hätten sie sich kaum herauswinden können.«

Der Roboter bezweifelte das. »Ich glaube nicht, dass wir mehr herausbekommen hätten, nicht einmal, wenn wir die Loon direkt auf diese merkwürdige Bemerkung angesprochen hätten. Für mich kristallisieren sich zwei Faktoren heraus. Wieso haben sie Angst vor uns? Und wieso liegt ihnen so viel daran, uns gefällig zu sein und eine Prüfung zu bestehen, die wir nicht einmal als solche erkennen? Würden wir die Antworten kennen, wären wir einen wesentlichen Schritt weiter und wüssten, was sich in diesem Sonnensystem abspielt.«

»Nicht nur in diesem System, sondern in der gesamten Galaxis«, bellte Jimmy.

Von der sie inzwischen wussten, dass sie von ihren Bewohnern Voktar genannt wurde.

In den Sternkarten der Menschheit firmierte die nur fünfundzwanzigtausend Lichtjahre durchmessende, irreguläre Zwerggalaxis am Rand der Lokalen Gruppe unter der Bezeichnung NGK 3109.

Viereinhalb Millionen Lichtjahre lagen zwischen ihr und dem Herrschaftsbereich der Menschen.

»Wir wissen nicht, ob in ganz Voktar ähnlich merkwürdige Verhältnisse herrschen wie in diesem einen Sonnensystem«, schränkte Dhark den Einwurf des künstlichen Scotchterriers ein.

»Ich habe aber so eine Ahnung«, versetzte das Brikett auf Beinen, wie Chris Shantons künstliche Kreatur dank ihres pechschwarzen Fells auch genannt wurde.

Mit Ahnungen, zumal mit denen eines Roboterhundes, gab sich Dhark nicht ab. Er legte Wert auf Fakten, und daran mangelte es weiterhin. Hinzu kam, dass ihm die von Artus aufgeschnappte Bemerkung keine Ruhe ließ. Von was für einer Prüfung war da die Rede gewesen? Tatsächlich von einer, die in einem Kontext mit der gewalttätigen Auseinandersetzung stand? Er stimmte Artus zu. Eine weitere direkte Konfrontation mit den Loon würde keine neuen Erkenntnisse bringen.

»Wir beobachten unsere stacheligen Freunde ohne deren Wissen«, entschied er deshalb. »Wir wissen jetzt, worauf wir zu achten haben. Weitere Demonstrationen in der Hauptstadt, planetare Auseinandersetzungen. Solche Dinge eben.«

»Also willst du Schruun erneut anfliegen?«, erkundigte sich Artus.

»Nicht Schruun, sondern den dritten Planeten«, erläuterte Dhark seinen Plan. »Wir legen ein paar Lichtjahre zwischen die Welt der Loon und uns, kehren dann mit aktivierter Tarnung zurück und verstecken uns hinter Umläufer Nummer drei, um einer zufälligen optischen Entdeckung vorzubeugen. Sonden können die Verhältnisse auf Schruun viel unauffälliger erkunden als wir.«

Er beschleunigte mit Sternensog und jagte den Ringraumer in den interstellaren Leerraum hinaus. In genügend großer Entfernung zu Schruun schaltete er die Tarnung ein und legte entgegengesetzten Kurs an. Die Flugzeit nutzte er dazu, die Mannschaft über Bordsprech in die Ereignisse einzuweihen.

Als die POINT OF den äußeren, sechsten Planeten des Systems erreichte, einen von drei Gasriesen, waren alle Mannschaftsangehörigen auf demselben Stand. Das galt auch für Doris, die sich prompt in die Zentrale begab, um Dhark an sein gegebenes Versprechen zu erinnern.

*

Die Wächterin sprach mit ausdrucksloser Stimme. »Wenn sich Schruun als Sackgasse erweist, brechen wir auf und steuern die Koordinaten an, die ich von der INSTANZ erhalten habe. Du hast es mir zugesagt.«

Dhark musterte den gut zwei Meter großen, polymetallischen Roboterkörper, in dem das Bewusstsein von Doris Doorn steckte. Während er sein Schiff in den Ortungsschatten des dritten Planeten steuerte, stand die rote Wächterin regungslos in der Zentrale, ein gesichtsloser Koloss ohne Gefühle und menschliche Regungen.

Zumindest nahm das an, wer das Wesen eines Wächters nicht kannte. Die Wahrheit sah anders aus. Angehörige des Wächterordens besaßen Empfindungen wie jedes andere intelligente Lebewesen auch.

Doris bildete da keine Ausnahme. Im Gegenteil, ihre Gefühle waren der eigentliche Grund für ihre Anwesenheit in NGK 3109. Sie suchte den verschollenen Mann, den sie liebte. Sie suchte Arc Doorn, ihren Ehemann, und mit ihren Forderungen ließ sie Dhark das keinen Augenblick vergessen.

»Noch hat sich Schruun aber nicht als Sackgasse erwiesen«, vertröstete der Commander sie. »Wir haben die Sache falsch angepackt. Ich habe das getan. Wir gingen von falschen Voraussetzungen aus. Die Loon reagierten auf unser Eintreffen ganz anders als erwartet.«

»Wie alle an Bord habe auch ich deinen Bericht vernommen. Ich befürchte jedoch, dass wir diesmal nicht mehr herausfinden als beim ersten Versuch. Wir verlieren wertvolle Zeit – Zeit, die sich für unsere Freunde als schicksalhaft erweisen kann.«

Dhark kannte die Argumente, denn Doris trug sie nicht zum ersten Mal vor. Er teilte ihre Sichtweise sogar, zumindest bis zu einem gewissen Punkt. Schließlich wurde nicht allein sie von Gefühlen gelenkt. Dhark ging es ähnlich, da auch Amy Stewart ins Unbekannte verschwunden war. Amy, seine ehemalige Partnerin, mit der ihn immer noch unsichtbare Bande verknüpften. Er war sich seiner Gefühle für sie nicht sicher, sonst hätte es keine Trennung auf Zeit gegeben, sondern klare Verhältnisse, Fortsetzung der Beziehung oder deren Beendigung, ja oder nein. Doch davon abgesehen, ließen sich die Vergangenheit und die gemeinsam verbrachten Jahre nicht negieren.

»Ich verstehe deine Sorgen«, versicherte Dhark behutsam. »Doch wir tun uns keinen Gefallen, wenn wir eine noch nicht erkaltete Spur außer Acht lassen. Findest du etwa, dass wir hier unsere Zeit vertrödeln?«

Der Roboterkörper stand bewegungslos wie eine Statue da. Das künstliche Licht der Zentralenbeleuchtung verlieh ihm den Anschein polierten Rotgoldes. »Ich weiß es nicht. Sage du es mir.«

»Ich bin mir sicher, dass die Loon wesentlich mehr wissen, als sie uns verraten haben«, mischte sich Artus in das Zwiegespräch ein. »Von Zeitverschwendung kann daher keine Rede sein. Bist du dir denn sicher, dass uns die Koordinaten der INSTANZ auf direktem Weg zu unseren Kameraden führen?«

»Natürlich nicht«, gestand Doris ein. »Sonst hätte ich längst mit anderen Mitteln zum Aufbruch gedrängt. Diese Koordinaten sind aber das Beste, was die INSTANZ zum Gelingen unserer Mission beitragen konnte. Sie versprechen zumindest gewisse Erfolgsaussichten. Besser, als im Nebel herumzustochern, ist das allemal.«

Dhark horchte auf. Er fragte sich, was die Wächterin unter »mit anderen Mitteln« verstand. Zu welchen Mitteln war sie bereit zu greifen, um ihre Forderungen durchzusetzen? Liebe konnte blind machen, aber er glaubte nicht, dass Doris auf die Idee käme, sich gegen die Besatzung zu stellen, um Arc Doorn zu finden. Sie befand sich als Gast auf der POINT OF, ohne Kontakt zu Simon und Arlo. Zumindest nahm Dhark das an. Ganz sicher sein konnte er sich nicht.

»Drohnen sind ausgeschleust, Commander.« Fallutas Meldung riss Dhark aus seinen Überlegungen.

Der weißblonde Unsterbliche ordnete eine Ruhephase für die wichtigsten Führungskräfte an. Mehr als abwarten konnten sie im Moment ohnehin nicht.

*

Falluta, Grappa und Morris verließen das Herz der POINT OF und wurden von Leon Bebir, Dencil Yell und Walter Brugg abgelöst.

Dhark selbst blieb in der Zentrale, da er keine Müdigkeit verspürte. Das Adrenalin hielt ihn auf Trab, da er unentwegt an die zahlreichen toten Loon denken musste – und daran, dass sie ohne den Besuch der Menschen auf ihrer Heimatwelt vermutlich noch am Leben wären.

Doris rührte sich nicht von der Stelle. Ein Wächter benötigte keine körperliche Ruheperiode. Sie stand einfach da und tat gar nichts.

Die Prozesse, die sich im Inneren des Roboterkörpers abspielten, blieben Dhark verborgen. Er sah davon ab, Doris anzusprechen, da er unschlüssig war, über was er sich mit ihr unterhalten sollte. Sie würde höchstens auf das leidige Thema zurückkommen und zum Aufbruch drängen. Ohnehin stand Dhark den Informationen der INSTANZ kritisch gegenüber, und seine Skepsis wurde zusätzlich befeuert durch Doris’ Eingeständnis, die erhaltenen Koordinaten böten keine Garantie.

Immerhin stellen sie eine Option dar. Wenn gar nichts anderes mehr geht, können wir immer noch darauf zurückgreifen.

Die ausgeschleusten Sonden rasten unterdessen auf den zweiten Planeten zu, traten unbemerkt von den Bewohnern in die Atmosphäre ein und begannen mit der Erkundung. Bei ihrer Programmierung hatte Dhark besonderes Augenmerk auf die Geschehnisse rund um den Regierungssitz gelegt, doch die kleinen technischen Wunderwerke wurden auch an anderen Stellen des Planeten aktiv, überwiegend da, wo sie größere Ansammlungen von Loon entdeckten.

Als Falluta und Grappa nach drei Stunden in die Zentrale zurückkehrten, gab es keine neuen Erkenntnisse. Oder vielleicht war gerade das die Erkenntnis, dass die Sonden keine Auffälligkeiten ermittelten.

»Die Lage hat sich beruhigt«, empfing Dhark seinen Stellvertreter und den Ortungschef.

Das galt sowohl für Schruun selbst als auch für den planetennahen Raum. Zahlreiche Raumschiffe unterschiedlichen Typs flogen die Handelswelt an, andere verließen sie durch einen zweiten Flugkorridor.

Nichts deutete mehr auf die beim ersten Anflug der POINT OF aufgetretenen Unregelmäßigkeiten hin. Alles nahm seinen gewohnten Gang.

Grappa studierte die von den Sonden übermittelten Bildinformationen. »Keine Demonstrationen oder gar Aufstände, wie wir einen erlebt haben. Es herrscht eine geradezu friedliche Idylle.«

»Man könnte auch von der Ruhe eines Friedhofs sprechen, aber …« Falluta führte den begonnenen Satz nicht zu Ende.

Dhark nickte unbewusst. Er stimmte seinem Stellvertreter zu. Das Bild, das sie jetzt von Schruun zu sehen bekamen, stellte nur einen Teil der Wahrheit dar. Unter der oberflächlichen Idylle verbarg der Planet sein wahres Antlitz.

Unwillkürlich erinnerte sich Dhark an eine Begebenheit nach ihrer Landung, der er zunächst keine besondere Bedeutung beigemessen hatte. Nachdem ein Gleiter die Raumfahrer zu einem Besichtigungsflug abgeholt hatte, waren sie auf einer vielbefahrenen Schwebertrasse Augenzeugen einer Sitzblockade von Loon geworden. Wenig später hatte es keinen Hinweis mehr auf diesen Akt zivilen Ungehorsams gegeben – ebenso wenig wie es jetzt sichtbare Spuren des Sturms auf das Regierungsgebäude gab.

»Sie gaukeln ein falsches Bild vor, eine geschönte Darstellung«, überlegte Dhark laut. »Aber wem? Uns? Sich selbst?«

»Oder denjenigen, mit denen sie uns zu verwechseln scheinen«, schlug Walter Brugg vor, der Morris weiterhin vertrat. »Ist das die Prüfung, von der sie sprachen? Ein gelungenes Bestreben, uns eine Darstellung zu vermitteln, die nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt?«

Dhark schüttelte den Kopf. »Das haben die Loon ja nicht versucht. Im Gegenteil, sie haben vor unseren Augen rigoros gegen die Demonstranten durchgegriffen und uns anschließend vermittelt, dass für sie die Welt damit wieder in Ordnung sei.«

»Vielleicht ist es genau das«, spann Falluta den Faden weiter. »Sie wollten uns weismachen, alles sei friedlich und in Ordnung, obwohl das in Wahrheit überhaupt nicht zutrifft. Sie ritten doch ständig auf ihrer Friedfertigkeit herum. Bei dieser Vortäuschung falscher Tatsachen schien unsere Anwesenheit ein maßgeblicher Faktor zu sein – beziehungsweise nicht unsere Anwesenheit, sondern die jener Unbekannten, mit denen sie uns verwechseln. Also wen oder was haben sie in uns gesehen?«

»Eine gute Frage«, fand Dhark. »Worgun vielleicht? Immerhin benutzen sie deren Sprache, und wir sehen nicht nur aus wie Worgun in deren menschlicher Gestalt, sondern wir sind zudem mit einem Ringraumer eingetroffen. Doch aus welchem Grund sollten die Loon die Mysterious fürchten?«

»Mir drängt sich gerade eine weitere Frage auf«, schaltete sich Grappa in das Gespräch ein. »Reagieren nur die Loon auf unseren überraschenden Besuch so merkwürdig, oder trifft das auch auf andere Völker in Voktar zu?«

An diese Möglichkeit hatte Dhark noch gar nicht gedacht. Sie erschien ihm nicht allzu wahrscheinlich, weil es in dem Fall eine Verbindung zwischen Völkern gegeben hätte, die sich vielleicht gar nicht kannten. Und wenn doch? Wenn sich Grappa auf der richtigen Fährte befand?

»Überprüfen wir es, indem wir uns das hohe Verkehrsaufkommen über Schruun zunutze machen«, schlug Falluta vor. »Folgen wir einfach einem der Handelsraumer in sein Heimatsystem. Mal sehen, wie man dort auf unser Erscheinen reagiert.«

»Gute Idee, Hen«, stimmte Dhark seinem Stellvertreter zu.

»Ich bin derselben Meinung«, schnitt Doris’ Stimme so überraschend durch die Zentrale, dass Dhark zusammenzuckte. Gerade von ihr hätte er Widerspruch erwartet.

»Du hast keinen Einwand?«, wunderte er sich.

»Ich habe soeben intensiv über die Situation in Voktar nachgedacht«, antwortete die Wächterin.

»Und zu welchem Ergebnis bist du gelangt?«

»Dass hier Dinge vor sich gehen, die Anlass zur Vorsicht geben. Meine Analyse unserer Lage ergibt, dass es fahrlässig wäre, in eine Situation zu geraten, aus der wir nicht mehr herauskommen, und die deshalb womöglich das Ende unserer Suche nach Arc und den anderen bedeuten würde. Unter Berücksichtigung dieses Aspekts ist es sinnvoll, zunächst weitere Informationen zu sammeln, auch wenn wir dadurch noch mehr Zeit verlieren.«

»Es freut mich, dass du das einsiehst«, sagte Dhark. Er wählte aus der Phalanx der Handelsraumer aufs Geratewohl zwei Frachtschiffe und beorderte die Sonden zurück an Bord.

*

Auf Dharks Anweisung hin übernahm der Checkmaster die Schiffssteuerung. Unauffällig folgte das Bordgehirn mit der POINT OF dem aus zwei Einheiten bestehenden kleinen Verband aus dem System hinaus in den interstellaren Raum.

Dhark lehnte sich auf dem Platz des Kommandanten zurück und verschränkte die Arme vor der Brust, während der blaue Stern rasch kleiner wurde und schließlich aus der optischen Erfassung verschwand.

Dank der Tarnung der POINT OF ahnten die unbekannten Raumfahrer nicht, dass sie verfolgt wurden. Vielleicht hatten sie vom Besuch der Menschen auf Schruun nicht einmal etwas mitbekommen.

»Ein interessanter Schiffstyp.« Glenn Morris hielt sich inzwischen wieder in der Zentrale auf. »Ich kann mich nicht erinnern, jemals eine ähnliche Bauweise gesehen zu haben.«

Dhark ging es nicht anders. Der zylindrische Schiffsrumpf, der sich zum Bug hin leicht verjüngte, besaß eine Länge von knapp vierhundert Metern und durchmaß an der breitesten Stelle kaum mehr als fünfzig Meter. Aus der Mitte erwuchsen zwei zwanzig Meter dicke, langgestreckte Aufsätze, die sich zu beiden Seiten wölbten.

»Sieht aus wie ein riesiger, stählerner Vogel ohne Kopf«, sinnierte Falluta.

Der Checkmaster erklärte auf Anfrage, dass tatsächlich kein vergleichbarer Typ in den Speicherbänken verzeichnet sei.

Der Schwingenraumer besaß anscheinend eine bemerkenswerte Wendigkeit, entwickelte aber keine allzu große Geschwindigkeit, bevor er in eine Transition ging. Der Sprung wurde bei gerade einmal sechzig Prozent der Lichtgeschwindigkeit ausgeführt und führte über nicht mehr als zwanzig Lichtjahre. Der Checkmaster hielt mühelos Anschluss.

»Sie führen ein Orientierungsmanöver durch«, kommentierte Grappa die Flugunterbrechung. »Können die keine weiteren Sprünge durchführen? Dann ist ihre Technologie aber nicht besonders weit entwickelt.«

»Oder sie haben Zeit und kutschieren mit Bedacht ganz gemütlich durch die Gegend«, spekulierte Morris.

»Handelsreisende, die viel Zeit haben? Wohl kaum«, entgegnete Grappa. »Was meinen Sie, Commander?«

Dhark enthielt sich eines Kommentars. Die Beweggründe der Fremden interessierten ihn nicht, solange Doris nicht wieder zu drängen anfing.

Die Orientierungsphase der beiden Schwingenschiffe dauerte rund zehn Minuten, dann leiteten sie die nächste Transition ein, die über eine ähnliche Distanz wie der vorangegangene Sprung führte. Wieder folgte ein kurzes, der Orientierung dienendes Intermezzo.

»Wenn unsere Freunde so weitermachen, kann das eine lange Reise werden.« Grappa seufzte.

Der Mailänder sorgte sich unnötig. Die dritte Sprungetappe führte über zehn Lichtjahre und endete am Rand eines Sonnensystems mit dreizehn Planeten, die ein orangefarbenes Zentralgestirn umkreisten.

2.

Dhark ging so vor wie bei den Loon. Nachdem er vom Checkmaster die Schiffssteuerung übernommen hatte, flog er mit aktivierter Tarnung in das System hinein, ohne das Risiko einzugehen, entdeckt zu werden. Er hielt weiten Abstand zu den beiden Schwingenschiffen, bei denen sich herausstellte, dass sie tatsächlich in diesem Sonnensystem zu Hause waren. Zwischen den dreizehn Planeten, deren dritter die Heimatwelt des unbekannten Volkes darstellte, kreuzten mehr als ein Dutzend Einheiten dieses Schiffstyps, zudem einige wenige Raumer anderer Völker.

»Verglichen mit Schruun ist hier nicht viel los«, konstatierte Grappa.

Das änderte nichts an Dharks Neugier darauf, wie man auf die Sichtung eines Ringraumers reagieren würde. Doch noch war es nicht so weit, sich offen zu zeigen. Haken schlagend, um den anderen Schiffen nicht zu nahe zu kommen, näherte er sich dem dritten Planeten bis auf eine halbe Million Kilometer.

Morris versuchte, Funkverkehr aufzufangen, Grappa führte Standardortungen durch, die keine Überraschungen ergaben, und Falluta legte eine Vergrößerung der Welt in die Bildkugel. Es handelte sich um einen grünen Planeten, der von einigen ausgedehnten Gebirgsketten dominiert wurde. Mehr ließ sich aus dieser Entfernung nicht feststellen. Für weitere Einzelheiten mussten sie näher heran.

Da Doris keine Anstalten machte, ihn zu treiben, zähmte Dhark seine eigene Ungeduld und verweilte drei Stunden in Beobachtungsposition. Nur einmal sah er sich gezwungen, den Standort zu wechseln, da ein tonnenförmiges Schiff in Richtung POINT OF flog. Buckelförmige Anbauten rings um seinen stählernen Leib ließen vermuten, dass es sich um einen Transportraumer handelte. Die heimlichen Beobachter blieben ihm verborgen. Stetig beschleunigend verschwand er in den Tiefen des Alls, ohne eine Transition einzuleiten.

Dhark behielt die neue Position eine weitere Stunde bei, ohne dass sich Erwähnenswertes ereignete, dann flog er die POINT OF vertikal zur Bahnebene der Planeten aus dem Sonnensystem hinaus und entfernte sich zwei Lichtjahre, bevor er die Tarnung deaktivierte.

*

Dhark erwartete ein ähnliches Durcheinander wie beim offenen Anflug auf Schruun.

Tatsächlich wichen der anfliegenden POINT OF auch hier einige wenige Schiffe aus, kaum dass sie sich ihnen näherte, aber das galt nicht für die Schwingenschiffe. Sie hielten den eingeschlagenen Kurs bei.

»Soll ich den Planeten anfunken?«, bot Morris an.

»Nein«, lehnte Dhark ab. »Schauen wir mal, wie eilig sie es haben, sich bei uns anzubiedern – sofern sie überhaupt eine ähnliche Reaktion wie die Loon zeigen.«

Während sich die POINT OF dem dritten Umläufer näherte, schaltete Falluta eine Reihe von Ausschnitten der Planetenoberfläche in die Bildkugel. Endlich gab die Bildvergrößerung mehr her, und schnell stellte sich heraus, weshalb diese Welt aus der Ferne grün aussah.

Es gab keinen großen zusammenhängenden Ozean, der die Welt aus dem All betrachtet wie einen blauen Planeten wirken ließ. Riesige Landmassen wurden landwirtschaftlich genutzt. Eine unüberschaubare Anzahl kleiner und großer Seen und ein wie gewoben wirkendes Netz aus Flussläufen sorgten dafür, dass es dennoch keinen Wassermangel gab.

»Eine Agrarwelt«, schloss Falluta aus dem Anblick. »Anscheinend exportieren die Bewohner ihre landwirtschaftlichen Erzeugnisse zu anderen Planeten. Deshalb die Mehrzahl an Schwingenschiffen. Nur wenige andere Völker laden hier selbst ein. Trotzdem verstehe ich nicht, dass die Planetenbewohner uns ignorieren.«

»Machen sie nicht«, verkündete Morris just in diesem Moment. »Sie rufen uns.«

Na endlich! Dhark begann bereits, nervös zu werden. »Phase öffnen, Mister Morris.«

»Aye, Commander.«

In der Bildkugel entstand eine weitere Darstellung. Sie bildete Kopf und Oberkörper eines schlanken, gefiederten Wesens ab. Unter einer gekrümmten Hakennase bewegte sich ein schmaler, lippenloser Mund, in dessen Winkeln gelbe Flaumbüschel hingen.

»Willkommen auf Twie«, begrüßte das Vogelwesen die Raumfahrer. Es sprach mit einer hellen, zwitschernden Stimme. Unwillkürlich erwartete Dhark, dass es »Besucher« hinterherschob, doch das tat es nicht. »Ich bin Vlue vom Rat der Sieben Nester.«

»Er spricht Worgun«, raunte Falluta dem Commander zu.

Dhark nickte. Die Sprache der Mysterious war also nicht auf Schruun beschränkt, sondern erstreckte sich mindestens über mehrere Sonnensysteme. Vielleicht handelte es sich tatsächlich um die Verkehrssprache in ganz Voktar. Er fragte sich, ob Vlue der Name des Gefiederten war oder ob es sich um die Benennung einer bestimmten Position in dem erwähnten Rat handelte. Dhark tippte auf einen Eigennamen und nannte den seinen ebenfalls, verschwieg jedoch ihre Herkunft.

»Die Raumhafenbehörde verzichtete darauf, euch zu kontaktieren«, fuhr Vlue fort. »Sie informierte den Rat, und ich darf euch in seinem Namen ebenso wie im Namen aller Zwitti im Priep-System ganz herzlich begrüßen. Es ist eine Ehre, euch auf Twie willkommen zu heißen.«

»Unser unangekündigter Besuch erstaunt euch nicht?«, hakte Dhark lauernd nach.

»Natürlich kommt er überraschend«, gestand Vlue. »Als wir von eurer Anwesenheit auf Schruun erfuhren, gingen wir gleich davon aus, dass ihr auch uns einen Besuch abstatten werdet. Der Rat vermutet, dass es sich um die alle paar Generationen stattfindende Routineinspektion handelt. Wir irren uns doch nicht?«

Was sollte Dhark darauf antworten? Er umschiffte die Klippe diplomatisch: »Der Rat ist klug und weise, wie ich sehe.«

»Ich danke dir, Ren Dhark.« Ein Lächeln umspielte die Mundwinkel des Zwitti. Es erinnerte an eine vergleichbare menschliche Gefühlsregung. »Euer Einverständnis vorausgesetzt, lasse ich einen Leitstrahl senden. Es wäre mir eine Ehre, den weiteren Informationsaustausch persönlich mit euch vornehmen zu dürfen.«

Dhark überlegte nicht lange. Vielleicht hatten sie endlich einmal Glück, und gewisse Informationen wurden ihnen auf dem Silbertablett serviert. »Einverstanden. Wir beginnen mit dem Landeanflug, sobald der Leitstrahl eintrifft.«

Vlue verabschiedete sich und beendete die Verbindung.

Nachdenklich schloss Morris die Phase. »Er ist genauso freundlich wie die Loon«, sprach der Funker aus, was ihm aufgefallen war. »Aber es gibt einen gewaltigen Unterschied.«

Dhark nickte. »Richtig. Vlue lässt Respekt durchklingen, aber weder Angst noch Nervosität erkennen. Ich glaube nicht, dass er sich verstellt. Mit den Loon verbindet die Zwitti, dass auch sie meinen, uns aus der Vergangenheit zu kennen. Da wir die ersten Menschen in NGK 3109 sind, steht somit fest, dass es sich um eine Verwechslung mit Lebewesen handelt, die uns ähnlich sehen.«

Was immer stärker auf die Worgun in humanoider Gestalt hinwies.

»Ich empfange einen Dauerimpuls«, meldete Grappa. »Der angekündigte Leitstrahl. Ich lege ihn auf die Steuerung.«

Dhark schaltete von SLE auf A-Grav-Antrieb um. Sekunden später begann er mit dem Landeanflug. Er ließ die POINT OF mit geringerer Geschwindigkeit als erforderlich sinken, damit die Raumfahrer schon vor der Landung möglichst viele optische Eindrücke gewannen.

Riesige agrarwirtschaftlich genutzte Flächen erstreckten sich zwischen den Seen und entlang des unüberschaubaren Gewirrs der Ströme, die sich aus den Gebirgszügen in die Ebenen wälzten. Wie gigantische künstliche Insekten schoben sich Erntemaschinen über einen Teil der Felder. Voluminöse, selbstfahrende Behälter standen bereit, um das Erntegut abzutransportieren.

»Die Zwitti haben unser Eintreffen erwartet«, wiederholte Morris, was sie von Vlue erfahren hatten.

»Sicher haben die beiden von Schruun kommenden Schiffe sie über unsere Anwesenheit unterrichtet«, nahm Falluta an.

»Rate, wer zum Essen kommt.« Der Funker grinste. »Ist es nicht schön, wenn einem überall, wo man hinkommt, der rote Teppich ausgerollt wird?«

»Ich entdecke keine einzige Stadt«, ging Falluta über das Amüsement seines Kameraden hinweg. » Der Anbau reicht bis in die letzten Winkel der Ebenen. Wo haben sich die Zwitti verkrochen? Ob sie unter der Erde leben?«

»Ich registriere zahlreiche Emissionen.« Grappa lächelte. »Morris müsste Funkverkehr aus derselben Richtung empfangen. Nicht von unter der Erde, sondern aus den Bergen.«

»Stimmt«, bestätigte der Funker.

»Kein Anlass, sich zu wundern, meine Herren.« Dhark erinnerte sich an die Byrds, das Volk der Himmelsherrscher, wie sie sich selbst nannten. »Wir haben es mit Vogelabkömmlingen zu tun. Wenn sie die Fähigkeit des Fliegens im Laufe der Jahrtausende nicht verloren haben, ist es nachvollziehbar, dass sie in den Höhen leben.«

»Aber den Raumhafen haben die Zwitti kaum auf einem Berg errichtet«, mutmaßte Morris.

Dhark machte seinen Cheffunker auf einen Schwingenraumer aufmerksam, der sich hinter einer Bergkette erhob. »Von dort vorn kommt der Leitstrahl.«

»Merkwürdig. Kein ideales Gelände für Starts und Landungen.«

Dass Morris sich irrte, erlebten die Raumfahrer wenige Minuten später.

Der Raumhafen lag in einem fünf Kilometer durchmessenden Tal zwischen zwei Bergflanken. Mehrere ausgebaute Trassen führten ebenerdig hinein, und auf den Landefeldern parkten Dutzende Schwingenraumer.

Hier und da wurde Ladung aufgenommen oder Fracht gelöscht. An die nördliche Bergflanke schmiegte sich eine gläserne Stadt, die wie ein Edelstein in der Sonne funkelte.

Morris stieß die Luft aus. »Beeindruckend!«

Dieser Meinung konnte sich Dhark nur anschließen. Er landete die POINT OF auf dem zugewiesenen Abschnitt eines gleich unterhalb der Stadt gelegenen Parkbereichs und schaltete dann den A-Grav ab.

*

»Alles Gute kommt von oben«, scherzte das Brikett auf Beinen.

Dhark setzte auf die gleichen Begleiter wie auf Schruun, um die Reaktionen der Zwitti mit denen der Loon vergleichen zu können: die Cyborgs Bram Sass und Kai Nunaat sowie die Roboter Artus und Jimmy.

Ein trockener Wind wehte den Raumfahrern entgegen, die sich an der Peripherie des Raumhafens klein und verloren vorkamen. In einiger Entfernung erhoben sich die markanten Schwingenschiffe, die aus dieser Perspektive wie gewaltige Raubvögel aussahen.

»Wo bleibt das Empfangskomitee?«, fragte Artus.

»Ich sagte es bereits«, kläffte Jimmy zur Antwort. »Alles Gute kommt von oben.«

Dhark hob den Blick und gewahrte vier geflügelte Wesen, die aus der Höhe auf sie herabsegelten. Hinter den Zwitti schmiegte sich die Stadt wie ein riesiges gläsernes Nest an die Bergflanke. In Serpentinen wanden sich Straßen hinauf, Zufahrtswege für Schweber, nahm Dhark an, doch er entdeckte kein einziges Fahrzeug, das zwischen dem Raumhafen und der Stadt unterwegs war. Vermutlich handelte es sich bei der Straße um eine Ausweichmöglichkeit, die von den Zwitti nur selten benutzt wurde. Sie verließen sich lieber auf ihre natürliche Fähigkeit des Fliegens.

Mit anmutigen Bewegungen näherten sie sich. Sekundenlang konnte man sie für einen vorüberziehenden kleinen Vogelschwarm halten, doch als sie näherkamen, größer und schließlich zu unterscheidbaren Individuen wurden, wich dieser Eindruck.

Die Geflügelten landeten unmittelbar vor den Raumfahrern und falteten ihre gelben Flügel auf dem Rücken zusammen. Ihr gesamtes Federkleid leuchtete im Sonnenlicht in intensivem Gelb, an der Halspartie wies es einen orangefarbenen Stich auf. Über hornigen Stummelnasen saßen winzige Knopfaugen, die in dunklem Rot glühten.

Die Wesen maßen deutlich über zwei Meter Körperlänge und wirkten durch ihre schlanken, grazilen Leiber noch größer. Nach dem von der Bildkugel vermittelten Eindruck hätte Dhark sie wesentlich kleiner eingeschätzt.

»Ich heiße euch noch einmal willkommen.« Es war Vlue, der die Worte an die Gäste richtete. »Dies sind Tril, Zrip und Flöx, weitere Angehörige des Rates der Sieben Nester. Die restlichen drei Schwarmbrüder sind mit Staatsangelegenheiten beschäftigt und lassen sich entschuldigen.«

»Ihr empfindet dies hoffentlich nicht als Respektlosigkeit«, sagte Zrip.

»Durchaus nicht«, versicherte Dhark. Nach der Servilität, der geradezu manischen Kriecherei der Loon, empfand er das vergleichsweise zwanglose Auftreten der Zwitti als wohltuend. Ihm fielen kleine Unterschiede in ihrem Federkleid auf, die es ihm ermöglichten, sie voneinander zu unterscheiden. Er nannte die Namen seiner Begleiter.

Vlue taxierte Artus, dann blieb sein Blick an Jimmy hängen. »Künstliche Kreaturen. Darf ich es so ausdrücken? In der Theorie ist uns dieses Konzept durchaus bekannt, doch wir selbst besitzen keine Kunstwesen.«

»Kunstwesen«, kläffte Jimmy. »Warum denn so umständlich? Künstler, das genügt. Außerdem bin ich der beste Freund des Menschen.«

»Menschen?« Die Zwitti sahen Dhark, Sass und Nunaat an. »So nennt ihr euch also jetzt.«

Dhark erinnerte sich, diese Feststellung schon bei den Loon gehört zu haben. Aus Vlues lippenlosem Mund klang sie jedoch nicht ängstlich. Noch etwas anderes fiel dem Commander auf: Der Geflügelte hatte Jimmy wie selbstverständlich als Roboter erkannt.

»Wie haben wir uns denn früher genannt?«, zeigte sich Artus neugierig.

Die Köpfe der Zwitti ruckten zu den Seiten, ihre Knopfaugen richteten sich wechselweise aufeinander. Die Frage schien sie vor ein Problem zu stellen.

»Wir wissen es nicht«, brachte Tril verunsichert hervor. »In den Überlieferungen gibt es keinen Hinweis darauf. Wir gehen daher davon aus, dass ihr den Namen eures Volkes niemals nanntet.«

»Aber unser Aussehen ist überliefert?«, hakte Dhark nach.

»Selbstverständlich.«

»Existieren Bildaufzeichnungen?«

»Nein. Die Beschreibungen wurden mündlich überliefert.«

Es gibt also keine konkreten Beweise, dachte Dhark. Diejenigen, mit denen man sie verwechselte, hatten nichts hinterlassen, das Aufschluss über ihre Identität geben konnte. Äußerst praktisch, wenn man unerkannt bleiben wollte.

»Ihr spracht von unregelmäßigen Routineinspektionen«, sagte Artus.

»Stimmt.«

»Alle paar Generationen?«

»Richtig.«

»Wann fand denn die letzte dieser Inspektionen statt?«

Wieder zögerten die Zwitti. »Das wissen wir leider nicht.«

»Der Zeitpunkt ist nicht überliefert?«

»Nein«, bedauerte Vlue. »Ihr kommt und geht halt, wie es euch beliebt. So sind wir es gewohnt, genau wie die anderen Völker. Weshalb also sollten wir uns Gedanken darüber machen?«

So einfach konnte man sich das Leben natürlich auch machen. Zwar bedauerte Dhark die Ahnungslosigkeit der Geflügelten, doch sie kamen ihm aufrichtig vor. Zudem verstärkte sich durch ihr Auftreten die Gewissheit, dass sie den Besuchern aus dem Weltall zwar Respekt entgegenbrachten, diese aber nicht fürchteten.

Dhark war unschlüssig, ob er genau diesen Punkt ansprechen sollte. Er entschied sich dafür. »Ihr habt keine Angst vor uns, nicht wahr?«

»Nein«, zwitscherte Flöx. »Gäbe es einen Grund dazu?«

»Das frage ich euch. Die Angst der Loon konnten wir jedenfalls fast mit Händen greifen.«