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Der Verbrauch an natürlichen Ressourcen hat eine kritische Grenze erreicht, die drohende Energieknappheit verlangt einen nachhaltigen Umgang mit Energieträgern und Rohstoffen. Auch chemische Unternehmen müssen sich damit auseinandersetzen, wie Ressourcen möglichst sparsam und kostengünstig einzusetzen sind – nicht zuletzt, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können.
Hinsichtlich der Ressourceneffizienz spielen die Entwicklung und Optimierung der Verfahren in der chemischen und pharmazeutischen Industrie eine Schlüsselrolle. Wie man die Ressourceneffizienz messen und steigern und dabei auch noch andere wichtige technische, ökonomische und ökologischen Ziele systematisch berücksichtigen kann, bringt dieses Buch auf den Punkt: Es zeigt die Grundlagen des Process Life Cycle Managements in Verfahrensentwicklung und Produktion bis hin zu Excellence-Projekten,
Fallstudien und konkreten Ergebnissen aus der Praxis.
Chemieingenieure und Verfahrenstechniker, aber auch Manager und Betriebswirte aus Chemie und Pharmazie sowie Umweltschutzbehörden finden hier Informationen, wie sie bisher nur schwer zugänglich waren. Ein Kapitel mit Definitionen und ein Abkürzungsverzeichnis ergänzen den Überblick.
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Seitenzahl: 393
Veröffentlichungsjahr: 2013
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1 Fragestellungen aus Praxis und Wissenschaft
1.1 Fragen aus der Praxis von Chemieunternehmen
1.2 Fragen aus der Wissenschaft
2 Grundlagen des Process Life Cycle Managements
2.1 Managemententscheidungen
2.2 Managementziele
2.3 Umweltmanagementsysteme nach Gesetz
2.4 Messen der Ziele „Ressourceneffizienz“/„Produktivität“
2.5 Integrierte Managementsysteme
2.6 Beitrag der Chemie: Nachhaltige Chemie/Green Chemistry
2.7 Entscheidungen des Process Life Cycle Managements (PLCM)
2.8 Process Life Cycle Management mit BTC-System
2.9 Zusammenfassung der Kernpunkte
3 Technische Teilsysteme als grundlegende Methode
3.1 Antworten auf das Kernproblem der Chemie
3.2 Materialflussanalyse (MFA)-Grunddaten: Technische Buchführung
3.3 MFA: Bilanzen
3.4 MFA: Materialeffizienzorientierte Verfahrensanalyse
3.5 CFA: Chemieflussanalyse und „Duales Modell“
3.6 MFA: Erweitertes Kennzahlensystem
3.7 MFA: Energieeffizienzorientierte Prozessanalyse
3.8 MFA: Nichtstoffliche Ressourcen
3.9 Zusammenfassung der Kernpunkte
4 Ökonomische Teilsysteme
4.1 Kostenrechnung als zukunftsorientierte Entscheidungsrechnung
4.2 Zweckorientierte Kostenrechnungen
4.3 Kostenflussanalyse (KFA): Integrierte Prozesskostenrechnung
4.4 KFA: Umweltschutzkosten
4.5 KFA: Produktkostenrechnung
4.6 KFA: Kostenorientierte Prozessanalyse
4.7 KFA und Zielkosten
4.8 Wertflussanalyse (WFA)
4.9 Zusammenfassung der Kernpunkte
5 Ökologische Teilsysteme
5.1 Ökobilanz in der Praxis
5.2 Umweltorientierte Flussanalyse (UFA): Ökologische Buchführung
5.3 Umweltrelevanzfaktoren (URF)
5.4 UFA: Umweltorientierte Prozessanalyse
5.5 Zusammenfassung der Kernpunkte
6 Ganzheitliche Betrachtung
6.1 Was ist Ganzheitlichkeit?
6.2 Prozesskettenanalysen
6.3 Betriebs- und Standortanalysen
6.4 Prinzip „Kreislaufführung“ (Recycling)
6.5 Zusammenfassung der Kernpunkte
7 Excellence- und KVP-Projekte in der Praxis
7.1 Unternehmensphilosophien als Treiber von Projekten
7.2 Schnellanalyse/Screening-Projekte
7.3 Detailanalyse mit KVP-Meeting
7.4 Zusammenfassung der Kernpunkte
8 Ergebnisse aus der Praxis
8.1 Meta-Auswertung von standardisierten Projektdaten
8.2 Stand der Materialeffizienz in der Chemie
8.3 Lösungsmittel- und Wasserverbrauch
8.4 Verwertung und Entsorgung von Reststoffen
8.5 Halogenchemie
8.6 Treibhausgase
8.7 Folgerungen für Unternehmen und Verbände
8.8 Zusammenfassung der Kernpunkte
9 Permanentes Process Life Cycle Management
9.1 Phasen des Process Life Cycle
9.2 Frühe Phasen der Verfahrensentwicklung (Labor)
9.3 Späte Phasen der Verfahrensoptimierung (Produktion)
9.4 Kostenziele beim KVP in der Produktion
9.5 PLCM als „Balanced Mini-Max-Aufgabe“
9.6 Zusammenfassung der Kernpunkte
10 Beispiele, Fragen und Antworten
10.1 Stufenweise Verbesserung von Materialeffizienz und Kosten
10.2 Zielkostendenken in der Verfahrensentwicklung
10.3 Beispiele für Prozessinnovationssprünge
10.4 Datenkonsistenz und Wissensmanagement
10.5 Bilanzensystem und Kennzahlensystem
10.6 Aufgabe von Umweltschutzbeauftragten und Behörden
10.7 Materialeffizienz von Verbundstandorten
10.8 Entscheidungsorientierte Denkweise und Prozesskostenrechnung
10.9 Konsolidierte Prozesskosten von Prozessketten
10.10 „Due Diligence-Prüfungen“ mit BTC-System
10.11 BTC-Software: Managementinstrument für PLCM
10.12 Beitrag der Chemie zur Ressourceneffizienz
10.13 Chemiebetriebslehre als eigene Disziplin
10.14 Zusammenfassung der Kernpunkte
11 Eine Fallstudie aus der Praxis
11.1 Einleitung zum Detailanalyse-Projekt
11.2 Ablauf des Detailanalyse-Projektes
11.3 Detailanalyse der Diester-R-Synthese –WS-Betrieb der Müller AG Frankfurt –
12 Anhang
12.1 Abkürzungsverzeichnis
12.2 Definitionen
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The Future of the Chemical Industry by 2050
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Management Principles of Sustainable Industrial Chemistry
Theories, Concepts and Industrial Examples for Achieving Sustainable Chemical Pr oducts and Processes from a Non-Technological Viewpoint
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Suntrop, C. (Hrsg.)
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Storhas, W.
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Jansen, R. A.
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1. Auflage 2013
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Vorwort
Im Jahre 1992 fand in Rio de Janeiro die erste Konferenz der Vereinten Nationen zu den Themen Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Entwicklung statt. Dabei spielte die Ressourceneffizienz als ein wesentlicher Aspekt des Umweltschutzes bereits eine wichtige Rolle. Auf der letzten Folgekonferenz „Rio + 20“ im Juni 2012 war die Ressourceneffizienz sogar zum Schwerpunktthema geworden. Sie ist auch ein Kernanliegen der europäischen und deutschen Politik (vgl. Bundesregierung, Deutsches Ressourceneffizienzprogramm (ProgRess), Beschluss vom 29.2.2012). Bereits Ende der 1980er Jahre, also einige Jahre vor der ersten Rio-Konferenz, haben wir das Thema „Produktivität“ (Ressourceneffizienz) in der chemischen Industrie zum Hauptthema unserer Arbeiten gemacht. Ausgelöst wurden unsere Aktivitäten durch die Feststellung, dass in der Synthesechemie die Ressourcenbzw. Materialeffizienz relativ niedrig ist: In der Regel entstehen hier trotz hoher stöchiometrischer Ausbeuten erhebliche Mengen an Reststoffen, die meist in die Kläranlage eingeleitet oder verbrannt werden. Wir haben ein System (BTC-System) entwickelt, das es vor allem ermöglicht, die Ressourceneffizienzen chemischer Verfahren und deren Einflussgrößen zu messen und die Prozesskosten, Kostensenkungspotenziale sowie die Wertschöpfung zu quantifizieren. Es macht die Stärken und Schwächen chemischer Prozesse (Verfahren) sichtbar und zeigt auf, „wo der Hebel angesetzt werden muss“, um bessere Ergebnisse in der Praxis zu erreichen.
Die zielorientierte Steuerung der Entwicklung und Verbesserung chemischer Verfahren von der Wiege (Labor) bis zur Bahre (Stilllegung im Betrieb) ist die Aufgabe des Process Life Cycle Managements (PLCM). Dabei geht es um ein ganzes Bündel chemisch-technischer, ökonomischer und ökologischer Ziele. Es betrifft die Aktivitäten der primären Wertschöpfungskette (Innovation Chain) und nicht die der sekundären (Supply Chain). Obwohl das Supply Chain Management (SCM) das Top-Thema der Industrie in den vergangenen beiden Jahrzehnten bildete, haben wir uns bereits in dieser Zeit schwerpunktmäßig mit der primären Wertschöpfungskette und hier insbesondere mit dem PLCM befasst. Diese Schrift berichtet über die Erfahrungen und Ergebnisse unserer Arbeiten, die nicht zuletzt auch zu der – von Wissenschaft und Praxis geforderten – Integration von Ressourcen-, Umwelt- und Kostenmanagement führte. Sie zeigt dabei, wie mithilfe des interdisziplinären BTC-Systems eine Systematisierung, Beschleunigung und zielorientierte Ausrichtung aller PLCM-Aktivitäten erreicht werden kann. Dies führt zu Einsparungen an Zeit und Geld. Der Produktionsleiter eines großen Chemieunternehmens brachte es auf den Punkt: „Es kommt darauf an, mit System alles ein paar hunderttausend Euro früher zu merken als bisher!“
Diese Schrift wendet sich an die Führungskräfte in den Unternehmen (v. a. in Verfahrensentwicklung, Produktion, Umweltschutz, Qualitätssicherung, Controlling) sowie an deren Gesprächspartner (Kunden, für Umweltschutz und Gewerbeaufsicht zuständige Behörden etc.). Sie will einen Beitrag leisten zu einigen konkreten Fragestellungen der Praxis (vgl. Kapitel 1) v. a. im Hinblick auf Ressourceneffizienz, Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz. Diese Zielgrößen müssen quantifiziert werden, um sie systematisch optimieren zu können. Hierbei spielen strukturierte Stoffbilanzen und deren Auswertung mithilfe der „Produktivitätsfunktion“ (Materialeffizienzfunktion) und die chemiespezifische Prozesskostenrechnung eine sehr wichtige Rolle. Letztere kann im Gegensatz zur traditionellen Kostenträgerrechnung (Herstellkostenrechnung) z. B. auch die Kostensenkungspotenziale der chemischen Verfahren genau ermitteln.
Darüber hinaus wendet sich diese Schrift auch an die Studierenden vor allem der Fachrichtungen Chemie, Verfahrenstechnik und Umwelttechnik sowie an bereits im Beruf stehende Naturwissenschaftler und Ingenieure. Sie zeigt nicht zuletzt auch, dass die – in Dissertationen und Literatur übliche – Bestimmung der Reaktionsgleichung und der stöchiometrischen Ausbeute im Labor nicht (mehr) ausreicht, um ein Verfahren zu optimieren. Wichtig ist auch ein systematisches Bilanzieren der Verfahren und das Messen der Ressourcen- bzw. Materialeffizienz. Diese Zielgröße gilt es bereits im Labor zu steigern durch Optimierung aller Parameter der Materialeffizienzfunktion.
Diese Schrift wendet sich nicht zuletzt auch an die Studierenden der industriellen Betriebswirtschaftslehre (Industriebetriebslehre) und des Wirtschaftsingenieurwesens mit Schwerpunkt Chemie. Sie ist interdisziplinär, weil der beschriebene ganzheitliche Ansatz verschiedene Disziplinen integriert, so vor allem die Chemie, chemische Technik und Betriebswirtschaftslehre. Sie beinhaltet einen wesentlichen Beitrag zur neuen „Chemiebetriebslehre“.
Die Ausführungen verlaufen nach dem Prinzip „Vom Allgemeinen zum Besonderen“. Zunächst wird die fachübergreifende, interdisziplinäre Methode erläutert, die chemisch-technische, ökonomische und ökologische Aspekte integriert. Anschließend wird ihr Einsatz in der Praxis anhand entsprechender Beispiele beschrieben. Hierbei spielen die Teilsysteme „Materialflussanalyse (MFA)“ und „Kostenflussanalyse (KFA)“ eine besonders wichtige Rolle. Dies zeigt sich u. a. auch am Beispiel der Fallstudie des letzten Kapitels, die praktisch den Inhalt eines Projekts wiedergibt, das vor wenigen Jahren in einem europäischen Unternehmen durchgeführt wurde. Schließlich werden die in der Praxis gewonnenen Erfahrungen vorgestellt. Dabei wird unter anderem auch gezeigt, wo heute die chemische Industrie hinsichtlich der Materialeffizienz steht. Die Ausführungen werden illustriert mit ca. 200 Grafiken, die zum größten Teil aus den zahlreichen Vorträgen der vergangenen Jahre stammen.
Ein herzlicher Dank gilt meinen Mitarbeitern, die wesentliche Beiträge zur Entwicklung des BTC-Systems geleistet haben. Ein weiterer herzlicher Dank gilt unseren Partnern in verschiedenen Chemie- und Pharmaunternehmen, vor allem der ehemaligen Hoechst AG, die durch Diskussionen und Anregungen zum Gelingen beigetragen haben.
Adalbert Steinbach
Schriesheim/Bergstr.
September 2013
Das Thema „Ressourceneffizienz“ (Produktivität) ist für die chemische und pharmazeutische Industrie von besonderer Bedeutung. Hier werden nämlich sehr große Mengen vor allem an stofflichen Ressourcen verbraucht, um neue Stoffe herzustellen. Sowohl der Verbrauch der immer knapper werdenden Ressourcen als auch die Herstellung neuer anthropogener Stoffe sind von erheblicher Relevanz für Ökonomie und Ökologie. Die chemische Industrie ist sich bewusst, dass es sich bei der Ressourceneffizienz um einen „Megatrend“ [1] handelt, der klare Antworten und Konzepte auch vonseiten der Chemie erfordert. Sie macht sich sogar Weizsäckers Forderung zu eigen: „Ressourcenproduktivität muss zum Leitmotiv unserer Zeit werden“ [2].
Über drei Jahrzehnte hinweg haben wir uns in Theorie und Praxis mit dem Thema „Ressourceneffizienz in der Chemie“ beschäftigt. Die vorliegende Monografie ist eine Zusammenfassung der Erfahrungen und Ergebnisse aus dieser Zeit. Sie zeigt dabei auch die Zusammenhänge zwischen Ressourceneffizienz, Ökonomie und Ökologie. Wichtig ist dabei eine ganzheitliche, interdisziplinäre Betrachtungsweise mithilfe geeigneter Methoden und Werkzeuge.
Es geht hier aber nicht nur um Modelle und Theorien mit ganzheitlichem Ansatz. Die vorliegende Monografie beinhaltet auch Antworten auf eine Reihe von Fragen aus der Praxis von Chemieunternehmen. Sie sollen dazu beitragen, dass vor allem die Entscheidungen im Zusammenhang mit der Entwicklung und Verbesserung von chemischen Verfahren schnell, systematisch und zielsicher getroffen werden können. Je besser dies gelingt, desto mehr Arbeit, Zeit und Kosten werden eingespart.
Die vorliegende Monografie beinhaltet aber auch Antworten auf eine Reihe von theoretischen Fragen, die primär für die Wissenschaft (Universitäten) von Bedeutung sind. Sie resultieren vor allem aus der logischen Interdependenz von Ressourcen-, Umwelt- und Kostenmanagement. Diese Fragen und Antworten sind aber nicht nur „rein akademischer Natur“, sondern auch für die Praxis in der Industrie wichtig. Hier gilt nämlich die alte Erfahrung, nach der für die Praxis nichts nützlicher ist als eine gute Theorie.
Im Folgenden sind einige der Fragen und Problemstellungen aufgelistet, die in dieser Monografie behandelt werden.
Betrachtet man die Verfahrensoptimierungen hinsichtlich der Zielgrößen Materialeffizienz und Kosten, stellen sich ganz konkret folgende Fragen:
Das PLCM beinhaltet die zielorientierte Steuerung der Entwicklung und Verbesserung chemischer Prozesse (Verfahren) „von der Wiege bis zur Bahre“, d. h. vom Labor bis zur Stilllegung im Betrieb. Wie lassen sich die Entwicklungsfortschritte vor allem hinsichtlich Ressourceneffizienz, Umweltbelastung und Kosten quantifizieren und visualisieren?
Stehen nicht oft bei den Managemententscheidungen die PLCM-Ziele wie Ressourceneffizienz, Umweltbelastung und Kosten in Konkurrenz zueinander? Wie ist in solchen Fällen der Zielkonflikte in der Praxis methodisch zu verfahren?
Gehören zum PLCM Methoden wie Materialflussanalysen (MFA), Kostenflussanalysen (KFA), umweltorientierte Flussanalysen (UFA) und Wertflussanalysen (WFA)? Gibt es unter diesen logische Zusammenhänge?
Abb. 1.1
Abb. 1.2
Braucht das PLCM Ökobilanzen?
Braucht man aufgrund der (neueren) Umweltgesetze eigene Instrumente des Umweltmanagements oder ist Umweltmanagement ein integrierter Bestandteil des PLCM?
Gibt es Materialeffizienz-Benchmarkwerte für chemische Verfahren, an denen man sich in der Praxis orientieren kann?
Entsprechend dem neuen „Factbook 05“ des VCI fallen in der Chemie nur sehr geringe Reststoffmengen an: „Auf Ebene der chemischen Industrie ist daher nicht der Durchschnitt einzelner Prozessausbeuten maßgeblich, sondern die Menge der nicht genutzten Abfälle. Im Verhältnis zur Menge eingesetzter Rohstoffe macht diese heute nur noch 2 % aus: 98 % der Rohstoffe werden genutzt“ [3]. Dies würde eine durchschnittliche Materialeffizienz von 98 % bedeuten. Ist diese in der Praxis tatsächlich so hoch?
Im „Factbook 05“ des VCI wird ausgeführt: „Allerdings ist der ursprüngliche Ansatz des BMU nicht haltbar, den Einsatz von Rohstoffen in der industriellen Produktion absolut zu senken. In der chemischen Industrie liegt die Ausbeute vieler Prozesse nach stetiger Optimierung heute bereits zum Teil deutlich über 95 % und damit an der Grenze des chemisch-physikalisch Möglichen. Das heißt: Für eine absolute Senkung des Rohstoffeinsatzes müsste die Produktion reduziert werden“ [4]. Entspricht es der Tatsache, dass die Materialeffizienz chemischer Verfahren mit hoher stöchiometrischer Ausbeute (> 95 %) grundsätzlich nicht mehr weiter gesteigert werden kann?
Gibt es einen Zusammenhang zwischen Materialeffizienz und Energieeffizienz chemischer Verfahren?
Es ist allgemein anerkannter Stand der Theorie und Praxis, dass kaufmännische Buchführung und Bilanzen erforderlich sind, um die Geld- bzw. Wertströme der Unternehmen zu erfassen und zu steuern. Ist nicht analog hierzu eine standardisierte technische Buchführung mit Stoffbilanzen erforderlich, um die Stoffströme in Chemieunternehmen systematisch zu erfassen und zu steuern?
Wenn sich alle wichtigen umweltrelevanten Parameter wie z. B. CO2-Emissionen oder Abwasserinhaltsstoffe (Halogen, TOC etc.) auf der Basis von Stoffbilanzen berechnen lassen, lässt sich dann nicht auch der Aufwand für Laboranalysen in den Betrieben reduzieren?
Muss nicht z. B. bei Wirkstoffsynthesen in Pharma und Pflanzenschutz neben den einzelnen Syntheseverfahren auch die gesamte Prozesskette berücksichtigt werden? Sind die Methoden der Prozessanalysen verschieden von denen der Prozesskettenanalysen?
In vielen Synthesen fallen Koppelprodukte an, die oft als Reststoffe entsorgt werden. Diese sind nach weitverbreiteter Meinung nicht vermeidbar, weil sie aufgrund von Naturgesetzen anfallen. Gibt es wirklich keine Möglichkeit, die Koppelprodukte in der Praxis zu vermeiden oder zumindest deren Mengen zu reduzieren und damit die Materialeffizienz zu erhöhen?
Ist es zweckmäßig, bereits im Laborstadium der Verfahrensentwicklung eine chemiespezifische Prozesskostenrechnung einzusetzen?
Ist es zutreffend, dass die in der Praxis weitverbreitete Kostenträgerrechnung („Herstellkostenrechnung“) in vielen Fällen irreführend ist, vor allem bei den Entscheidungen, die in Verfahrensentwicklung (VE) sowie in Produktion und Technik (P+T) zu fällen sind? Wenn ja, welche Form der Kostenrechnung ist hier zu bevorzugen?
Bei beabsichtigten Unternehmenskäufen werden „Due Diligence-Prüfungen“ durchgeführt. Der Schwerpunkt liegt meist noch bei Finanz- und Marktanalysen. Technische und ökologische Aspekte spielen aber eine zunehmende Rolle. Sollten nicht gerade bei der ganzheitlichen Betrachtung der Bereiche „Forschung und Entwicklung“ (F&E) sowie „Produktion und Technik (P&T)“ zweckmäßigerweise die Methoden „Materialflussanalyse (MFA), Kostenflussanalyse (KFA), umweltorientierte Flussanalyse (UFA) und Wertflussanalyse (WFA)“ eingesetzt werden?
Welches sind die Hauptursachen von Innovationssprüngen bei den chemischen Verfahren der Industrie?
Die nachfolgenden – mehr methodischen – Fragen sind vor allem relevant für das Arbeiten in den Labors sowohl der Universitäten als auch der Industrie. So ist es beispielsweise wünschenswert, dass bei den Dissertationen in Chemie nicht nur die stöchiometrische Ausbeute der Synthesen angegeben wird, sondern vor allem auch die Materialeffizienz und deren Grenzwert (Obergrenze). In diesem Zusammenhang ergibt sich bereits die folgende erste Frage.
Wie berechnet man die Materialeffizienz chemischer Synthesen und deren Grenzwert (vgl.Abb. 1.1)?
Wie lautet die „Materialeffizienzfunktion“, welche die Abhängigkeit der Materialeffizienz von einzelnen physikalisch-chemischen Einflussgrößen quantifiziert? Ist diese nicht die Basis für ein zielorientiertes Process Life Cycle Management (PLCM) zur systematischen Steigerung der Materialeffizienz und Senkung der Kosten?
Wie kann man die Optimierungsgrade hinsichtlich Materialeffizienz und Kosten messen?
Erfordert nicht die systematische Umsetzung der Konzepte des integrierten Umweltschutzes und der „Green Chemistry“ einheitliche Stoffbilanzen und Bilanzanalysen mit geeigneten Kennzahlen?
Welche methodischen Zusammenhänge gibt es zwischen
materialeffizienzorientierter Prozessanalyse,
umweltorientierter Prozessanalyse,
kostenorientierter Prozessanalyse und
wertschöpfungs- und ergebnisorientierter Prozessanalyse?
Was ist der Unterschied zwischen chemischem und physikalischem Recycling? Kann man mit beiden die Materialeffizienz chemischer Verfahren erhöhen?
Wie kann man die Kosten des produktionsintegrierten Umweltschutzes berechnen?
Gibt es in den Chemieunternehmen nur eine Wertschöpfungskette oder gibt es mehrere?
Es gilt: „nach einhelliger Meinung der im Bundestag vertretenen Parteien, .... überzugehen zur ganzheitlichen Betrachtung und Bewertung von Stoffströmen“ [5]. Was bedeutet das für die Praxis? Welche Methoden gibt es hierfür?
Da die Methoden des PLCM im Grenzgebiet Chemie/Betriebswirtschaftslehre angesiedelt sind, sollten sie deshalb nicht der (neuen) Disziplin „Chemiebetriebslehre“ zugerechnet werden?
Gehören nicht
Ressourcenrechnung mit chemiespezifischen Stoffbilanzen,
Prozesskostenrechnung mit chemischen Logiken und
Wertschöpfungs- und Prozessergebnisrechnung zu den Schwerpunkten der Chemiebetriebslehre?
1 Verband der Chemischen Industrie (VCI) (2012) Factbook 05, Die Beiträge der Chemie zu den kommenden Megatrends: Die Formel Ressourceneffizienz, Titelblatt.
2 Verband der Chemischen Industrie (VCI) (2012) Factbook 05, Die Formel Ressourceneffizienz, Blatt „Die Rio + 20-Konferenz und ihre Bedeutung für die Chemieindustrie, Alle in einem Boot“, S. 1.
3 Verband der Chemischen Industrie (VCI) (2012) Factbook 05, Die Formel Ressourceneffizienz, Blatt „Welche Indikatoren für Ressourceneffizienz? Zwischen technischer Realität und politischen Zielvorstellungen“, S. 1.
4 Verband der Chemischen Industrie (VCI) (2012) Factbook 05, Die Formel Ressourceneffizienz, Blatt „Politische Initiativen zu Ressourceneffizienz, Trendthema in der Politik, Standard in der Chemie“, S. 2.
5 Verband der Chemischen Industrie (VCI-Broschüre) Hrsg., Frankfurt 1999, E. Gärtner, Was ist nachhaltig?, S. 13.
Die vorliegende Monografie will zeigen, dass das Ziel möglichst hoher Ressourceneffizienz, aber auch die Ziele niedriger Umweltbelastung und Kosten durch ein chemiespezifisches Process Life Cycle Managementsystem schneller, leichter und sicherer erreicht werden können.
Gegenstand der Ausführungen der einzelnen Abschnitte dieses einführenden Kapitels sind einige überwiegend theoretische Grundlagen, deren Kenntnis zum Verständnis der nachfolgenden Kapitel erforderlich ist. Dabei geht es vor allem um Definitionen, Modelle sowie um die zu berücksichtigenden rechtlichen und faktischen Gegebenheiten.
Der hier verwendete Begriff „Managementsystem“, beim Militär und z. T. auch in der Wissenschaft als „Führungssystem“ bekannt, bezweckt das zielorientierte Führen einer Gemeinschaft wie z. B. eines Truppenverbandes, eines Unternehmens oder eines Vereins. Das System besteht aus drei Elementen (Teilsystemen), unter denen es vielfältige Wechselwirkungen gibt:
Aufbauorganisation („Führungsorganisation“)
Ablauforganisation („Führungsvorgänge“)
(Management-)Instrumente („Informationssysteme“)
Managementsysteme sind grundsätzlich Sache der Unternehmen, d. h. ihre Einführung und Unterhaltung steht in der Verantwortung der Unternehmensleitung. Diese Freiheit wird allerdings teilweise durch staatliche Gesetze eingeschränkt. Immer wenn der Gesetzgeber Missbrauch verhindern bzw. bestimmte Interessen(gruppen) schützen will, greift er ein und erlässt Gesetze z. B. zum Schutze der Gläubiger (seit 1884) oder der Aktionäre (seit 1965) in den Rechnungslegungsvorschriften des Aktiengesetzes [1]. Die rechtlichen Gegebenheiten sind somit bei den Managementsystemen zu berücksichtigen.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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