Ren Dhark – Weg ins Weltall 76: Makrito - Jan Gardemann - E-Book

Ren Dhark – Weg ins Weltall 76: Makrito E-Book

Jan Gardemann

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Beschreibung

Ren Dhark und seine Getreuen folgen einem Notruf, der sie auf die Siedlerwelt Sahara führt. Die dortigen Behörden mauern jedoch und verbitten sich jegliche Einmischung. Nach und nach wird der Besatzung der POINT OF klar, dass auf dem Planeten nicht alles so ist, wie es zu sein scheint. An einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit wird ein Kind geboren, dessen anfangs normales Leben einschneidende Veränderungen erfährt. Das führt im weiteren Verlauf zu einer Entwicklung, die so niemand vorausgeahnt hat. Der Name dieses Kindes lautet Makrito... Jan Gardemann, Achim Mehnert und Nina Morawietz verfassten diesen packenden SF-Roman nach dem Exposé von Ben B. Black.

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Ren Dhark

Weg ins Weltall

 

Band 76

Makrito

 

von

 

Nina Morawietz

(Kapitel 1 bis 6)

 

Jan Gardemann

(Kapitel 7 bis 12)

 

Achim Mehnert

(Kapitel 13 bis 18)

 

und

 

Ben B. Black

(Exposé)

Inhalt

Titelseite

Vorwort

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

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Impressum

Vorwort

Mögen Sie Spritzen? Ich jedenfalls kann diese Dinger nicht leiden, mir wird schon ein wenig flau, wenn ich so ein Teil nur sehe, und ich bin davon überzeugt, dass es den meisten von Ihnen, liebe Leser, damit ebenso ergeht wie mir. Nun geben uns die Ärzte ja keine Spritzen, weil sie alle latente Sadisten sind und uns so gerne mit dem Gepikse quälen, sondern weil den Injektionen in der Regel medizinische Erfordernisse zugrunde liegen, auch wenn uns das nicht immer so vorkommen mag.

Unsere Vernunft sagt uns also, dass die Spritze, die wir gleich bekommen werden, einen Sinn hat und etwas Gutes für uns bewirken soll, aber all das hilft uns nicht dagegen, den Vorgang des Injizierens immer noch als unangenehm zu empfinden, was uns wiederum einen gewissen Respekt vor diesen spitzen Dingern einflößt. Und dann fällt uns wieder Dr. Leonard »Pille« McCoy vom Raumschiff Enterprise ein, der statt einer Spritze so ein Pffft-Dings hat, mit dem er seine Injektionen verabreicht; und der Vorgang wirkt damit bei Weitem angenehmer als das, was wir kennen.

Tatsächlich ist es so, dass heutzutage offenbar nicht wenige Langzeittherapien nur deshalb abgebrochen werden, weil die Patienten es nicht über sich bringen, sich über einen längeren Zeitraum regelmäßig eine Spritze zu setzen, wobei man dazusagen muss, dass es dabei oft um größere Volumina bei der Arznei geht und diese Form der Verabreichung – eine andere ist nicht möglich – dabei schnell zu einer kleinen Tortur gerät. Die behandelnden Ärzte wissen das natürlich auch, und vielleicht hat der eine oder andere, der in der Medizintechnik forscht, früher ebenfalls »Raumschiff Enterprise« geschaut, jedenfalls ist mir unlängst ein sehr interessanter Artikel zu diesem Thema untergekommen, in dem ein Injektor beschrieben wird, der in seiner Funktionsweise stark an das Pffft-Dings von Dr. McCoy erinnert.

Das Gerät arbeitet tatsächlich völlig ohne Nadel, das Serum wird stattdessen unter hohem Druck mit einer Geschwindigkeit von ca. 200 m/s direkt durch die Haut geschossen. Interessanterweise gibt es dabei sogar eine Echtzeitregelung, die es ermöglicht, den Vorgang selbsttätig während der Injektion auf die Hauteigenheiten wie z.B. die Dicke der Haut des Patienten anzupassen und so gezielt auch bestimmte Injektionstiefen zu erreichen. Obendrein soll das Ganze auch noch deutlich weniger wehtun als eine herkömmliche Spritze. Was will man mehr?

Nun darf ich aber nicht versäumen, Sie auf den zeitgleich mit dem vorliegenden Buch erschienenen UNITALL-Band mit der Nummer 37 hinzuweisen. Der Roman trägt den Titel »Tod der Schwarzen Garde!« und wurde von Jan Gardemann nach einer eigenen Idee verfasst.

Ebenso spannend geht es im aktuellen Weg ins Weltall-Band zu, und neben dem Geschehen auf und um Sahara lernen wir dabei jemanden kennen, der noch ein wichtige Rolle spielen wird. Sein Name lautet Makrito …

 

Stuttgart, im Mai 2018

Ben B. Black

Prolog

Im Herbst des Jahres 2067 scheint sich das Schicksal endlich einmal zugunsten der Menschheit entwickelt zu haben. Deren Hauptwelt heißt längst nicht mehr Terra, sondern Babylon. 36 Milliarden Menschen siedelten auf diese ehemalige Wohnwelt der Worgun um, als die irdische Sonne durch einen heimtückischen Angriff zu erlöschen und die Erde zu vereisen drohte. Mittlerweile konnte die Gefahr beseitigt werden, und das befreundete Weltallvolk der Synties hat den Masseverlust der Sonne durch die Zuführung interstellaren Wasserstoffgases wieder ausgeglichen. Die Erde ist erneut ein lebenswerter Ort, auf dem allerdings nur noch rund 120 Millionen Unbeugsame ausgeharrt haben. Die neue Regierung Terras unter der Führung des »Kurators« Bruder Lambert hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Planeten nach dem Vorbild Edens in eine Welt mit geringer Bevölkerungsdichte, aber hoher wirtschaftlicher Leistungskraft zu verwandeln, und ist deshalb nicht bereit, die nach Babylon Ausgewanderten wieder auf die Erde zurückkehren zu lassen.

Allerdings haben auch die wenigsten der Umsiedler konkrete Pläne für einen neuerlichen Umzug innerhalb so kurzer Zeit. Es kommt die katastrophale Entwicklung hinzu, die Babylon seit dem Umzug der Menschheit nahm: Durch eine geschickt eingefädelte Aktion war es dem höchst menschenähnlichen Fremdvolk der Kalamiten gelungen, den Regierungschef Henner Trawisheim, einen Cyborg auf geistiger Basis, derart zu manipulieren, dass er zu ihrem willenlosen Helfer und Vollstrecker bei der geplanten Übernahme der Macht über die Menschheit wurde. Erst in allerletzter Sekunde gelang die Revolution gegen die zur Diktatur verkommene Regierung Babylons und damit gegen die heimlichen Herren der Menschheit, die Kalamiten. Während den meisten der Fremden die Flucht gelang, wurde Trawisheim aus dem Amt entfernt und in ein spezielles Sanatorium für Cyborgs gebracht.

Noch im selben Jahr nimmt Ren Dhark das Angebot des Industriellen Terence Wallis an und lässt seinen Körper mit Nanorobotern behandeln, die ihn und sieben von ihm Auserwählte unsterblich machen. Doch anstatt sich mit seiner nun vollständig veränderten Lebensperspektive beschäftigen zu können, muss sich Ren Dhark einer neuen Aufgabe stellen: Eine unbekannte Macht namens Kraval sorgt dafür, dass der Hyperraum nicht länger zugänglich ist.

Als man diese Herausforderung endlich gemeistert hat, tauchen die Wächter mit einer neuen Hiobsbotschaft auf: Im Zentrum der Milchstraße hat sich scheinbar aus dem Nichts ein Miniaturuniversum gebildet, das allerdings exponentiell wächst und schon in wenigen Jahren den Untergang unseres Universums herbeiführen könnte. Mithilfe der Nomwarun – nur etwa 50 Zentimeter große Nachfahren der Worgun – gelingt es schließlich, der Gefahr zu begegnen. Allerdings spielen die Nomwarun nicht mit offenen Karten und zerstören das Miniuniversum, anstatt es wie versprochen in ein anderes Kontinuum zu versetzen, weil das anscheinend nicht möglich gewesen ist. Ren Dhark macht dieses Resultat sehr zu schaffen, doch es gelingt ihm nicht, die Nomwarun entsprechend zur Rede zu stellen.

Knapp zwei Jahre später, im Sommer des Jahres 2072, scheint endlich die Normalität in der Milchstraße zu herrschen, die sich jedermann wünscht. Da werden Arc Doorn, Chris Shanton und Amy Stewart durch ein Lichtphänomen aus einer uralten Einrichtung der Wächter unterhalb des Titicacasees in die Galaxis Voktar verschlagen. Ren Dhark eilt seinen Freunden zu Hilfe, und nach einer kleinen Odyssee gelingt es den Raumfahrern im Sommer 2073 schließlich, wieder in die Milchstraße zurückzukehren. Der wohlverdiente Landurlaub für die Besatzung der POINT OF ist fast zu Ende, da erreicht die Raumfahrer ein Hilferuf von der Kolonialwelt Sahara. Dort ist offenbar eine tödliche Seuche ausgebrochen …

1.

Der Flashpilot starrte seinen Vorgesetzten einen Augenblick lang völlig überrumpelt an. Eben noch hatten sie beide gemeinsam mit ihren jeweiligen Freundinnen gemütlich Cocktails im »W’s Place« getrunken, nun sollte der Abend ziemlich abrupt enden. »Verstanden!«, bestätigte er knapp, stellte sein kaum angerührtes Getränk ab, schnappte sich seine Jacke und stürmte in Richtung des Ausgangs der Bar.

Rani Atawa wollte ihm gerade noch »Warte!« hinterherrufen, doch da war er längst durch die Tür verschwunden, gefolgt von Artus, der die Botschaft von der Seuche auf Sahara überbracht hatte.

Amy Stewart seufzte leise und sah zu der Inderin hinüber auf der Suche nach jemandem, der ihre Enttäuschung teilte, doch die Biologin bemerkte ihren Blick nicht.

»Kommt schon! Wir müssen los!«, trieb Dhark die beiden Frauen zur Eile an.

Das ließ Amy sich nicht zweimal sagen. Rasch erhob sie sich, während sie gleichzeitig überlegte, ob sie nicht noch schnell ihr nahezu volles Glas austrinken sollte. Dafür würde sie höchstens zwei Sekunden brauchen, wenn sie sich beeilte. Die äußerst besorgte Miene ihres Freundes hielt sie jedoch davon ab. Beim nächsten Mal, tröstete sie sich in Gedanken.

Dhark warf einen Credit-Chip auf den Tisch, der die Preise für die Cocktails mehr als deckte. Selbst in Situationen wie diesen vergaß er nicht, seine Schulden zu begleichen. Anschließend eilten sie zu dritt Wonzeff nach.

*

Nachdem Ren Dhark und seine Freundin im vergangenen Jahr einvernehmlich eine Beziehungspause beschlossen hatten, war Amy unmittelbar darauf mit all ihren Sachen in eine eigene Wohnung in einem anderen Stadtteil Alamo Gordos umgezogen. Sie hatte sich nicht einmal von ihrem Halb-Ex-Freund beim Packen und Neueinrichten helfen lassen, sondern mit ihren Cyborg-Kräften alles im Alleingang erledigt.

Mittlerweile führten die beiden zwar wieder eine Beziehung, doch seit der Rückkehr aus Voktar hatten sie noch keine Zeit gehabt, das Appartement in der Wohnkugel aufzulösen, um wieder zusammen in den Räumen der Point-Of-Stiftung zu wohnen. Außerdem wollten sie nichts über den Zaun brechen, sondern erst einmal in Ruhe zueinanderfinden. Sie spielten darüber hinaus sogar mit dem Gedanken, die Wohnung als Rückzugsort zu behalten, denn sie hatten den Abstand zur Stiftung während des Urlaubs genossen.

Als Ren und Amy das Appartement in rund achthundert Metern Höhe betraten, fluteten die letzten Strahlen der untergehenden Sonne die Räume. Winzige, aufgewirbelte Staubflocken tanzten im Licht. Jenseits des Panoramafensters erhob sich die charakteristische terranische Architektur jenes Jahrtausends mit ihren schlanken Türmen, die an ihrem oberen Ende bis zu einhundertzwanzig Meter durchmessende Kugeln trugen. Im Glas spiegelte sich das Gold des Abends und bildete einen unbeschreiblich schönen Kontrast zu dem fliederfarbenen Firmament, in dem bereits die ersten Fixsterne funkelten.

Amy hatte für den Anblick jedoch im Moment nichts übrig, sondern eilte sofort ins Schlafzimmer, wo sie eine Tasche aus dem Schrank nahm, in die sie das Nötigste warf. Ein Außenstehender hätte sich wahrscheinlich über ihre koordinierten, ruhigen Bewegungen gewundert und sich gefragt, ob sie sich ständig auf der Flucht befinden würde. Tatsächlich jedoch stellten simple Aufgaben wie diese keine Herausforderung für den weiblichen Cyborg dar. Ein Gedanke sowie der Bruchteil einer Nanosekunde genügten, um einen konkreten Plan in seinem Programmgehirn zu manifestieren. Amy kannte jeden Winkel ihrer Wohnung, jeden einzelnen Gegenstand darin.

»Hast du …«, begann Dhark, da flog ihm auch schon seine Tasche in die Arme. »Äh, danke.«

»Keine Ursache.« Amy setzte sich auf die Bettkante. Sie selbst hatte lediglich ihr Nachthemd, ihr Lesegerät für elektronische Bücher sowie Unterwäsche, Socken und ihre Lieblingsbürste eingesteckt. Der Rest befand sich an Bord der POINT OF. Im Grunde hätte sie nun ihrem Freund helfen können, damit sie schneller wieder gehen konnten, doch sie beobachtete ihn lieber dabei, wie er im Badezimmer nach seinem Rasierapparat suchte, der direkt hinter ihm auf dem Rand der Badewanne lag.

Sie lächelte. Gnadenlose Effizienz bestimmte ihr Leben als Cyborg.

Früher hatte sie geglaubt, dass sie nur mit jemandem glücklich werden konnte, der ihr mindestens ebenbürtig war. Die gemeinsamen Missionen mit Lati Oshuta, Bram Sass sowie Jess Yello bewiesen ihr jedoch regelmäßig das Gegenteil. Ihre perfekten Kollegen langweilten sie auf Dauer. Sie brauchte jemanden an ihrer Seite, der sie mit seiner liebenswürdigen Unzulänglichkeit überraschen konnte, der in seiner Normalität stellvertretend für sie erlebte, was sich vor ihr verbarg, der ihr das Gefühl gab, immer noch menschlich zu sein. Idealerweise sollte derjenige nicht auf den Kopf gefallen sein und zudem optisch ihrem Geschmack entsprechen. All das traf auf Ren Dhark zu. Dass er ihre Gefühle erwiderte, machte sie glücklich.

»Ach da!«, rief ihr Freund aus dem Bad und schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Er lag die ganze Zeit vor meiner Nase.« Rasch verstaute er den Rasierapparat in seiner Tasche und sah dann stirnrunzelnd zu Amy herüber, die ihn nach wie vor lächelnd von der Bettkante aus beobachtete. »Alles in Ordnung?«

Die Angesprochene nickte und sprang von der Matratze auf. »Sicher. Bist du auch fertig?«

»Ja, ich denke, ich habe alles.« Er warf einen Blick auf die Uhr. »Keine fünf Minuten zum Packen gebraucht, eine echte Rekordleistung.«

»Willst du vielleicht noch duschen, bevor wir aufbrechen? Abflug ist in drei Stunden und sechsunddreißig Minuten.«

»Das habe ich doch erst vorhin, bevor wir uns mit den anderen im ›W’s Place‹ getroffen haben.«

Amy ging zu ihm hinüber, strich sich verführerisch eine Strähne ihres blonden Haares hinter das Ohr und blickte ihrem Freund erst auf die Lippen, dann in die Augen.

Es bedurfte keinerlei Worte, damit er begriff, worauf sie hinauswollte.

Er grinste verblüfft. »Jetzt?«

»Warum nicht? Wir haben doch noch reichlich Zeit.« Mit ihrem Zeigefinger fuhr sie an seinem Brustbein entlang.

»Du weißt schon, dass ich mit meinen Gedanken momentan völlig woanders bin? Außerdem hatte ich einen Alarmstart befohlen. Je früher wir aufbrechen, desto besser. Ich möchte nur ungern als Letzter in der POINT OF erscheinen.«

»Ich mag es, dich aus dem Konzept zu bringen.«

Amüsiert schüttelte er den Kopf, gab Amy einen Kuss auf die Stirn, schob sich an ihr vorbei hinaus in den Flur und ging zur Wohnungstür. »Komm, die anderen warten bestimmt schon!«

*

Der weibliche Cyborg verarbeitete seinen Frust über den misslungenen Abend am Steuer des Gleiters. Mit halsbrecherischer Geschwindigkeit fegte Amy um die Türme der Gebäude herum, zischte unter oder über deutlich langsameren Verkehrsteilnehmern hinweg oder seitlich vorbei. Vereinzeltes Hupen ertönte, doch die meisten Piloten in der luftigen Höhe bekamen in der Trägheit des Feierabends wohl nur den vorüberhuschenden Schatten mit, von dem sie höchstens noch die Rücklichter sahen. Die in die Gleiter eingebauten Sicherheitssysteme verhinderten zum Glück Kollisionen, sodass niemand zu Schaden kam.

Ren Dhark saß ruhig im Sessel, während die Gebäude links und rechts von ihm verschwammen. Er kannte das Temperament seiner Freundin, und er vertraute voll und ganz auf ihre Fähigkeiten, die jede menschliche Vorstellungskraft überstiegen. Mit ihr am Steuer fühlte er sich sicher. Ihre verstohlenen Blicke, die sie ihm zuwarf, entgingen ihm nicht.

Bestimmt versucht sie, mir durch ihre Raserei Angst einzujagen, dachte er amüsiert und bemühte sich, ein Grinsen zu unterdrücken. Er genoss diese kleinen Rangeleien mit seiner Freundin, die das Siegen gewohnt war. Bei ihm biss sie regelmäßig auf Granit, und er wusste, dass sie unter anderem genau das an ihm reizte. Es verlieh ihrer beider Beziehung eine gewisse Würze.

Binnen weniger Minuten erreichten Ren und Amy ihr Ziel.

*

Cent Field lag am östlichen Stadtrand Alamo Gordos. Hier befand sich der größte Raumhafen der Erde mit einer zwanzig mal fünfundzwanzig Kilometer großen Landefläche mit Werften sowie Hangars auf weiteren eintausend Quadratkilometern. Die meisten Gebäude wurden derzeit nicht genutzt, denn nach der Evakuierung von Milliarden von Menschen hatte der Raumhafen einige Jahre brachgelegen und erst im vergangenen Sommer seinen Betrieb wieder aufgenommen.

Von den rund zwanzig Millionen verbliebenen Erdbewohnern besaßen höchstens ein paar Dutzende Raumschiffe. Für wie viele Händler von außerhalb lohnte es sich, den Planeten anzufliegen, der erst seit Kurzem wieder lebensfreundliche Bedingungen wie vor der Eiszeit bot? Obwohl sich bereits Firmen damit beschäftigten, die Landschaften wiederherzustellen, würde es noch einige Jahre dauern, bis alles wieder wie früher war – wenn überhaupt.

Die Zukunft Cent Fields hing vor allem vom Faktor Mensch ab. Wie viele der Evakuierten, von denen ein Großteil momentan auf Babylon lebte, sehnten sich nach der Erde zurück? Und würde Bruder Lambert, der in ihnen bloß Feiglinge sah, die die Heimat im Stich gelassen hatten, ihnen die Rückkehr überhaupt jemals erlauben?

Ein halb verwaister gigantischer Raumhafen wie Cent Field bot vor allem eines: unzählige freie Parkplätze. So konnte Amy den Gleiter problemlos in unmittelbarer Nähe des Abfertigungsgebäudes parken. Sie und Ren stiegen mit ihren jeweiligen Taschen aus und begaben sich zum Eingang, wo sie die Sicherheitsschleusen passierten. Kaum befanden sie sich in der Abfertigungshalle, näherten sich zwei bewaffnete Wachen.

Der jüngere der beiden Männer plusterte sich auf und bemaß die beiden Neuankömmlinge von oben bis unten mit abschätzigem Blick. Das provokant vorgeschobene Kinn ließ ihn wie einen trotzigen Schuljungen in einem ausgewachsenen, breitschultrigen Männerkörper wirken. »Was haben Sie denn da in Ihren … Reisetaschen?«, bellte er. Die beiden Silben des Wortteils »Reise« betonte er dabei so merkwürdig, als ob er in dem Gepäck Werkzeug für Einbrüche oder gar Waffen vermutete. Glaubte er etwa, die beiden hätten die hiesige Sicherheitstechnologie ausgetrickst?

Ehe Amy etwas erwidern konnte, beugte sich sein Kollege zu ihm und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Die Augen des jüngeren weiteten sich erschrocken und zuckten zu dem weißblonden, schlanken Mann, den er eben noch wie einen Kriminellen behandelt hatte.

»Mi…, Mister Dhark«, stammelte die jüngere Wache mit einem Mal kleinlaut. »Es tut mir so leid. Ich habe Sie wirklich nicht erkannt. Hätte ich gewusst, dass Sie es sind, hätte ich …, hätte ich …«

»Schon gut, Mister Rouwen«, wiegelte der Angesprochene mit Blick auf das Namensschild seines Gegenübers ab. »Es ist ja nichts passiert.«

»Die Neuen sind immer so übereifrig«, erklärte die ältere Wache namens Troit mit einem entschuldigenden Lächeln. »Sie hätten sehen sollen, wie er gestern diese Geschäftsmänner angefahren hat. Die sind vor Schreck fast zu Stein erstarrt.«

»Das kann ich mir gut vorstellen.« Der Commander lächelte milde. »Nun müssen wir aber wirklich weiter.«

»Absolut. Wir wünschen Ihnen noch einen schönen Abend.« Troit packte Rouwen an der Schulter und wandte sich zum Gehen.

»Moment«, rief Amy den beiden nach, die sich daraufhin verwundert zu ihr umdrehten. »Es werden vermutlich sehr bald weitere Besatzungsmitglieder der POINT OF eintreffen. Sorgen Sie bitte dafür, dass diese möglichst zügig abgefertigt werden. Wir möchten nämlich in spätestens drei Stunden und zwanzig Minuten starten, um einem Notruf Folge zu leisten.«

»Ich werde meine Kollegen entsprechend darüber in Kenntnis setzen«, versprach der ältere der beiden Männer.

Amy und Ren bedankten sich und setzten ihren Weg fort. Ein Mitarbeiter der Raumhafengesellschaft brachte die beiden in einem Schweber zum Landeplatz der POINT OF.

Obwohl der Anlass des frühzeitigen Wiedersehens mit seinem Raumer kein schöner war, erfüllte den Commander beim Anblick der formvollendeten Rundungen, die in der Helligkeit der Flutlichtscheinwerfer unitallfarben schimmerten, eine ihm wohlbekannte Vorfreude. Er spürte sie immer dann, wenn er zu lange an einem Ort außerhalb jenes Schiffs verweilt war. Für ihn fühlte es sich jedes Mal an, als käme er nach Hause. Manche nannten ihn deswegen verrückt, doch wer konnte das schon beurteilen, der nicht in seiner Haut steckte?

*

Als Amy und Ren die Zentrale betraten, fanden sie diese wenig überraschend leer vor. Der Checkmaster vermeldete außer ihnen beiden keinerlei Personen an Bord.

Amy bemaß ihren Freund mit einem abschätzigen Seitenblick. »Von wegen die anderen warten bestimmt schon.«

Dhark hob mit gespielter Ratlosigkeit die Schultern und ließ sich in seinen Sessel fallen.

»Gib’s zu, du wolltest bloß vor allen anderen eintreffen!«

»Ich bin ja auch der Captain.«

»Und was machen wir jetzt?« Sie blickte ihn erwartungsvoll an.

»Übernimm du die Funkbude, bis Glenn Morris eintrifft, und regele schon mal den Starttermin mit der Raumhafenbehörde.«

Das plötzliche Funkeln in Amys Augen verriet ihm, dass sie sich über diese Aufgabe freute. Sie hatte sich immer gewünscht, mehr Verantwortung an Bord der POINT OF zu übernehmen, anstatt stets nur darauf zu warten, dass ihre Fähigkeiten als Cyborg im Außeneinsatz benötigt wurden. In den letzten Jahren hatte sie unzählige Male Morris bei der Arbeit beobachtet und jeden einzelnen Schritt in ihrem Programmgehirn abgespeichert. So fiel es ihr leicht, die Behörde anzufunken und über den baldigen Abflug der POINT OF zu informieren.

Ren Dhark kümmerte sich derweil um den Checkmaster, den er anwies, die Systeme an Bord zu überprüfen und ihm einen Statusbericht zu liefern. Des Weiteren plante er den Flug nach Sahara, den er mittels Sternensog durchführen wollte. In seine Arbeit vertieft legte sich mit einem Mal eine Hand auf seine Schulter. Er identifizierte sie als Amys. Als er sich nach seiner Freundin umdrehte, stellte er überrascht fest, dass sie ihre legere Abendkleidung bereits gegen eine frisch gewaschene Bordkombi getauscht hatte.

»Ich war kurz in unserer Kabine«, klärte sie ihn über das Offenkundige auf. »Läuft alles gut bei dir?«

»So weit ist alles in Ordnung. Ich habe gar nicht bemerkt, dass du weg warst. Hat mit der Raumkontrolle alles geklappt?«

»Sicher. Sollte ich dir das etwa explizit mitteilen?«

»Nicht nötig. Glenn wird sich nachher sowieso um alles Weitere kümmern.« Ungeduldig warf er einen Blick auf sein Armbandvipho. Seitdem sie das »W’s Place« verlassen hatten, waren gerade einmal sechsundfünfzig Minuten vergangen. Bevor er sich über den Verbleib seiner Mannschaft wundern konnte, meldete der Checkmaster, dass soeben Pjetr Wonzeff und Rani Atawa eingetroffen waren und sich an ihre jeweiligen Posten in der Medostation beziehungsweise den Flashdepots begaben.

Nun fehlten nur noch ein paar Dutzend weitere Besatzungsmitglieder.

2.

Irgendwo in Alamo Gordo

 

»Aua!« Chris Shanton schrie schmerzerfüllt auf, als sich riesige Pranken in sein Fleisch bohrten, als ob sie ihm die Muskeln von den Knochen reißen wollten. Er versuchte, dem Griff zu entkommen, doch sein ausladender Bauch steckte in der ergonomischen Liege fest.

»Entspannen Sie sich, Chris!«, raunte ihm sein Peiniger zu.

Der beleibte Ingenieur hatte sich den Aufenthalt im »Velvet Massages« gänzlich anders vorgestellt. Dass ihm kurzfristig ein Termin in diesem begehrten Etablissement gewährt worden war, hatte er einem alten Bekannten zu verdanken. Hätte ich bloß nicht auf Jorge gehört!, jammerte er in Gedanken. Dabei wollte ich mich doch bloß einmal wieder richtig tiefenentspannt fühlen.

Eine Stunde kostete stolze einhundertzwanzig Credits, weshalb er nun auch nicht einfach gehen wollte, sondern die Tortur aushalten musste in der Hoffnung, dass die großspurigen Werbeversprechen und Schwärmereien im Hyperfunknetz sich auch bei ihm bewahrheiten würden. Gustav, sein hünenhafter Masseur, vollbrachte das Wunder, stets exakt dorthin zu zielen, wo es richtig wehtat. Mit Leichtigkeit grub er sich durch die dicken Fettpolster, die Muskeln bis hinunter zum Knochen – rhythmisch zur im Hintergrund plätschernden Meditationsmusik, die angeblich auf neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen basierte.

Shanton blinzelte die Tränen fort und versuchte, sich auf die schillernden Fische im Aquarium am Boden zu konzentrieren, gedanklich darin wie eine Meerjungfrau zu versinken. So hatte es ihm Jorge mit einem Augenzwinkern geraten. Allerdings fühlte er sich nicht einmal ansatzweise wie eine Meerjungfrau, denn erstens war er ein Mann, und zweitens entsprach seine Figur – vor allem, wie er so auf der Massageliege lag – eher der eines Walrosses, nur deutlich weniger hydrodynamisch.

Gut, dass mich Jimmy nicht so sieht, dachte er. Der Köter hätte bestimmt seine helle Freude an meinem Leid und würde mich noch in zehn Jahren an diesen Tag erinnern. Während er bereute, ins »Velvet Massages« eingekehrt zu sein, und sich selbst bemitleidete, spürte er mit einem Mal, wie sich von seinem malträtierten Nacken strahlenförmig eine wohlige Hitze über seinen Körper ausbreitete. Zwar konnte er sie nicht genießen, weil Gustav gerade auf seinen Rücken einprügelte, doch wenigstens wusste er nun, dass sich sein Durchhaltevermögen langfristig auszahlen würde – sofern er nicht vor lauter Schmerzen zwischendurch in Ohnmacht fiel und das Beste verpasste.

Gustav nahm sich weiteres Öl und rieb seine Handflächen aneinander, um es zu erwärmen. In diesem Augenblick schrillte der Klang eines alten Telefons aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts los. »Keine Viphos!«, explodierte Gustav, von Tiefenentspanntheit keine Spur mehr in seiner Stimme. »Ist das denn so schwer zu begreifen?«

Shanton schluckte. »Würden Sie mal bitte kurz auf den Bildschirm schauen?« Das Sprechen fiel ihm auf dem Bauch liegend schwer, was nicht nur an seinem Körpergewicht lag, sondern auch an Gustavs beängstigender Präsenz. Mit dem rechten Arm, den er nicht sehen konnte, wedelte er in die ungefähre Richtung, in der er seinen Bademantel abgelegt hatte.

Der Masseur schnaubte verächtlich, tat aber, worum er gebeten worden war. »Ha Zeh Vandekamp ruft an.«

»Das könnte wichtig sein.«

»Kann das nicht warten? Das Programm dauert noch fünfunddreißig Minuten.«

Shanton hob schwerfällig seinen Kopf und sah zu dem Mann hinüber, der mit öligen Händen sein schrillendes Vipho in der Hand hielt und ihn mit zornigem Blick anstierte. »Wie wäre es mit einem Kompromiss? Während ich mich mit meinem Kollegen unterhalte, massieren Sie mich weiter.«

»So funktioniert das aber nicht.«

»Würden Sie einem Arzt in Bereitschaft auch sein Vipho verweigern?«

Gustav schüttelte verständnislos den Kopf. Mit den Worten »einhundertzwanzig Credits« drückte er dem Kunden das Gerät in die Hand und wandte sich im Anschluss wieder dessen Rückenmuskulatur zu. Die folgende Massage grenzte an Körperverletzung.

Shanton nahm das Gespräch ohne Bildübertragung an und unterdrückte einen Schmerzensschrei. Mit der freien Hand versuchte er, Gustav zu verscheuchen, doch der bearbeitete ihn unbeeindruckt weiter.

»Mister Shanton, sind Sie das?«, hörte er die Stimme des Kontinuumsforschers der POINT OF aus seinem Vipho kommen.

»Ja.«

»Sie hören sich nicht gut an. Was machen Sie? Stecken Sie in Schwierigkeiten?«

»Nein, auf beziehungsweise in der Massagebank. Bitte fassen Sie sich kurz! Ich weiß nicht, wie lange ich mich noch bei Bewusstsein halten kann.«

»Der Commander hat einen Alarmstart angeordnet. In spätestens drei Stunden und vierzig Minuten sollen wir uns an Bord einfinden.«

»Bin unterwegs«, antwortete Shanton und brach rasch das Gespräch ab, um noch einmal seinen Schmerz herauszubrüllen, als Gustav irgendetwas in der Nierengegend zerquetschte. Wütend warf der korpulente Ingenieur seinen Kopf herum und maulte: »Das reicht jetzt aber! Lassen Sie mich runter.«

Gustav ließ von ihm ab und grinste triumphierend. »Mir ist es gelungen, eine besonders hartnäckige Verspannung zu lösen.«

»Für mich fühlte es sich eher an, als ob sie mich ausweiden wollten.«

Der Blick des Masseurs verdüsterte sich. »Sie sind der Erste, der sich beschwert. Würden Sie mich einfach meine Arbeit machen lassen, anstatt mit Ihrem Vipho zu spielen, würden auch Sie meine Massage genießen.«

»Vielleicht ist mein Körper einfach nur zu empfindlich und braucht eine sanftere Behandlung«, verteidigte sich Shanton.

»Das lassen Sie ruhig mich beurteilen. Schließlich bin ich der Experte.«

Shanton wusste, dass Diskussionen nichts nützten, und nickte bloß. Er konnte es kaum erwarten, in die POINT OF zurückzukehren, wo er sich mit derartigen Problemen nicht herumschlagen musste. Wie erhofft ließ ihn Gustav von der Liege herunter. Kaum stand er auf den Beinen, da spürte er, wie die Schwerkraft an ihm zu ziehen begann, was der Masseur mit einem bissigen »Sie wollten ja unbedingt die Ausklingphase überspringen« kommentierte. Schwerfällig schleppte sich Shanton zu seinen Sachen, hüllte sich in den Bademantel und begab sich anschließend in die Umkleidekabine.

*

Steve Hawker saß allein in einer Bar über ein Glas Bier gebeugt. Das Angebot seines Freundes Charlie Parker, sich während des Urlaubs mindestens einmal zu treffen, um gemeinsam etwas zu unternehmen, hatte er ausgeschlagen – genau, wie er dessen Anrufe ignorierte. Er spielte mit dem Gedanken zu kündigen und irgendwohin zu gehen, wo ihn niemand kannte und wo vor allem niemand etwas über seine schändliche Herkunft wusste. Seitdem jener Hyperkalkulator der Forschungsstation auf Huwei seine wahre Identität offenbart hatte, lag sein Leben in Scherben. Nach etlichen Monaten Gefängnis an Bord der POINT OF hatte ihn Ren Dhark zwar rehabilitiert und ihm sein volles Vertrauen ausgesprochen – sogar mehrfach und vor der gesamten Mannschaft –, doch Hawker konnte es nicht ganz glauben; zu sehr ekelte er sich vor sich selbst, schämte sich für die Schandtaten seines Volkes, obgleich er mit denen rein gar nichts zu tun hatte. Er war bei menschlichen Eltern aufgewachsen, fühlte sich durch und durch als Mensch und sah aufgrund der Genmanipulation durch die Kalamiten, der er seit seiner Geburt ausgesetzt gewesen war, auch wie einer aus. Mit herkömmlichen Methoden war der kalamitische Teil in ihm nicht zu enttarnen. Ursprünglich hatte er als Prototyp für eine Kalamitengeneration gedient, die die Menschheit unterwandern sollte. Sein Leben basierte auf einer großen Lüge.

Bereits zum wiederholten Mal an diesem Abend vibrierte sein Armbandvipho. Lass mich doch einfach in Ruhe, Charlie!, jammerte er innerlich, als er den Namen seines Freundes auf dem Miniaturbildschirm las. Ein bisschen schämte er sich für sein Verhalten, denn Charlie Parker hatte als Einziger stets zu ihm gehalten, sogar vor seiner Rehabilitation durch den Commander. Er sollte eigentlich dankbar sein, doch ein Teil in ihm wollte sich unbedingt weiter in Selbstmitleid und Selbstvorwürfen suhlen. Der Schmerz über die letzte Begegnung mit Stanley Oliver saß tief. Steve wusste, dass Charlie ihm bloß etwas Gutes hatte tun wollen, ihm jedoch letztlich dabei bewiesen hatte, dass die Mannschaft ihn nicht mehr akzeptierte, sondern höchstens noch widerwillig ertrug. Was auch immer ich versuche, nichts wird mehr so sein wie früher.

Jemand ließ sich neben ihm nieder. Ohne hinzusehen rückte Hawker instinktiv ein Stück von demjenigen ab. Im Moment ertrug er keine Nähe. Er bekam ja kaum sein Bier herunter.

Wieder vibrierte sein Vipho, wieder versuchte Charlie ihn zu erreichen. Was, wenn es sich um etwas Wichtiges handelt?, durchzuckte es ihn. Ach was! Eigentlich braucht mich niemand. Bestimmt ruft er nur aus Mitleid an. Er versuchte, sich auf die spärlich bekleideten Frauen mit den unnatürlich großen Brüsten zu konzentrieren, die sich lasziv in Käfigen über den Flaschenregalen rekelten, doch nicht einmal sie vermochten, ihn abzulenken. Es war zum Verzweifeln.

»Wollen Sie nicht drangehen?«, fragte der Mann neben ihm.

»Warum sollte ich?«, grummelte Hawker und trank einen Schluck des Bieres, das mittlerweile schal schmeckte.

»Weil offenkundig jemand anruft.«

Just in diesem Moment verstummte das Vipho. »Tja, jetzt wohl nicht mehr. Außerdem bin ich beschäftigt.«

»Das sieht man.«

»Lassen Sie mich doch einfach in Ruhe. Ich suche wirklich keinen Ärger.«

»Charlie versucht schon seit Tagen, Sie zu erreichen.«

Verdutzt fuhr Hawker mit dem Kopf herum. »Woher …?« Mit halb geöffnetem Mund starrte er in das Gesicht eines Mannes, dem er am liebsten nie wieder begegnet wäre. Er wünschte sich, im Boden zu versinken oder einfach tot umzukippen – Hauptsache weg. »Was …, was tun Sie denn hier, Mister Oliver?«

Der achtundfünfzigjährige Bordtechniker zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich selbst nicht so genau.«

»Schickt Charlie Sie?«

Stanley Oliver lachte auf. »Oh nein, ganz bestimmt nicht. Er ist eingeschnappt und redet nicht mehr mit mir.«

Murmelnd wandte sich Hawker seinem Glas zu: »Das liegt bestimmt an mir.«

»Ja, allerdings.«

»Und was wollen Sie jetzt von mir?«

»Sie werden gesucht.«

Der Fähnrich zuckte zusammen und wurde schlagartig bleich.

»Nicht deswegen«, fügte Stanley schmunzelnd hinzu. »Ren Dhark hat vor rund einer Stunde einen Alarmstart angekündigt. Die Mannschaft soll sich binnen vier Stunden an Bord einfinden. Wir wollen doch nicht, dass wir als Letzte dort aufkreuzen?«

»Wir?«

»Nur um eines klarzustellen: Ich mache das hier ausschließlich für Charlie. Sie haben ihn mit Ihrer schlechten Laune angesteckt, und jetzt ist er unerträglich. Ich will einfach nur, dass er wieder wie früher wird, bevor … Sie wissen schon.«

Hawker schürzte die Lippen und versank fast in seinem Glas, das er fest umklammert hielt. »Nichts wird mehr so sein wie früher.«

»Schon klar, aber einen Versuch ist es doch wert, oder? Und nun bewegen Sie Ihren Hintern, bevor ich Sie eigenhändig zur POINT OF schleife.«

Irritiert blickte Hawker den Bordtechniker an. »Wieso tun Sie das?«

»Wegen Charlie, das sagte ich doch. Und natürlich weil Sie zur Mannschaft gehören.«

»Meinen Sie das ernst?«

Oliver stand vom Barhocker auf und ließ einen Credit-Chip auf den Tresen fallen. Statt die Frage zu beantworten, brummte er: »Ich muss doch ständig hinter allen aufräumen. Das hier ist keine Ausnahme. Ohne mich würde der Laden in Nullkommanichts auseinanderfliegen. Ihr Bier geht übrigens auf mich, aber das macht uns nicht zu Freunden, kapiert?«

»Äh, danke«, presste Hawker hervor und lächelte zaghaft. Noch immer versuchte er, schlau aus dem Bordtechniker zu werden. Vielleicht ist ja noch nicht alles verloren, grübelte er und spürte erstmals seit Langem wieder einen Funken Hoffnung und Lebensmut in sich aufglimmen. Nicht vergessen worden zu sein bedeutete ihm viel.

*

»Und du hattest keine Angst zu sterben?«, fragte die junge Frau, deren rostroten Haare ihr in einem dicken Flechtzopf über die Schulter hingen. Sie hatte sich für diesen Abend besonders hübsch gemacht, denn sie feierte mit ihrem Vater ihren siebzehnten Geburtstag nach und war dafür eigens von Babylon angereist.

Leon Bebir nippte schmunzelnd an seinem Weinglas. »Ein bisschen vielleicht, aber das gehört zur modernen Raumfahrt dazu. Wir erforschen uns unbekannte Sektoren des Weltraums, von denen es unendlich viele gibt und in denen allerlei Gefahren lauern können. Würde mich das abschrecken, sollte ich mir besser einen gemütlichen Bürojob auf der Erde suchen.«

»Nun ja, hier ist es auch nicht unbedingt sicher«, brachte Judy ein und schnitt sich ein Stück des Fisches ab, der im abgetauten Atlantik gefangen worden war. Eine ganze Industrie kümmerte sich mittlerweile um die Wiederherstellung Terras, wozu auch die Wiederansiedlung von Tieren gehörte.

»Wo du recht hast … Wie geht es eigentlich Muriel?«

»Hat wieder geheiratet.«

Leon Bebir schürzte die Lippen. Er konnte kaum fassen, dass er die Mutter seiner Tochter nach all den Jahren immer noch vermisste, wenn auch nicht mehr so sehr wie früher. Mich wollte sie nie heiraten, stellte er in Gedanken fest, aber komischerweise diverse andere Kerle, von denen sie sich wenig später wieder scheiden ließ. Die wievielte Hochzeit ist das mittlerweile? Die dritte?

»Tut mir leid«, murmelte Judy. Das schlechte Gewissen stand ihr ins Gesicht geschrieben, obwohl sie keinerlei Schuld an der Situation trug.

»Das muss es nicht«, entgegnete ihr Vater. »Das ist einzig und allein eine Sache zwischen deiner Mutter und mir – oder besser gesagt, nur meine. Muriel hat bestimmt schon lange nicht mehr an mich gedacht, was ich ihr nicht verübeln kann. Schließlich bin ich die meiste Zeit irgendwo im Weltall unterwegs.«

»Wozu gibt es Hyperfunk? Du und ich, wir beide sprechen uns doch auch regelmäßig. Du könntest sie ja mal anrufen.«

»Hm, ich weiß nicht.«

»Manchmal redet sie von dir. Sie sagt, du seist ein guter Mann gewesen – zu gut für sie.«

»Wirklich?«

»Ja.«

»Und das sagst du nicht nur, weil du willst, dass wir wieder zusammenkommen?«

Judy zog eine Augenbraue hoch. »Habe ich dir nicht gerade erzählt, dass Mom wieder geheiratet hat? Ich glaube, sie ist nicht für Langzeitbeziehungen geschaffen. Sie lobt dich eigentlich immer nur dann, wenn sie Stress mit ihrem Neuen hat.« Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: »Trotzdem würde ich mich freuen, wenn wir uns einmal zu dritt treffen könnten. Nächstes Jahr mache ich meinen Schulabschluss. Das wäre die ideale Gelegenheit, meinst du nicht?«

Leon Bebir zwang sich zu einem Lächeln. Einerseits wünschte er sich sehr, Muriel einmal wiederzusehen, andererseits befürchtete er, von der Realität abgeschreckt zu werden. Menschen veränderten sich mit der Zeit. In den sechs Jahren ihres Zusammenseins hatten sie einige wundervolle Augenblicke miteinander erlebt, warum sollte er es riskieren, dass die Realität diese trübte?

Die ständigen Allreisen bargen den großen Nachteil, dass es sich enorm schwierig gestaltete, mehr als eine kurzzeitige Lebensabschnittsgefährtin zu finden. An Bord der POINT OF gab es keine große Auswahl. Entweder zeigten die Frauen kein Interesse an einer Beziehung oder waren bereits vergeben. Manchmal beneidete er Ren Dhark um seine Beziehung. Dann wiederum hatte er in der Vergangenheit oft genug die dicke Luft gespürt, wenn es zwischen den beiden gekriselt hatte. Zwar gaben sie sich große Mühe, das Private aus der Zentrale herauszuhalten, doch in einem Raumschiff konnte man sich nicht so gut aus dem Weg gehen wie beispielsweise auf einem Planeten. Deshalb zog es Bebir letztlich vor, Single zu bleiben und lieber den schönen Erinnerungen an Muriel nachzuhängen.

Als er den erwartungsvollen Blick seiner Tochter sah, erwiderte er: »Weißt du schon, was du nach der Schule vorhast?«

Judy zuckte mit den Schultern. »Vielleicht gehe ich an die Raumakademie.«

»Im Ernst?«

»Ja, warum nicht? Du warst doch auch dort.«

»Das ist aber kein Grund.«

»Alle meine Freunde beneiden mich, wenn ich ihnen erzähle, dass du für Ren Dhark arbeitest. Er ist eine Legende.«

Der Zweite Offizier lächelte gequält. Fast niemand wusste, welche Funktion er an Bord der POINT OF erfüllte, niemand interessierte sich dafür, niemand fragte nach. Sie alle ließen sich lediglich von dem Namen Ren Dhark beeindrucken. So entstand schnell ein falsches Bild vom Beruf des Raumfahrers. Nicht jeder konnte als Held im Rampenlicht stehen. Unzählige Leute wirkten still im Hintergrund, um Heldentaten überhaupt erst zu ermöglichen. Bebir beklagte sich im Grunde nicht darüber. Er wollte einfach nur seine Arbeit erledigen und Teil des großen Ganzen sein, aber er wollte auch, dass seine Tochter nicht glaubte, er würde bloß däumchendrehend dabei zuschauen, wie Ren Dhark ständig im Alleingang die Milchstraße – nein, das Universum! – rettete. »Was genau motiviert dich denn, das All zu bereisen?«, hakte er nach.

Judy wiegte ihren Kopf hin und her. »Dies und das. Man erlebt die ganze Zeit Abenteuer und so.«

»Und worauf willst du dich spezialisieren?«

»Das weiß ich noch nicht. Erstmal muss ich es an die Raumakademie schaffen, dann sehen wir weiter.«

»Gute Idee«, stimmte Bebir halb amüsiert, halb besorgt zu. Er rief sich ins Gedächtnis, dass seine Tochter erst siebzehn war. In dem Alter hatte er auch noch naive Vorstellungen vom Weltraum gehabt. Damals im Jahr 2040 waren gerade einmal Sprünge bis maximal 1,7 Lichtjahre mittels des um 2020 entdeckten »Time«-Effekts möglich gewesen. Dreiundreißig Jahre später konnten die Raumfahrer über solche Kurzstrecken nur lachen.

Da vibrierte mit einem Mal sein Armbandvipho. Von Hen Falluta erfuhr er von der Seuche auf Sahara und dem angekündigten Alarmstart der POINT OF.

»Ein dringender Notfall erfordert meine Anwesenheit«, erklärte er seiner Tochter mit bedauernder Miene, die das Gespräch wegen des im Vipho integrierten Sprachverwirblers nicht mitbekommen hatte. In Momenten wie diesen spürte er deutlich, auf wie viel er für seine große Leidenschaft, die Raumfahrerei, oftmals verzichten musste, allerdings teilte er dieses Schicksal mit vielen seiner Kollegen. »Die Pflicht ruft.«

Judys Augen glänzten vor Begeisterung. »Musst du mal wieder die Milchstraße retten, Dad?«

»Sieht ganz so aus. Lass uns noch schnell aufessen, dann bringe ich dich zur Transmitterstation.«

*

Als Chris Shanton das »Velvet Massages« verließ, atmete er erleichtert die kühle Abendluft ein. Er sah sich nach Jimmy um, den er jedoch nirgendwo entdecken konnte. Auch das noch!, ärgerte er sich. Wieso kann dieses Brikett auf Beinen nicht einmal im Leben auf mich hören? Er warf einen Blick auf die Uhr. Es blieben ihm noch über drei Stunden bis zum Start der POINT OF, doch er wollte gewiss nicht als Letzter erscheinen oder gar den Abflug verpassen. Notfalls lasse ich den Köter hier!, schwor er sich, ahnte jedoch, dass er sein Vorhaben höchstwahrscheinlich nicht übers Herz bringen würde.

Mit der Saunatasche über der Schulter ging er ein Stück die Straße hinunter in der Hoffnung, dass Jimmy bloß wie ein echter Hund in irgendeiner Gasse Mülltonnen durchwühlte. Da sprang ihm mit einem Mal das Wort »Tierfänger« ins Auge, das in Großbuchstaben auf einem Transportschweber prangte.

»Nicht schon wieder!«, seufzte er und beschleunigte seine Schritte.

Wie befürchtet hörte er nach wenigen Metern die Stimme des Gesuchten aus einer Gasse kommen: »Such dir gefälligst einen anderen Hund, den du drangsalieren kannst, du Schuft!«

»Du kannst sprechen?«, fragte eine dunkle Stimme verdutzt.

»Natürlich! Und nun mach gefälligst das Ding von meinem Hals ab, bevor ich dir Feuer unter dem Hintern mache!«

Die dunkle Stimme lachte auf. »Nein, nein, darauf falle ich nicht herein. Hunde können nicht sprechen. Das sind bestimmt die Nachwirkungen des Joints von gestern Abend.«

»Wenn du meinst, ich habe dich jedenfalls gewarnt.«

Shanton ahnte das Schlimmste und stürzte auf die Gasse zu. Er kam gerade noch rechtzeitig, bevor Jimmy seine Drohung wahr machen und den Zungenstrahler einsetzen konnte. »Was wird das denn hier?«, polterte er sofort los. »Lassen Sie gefälligst meinen Hund in Frieden!«

Der Tierfänger, ein kleiner, pummeliger Mann mit Glatze und pechschwarzem Vollbart, drehte sich nach ihm um. In der Hand hielt er eine Eisenstange, an deren Ende sich eine Schlaufe befand, die eng um Jimmys Hals lag. Sofort verfinsterte sich sein Blick. »Sind Sie der Besitzer?«

»Wie er leibt und lebt.«

»Es besteht Leinenzwang in Alamo Gordo. Stattdessen lief ihr Tier unbeaufsichtigt herum.«

»Wirklich?« Shanton sah zu dem schwarzfelligen Roboterhund hinunter und schüttelte tadelnd den erhobenen rechten Zeigefinger. »Ich habe dir doch gesagt, du sollst vor dem ›Velvet Massages‹ sitzen bleiben, bis ich dich abhole.«

Der Vollbärtige schüttelte fassungslos den Kopf. »Ist das Ihr Ernst? Hunde können nicht solche Art von Befehlen befolgen.«

»Sie können auch nicht sprechen«, erwiderte Jimmys Erbauer.

»Ja, stimmt. Sie haben nun zwei Möglichkeiten: Entweder Sie zahlen zwanzig Credits Bußgeld oder ich nehme Ihren Hund mit.«

»Zwanzig Credits? Was, wenn ich Ihnen sage, dass er kein Hund ist – kein richtiger jedenfalls?«

»Ich höre jeden Tag die absurdesten Ausreden. Ihre beeindruckt mich am allerwenigsten.«

»Sie haben Jimmy doch selbst reden hören.«

»Habe ich das?«

»Komm, Jimmy, sag mal was!«, forderte Shanton den Roboterhund auf.

Dieser machte jedoch nur »Wuff« und wedelte euphorisch mit dem Schwanz.

Der Tierfänger schnaufte verächtlich. »Machen Sie sich nicht lächerlich, Mister! Ich gebe Ihnen zehn Sekunden, das Bußgeld zu bezahlen, ansonsten können Sie Ihren Jimmy aus dem Tierheim abholen, was sie deutlich teurer zu stehen kommt.«

Shanton schoss einen giftigen Blick auf seinen Hund ab und bezahlte widerwillig. Daraufhin machte der Tierfänger die Schlaufe ab, verließ die Gasse und wollte gerade in den Schweber steigen, als Jimmy ihm hinterherrief: »Vollidiot!«

Wütend drehte sich der Mann um und funkelte den Tierbesitzer an. »Wie war das?«

Der beleibte Ingenieur hustete. »Hab mich verschluckt«, presste er hervor.

»Das will ich auch hoffen.« Mit diesen Worten ließ der Tierfänger ihn stehen und fuhr davon.

Kaum waren sämtliche Augenzeugen aus dem Blickfeld, versuchte Chris Shanton nach Jimmy zu treten, der jedoch wie immer geschwind zwischen den Beinen seines Herrchens hindurchflitzte.

»Was sollte das, du kleiner Giftzwerg?«, polterte Shanton ungehalten. »Fast hättest du uns beiden gewaltigen Ärger eingehandelt! Diese Typen verstehen keinen Spaß.«

»Er hatte es verdient«, erklärte Jimmy mit leicht schnippischem Unterton.

»Warum bist du nicht einfach vor dem Eingang sitzen geblieben?«

»Das bin ich doch, aber als der Kerl aus dem Schweber stieg und mich mit dieser Entschlossenheit in seinem Blick angestarrt hat, wusste ich, dass ich lieber schleunigst das Weite suchen sollte. Leider war er schneller als ich, was mich bei seiner Figur ziemlich überrascht hat. Von dem könntest du dir übrigens eine Scheibe abschneiden, Dickerchen!«

»Und deine Kugelrollen? Was ist mit denen? Damit wärst du dem Kerl mit Leichtigkeit entkommen.«

»Ich sollte doch nicht auffallen, hast du gesagt, also habe ich mich ganz wie ein echter Hund benommen. Wuff!«

»Aber dann sprechen, wenn man in der Klemme sitzt«, knödelte Shanton, ballte die Fäuste und entspannte sich wieder. »Ich weiß echt nicht, womit ich das alles verdient habe. Erst dieser schreckliche Masseur, jetzt du. Dabei wollte ich heute bloß ein bisschen Tiefenentspannung genießen.«

Jimmy sah zu ihm hinauf. »Das führt mich zu der Frage: Was machst du jetzt schon hier draußen?«

»Anruf von Vandekamp. Ren Dhark hat einen Alarmstart befohlen.«

»Du weißt also Bescheid.«

»Du auch?«

»Klar. Artus hat mich kontaktiert.«

»Wieso hast du mir nichts gesagt?«

»Wie denn? Im ›Velvet Massages‹ sind Hunde verboten.«

»Hat dich ein Verbot etwa je von etwas abgehalten?«, konterte Shanton.

Jimmy schien einen Augenblick lang nachzudenken. »Nein, aber dann musste ja unbedingt der Typ von eben aufkreuzen.«

»Immer diese Ausreden.«

»Das war keine.«

»Jetzt komm endlich! Ich habe deinetwegen schon genug Zeit verloren. Sollte ich als Letzter an Bord erscheinen, werde ich echt ungemütlich.«

*

Während der Checkmaster die Systeme überprüfte und die Meiler für die bevorstehende Energieversorgung hochfuhr, traf Hen Falluta, der Erste Offizier der POINT OF, in Begleitung von Leon Bebir ein. Als schließlich auch der Erste Funker Glenn Morris sowie Tino Grappa, der Chef der Ortungsabteilung, die Zentrale betraten, atmete der Commander beruhigt auf, denn nun befanden sich die wichtigsten Personen an Bord, um den Ringraumer sicher nach Sahara zu fliegen. Allerdings hoffte er, dass noch Miles Congollon, Alec Berow und Jan-Aage Brom rechtzeitig auftauchen würden, damit auch der Maschinenraum zumindest teilweise besetzt war. Glücklicherweise schalteten die Statusanzeigen in der Bildkugel nach und nach alle auf Grün um, sodass die Anwesenheit der drei möglicherweise nicht von Nöten sein würde.

Wir wissen doch gar nicht, was uns auf Sahara erwartet, durchzuckte es Dhark. Er ließ seinen Blick suchend durch die Zentrale schweifen, doch alles, was er sah, waren seine Männer, die sich routiniert an ihren jeweiligen Arbeitsplätzen auf den Start vorbereiteten. Jeder Handgriff saß.

»Hat jemand Artus gesehen?«, fragte Dhark in die Runde, doch niemand konnte ihm Auskunft über den Verbleib des intelligent gewordenen Großserienroboters geben. Weil der Checkmaster nach eigenen Angaben nichts von einem Notruf von Sahara wusste, überlegte der Commander, Glenn Morris die Raumhafenbehörde kontaktieren zu lassen. Möglicherweise hatte sie den auf offener Hyperfrequenz abgestrahlten Notruf ebenfalls empfangen.

Just in diesem Moment platzte Parock in die Zentrale. Aufgeregt ließ er seine tentakelartigen Arme rotieren. »Ich habe gehört, dass Kharamak wieder zugeschlagen hat! Diesmal auf einer Menschenkolonie! Ist das wahr, Ren?«

»Wahrscheinlich«, bestätigte sein weißblonder Freund ruhig, »aber nun setz dich doch erst einmal. Ich denke, wir werden gleich die Einzelheiten zu dem Notruf erfahren.« Sein Blick fiel auf den Großserienroboter, der die Zentrale zusammen mit dem Kraval betreten hatte und neben dem Vier-Meter-Riesen fast schon zerbrechlich anmutete. »Nicht wahr, Artus?«

»Das zu beurteilen, überlasse ich dir, Dhark.« Der Angesprochene ging zur nächstgelegenen Konsole, mit der er sich über ein Kabel verband. »Ich habe mir erlaubt, besagten Notruf aufzuzeichnen, und übertrage ihn nun an den Checkmaster. Ihr könnt ihn euch gleich selbst anhören.«

Keine Minute später tönte eine dumpfe, männliche Stimme aus den Schallfeldern. Sie klang mitgenommen und kurzatmig, sprach von einer unbekannten, hochansteckenden Seuche, der bereits sechzig Menschen auf Sahara zum Opfer gefallen seien. Ohne näher ins Detail zu gehen, endete der Notruf.

»Gab es noch weitere Nachrichten dieser Art?«, erkundigte sich Dhark bei Artus.

»Leider handelte es sich um die einzige, und sie wurde auch nur ein einziges Mal abgestrahlt.«