Ren Dhark – Weg ins Weltall 87: Ausbruch aus der Existenz - Jan Gardemann - E-Book

Ren Dhark – Weg ins Weltall 87: Ausbruch aus der Existenz E-Book

Jan Gardemann

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Beschreibung

Rund 1.000 Ringraumer fremder Herkunft, randvoll mit Flüchtlingen von Babylon, fliegen ins Sol-System ein. Doch die Menschen an Bord sind dort nicht willkommen, und es bricht ein Kampf aus. Kann Ren Dhark mit der POINT OF rechtzeitig vor Ort sein, um Schlimmeres zu verhindern? Unterdessen setzen die wilden Horden der Tondarmaks alles daran, einen Übergang in unser Universum zu erschaffen, was beide Kontinua auf Dauer vernichten würde. Obwohl die Wächter Doris und Tekaro an ihre Grenzen gehen, um dies zu verhindern, geschieht das Unfassbare: Es kommt zum Ausbruch aus der Existenz... Jan Gardemann und Nina Morawietz verfassten diesen temporeichen SF-Roman nach dem Exposé von Ben B. Black.

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Ren Dhark

Weg ins Weltall

 

Band 87

Ausbruch aus der Existenz

 

von

 

Jan Gardemann

(Kapitel 1 bis 7 und 16 bis 24)

 

Nina Morawietz

(Kapitel 8 bis 15)

 

und

 

Ben B. Black

(Exposé)

Inhalt

Titelseite

Vorwort

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

21.

22.

23.

24.

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Impressum

Vorwort

Wie Sie, liebe Leser, inzwischen sicherlich mitbekommen haben, dreht sich in meiner Freizeit sehr viel ums Tanzen. Es ist ein wundervolles Hobby für Jung und Alt, und vor allem ist es etwas, das ich mit meiner Frau gemeinsam machen kann und das uns großen Spaß bereitet.

Weniger bekannt ist vermutlich der Umstand, dass jedes Jahr im August in Stuttgart das weltgrößte(!) Tanzturnier stattfindet, die German Open Championship. Dabei treten Tausende von Paaren in verschiedenen Disziplinen und Leistungsklassen gegeneinander an, das Kongresszentrum Liederhalle verwandelt sich dafür rund eine Woche lang in eine völlig eigene Welt, in der sich alles nur ums Tanzen dreht, inklusive Ständen, an denen man Kleider, Schuhe, Musik und anderes erwerben kann; die Aussteller kommen dabei – so wie auch die Teilnehmer – aus allen Teilen der Welt.

Selbstverständlich sind auch meine Frau und ich bei diesem Großereignis dabei, allerdings nicht als Turnierteilnehmer, sondern als ehrenamtliche Helfer hinter den Kulissen, von denen es jedes Jahr über fünfhundert gibt und die dazu beitragen, dass solch eine Veranstaltung überhaupt gelingen kann.

Ohne Sponsoren geht es natürlich auch nicht. Einer davon hat uns dieses Jahr Smoothies zur Verfügung gestellt, und zwar sechstausend Flaschen! Bislang brachte ich dieses Getränk – wenn man es denn ein Getränk nennen möchte – immer mit Spinat in Zusammenhang, weshalb ich mich nie wirklich dafür interessiert habe. Aber die vielen Flaschen waren da und mussten getrunken werden, damit sie am Ende nicht im Müll landen, und von Spinat stand auch nichts auf der Zutatenliste, also habe ich mal einen probiert. Anfänglich fand ich den Geschmack gewöhnungsbedürftig, aber dann habe ich noch mal einen getrunken und noch mal einen und so weiter, denn speziell morgens, wenn man Frühschicht beim Helfen hatte, haben sich diese Dinger als wahre Muntermacher und Energielieferanten erwiesen.

Zu Hause haben wir dann später probiert, selbst Smoothies zu machen, denn in der »Eigenproduktion« weiß man ganz genau, was drin ist. Einen Mixer besitzen wir, frisches Obst steht ebenfalls zur Verfügung, und ein großer Akt ist es auch nicht wirklich. Meine Frau hat einmal mehr ihr Händchen für solche »Experimente« bewiesen, und inzwischen steht dieses leckere und vor allem gesunde Getränk etwa einmal die Woche auf dem Speiseplan (zu viel davon ist auch nicht gut, denn durch den enthaltenen Fruchtzucker nimmt man auch nicht unerhebliche Mengen an Kohlenhydraten und somit Kalorien zu sich).

Die Frage, welche mich nun beschäftigt, lautet, ob Smoothies nur eine Modeerscheinung sind oder ob sie sich über längere Zeit halten werden und irgendwann vielleicht einmal zum Allgemeingut gehören so wie heutzutage die Tasse Kaffee. Wie wird das in fünfundfünfzig Jahren aussehen, also zu der Zeit, in der aktuell die REN DHARK-Romane spielen? Wie anachronistisch ist dann vielleicht der Cola-Automat, der in der Messe der POINT OF steht und immer wieder als Treffpunkt für diverse Gespräche innerhalb der Mannschaft des Ringraumers dient?

Das alles werden wir vermutlich nicht mehr erfahren. Dieser Umstand sollte uns jedoch keinesfalls davon abhalten, das nächste Abenteuer unserer Helden zu genießen. Erleben wir nun also gemeinsam den Ausbruch aus der Existenz …

 

Stuttgart, im Oktober 2019

Ben B. Black

Prolog

Im Herbst des Jahres 2067 scheint sich das Schicksal endlich einmal zugunsten der Menschheit entwickelt zu haben. Deren Hauptwelt heißt längst nicht mehr Terra, sondern Babylon. 36 Milliarden Menschen siedelten auf diese ehemalige Wohnwelt der Worgun um, als die irdische Sonne durch einen heimtückischen Angriff zu erlöschen und die Erde zu vereisen drohte. Mittlerweile konnte die Gefahr beseitigt werden, und das befreundete Weltallvolk der Synties hat den Masseverlust der Sonne durch die Zuführung interstellaren Wasserstoffgases wieder ausgeglichen. Die Erde ist erneut ein lebenswerter Ort, auf dem allerdings nur noch rund 120 Millionen Unbeugsame ausgeharrt haben. Die neue Regierung Terras unter der Führung des »Kurators« Bruder Lambert hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Planeten nach dem Vorbild Edens in eine Welt mit geringer Bevölkerungsdichte, aber hoher wirtschaftlicher Leistungskraft zu verwandeln, und ist deshalb nicht bereit, die nach Babylon Ausgewanderten wieder auf die Erde zurückkehren zu lassen.

Noch im selben Jahr nimmt Ren Dhark das Angebot des Industriellen Terence Wallis an und lässt seinen Körper mit Nanorobotern behandeln, die ihn und sieben von ihm Auserwählte unsterblich machen. Doch anstatt sich mit seiner nun vollständig veränderten Lebensperspektive beschäftigen zu können, muss sich Ren Dhark einer neuen Aufgabe stellen: Eine unbekannte Macht namens Kraval sorgt dafür, dass der Hyperraum nicht länger zugänglich ist, doch Ren Dhark und seinen Getreuen gelingt es, auch dieser Bedrohung erfolgreich zu begegnen, nur um sich sogleich einem viel größeren Problem gegenüberzusehen: Im Zentrum der Milchstraße ist ein Miniuniversum entstanden, das exponentiell wächst und dadurch droht, das bekannte Universum innerhalb weniger Jahre zu vernichten. Mithilfe der Nomwarun schafft man es schließlich, auch diese Gefahr zu meistern.

Im Sommer des Jahres 2072 scheint dann endlich die Normalität in der Milchstraße zu herrschen, die sich jedermann wünscht. Da werden Arc Doorn, Chris Shanton und Amy Stewart durch ein Lichtphänomen aus einer uralten Einrichtung der Wächter unterhalb des Titicacasees in die Galaxis Voktar verschlagen. Ren Dhark eilt seinen Freunden zu Hilfe, und nach einer kleinen Odyssee gelingt es den Terranern im Sommer 2073 endlich, wieder in die Milchstraße zurückzukehren.

Kaum zu Hause, bekommen es die Raumfahrer mit jemandem zu tun, der offenbar bewohnte Planeten mit tödlichen Seuchen überzieht. Auf der Suche nach Hinweisen auf den Verbleib des geheimnisvollen Fremden dringt die POINT OF ins Hoheitsgebiet des Telin-Imperiums vor. Dort gelingt es schließlich, Kharamak zu stellen, doch der Krayn lässt Ren Dhark und seinen Begleitern keine andere Wahl, als ihn zu töten.

Die Terraner befinden sich bereits wieder auf dem Heimweg, als sie von den Tel dazu aufgefordert werden, bei der Aufklärung einer Reihe bestialischer Morde auf der Forschungswelt Reshaf zu helfen. Der Täter entpuppt sich als ein Teil des Bakterienmannes, dem Ren Dhark und seine Getreuen bis Babylon folgen, wo dessen Large jedoch bereits von der BF abgeschossen wurde.

Während die Besatzung der POINT OF ihren wohlverdienten Urlaub auf der neuen Zentralwelt der Menschen genießt, kommt es immer wieder zu Störungen in der bis dato reibungslos arbeitenden Technik. Auf Babylon bricht das Chaos aus, viele Bewohner suchen ihr Heil in der Flucht, was zu neuen Reibereien führt. Eine Flotte von rund 1.000 fremden Ringraumern nimmt auf Babylon noch mehr Fluchtwillige auf und bringt sie ins Sol-System, wo sie jedoch nicht willkommen sind. Als es zu einem Gefecht zwischen diesen Raumern und Schiffen der Neuen Terranischen Flotte kommt, bahnt sich eine Katastrophe an …

1.

In der Zentrale der POINT OF herrschte angespannte Stille. Ren Dhark knetete nervös seine Hände, während er die Darstellung in der Bildkugel konzentriert anstarrte: Eine breitgefächerte Ansammlung weißer Punkte schwebte inmitten der samtenen Schwärze des Weltalls, kaum zu unterscheiden von dem Gleißen ferner Sterne. Wie Wetterleuchten flackerten pinkfarbene Blitze in der Pünktchenwolke auf. Einige der Markierungen bewegten sich, doch die meisten standen still.

Diese eher unspektakuläre Darstellung fesselte die Aufmerksamkeit der die Bildkugel Umstehenden derart, als verfolgten sie einen Action-Thriller. Und so als könnten sie der Abbildung auf diese Weise einen viel tieferen Sinn entlocken, stierten sie diese an.

Ohne seinen Blick von der Bildkugel abzuwenden rief Ren Dhark: »Tino, wir warten auf weitere Meldungen!«

Tino Grappa, Chef der Ortungsabteilung, ließ sich von der Ungeduld des weißblonden Raumfahrers nicht aus der Ruhe bringen. Mit Bedacht tippte er auf den Tastfeldern seiner Arbeitsstation herum und betrachtete die Anzeigen sorgfältig. Grappa, der unter zahlreichen Brüdern und Schwestern aufgewachsen war und während seiner Kindheit in der Pizzeria der Eltern tatkräftig mitgeholfen hatte, hatte schon früh einen ruhenden Pol in seinem Innern entwickelt; dieser galt inzwischen als herausragende Charaktereigenschaft des Ortungsoffiziers.

»Beim S-Kreuzer-Verband ist alles unverändert«, meldete er schließlich. »Der Konvoi der Flüchtlingsschiffe hat nicht erneut Fahrt aufgenommen, nachdem er gestoppt wurde. Er befindet sich knapp eine astronomische Einheit vom Sol-System entfernt. Und es wird noch immer mit Nadelstrahl geschossen.«

»Lässt sich denn inzwischen wenigstens erkennen, was den Stopp dieser Schiffe verursacht hat und warum gefeuert wird?«, rief Hen Falluta dazwischen. Der Erste Offizier, der zurzeit die Gedankensteuerung der POINT OF innehatte, rutschte unruhig im Pilotensessel umher.

Grappa schüttelte bedauernd den Kopf. »Die Wolke der S-Kreuzer verstellt nach wie vor die Sicht auf das, was sich von uns aus gesehen hinter dem Verband befindet. Da ist nichts zu machen.«

Dhark wandte sich seinem Ersten Offizier zu: »Wir müssen noch schneller vorankommen, Hen«, drängte er.

»Wir fliegen bereits mit höchsten Beschleunigungswerten«, erwiderte Falluta und umfasste die Armlehnen noch fester. »Bald werde ich abbremsen müssen, damit wir nicht über das Ziel hinausschießen.«

»Wann werden wir das Zielgebiet erreichen?«, wollte Dhark wissen.

»In etwa einer halben Stunde.«

Der Commander stieß einen unzufriedenen Laut aus. »Einen Hyperraumsprung durchzuführen wäre wegen der Nähe zum Sonnensystem zu riskant«, überlegte er laut. »Es ist manchmal verdammt schwierig, sich in Geduld zu üben.«

»Kampfraumer der Neuen Terranischen Flotte werden den Pulk der Flüchtlingsschiffe gestoppt haben«, warf Amy Stewart ein. Die blonden Haare des weiblichen Cyborgs schimmerten golden. Amys schlanke, muskulöse Gestalt erschien wie der körperliche Ausdruck ihrer wohlklingenden Stimme in Altlage. »Das ist die einzige logische Erklärung.«

»Aber aus welchem Grund sollte die NTF auf die Flüchtlingsschiffe feuern?«, stieß Chris Shanton aus. Der zur Fettleibigkeit neigende Ingenieur fuhr sich nervös über den Kinnbart. »Bruder Lamberts strenge Einwanderungspolitik wird die Offiziere der NTF ja wohl kaum dazu angestiftet haben, auf die Flüchtlinge aus Babylon zu schießen und ein paar ihrer Ringraumer zu zerstören.«

»Womöglich sind die Babylonier in den S-Kreuzern selbst schuld an dieser Eskalation«, gab der Zweite Offizier Leon Bebir zu bedenken. »Unter den Personen, die in die Ringschiffe eingestiegen sind, befinden sich etliche zwielichtige Gestalten, wie wir wissen. Die könnten die NTF mit Nadelstrahlbeschuss so weit provoziert haben, dass deren Befehlshabern nichts anderes übrig blieb, als das Feuer zu erwidern.«

»Es könnte aber auch gut möglich sein, dass diese mutmaßlichen Unruhestifter das Feuer gar nicht eröffnet haben«, ließ sich Arc Doorn vernehmen und wischte sich eine Strähne seines roten schulterlangen Haars aus der Stirn.

»Sie glauben aber auch nicht, dass die Schiffe der NTF den ersten Schuss abgegeben haben«, stellte Taret Londok fest. Der Tel-Wissenschaftler kannte die Besatzung der POINT OF inzwischen gut genug, um deren Anspielungen korrekt zu deuten.

Der Worgunmutant in der Gestalt eines Sibiriers nickte bestätigend. »Womöglich haben die Nomwarun-Bakterien diesen Vorfall provoziert«, ließ er die anderen an seiner Überlegung teilhaben.

Shanton sah seinen rothaarigen Freund mit ernster Miene an. »Du glaubst, die künstlichen Bakterien der Miniworgun planen mit den in den S-Kreuzern festsitzenden Babyloniern irgendeine Teufelei?«

Doorn zuckte mit den Schultern. »Wenn die Überreste des Bakterienmannsegments tatsächlich, wie wir vermuten, für die katastrophalen Zustände auf Babylon verantwortlich sind, wäre es für sie ein Leichtes, diese Ringraumer zu manipulieren, die darüber hinaus sogar aus dem Heimatsystem ihrer Erschaffer stammen.«

»Das wäre in der Tat fatal«, merkte Dhark mit finsterer Miene an. »In diesem Fall müssten wir mit dem Schlimmsten rechnen.«

Amy verschränkte die Arme vor der Brust. Das Licht der Zentrale zauberte einen lasziven Glanz in ihre blauen Augen, der weder zur momentanen Situation noch zu ihrer Stimmung passte. »Aus welchem Grund sollten diese Bazillen ein Raumgefecht zwischen der NTF und den S-Kreuzern anzetteln?«

»Aus demselben Grund, aus dem sie Chaos auf Babylon verbreitet haben«, beantwortete Doorn die Frage des weiblichen Cyborgs.

Amy musterte den Worgunmutanten abwartend. »Der da wäre?«

Der Sibirier lächelte süffisant. »Den gilt es erst noch herauszufinden«, gab er lapidar zurück.

Shanton prustete genervt. »Wir ergehen uns mal wieder in Spekulationen«, beschwerte er sich.

»In einer Hinsicht haben wir jetzt allerdings Gewissheit!«, rief Glenn Morris von der Funkbude aus herüber. Der Erste Funker richtete seine magere Gestalt in seinem Sessel auf. »Ich habe per Hyperfunk Rücksprache mit der Befehlszentrale der NTF gehalten«, fuhr er fort. »Der Diensthabende Offizier konnte mir bestätigen, dass Mister Lambert befohlen hat, den aus Babylon anrückenden Flüchtlingsschiffen ein NTF-Geschwader entgegenzuschicken. Die Schiffe der NTF sollen verhindern, dass die S-Kreuzer in das Sol-System eindringen.« Morris verzog den Mund. »Die Kommunikation mit den Leuten, die in den Ringraumern das Sagen haben, gestaltet sich jedoch offenbar mehr als nur schwierig. Alle reden durcheinander, eine Aussprache ist nicht möglich. Außerdem zeigen sich die Babylonier unkooperativ. Mehrere der S-Kreuzer eröffneten ohne Vorwarnung das Feuer auf das Geschwader. Die NTF schoss zurück, um sich zu verteidigen.

Und jetzt scheint die Lage zu eskalieren. Zwei S-Kreuzer voll mit babylonischen Flüchtlingen sind bei dem Feuergefecht bisher zerstört worden. Dennoch kommen die Babylonier nicht zur Vernunft. Sie schießen unvermindert weiter, so als hofften sie, dass ihre zahlenmäßige Überlegenheit am Ende den Ausschlag geben wird. Die Lage spitzt sich immer mehr zu!«

Dhark ballte die Fäuste. »Das hört sich an, als ob die Aggression eher von den Babyloniern ausgeht und das Raumgefecht nicht allein auf die Aktivität der Bakterien zurückzuführen ist.«

Amy nickte beipflichtend. »Vielleicht spielt beides zusammen. Aber ich fürchte ebenfalls, dass es in diesem Fall maßgeblich die Menschen sind, die die Eskalation vorantreiben.«

»Wie sollen wir in dieser verfahrenen Situation eingreifen, ohne alles nur noch schlimmer zu machen?«, gab Shanton unbehaglich von sich. »Die Leute von Babylon sind nicht sonderlich gut auf uns zu sprechen, und die NTF wird ebenfalls nicht nachgeben. Die Lage ist nahezu aussichtslos!«

Hart presste Dhark die Lippen aufeinander. »Ich schätze unsere Chancen auf eine einvernehmliche Einigung genauso schlecht ein wie Sie, Chris. Wir benötigen dringend Unterstützung.«

»Und wo sollen wir diese Unterstützung herbekommen?« Londok sah sich ratlos in der Runde um. Die Augen im dunklen Gesicht des Schwarzen Weißen rollten dabei auffällig.

Der weibliche Cyborg musterte den Commander mit einem stillen Lächeln. »Du hast bereits eine Idee, habe ich recht, Ren?«

Der weißblonde Raumfahrer nickte kaum merklich und wandte sich dann Glenn Morris zu. »Stellen Sie eine Verbindung zu Marschall Bulton her«, befahl er.

Doorn zog skeptisch eine Augenbraue in die Stirn. »Glauben Sie ernsthaft, dass die Babylonische Flotte zur Befriedung der Lage beitragen kann? Noch mehr Kriegsschiffe an diesen Schauplatz zu führen halte ich für keine gute Idee.«

»Wir brauchen Dan Riker und seinen Spezialverband«, gab Dhark entschlossen zurück. »Wegen ihrer Rolle während des Babylon-Umsturzes genießen Riker und seine Leute einen ähnlich guten Ruf wie wir. Obwohl Rikers Verband zur BF gehört, wird er dennoch eher als neutral angesehen. Das könnte in dieser verfahrenen Situation den Ausschlag geben.«

Doorns Mund verzog sich zu einem angedeuteten Lächeln. »Ein kluger Schachzug«, lobte er. »Riker könnte diese Hitzköpfe tatsächlich zur Besinnung bringen.«

Plötzlich schlug Grappa mit der Faust auf die Konsole. »Laut Fernortung ist soeben ein weiterer S-Kreuzer zerstört worden!«, rief er bestürzt.

Im selben Moment meldete Morris, dass die Verbindung zu Marschall Bulton stand.

*

Die gefalteten Hände vor sich saß Theodore Bulton hinter dem Schreibtisch seines Büros, welches durch technische Nüchternheit und funktionale Sachlichkeit bestach. Geduldig hörte der untersetzte Siebzigjährige dem ehemaligen Commander der Planeten zu, ohne die Haltung seines massigen Körpers dabei auch nur ein einziges Mal zu verändern. Er schien Ren Dhark aus dem Fenster in der Bildkugel heraus, das sich in der Darstellung des fernen S-Kreuzer Pulks geöffnet hatte, direkt anzusehen.

»Dan Riker und sein Verband sind wahrscheinlich die Einzigen, die die beiden ineinander verbissenen Parteien zur Vernunft bringen können«, führte Dhark sein Anliegen zu Ende. »Die Situation ist total verfahren. Ich glaube kaum, dass die Babylonier in den S-Kreuzern mir und meinen Kameraden Gehör schenken werden. Wahrscheinlich sind wir während unserer Hilfsaktionen auf Babylon mit einigen dieser Individuen sogar aneinandergeraten. Womöglich eröffnen sie sofort das Feuer, wenn wir uns in ihrer Nähe blicken lassen.«

Bulton hob die Hand, um Dhark zu bedeuten, dass er genug gehört hatte. »Ich stimme Ihrer Einschätzung durchaus zu, Mister Dhark. Die Anwesenheit des Konteradmirals wäre in dieser Situation mehr als wünschenswert. Doch leider bin ich nicht in der Lage, eine Verbindung zum Spezialverband herzustellen.«

Dhark blinzelte indigniert. »Wie soll ich das verstehen, Sir?«

»So wie ich es gesagt habe«, antwortete Bulton. »Rikers Verband reagiert nicht auf unsere Funkrufe. Ich habe es in den vergangenen Tagen mehrmals versucht. Offenbar halten sich die Schiffe nicht mehr im festgelegten Einsatzgebiet auf, weshalb wir keine To-Richtfunkverbindung herzustellen vermögen.«

»Haben Sie es mit offenen Hyperfunkanrufen versucht?«, hakte der Commander nach.

»Selbstverständlich«, entgegnete Bulton. »Doch bislang haben wir von dem Verband keine Rückmeldung erhalten.«

Amys Miene verfinsterte sich. »Anja Riker hat auch schon seit Längerem keine Nachricht mehr von ihrem Mann erhalten«, warf sie ein. »Anja forscht gemeinsam mit Henk de Groot noch immer im Goldenen Menschen von Babylon und wartet seit geraumer Zeit auf eine Nachricht von Dan.«

Der Marschall zuckte mit den Schultern. »Das könnte private Gründe haben, die mich nichts angehen.«

»Machen Sie sich um Riker und seinen Verband denn keine Sorgen?«, warf Shanton ein.

Bulton lächelte unverbindlich. »Warum sollte ich, die Schiffe sind ja noch nicht überfällig.« Der Marschall faltete erneut seine Hände. »Mister Riker genießt mein absolutes Vertrauen. Er wird seine Gründe haben, warum er sich bisher nicht gemeldet hat. Wenn es an der Zeit ist, wird er es aber sicherlich tun.«

»Und wenn ihm etwas zugestoßen ist?«, unkte Shanton.

»Sie wissen selbst, wie schlagkräftig und gut aufeinander eingespielt dieser Spezialverband ist«, blieb Bulton gelassen. »Der Konteradmiral weiß genau, was er zu tun und zu lassen hat.«

»Dennoch, wir könnten den Spezialverband hier jetzt gut gebrauchen«, bekräftigte Dhark noch einmal.

Der Marschall nickte. »Das sehe ich genauso. Aus diesem Grund werde ich weiterhin versuchen, den Konteradmiral zu erreichen. Ich lasse es Sie wissen, sobald ein Kontakt mit dem Spezialverband zustande gekommen ist.«

Mit diesen Worten unterbrach Bulton die Verbindung, und das Fenster in der Bildkugel schrumpfte zu einem Punkt zusammen, der schließlich erlosch.

»Verdammt!«, fluchte Dhark verhalten. Gefasst sah er in die Runde. »Wir sind also auf uns allein gestellt. Machen wir das Beste daraus!«

2.

»Treffer!« Andy Scott riss die Arme hoch. Ein triumphierender Ausdruck lag auf dem Gesicht des fünfundzwanzigjährigen strohblonden Mannes. »Ich habe dem NTF-Schiff eine pinke Nadel in den vorderen Ringwulst gejagt!«

»Dein Schuss hat überhaupt keine Wirkung gezeigt«, drang Manuel Bellevues Stimme aus Andys Kopfhörer. »Der Nadelstrahlbeschuss muss länger als zweihundertzehn Sekunden andauern, um die Unitallhülle des Ovoid-Ringraumers aufzubrechen. Du hast diesem Kahn nicht einmal einen Kratzer verpasst.«

Scott zog eine Grimasse und richtete das Mikrofon neu aus, das bei seinem Jubelschrei verrutscht war. »Trotzdem, der Treffer zählt«, sprach er mit Nachdruck ins Mikro. »Diesen Triumph wirst du mir nicht nehmen können.«

»Baller gefälligst weiter!«, befahl Bellevue unwirsch. »Und komm von deinem hohen Ross runter. Ohne meine Vorarbeit wärst du gar nicht in der Lage gewesen, diesen Treffer zu landen.«

»Ich habe ebenfalls dazu beigetragen, das Intervallum unseres Gegners zusammenbrechen zu lassen«, erinnerte Scott seinen Partner beleidigt. »Gemeinsam haben wir den Schutzfeldgenerator dieses NTF-Kriegsschiffes überlastet, sodass das doppelte Intervallum kollabierte.«

»Hör auf zu labern und konzentriere dich auf deine Aufgabe!«, blaffte Bellevue. »Andernfalls wird der Kapitän deinen Posten von einem anderen Schützen besetzen lassen.«

Scott stieß ein abfälliges Lachen aus. »Unter den Hunderten Babyloniern an Bord dieses Schiffes sind wir beiden doch die Einzigen, die mit der Waffensteuerung des S-Kreuzers richtig umgehen können.«

Der junge Mann, der auf Babylon in einer privaten Sicherheitsfirma gearbeitet hatte, ehe die globalen technischen Störungen die Pyramidenstädte ins Chaos gestürzt hatten, verstummte, beugte sich vor und glotzte den Bildschirm fassungslos an. »Hey!«, rief er aufgebracht. »Du beharkst unseren Gegner seelenruhig, während du mit mir streitest?«

Bellevue lachte gehässig auf. »Ich habe drei Treffer gelandet. Jetzt stehe ich wieder oben auf der Bestenliste!«

Scott fluchte aufgebracht und tippte mit der Kuppe seines Mittelfingers hektisch auf dem Auslöser der Nadelstrahlantenne herum. Die überlichtschnellen pinkfarbenen Energieimpulse zuckten wie Blitze auf dem Bildschirm auf, sengten jedoch dicht an dem Ovoid-Raumer der NTF vorbei. Das ungeschützte Schiff glitt in den Hintergrund zurück, woraufhin zwei weitere Raumer der Erdstreitkräfte seinen Platz einnahmen und das Schussfeld mit ihren silbrig schimmernden Intervallfeldern verdeckten.

Scott erkannte, dass es aussichtslos war, dem seines Schutzfeldes beraubten Ringraumer jetzt noch einen weiteren Nadelstrahl zu verpassen. Zornig ballte er die Fäuste. »Du hast mich reingelegt!«, beschwerte er sich.

»Es ist immer dasselbe mit dir«, spottete Bellevue belustigt. »Du lässt dich von deinen kleinen Triumphen hinreißen und bist dann abgelenkt. Wie oft habe ich diese Schwäche während der Videospiele schon ausgenutzt? Du lernst einfach nichts dazu, Andy.«

Frustriert ließ Scott die Schultern hängen. »Das hier ist aber doch viel aufregender als ein Videospiel«, versuchte er, sein Scheitern zu rechtfertigen. »Wenn der Gegner uns erwischt, ist es wirklich aus mit uns. Kein Wunder also, dass ich emotional überreagiere.«

Der S-Kreuzer drehte ab, um den Nadelstrahlsalven der beiden NTF-Schiffe zu entgehen. Scotts Mut sank noch tiefer, während er das Manöver auf seinem Bildschirm verfolgte. Die mühselige Vorarbeit war zum Teufel und der ungeschützte Ovoid-Raumer in unerreichbare Ferne gerückt. In wenigen Minuten würde sich sein Schutzfeldgenerator abgekühlt haben, sodass sich das doppelte Intervallum erneut aufbaute.

Benommen sah sich der junge Mann in der Waffenleitstelle Ost um, einem kleinen Raum im Zenit des östlichen Ringwulstes. In einigen Details unterschied sich die Gefechtsvorrichtung dieses S-Kreuzers von denen, wie sie in den Videospielen vorkamen. Dennoch hatte sich Scott schnell an der Anlage zurechtgefunden. Die ungezählten Stunden, die er gemeinsam mit Manuel Bellevue damit verbracht hatte, am Suprasensor virtuelle Raumschlachten zu schlagen, zahlten sich jetzt aus. Andy grinste frivol. Wer hätte das gedacht? Seine Mutter würde staunen, wenn sie hätte miterleben dürfen, dass die »vertane Zeit«, wie sie seine Spielleidenschaft genannt hatte, am Ende doch noch zu etwas nütze war.

Beim Gedanken an seine Mutter entgleisten Andys Gesichtszüge. Er fuhr sich mit der Hand über die Augen und versuchte, das Bild aus seiner Erinnerung zu vertreiben, das seine Mutter zeigte, wie sie von einem Energiestoß aus einem Küchenautomaten hingestreckt auf dem Boden ihrer gemeinsamen Wohnung lag. Die Energieentladung hatte ihre inneren Organe zerstört; sie war auf der Stelle tot gewesen. »Diese verfluchten technischen Störungen!«, presste er mit erstickter Stimme hervor.

»Es konnte ja niemand ahnen, dass die Wohnpyramiden der Mysterious sich eines Tages in Todesfallen verwandeln würden«, merkte Bellevue mitfühlend an, der genau zu wissen schien, was in diesem Moment im Kopf seines Freundes vor sich ging.

»Meine Mutter war viel zu jung zum Sterben«, schluchzte Andy. »Sie hätte bestimmt noch einen anderen Mann gefunden.«

»Auf jeden Fall!«, bekräftigte Manuel. »Dein Vater war ein Idiot, als er sie und dich allein nach Babylon aufbrechen ließ, weil er unbedingt auf der vereisten Erde zurückbleiben wollte.«

Scott wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln. »Glaubst du, dass ich meinen Vater auf der Erde je finden werde? Ich habe überhaupt keine Ahnung, wo ich mit der Suche beginnen soll.«

»Zuerst einmal müssen wir auf die Erde gelangen«, gab Bellevue zu bedenken. »Dann kannst du dir immer noch den Kopf darüber zerbrechen, wie du deinen Vater ausfindig machen sollst.«

Andy nickte gefasst und konzentrierte sich wieder auf den Bildschirm.

Die Ovoid-Ringraumer der NTF standen wie eine unüberwindliche Mauer vor ihnen im Leerraum, verstellten den knapp tausend S-Kreuzern den Weg ins Sol-System. Obwohl das Geschwader der irdischen Streitkräfte den von Babylon angereisten Schiffen zahlenmäßig stark unterlegen war, schafften es die Befehlshaber durch geschicktes Navigieren dennoch, den Tausenderpulk am Weiterflug zu hindern.

Scott seufzte. An Bord der S-Kreuzer hielten sich hauptsächlich Personen auf, die von der Raumfahrt keine Ahnung hatten, wie er wusste. Es handelte sich um Durchschnittsbürger, die vielleicht einmal in ihrem Leben in einem Raumschiff mitgeflogen waren, aber nie eine Zentrale oder eine andere technische Einrichtung von innen gesehen hatten.

Manuel und er bildeten nur dahingehend eine Ausnahme, weil sie Videospiele gezockt hatten, in denen sie in die Rollen verschiedener Raumschiffsoffiziere geschlüpft waren. Hauptsächlich hatten sie Avatare gewählt, die an den Auslösern der Bordwaffen saßen.

Ein verklärtes Lächeln umspielte Andys Lippen, als er an die epischen Raumschlachten zurückdachte, die er vor seinem Suprasensor sitzend ausgefochten hatte. Und jetzt hockte er leibhaftig in der Waffenleitstelle eines S-Kreuzers und versuchte, sich einen Weg zur Erde freizuschießen.

Doch diese Schlacht war real. Drei S-Kreuzer und mit ihnen sämtliche Menschen, die sich an Bord aufgehalten hatten, waren in dieser Schlacht bereits verlorengegangen …

»Ich kann förmlich hören, wie du dir das Gehirn zermarterst«, drang Bellevues Stimme in Scotts Bewusstsein. »Hör auf damit! Du machst es dir nicht leichter, wenn du zu sehr über unsere Lage nachdenkst. Wir müssen kämpfen, eine andere Wahl haben wir nicht. Wir können nicht zurück nach Babylon. Die Erde ist der einzige Ort, an dem wir sicher sind, das darfst du nie vergessen!«

Scott nickte gefasst.

»Wir müssen uns darauf konzentrieren, einen dieser NTF-Raumer zu zerstören«, setzte Bellevue nach. »Erst dann wird Oberst Bjorke vielleicht einsehen, dass er gegen unsere Übermacht keine Chance hat und er besser daran tut, uns nicht länger den Weg zur Erde zu verstellen.«

Scott nickte erneut. »Oberst Bjorke, der Befehlshaber des NTF-Geschwaders ist unser Feind«, sprach er mit rauer Stimme, wie um sich selbst Mut zuzusprechen.

Eine Bewegung zu seinen Füßen ließ ihn irritiert nach unten schauen. Er stieß einen angewiderten Schrei aus, als er das monströse lausartige Geschöpf entdeckte, das auf seinen sechs Gliederbeinen zwischen seinen Füßen umherwuselte. Die sichelförmigen Enden der seitlich aus einem kugelförmigen, menschenkopfgroßen Körpersegment ragenden Beine verursachten ein metallisches Pochen und Kratzen auf dem Unitallboden. Die schwarzen Knopfaugen in dem winzigen Kopf sahen unverwandt zu ihm auf. Dem Kugelsegment schloss sich hinten ein beutelförmiger Körperteil an. Unter der straffgespannten, transparenten Haut schimmerte es mattorange hervor.

»Was ist?«, erkundigte sich Bellevue fürsorglich.

»Ein Plamist ist in der Waffensteuerung Ost aufgetaucht«, erklärte Andy und zog die Beine an. »Diese Biester sind einfach ekelhaft!«

»Lässt du dich etwa schon wieder ablenken?« Manuel brummte verärgert. »Ignoriere diese Kreatur einfach. Sie ist absolut harmlos.«

»Verschwinde!«, zischte Scott das Wesen an und trat andeutungsweise mit dem Fuß nach ihm.

Der Plamist zog sich daraufhin in eine Ecke unter der Konsole zurück, verharrte dort dann jedoch wie abwartend.

»Diese Biester haben sich in jedem der tausend S-Kreuzer breitgemacht«, beschwichtigte Bellevue seinen Freund. »Sie tauchen auf, wo sie wollen. Es besteht also kein Grund zur Panik, Mann!«

»Ich finde sie unheimlich.« Vorsichtig setzte Scott seine Füße auf den Boden.

»Es handelt sich doch bloß um Ungeziefer.«

»Wundert es dich denn überhaupt nicht, dass sie von uns allen Plamist genannt werden?«, erkundigte sich Andy und versicherte sich währenddessen, dass das Wesen weiterhin in der Ecke blieb. »An Bord der anderen Schiffe hat man ihnen denselben Namen verpasst, habe ich mir sagen lassen.«

»Der Begriff hat sich eben durchgesetzt.«

Scott schüttelte abgehackt den Kopf. »Diese Biester heißen wirklich so; es ist ihre Selbstbezeichnung, so wie wir uns Menschen nennen.«

»Sie können nicht sprechen«, erinnerte Bellevue seinen Freund. »Dafür sind sie einfach zu dumm.«

»Sie haben uns ihren Namen auf ihre ganz spezielle Weise mitgeteilt, davon bin ich fest überzeugt«, hielt Scott mit weinerlicher Stimme dagegen.

»Andy!«, mahnte Bellevue eindringlich. »Drehst du jetzt etwa langsam durch?«

»Dieses Tier starrt mich unentwegt an«, jammerte er. »So als würde es versuchen, in meine Gedanken einzudringen.«

»Okay«, sagte Bellevue gefasst. »Ich werde Kapitän Plank sagen, dass er dir eine Ablösung schicken soll. Du bist deiner Aufgabe nicht mehr gewachsen.«

Scott ballte die Fäuste. »Nein!«, rief er trotzig. »Ich bleibe, wo ich bin. Mir geht es gut!«

»Bist du dir sicher?«

Scott nickte erneut. »Absolut. Ich werde es diesem Oberst von der NTF zeigen, du wirst schon sehen!«

Bellevue atmete hörbar durch. »Bau bloß keinen Mist, Mann.«

»Plank soll nach einem angeschlagenen Ovoid-Ringraumer Ausschau halten«, forderte Scott. »Auf den werden wir uns dann stürzen und ihn vernichten. Und dann setzen wir unseren Flug zur Erde endlich fort!«

*

Ren Dhark ließ sich im Kommandantensessel nieder und schlug die Beine übereinander. Er legte die Fingerspitzen beider Hände vor seinem Gesicht aneinander und spähte mit angestrengter Miene darüber hinweg. In einer brenzligen Situation zur Untätigkeit verdammt zu sein, damit konnte der ehemalige Commander der Planeten noch immer schlecht umgehen. Trotz der enormen Erfahrung, über die er verfügte, hatte sich sein Charakter doch nur wenig gewandelt. Noch immer beherrschten Forscherdrang und der unbedingte Wille zum Handeln sein Gemüt.

Halb wandte er sich in seinem Sessel der Funkbude zu. »Glenn!«, rief er den Ersten Funker an. »Versuchen Sie auf eigene Faust, eine Verbindung zu Rikers Spezialverband herzustellen.«

Morris nickte bereitwillig und offenbar froh darüber, eine Aufgabe zugewiesen bekommen zu haben. »Soll ich Marschall Bulton bitten, uns die Koordinaten des letzten bekannten Aufenthaltsortes von Rikers Verband mitzuteilen?«, erkundigte er sich vorsorglich.

Der Commander sah kurz zu Amy Stewart hinüber und schüttelte dann den Kopf. »Setzen Sie sich mit Anja Riker in Verbindung.« Er warf einen Blick auf seine Uhr. »Miss Riker und Henk de Groot müssten sich zurzeit im Goldenen Menschen aufhalten, um dort ihre Forschungen fortzusetzen. Das Stationsgehirn des Goldenen können Sie per To-Richtfunk direkt anpeilen.« Er atmete tief durch. »Anja ist die letzte Position des Verbandes ihres Mannes sicherlich bekannt. Womöglich hat sie inzwischen sogar eine Nachricht von Dan erhalten.« Dhark fuchtelte ungeduldig mit der Hand. »Setzen Sie alle Hebel in Bewegung, um Riker an die Strippe zu bekommen, Glenn!«

Eifrig machte sich Morris an seiner Konsole zu schaffen.

Auch Tino Grappa war nicht untätig geblieben. Im Bemühen, exaktere Informationen über die Lage ihres Zielgebietes, etwa eine astronomische Einheit von der Pluto-Bahn entfernt, zu erhalten, bespielte er virtuos die Tastfelder der Ortungsabteilung. »Ich kann jetzt bestätigen, dass sich Schiffe der NTF dem Pulk der S-Kreuzer in den Weg gestellt haben«, berichtete er. »Beide Seiten feuern anscheinend aus allen verfügbaren Abstrahlantennen Kampfstrahlen aufeinander ab.« Der Mailänder schüttelte fassungslos den Kopf. »Die Situation dort ist total aus dem Ruder gelaufen.«

»Kennen wir den Namen des Befehlshabers dieses NTF-Geschwaders?«, erkundigte sich Dhark.

»Er heißt Oberst Bjorke!«, rief Morris, ohne dabei in seiner Arbeit innezuhalten.

»Wie konnte dieser Offizier die Lage nur so weit eskalieren lassen?«, rief Shanton kurzatmig dazwischen. »Er sollte umgehend degradiert werden. Drei S-Kreuzer voll mit Zivilisten gehen auf sein Konto!«

Taret Londok rieb sich seinen angespannten Nacken. »Wenn das Bakterienmannsegment in dieser Raumschlacht tatsächlich mitmischt, müssen wir noch mit weitaus Schlimmerem rechnen.«

Amy Stewart atmete tief durch. »Erschwerend kommt hinzu, dass Oberst Bjorke von Lambert strickte Weisung erhalten hat, den Flüchtlingskonvoi auf Teufel komm raus daran zu hindern, in das Sol-System einzudringen. Aber die Babylonier denken bestimmt nicht daran, sich von ihrem Vorhaben abbringen zu lassen. Da treffen mehrere ungünstige Faktoren aufeinander.«

Dhark wandte sich seinem Ersten Offizier zu. »Wann werden wir das Kampfgebiet erreicht haben?«, fragte er mürrisch.

»In etwa einer Viertelstunde, Sir.«

Der Commander stieß einen unwirschen Laut aus. »Hoffen wir, dass es bis dahin keine weiteren Verluste zu beklagen gibt.«

*

Andy Scott studierte das auf seinem Bildschirm abgebildete Kampfgebiet eingehend. Um sich einen besseren Überblick zu verschaffen, hatte er in den Panoramamodus gewechselt, sodass er nun das gesamte »Schlachtfeld« einsehen konnte.

Das Geschwader der NTF bildete eine Art Kessel, dessen offene Seite dem Pulk der S-Kreuzer zugekehrt war. Das gewaltige »Becken« wurde von einem weitmaschigen Netz aus Ovoid-Ringraumern gebildet und erstreckte sich über ein Gebiet von mehreren Quadratkilometern im Leerraum. Der Pulk der S-Kreuzer nahm sich in dieser Schüssel aus wie eine darin gefangene Partikelwolke. Die Flüchtlingsschiffe, die versuchten, über den Rand der Schüssel hinwegzufliegen, wurden mit präzisen Manövern genau daran gehindert. Dicht gefächerte Nadelstrahlsalven trieben die Ausreißer zurück in den Pulk.

Trotz der Aussichtslosigkeit dieser Ausbruchsversuche ließ Kapitän Plank »seinen« S-Kreuzer jetzt auf den Rand der Schüssel zusteuern, wie Scott bemerkte. In seinem Gefolge befanden sich zehn weitere Schiffe. Wie Plank es geschafft hatte, die Befehlshaber der anderen Raumer dazu zu überreden, seinem Schiff zu folgen, entzog sich seiner Kenntnis. Aus eigener Erfahrung wusste Andy, wie schwierig sich die Kommunikation innerhalb des Pulks gestaltete. Er hatte es selbst erlebt, als er sich in der Zentrale aufgehalten hatte. Alle Funkteilnehmer redeten wild durcheinander, und kaum einer hörte seinem Gesprächspartner zu.

Zwar hatten sich unter den Babyloniern einige Rädelsführer herauskristallisiert, doch selbst die hatten es mitunter schwer, sich in dem verbalen Tohuwabohu durchzusetzen.

»Plank hat irgendetwas vor«, teilte Scott seinem Freund in der Waffenleitstelle West mit.

»Du glaubst, dass diese Schiffe unserem S-Kreuzer nicht bloß zufällig folgen?«, erkundigte sich Bellevue daraufhin.

»Davon gehe ich aus.« Scott sah kurz zu dem Plamist hinunter, um sich zu vergewissern, dass dieser sich nicht regte, was er auch tatsächlich nicht tat. Allerdings fühlte er sich von den schwarzen Knopfaugen der lausähnlichen Kreatur noch immer beobachtet. »Bisher kreuzten die Schiffe unseres Pulks lediglich wie aufgescheuchte Insekten in dem NTF-Kessel umher«, erläuterte er. »Es gab so gut wie keine gemeinsamen Aktionen. Daran hat Plank jetzt offenbar etwas geändert.«

»Die Leute, die in den Ringraumern das Kommando an sich gerissen haben, sind eben alles Schwachköpfe«, äußerte sich Bellevue abfällig. »Die nehmen sich selbst viel zu wichtig und haben keine Ahnung von Strategie.«

»Bei den meisten dieser selbsternannten Kapitäne wird es sich um Verbrecher handeln«, mutmaßte Scott. »Profiteure, die sich das Chaos auf Babylon zunutze gemacht haben, um Macht über andere Menschen auszuüben und sie zu tyrannisieren. Als die unbemannten S-Kreuzer in den Pyramidenstädten landeten, waren sie die Ersten, die sie gestürmt haben, um so schnell wie möglich in die Zentralen zu gelangen und das Kommando zu übernehmen. Doch die meisten dieser Ganoven eignen sich nicht dazu, ein Raumschiff zu befehligen. Und trotzdem tun sie es. Das Ergebnis kannst du auf deinem Bildschirm verfolgen, Manuel. Es herrscht das reinste Chaos, von dem die NTF auch noch profitiert.«

»Du scheinst ja wieder recht klar in deiner Birne zu sein«, merkte Bellevue leicht verwundert an. »Wie kommt das?«

Scott warf dem Plamist unter dem Steuerpult einen scheelen Blick zu. »Ich weiß auch nicht«, sagte er gedehnt. »Ich kann mich eben besser fokussieren, seit du mir den Kopf gewaschen hast, Manuel.«

Der Angesprochene lachte freudlos auf. »Das wäre ja mal was Neues, wenn du endlich einmal auf mich hören würdest.«

Scott zuckte mit den Schultern. »Vielleicht ist es auch die Anwesenheit des Plamist, die mich klarer denken lässt«, platzte es aus ihm heraus.

»Hockt das Biest etwa immer noch bei dir rum?«, fragte Bellevue verwundert.

»Es starrt mich wie hypnotisierend an, verhält sich ansonsten aber ruhig.«

»Warum verscheuchst du dieses Scheusal nicht einfach?«

»Möchtest du etwa, dass ich wieder diffus werde?«, scherzte Scott säuerlich.

»Du glaubst doch wohl nicht etwa im Ernst, dass dieses Ungeziefer positiv auf dein Denken einwirkt?«, fragte Bellevue irritiert.

»Wir wissen nichts über diese Kreaturen«, erwiderte Scott. »Dass sie sich in den hochtechnisierten Schiffen ausbreiten konnten, ohne von den Reinigungsrobotern aufgespürt und beseitigt zu werden, lässt doch vermuten, dass sie nicht ganz so dumm sein können.«

»Jetzt ergreifst du auch noch Partei für diese ekligen Biester«, regte sich Bellevue auf. »Langsam wirst du mir unheimlich, Andy.«

Pinkfarbenes Flackern auf dem Bildschirm lenkte Scotts Aufmerksamkeit erneut auf das Geschehen draußen im Weltraum. »Es geht los, Manuel!«, rief er aufgeregt und setzte sich in seinem Sessel zurecht. »Was immer Plank vorhat, es beginnt soeben!«

*

Andy Scott fühlte, wie das Adrenalin durch seine Adern strömte und seinen Körper in einen Zustand versetzte, der dem gleichkam, wenn er ein Videospiel zockte. Nur dass in diesem Fall zu der Aufregung noch eine große Portion Angst hinzukam. Er könnte hier und jetzt sterben, wenn er einen Fehler beging. Der S-Kreuzer und all seine Insassen, Manuel Bellevue inbegriffen, würden zum Teufel gehen, wenn das Raumschiff vernichtend getroffen wurde. Er, Andy, würde den Kampf dann nicht an einem Wiedereinstiegspunkt von vorn beginnen können, sondern wäre unwiederbringlich mausetot.

Mit dem Ärmel wischte er sich hektisch die Schweißperlen von der Stirn. Dann zuckte seine Hand erneut auf das Tastenfeld nieder. Wie ein Besessener pickerte er mit der Kuppe seines Mittelfingers auf den Auslöser für die Nadelstrahlantennen ein. Den Blick seiner starren Augen auf den Monitor gerichtet verfolgte er die Bahn der pinkfarbenen Kampfstrahlen. Der Hyperkalkulator des S-Kreuzers stellte die überlichtschnellen Energiestöße auf dem Bildschirm in vereinfachter Form dar, sodass der Schütze die Bahnen tatsächlich sehen konnte. Die Nadelstrahlen jagten in die untere Sphäre des doppelten Intervallfelds eines Ovoid-Ringraumers und verursachten dort ein partielles Flackern.

Doch Scott war nicht der Einzige, der auf die beiden übereinanderstehenden Schutzsphären des NTF-Schiffes feuerte. Manuel Bellevue in der Feuerleitstelle West gab ebenfalls sein Bestes, den Gegner mit Nadelstrahlen zu beharken. Außerdem beteiligten sich noch zwei weitere S-Kreuzer an dem Überfall.

Der Ovoid-Ringraumer im sich überlappenden Bereich der beiden silbrigen Sphären feuerte ebenfalls. Da die Militärs das Feuer jedoch auf insgesamt drei Gegner verteilen mussten, zeigten die Nadelstiche kaum Wirkung. Die Belastung der Schutzfeldgeneratoren »seines« S-Kreuzers blieb jedenfalls im grünen Bereich, wie eine Anzeige auf Scotts Konsole verriet.

»Dieses verdammte Schiff wischt immer wieder aus unseren Schussbahnen hinaus!«, schallte Bellevues Stimme in Scotts Kopfhörer auf. »Diese kurze Unterbrechung reicht aus, damit die Generatoren sich erholen. So schaffen wir es nie, diesen Raumer zu knacken!«

Ein kalter Schauer jagte Andy den Rücken hinunter: Manuel hatte dieselben Worte verwendet, die er auch beim Zocken von sich zu geben pflegte. Aber das hier war kein Spiel!

Scott bemerkte, dass seine Nadelstrahlsalven plötzlich erneut ins Leere gingen. Einmal mehr hatte sich der Gegner mit einem unvorhergesehenen Dreh aus der Schussbahn manövriert. Scott nutzte die kurze Unterbrechung, um nachzusehen, was die übrigen S-Kreuzer trieben, die sich ihrem Schiff angeschlossen hatten. Erleichtert stellte er fest, dass ihre Verbündeten die NTF-Schiffe in unmittelbarer Nähe noch immer so sehr beschäftigten, dass diese dem bedrängten Ovoid-Raumer nicht zu Hilfe eilen konnten. Diesen hatten sie drei Kilometer vom äußeren Rand der Schüssel weggedrängt, um ihn dort in Ruhe bearbeiten zu können.

»Wir müssen es einfach weiter versuchen«, drängte Scott, als der Gegner wieder im Fadenkreuz der Zielerfassung auftauchte.

»Unsere Strategie bringt aber nichts!«, gab Bellevue frustriert zurück. »Taktik Gamma funktioniert anscheinend nur im Videospiel.«

»Mach einfach weiter!«, schrie Scott. Diesmal benutzte er beide Hände, um den Auslöser zu betätigen. Taktik Gamma bestand nämlich darin, das Intervallum des Gegners anstatt mit einem langanhaltenden Nadelstrahl mit kurzen, andauernden Impulsen zu beschießen. Diese Vorgehensweise hatten die beiden Freunde ersonnen, und im Spiel waren sie damit bisher immer gut gefahren. Reihenweise waren die Intervallfelder kollabiert und hatten die gegnerischen Schiffe ungeschützt zurückgelassen. In der Wirklichkeit zeigte diese Strategie jedoch nicht die gewünschte Wirkung.

»Die Impulse müssten noch schneller und in noch kürzeren Abständen erfolgen«, überlegte Andy laut. »So etwas ließe sich bestimmt programmieren. Doch dafür fehlt uns jetzt die Zeit!«

Scott stieß einen spitzen Schrei aus, als der Plamist plötzlich auf seinem Schoß auftauchte. Dass die Kreatur sein Hosenbein hinaufgeklettert war, hatte er in der Aufregung gar nicht mitgekriegt. In einem Reflex zog er die Hände an den Körper und starrte das Wesen entgeistert an.

»Warum feuerst du nicht mehr?«, gellte es in seinem Kopfhörer auf.

Mit angehaltenem Atem beobachtete Andy wie der Plamist von seinem Schoß auf die Konsole kletterte. Zielstrebig bewegte sich das Wesen auf die Schaltfläche für den Nadelstrahl zu. Dort angekommen schob die Kreatur seine sechs Beinchen aufeinander zu, sodass die sichelförmigen Enden schließlich alle zusammen auf der Schaltfläche ruhten. Anschließend begann der Plamist, seine Gliederbeine in einer Schnelligkeit zu bewegen, der Scott kaum noch mit den Augen folgen konnte. Mit diesem seltsam anzusehenden Tanz schaffte es der Plamist jedoch, dass die Abstrahlantennen der Waffenleitstelle Ost eine extrem eng getaktete Strahlfolge abfeuerte.

Völlig perplex lenkte Scott den pinkfarbenen Kampfstrahl in die untere Schutzsphäre des Gegners. Da er jetzt beide Hände frei hatte, gelang es ihm sogar, das abrupte Ausweichmanöver des Ovoid-Raumers mit der Zielvorrichtung nachzuvollziehen, sodass sich der Nadelstrahl trotz hektischem Manövrieren des Gegners weiterhin in sein Ziel fraß.

»Wow!«, rief Manuel beeindruckt. »Wie hast du denn das gemacht?«

Scott war zu benommen, um zu antworten. Im nächsten Moment begann das untere Intervallfeld des NTF-Raumers zu flackern und erlosch schließlich ganz.

Wenig später brach auch die obere Schutzsphäre in sich zusammen.

Wie im Videospiel oft geschehen, hatte die permanente und extrem kurze Wiederbelastung die Generatoren des Gegners ausreichend überlastet. Ob sich dieser Erfolg im realen Leben allerdings tatsächlich auf die gepulsten Schüsse zurückführen ließ oder vielmehr dem Umstand geschuldet war, dass Andy die Zielerfassung hatte perfekt nachführen können, blieb offen.

Als wüsste der Plamist, dass seine Aufgabe erledigt war, hielt er seine Beine plötzlich still. Behände kletterte er von der Konsole hinab und kroch zurück unter das Pult.

»Yippie Yah Yei!«, kreischte Bellevue mit überschnappender Stimme. »Jetzt kriegen wir diese Schweinebacke doch noch!«

Manuels Nadelstrahl heftete sich an den vorderen Ringwulst des nun ungeschützten Ovoid-Raumers, und auch aus den beiden Begleitschiffen jagten die überlichtschnellen Kampfstrahlen herbei. Der Pilot des Ovoid-Ringraumers leitete ein Ausweichmanöver ein, doch diesmal ließ sich Andys Freund nicht beirren. Wie angeklebt blieb sein Nadelstrahl am Unitallring haften.

Während die Sekunden verstrichen, beschlich Scott ein mulmiges Gefühl, und er aktivierte hastig den Duststrahlgenerator. »Wir spielen den gnädigen Samariter, ist das klar!?«, rief er in das Kopfhörermikrofon.

»Was, echt jetzt?«, beschwerte sich Bellevue.

Scott ballte die Fäuste. »Wir sind keine Mörder! Das hier ist real!«

»Okay, wie du meinst.« Manuel schaltete den Nadelstrahl ab. Keinen Augenblick zu früh, denn es fehlte jetzt nur noch eine einzige Sekunde, um die zweihundertzehn Sekunden voll zu machen, die nötig waren, Unitall mit Nadelstrahl in Energie aufzulösen.

Im selben Moment feuerte Scott den Duststrahl ab. Der olivgrüne, lichtschnelle Strahl traf exakt die Stelle, die Manuel zuvor mit Nadelstrahl malträtiert hatte. Da der Nadelstrahlbeschuss kurz vor Erreichen der kritischen Energiemenge abgebrochen worden war, war das Unitall an dieser Stelle nun für Duststrahlen anfällig. Augenblicklich löste der olivgrüne Strahl das Unitall in Staub auf und hinterließ ein klaffendes Loch in der Wandung des Ovoid-Ringraumers.

»Jage noch einen Nadelstrahl hinein«, forderte Andy seinen Freund auf. »Das sollte unseren Gegner manövrierunfähig machen.«

Bevor Bellevue dieser Aufforderung nachkommen konnte, barst der Ovoid-Raumer plötzlich in einer gewaltigen Explosion auseinander. Die freigewordenen Energiemengen dehnten sich ringförmig im Leerraum aus und jagten durch das Intervallum des S-Kreuzers der beiden Freunde hindurch.

Entsetzt starrte Andy den Bildschirm an. »Was ist geschehen?«, fragte er entgeistert.

»Wir können nichts dafür«, versicherte Manuel mit belegter Stimme. »Es waren die beiden anderen S-Kreuzer, die unserem Gegner den Garaus gemacht haben. Im Gegensatz zu mir hatten sie den Nadelstrahlbeschuss nicht eingestellt und die Beschusszeit von zweihundertzehn Sekunden überschritten.«

Scott fasste sich mit beiden Händen an die Stirn. »Das darf doch wohl nicht wahr sein!«

»Wir hatten ursprünglich doch ebenfalls vor, dieses Schiff zu zerstören«, rief Manuel seinem Freund in Erinnerung.

»Ja, aber wir sind gerade noch rechtzeitig zur Vernunft gekommen!«

»Die NTF hat vor Kurzem drei unserer S-Kreuzer zerstört«, gab Bellevue zu bedenken. »Sie mussten damit rechnen, dass auch sie Verluste erleiden werden.«

Scott schwirrte der Kopf. Benommen blickte er nach unten. Der Plamist stierte ihn aus dem Schatten der Konsole heraus durchdringend an. Dann schob sich das Wesen in einen Spalt der Wandverkleidung und verschwand.

»Verdammt, Andy, wir haben keine Zeit, Trübsal zu blasen!«, drang Manuels Stimme wie aus weiter Ferne in sein Bewusstsein. »Die Ovoid-Raumer der NTF nehmen uns aufs Korn. Offenbar wollen sich die Soldaten an uns rächen!«

*

»Schon wieder wurde ein Raumschiff zerstört!« Tino Grappa bekam hektische Flecken im Gesicht. Seine Gelassenheit schien ihn gänzlich verlassen zu haben. »Diesmal hat es ein Schiff der NTF erwischt!«

»Oha!«, ließ sich Doorn zu einer Bemerkung hinreißen. »Und ich dachte, bei den Besatzungen dieser S-Kreuzer handelt es sich bloß um ganz gewöhnliche Leute, die weder von der Raumfahrt noch von Waffentechnik etwas verstehen.«

»Es befinden sich auch etliche hartgesottene Schurken unter ihnen«, gab Shanton zu bedenken. »Die sind schon auf Babylon vor nichts zurückgeschreckt. Denen ist es durchaus zuzutrauen, einen modernen Ovoid-Ringraumer der Rom-Klasse abzuschießen.«

»Wahrscheinlich sind aber die Bakterien der Nomwarun für diesen Abschuss verantwortlich«, unkte Londok. »Wir wissen ja aus leidiger Erfahrung, wozu sie fähig sind.«

Ren Dhark sah auf seine Uhr. »Wir müssten den Pulk jetzt bald erreicht haben«, rief er Hen Falluta zu. »Bringen Sie die POINT OF zwischen die Fronten, vielleicht können wir die Parteien so wieder zur Vernunft bringen.«