Rette mich, halte mich - liebe mich - Dani Collins - E-Book

Rette mich, halte mich - liebe mich E-Book

Dani Collins

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Beschreibung

Nichts wie weg! In einem einsam gelegenen Haus in den kanadischen Wäldern will sich die reiche Erbin Vienna von ihrer skandalösen Scheidung erholen. Doch ihr luxuriöses Versteck ist bereits bewohnt: von dem charismatischen Milliardär Jasper Lindor, einem Freund ihres Bruders. Über den es in den Medien hieß, er sei in Südamerika ums Leben gekommen! Obwohl Vienna der Liebe abgeschworen hat, knistert es heiß zwischen ihr und Jasper. Aber darf sie sich wirklich auf ihn einlassen – auch wenn er ihr nicht verrät, warum er hier Unterschlupf suchen musste?

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Seitenzahl: 204

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IMPRESSUM

JULIA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2023 by Dani Collins Originaltitel: „A Baby to Make Her His Bride“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA, Band 2607 07/2023 Übersetzung: Petra Pfänder

Abbildungen: Harlequin Books S. A., velvetocean / Getty Images, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 07/2023 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751518680

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Vienna Waverly parkte vor dem Haus, das ihr gehörte, obwohl sie es noch nie gesehen hatte.

Vor einem Monat hatte ihr Bruder dieses Haus unter äußerst merkwürdigen Umständen gekauft.

„Kann ich unter dem Namen deiner Firma ein Haus kaufen, ohne dir den Grund dafür zu nennen?“, hatte Hunter sie gefragt. „Ich schwöre dir, es ist nichts Kriminelles.“

„Das habe ich auch nicht angenommen, aber ich dachte, du würdest diese Firmen auflösen.“

Jeder von ihnen besaß eine Briefkastenfirma. Hunter hatte sie gegründet, um ihr Vermögen zu schützen, während sie mit ihrer Stiefmutter im Rechtsstreit lagen. Nachdem sie den Rechtsstreit vor einigen Monaten gewonnen hatten, brauchten sie diese Firmen nicht mehr.

„Das werde ich auch, aber zuerst muss ich mich um die Sache mit dem Haus kümmern“, hatte er gesagt.

„Worum geht es denn?“

Sie und ihr Bruder standen sich sehr nahe. Sie waren immer füreinander da, erzählten sich aber nicht alles, um den anderen zu schützen. Vienna liebte Hunter und würde eine Menge für ihn tun, aber das war eine sehr seltsame Bitte gewesen.

„Das Haus ist fünfzig Jahre alt“, hatte er auf seine knappe, sachliche Art erklärt. „Gute Lage, idyllisch und abgelegen, aufgerüstet mit Solaranlage und Wasserfilter. Die jetzigen Eigentümer nutzen es als Ferienhaus, es ist also möbliert und in gutem Zustand. Du musst dir keine Sorgen wegen der Kosten für Instandhaltung, Steuern oder Verwaltung machen. Ich übernehme alles, und in ein paar Monaten erkläre ich dir, warum ich es gekauft habe. Dann gehört es dir, und du kannst damit machen, was du willst. Bis dahin darfst du es niemandem gegenüber erwähnen, nicht einmal Neal.“

Das war ein leichtes Versprechen gewesen. Sie hatte sowieso kaum mit ihrem zukünftigen Ex-Mann geredet. „Weiß Amelia davon?“

„Ich werde es ihr erzählen.“ Hunter hatte eine Pause gemacht. „Wenn die Zeit reif ist.“

Zu dem Zeitpunkt war er erst seit fünf oder sechs Wochen mit Amelia verheiratet gewesen – einer Frau, die ihre eigenen Geheimnisse bewahrt hatte, einschließlich der Tatsache, dass sie ein Baby von Hunter bekommen hatte.

Die Existenz des Babys war mit einem riesigen Skandal enthüllt worden, einschließlich der kurzfristigen Absage seiner Hochzeit mit einer von Viennas besten Freundinnen.

Seitdem schienen Hunter und Amelia sich ineinander zu verlieben. Wenn er allerdings etwas so Wichtiges vor seiner frischgebackenen Ehefrau verheimlichte, war das für Vienna ein Alarmsignal.

„Ich brauche deine Antwort sofort, Vi“, hatte er gedrängt.

„Das ist wirklich alles, was du mir darüber sagen willst?“

„Ja.“

Da es auch Dinge gab, die sie ihm ihrerseits nicht erzählen wollte, hatte sie sich verpflichtet gefühlt, ihm blind zu vertrauen. „Gut. Ja, kaufe es.“

„Danke.“ Er hatte erleichtert geklungen. „Ich würde dich nicht bitten, wenn es nicht wichtig wäre.“

„Ich weiß.“

Und jetzt war sie froh, dass sie dieses Haus besaß, weit weg von allem. Es war genau das, was sie jetzt brauchte.

Bei ihrer Landung in Nanaimo auf Vancouver Island in British Columbia hatte sie ein Geländewagen mit vollem Tank und allen nötigen Lebensmitteln erwartet. Er war im Namen ihrer Briefkastenfirma geleast.

Vienna hatte Hunters Sekretärin nicht gesagt, wohin sie ging, sie nur gebeten, Hunter die Nummer ihres neuen Handys zu geben, damit er sie erreichen konnte, wenn er sie brauchte.

Wenn die Katastrophe eintrat.

Genauer gesagt, wenn Neal die Scheidungspapiere zugestellt wurden. Viennas Presseteam hatte die Anweisung, zeitgleich die Information an die Presse zu geben, dass die Scheidung eingereicht war.

Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich so hinterhältig und skrupellos verhalten, aber sie hatte ihn bereits um die Scheidung gebeten. Auf ihre Bitten um eine einvernehmliche Scheidung in aller Stille hatte er mit vorgetäuschter Verletzung und dem Versprechen reagiert, dass sie sich weiterhin um ein Baby bemühen könnten. Zwischen den Zeilen hatte er ihr gedroht, mit einer Enthüllungsgeschichte über die Waverlys an die Presse zu gehen.

Das war letztes Jahr gewesen, während Hunter gerade mit ihrer Stiefmutter Irina in diesen hässlichen Gerichtsprozess verwickelt gewesen war.

Um seinen Stress mit ihren eigenen Problemen nicht noch schlimmer zu machen, war Vienna in ihre Wohnung in Toronto gezogen, während Neil in Calgary blieb und weiterhin als Vizepräsident im Bereich Vertrieb bei Wave-Com tätig war. Vienna hatte klammheimlich ihren Führerschein geändert, eine Nachsendeadresse für ihre Post eingerichtet und ein neues Bankkonto eröffnet.

Solange sie nach außen hin die Illusion aufrechterhielten, dass sie glücklich verheiratet waren, sie Neal bei wichtigen beruflichen Veranstaltungen begleitete und ihn hin und wieder zu Familienfesten einlud, interessierte Neal ihre Trennung nicht weiter.

Vienna hatte ihren Freunden erzählt, dass sie getrennt waren. Nicht vielen, aber sie waren verlässliche Zeugen für den Fall, dass sie sie später brauchte.

Trotzdem wusste sie, dass Neal das Opfer spielen und behaupten würde, die Trennung wäre aus heiterem Himmel gekommen. Er würde versichern, sich versöhnen zu wollen. Für ihn stand zu viel Geld auf dem Spiel, als dass er friedlich gehen könnte. Zu viel Prestige als Hunter Waverlys Schwager.

Diese Story würde eine weitere Goldgrube für die Presse sein, aber das konnte sie nicht ändern. Ein Skandal war unvermeidlich. Das hatte Vienna akzeptiert. Das Beste, was sie tun konnte, war genau das, was sie getan hatte.

Sie hatte gewartet, bis Hunter mit Amelia auf eine verspätete Hochzeitsreise gegangen war, damit die beiden nicht zu viel von dem Skandal abbekommen würden. Und jetzt ging sie selbst in Deckung, bis das Schlimmste überstanden war.

Das kleine Örtchen Tofino war dazu nicht der schlechteste Platz. Es lag auf einer Halbinsel an der Westküste des Pazifischen Ozeans zwischen Fjorden und dem Meer, weißen Sandstränden und riesigen alten Regenwäldern.

Neal wusste nicht einmal, dass dieses Haus existierte. Nur ihr Anwalt wusste, wo sie war.

Bald, versprach sie sich. Bald hatte sie den schlimmsten Fehler ihres Lebens hinter sich. Sie würde frei sein und tun können, was sie wollte.

Mit einem erleichterten Seufzer nach der langen Fahrt über die Insel stieg sie aus dem Geländewagen und sog tief den kühlen Duft von Zedern, Kiefern und Tannen ein. Das Keckern der Eichhörnchen, die in den Ästen versteckt waren, klang fröhlich und war so laut, dass es das Rauschen des Ozeans übertönte.

Sie ließ alles im Fahrzeug zurück, um sich erst einmal das Haus von innen anzuschauen. Es sollte Solarstrom haben und einen Brunnen, und Vienna ging davon aus, dass es über funktionierende Strom- und Wasserleitungen verfügte. Aber für alle Fälle hatte sie einen Campingkocher und einen großen Kanister mit Wasser mitgebracht.

Das hohe, schmale Haus mit einer umlaufenden Veranda war seinerzeit wahrscheinlich ziemlich ausgefallen gewesen. Ein zierlicher Holzsteg, der an eine Zugbrücke erinnerte, führte sie von der geschotterten Auffahrt zu einer zweiflügeligen Eingangstür, die von Buntglasfenstern flankiert war.

Sie würde darauf wetten, dass seit mindestens einem Jahrzehnt kein Sonnenschein mehr durch diese Fenster gedrungen war. Die Natur hatte sich um das Haus geschlossen und ihm die Atmosphäre einer vergessenen, von Brombeersträuchern verschluckten Burg verliehen. Sogar ein leerer Wassergraben zwischen der Veranda und den alten Bäumen, die etwas entfernt Wache standen, fehlte nicht.

Vielleicht war Baumhaus ein besserer Vergleich. Wie auch immer, Vienna war auf den ersten Blick verliebt. Die Mauern mochten grau und verwittert sein, und das Dach schien eher aus Moos als aus Schindeln zu bestehen, aber sie wusste, wie es war, jahrelang vernachlässigt zu werden und trotzdem Potenzial zu haben.

Dies war der perfekte Ort für eine deprimierte Prinzessin, um den Bann abzuschütteln, unter dem sie stand, und für ihr neues Leben zu erwachen.

Die Tastatur neben der Tür hätte auf die Werkseinstellung von vier Nullen zurückgesetzt worden sein sollen, aber als sie diese eintippte, blieb die Tür verschlossen.

Genervt ging sie zu einer weiteren kleinen Brücke, die zu einer mit dem Haus verbundenen Garage führte. Auch diese Tür war verschlossen, also ging sie weiter um das Haus herum.

Auf der Hinterseite öffnete sich die Terrasse zu einem riesigen Lounge- und Essbereich im Freien mit einem Grill, der für Menschenmengen gebaut worden war.

Der weite Blick auf das Meer hinter den Baumwipfeln ließ sie innehalten.

Wow. Danke, Hunter.

Sie holte ein paar Mal tief Luft, dann wandte sie sich den beiden gläsernen Schiebetüren zu.

Saubere Fenster, bemerkte sie mit einem Schauer der Vorahnung. Ihr fiel auf, dass keine Tannennadeln auf der Terrasse zu sehen waren. Als wäre sie frisch gefegt. Die Möbel wirkten sauber und ordentlich, und die blau-gelb gestreiften Kissen lagen an Ort und Stelle. Der Grill war geöffnet.

Moment mal! Standen die Terrassentüren auf? Das Fliegengitter war geschlossen, aber die Schiebetüren waren geöffnet. Ihr Herz stolperte, als sie das Fliegengitter öffnete und sah, dass sie ins Haus gehen konnte.

Sie erwartete – hoffte? –, auf dem Boden einen Wasserschaden zu sehen. Das würde bedeuten, dass die Vorbesitzer oder ein Immobilienmakler verantwortungslos vergessen hatten, richtig abzuschließen. Aber nein, hier war alles blitzsauber, alles in Ordnung.

Ihr Herz hämmerte, als sie bemerkte, dass die Böden nicht aus dem gefürchteten Hochflorteppich oder vergilbtem Linoleum bestanden, sondern im Laufe der Jahre Modernisierungen durchgeführt worden waren.

Sie trat auf eine hellblau-schwarze Fußmatte und rief: „Hallo?“

Fast kam sie sich vor wie in einem Horrorfilm, aber ihr Verstand sagte ihr, dass das Haus bestimmt nur an Feriengäste vermietet war.

Befand sie sich überhaupt im richtigen Haus?

„Hallo? Ist hier jemand?“

Der Grundriss war ein offenes Konzept, das um einen massiven Schornstein aus Flussstein angeordnet war. Zu ihrer Rechten gab es eine Landhausküche mit weißen Schränken und Granitarbeitsplatten. An dem ovalen Esstisch aus antiker Eiche fanden mindestens zehn Leute Platz, die Wohnzimmermöbel waren aus der Mode gekommen, aber in gutem Zustand.

Sie ließ ihren Blick zurück zu der Holzschale auf dem Tisch wandern. Die Früchte waren echt! Zwei grüne Bananen, eine Orange und ein leuchtend roter Apfel.

Durch die offene Treppe an der Rückseite des Wohnzimmers konnte sie einen Schreibtisch sehen. Darauf stand ein Laptop, der Deckel heruntergeklappt, daneben eine Kaffeetasse.

Hier wohnte bestimmt jemand!

In diesem Moment begannen die Bodendielen unter dem Gewicht von Schritten zu knarren.

Ihr Magen krampfte sich zusammen. Das Haus gehörte ihr, aber sie war nicht dumm. Sie drehte sich um, wollte auf dem Weg hinausgehen, auf dem sie hereingekommen war.

„Wer sind Sie?“ Beim Klang der tiefen, unfreundlichen Stimme hinter ihr stellten sich die Härchen in ihrem Nacken auf.

Sie wandte sich wieder um. Vor ihr stand kein heruntergekommener Hausbesetzer, sondern ein sportlich aussehender gepflegter Mittdreißiger in grauem T-Shirt und Sporthose. Er strahlte die Energie eines aufziehenden Sturms aus.

Ihr war, als würde der Blick seiner seeblauen Augen so tief in ihre Seele dringen, dass sie erschauerte. Er war glatt rasiert, sein finsterer Blick sogar noch härter als seine Gesichtszüge. Seine Beine standen so unerschütterlich auf dem Boden wie hundertjährige Eichen.

Er musterte sie von oben bis unten. Als wäre sie ein Eichhörnchen, das er mit einem Besen verscheuchen müsste. Seine dichten Augenbrauen hoben sich fragend.

Aus lebenslanger Gewohnheit wollte sie sich entschuldigen und aus dem Haus schleichen.

Ich bin niemand.

Konfrontation hatte sie noch nie weitergebracht, aber sie musste anfangen, für sich einzustehen. Sie war hier nicht im Unrecht, auch wenn er ihr dieses Gefühl gab.

„Wer sind Sie?“, fragte sie höflich, aber kühl. „Das ist mein Haus.“

„Nein, ist es nicht.“ Sein Selbstvertrauen war so absolut, dass Unsicherheit in ihrem Inneren aufstieg.

„Ich kann Ihnen den Beweis auf meinem Handy zeigen …“ Sie blickte auf ihre Hände und fand nur einen Schlüsselanhänger. Sie hatte ihr Handy im Auto vergessen. „Das ist Bayview Drive“, sagte sie verteidigend. „Die Nummer stand auf dem Pfosten an der Einfahrt.“ Sie zeigte in die Richtung.

Seine Brauen berührten sich fast.

Ha! Sie war erleichtert, einmal in ihrem Leben gewonnen zu haben. Sie lag nicht immer falsch. „Erklären Sie bitte, was Sie in meinem Haus machen“, wiederholte sie.

Seine Augen verengten sich noch weiter. „Vienna?“

Ihr Herz machte einen Satz. Sie war in der Hoffnung hergekommen, dass sie hier niemand erkannte.

Jasper Lindor war gerade auf dem Weg in den Keller, als er hörte, wie jemand etwas auf der Tastatur an der Haustür eintippte. Bei seiner Ankunft hatte er den Code geändert, aber ein Auftragsmörder würde wahrscheinlich sowieso nicht versuchen, durch die Haustür hereinzuspazieren.

Die Polizei auch nicht.

Jetzt hörte er Schritte auf der ums Haus laufenden Veranda. Jemand rüttelte an der Seitentür, dann gingen die Schritte weiter zur hinteren Terrasse.

Hatte ihn jemand gefunden, oder handelte es sich um einen verirrten Spaziergänger? So oder so war es ärgerlich. Als er das Knarren der Fliegengittertür und den Ruf einer Frauenstimme hörte, stieß er einen Seufzer aus.

Sie versuchte nicht, ihre Anwesenheit zu verbergen, also tat er es auch nicht. Er eilte die Treppe in die Küche hoch und sah, dass die Frau offenbar gerade wieder gehen wollte.

Sie hatte ein spektakuläres Hinterteil. Das war sein erster Eindruck. Eng anliegende Jeans umschlossen einen wunderschönen herzförmigen Po. Ihr ärmelloses Oberteil entblößte straffe und gebräunte Arme. Ihr langes Haar hing offen bis zur Mitte des Rückens. Aschblonde Strähnchen, wie sie nur teure Salons färbten, schimmerten in dem Braun. Alles an ihr glänzte mit dem ganz besonderen Leuchten, das man nur für viel Geld kaufen konnte.

Immobilienmaklerin? Er hätte sie gehen lassen sollen, aber er war zu oft betrogen worden, um noch zu vertrauen. Hatte sie etwas im Haus versteckt, während er unten gewesen war?

„Wer sind Sie?“, fragte er und sah sich prüfend um.

Sie wirbelte herum und – verdammt, sie war wunderschön.

Beim Anblick ihres welligen Haars, das ausgeprägte Wangenknochen und einen makellosen Teint umrahmte, zog sich sein Inneres zusammen. Graugrüne Augen schauten ihn an.

Sie hob ihr schmales Kinn. „Wer sind Sie?“, fragte sie auf diese distanzierte, herablassende Art, die ihn immer noch verletzte, auch wenn es lange her war, dass er als mittelloser Teenager auf dem Parkplatz eines Lebensmittelgeschäfts gestanden hatte. „Das ist mein Haus.“

„Nein, ist es nicht.“ Er wusste, wem dieses Haus gehörte, aber noch während sie die Adresse herunterrasselte, erinnerte er sich an die wenigen Fotos, die er online gesehen hatte. „Vienna?“

Sie versteifte sich. Verwirrung trat in ihre Augen, als sie versuchte, ihn einzuordnen. Vorsicht.

„Hat Hunter Sie geschickt?“ Etwas zu spät fielen ihm seine Schwester und ihr Baby ein. „Ist etwas passiert?“

„Die Fragen stelle ich“, gab sie hochmütig zurück. Sie hob ihr Kinn noch ein Stückchen weiter an. „Wer sind Sie? Das Haus sollte leer stehen.“ Sie zögerte, als würde sie im Geiste alle Daten durchgehen, die sie bekommen hatte. „Jedenfalls hat Hunter gesagt, dass es nicht mehr an Urlaubsgäste vermietet wird. Weiß er, dass Sie hier sind?“

„Ja.“ Jasper wurde noch vorsichtiger.

Es beruhigte ihn nicht im Geringsten, dass es sich bei dem Eindringling um Hunters Schwester handelte. Sie schien ehrlich überrascht zu sein, dass das Haus bewohnt war. Offensichtlich wusste sie nicht, wer er war, aber sie konnte seine Pläne trotzdem ruinieren.

„Arbeiten Sie für Hunter? Wer sind Sie?“, wollte sie wissen.

„Sie wissen es wirklich nicht?“

„Würde ich sonst fragen?“ Sie ballte so fest die Fäuste, dass die Knöchel weiß hervortraten.

Interessant. Sie war nicht so selbstsicher und arrogant, wie sie zu erscheinen versuchte.

Er rieb sein frisch rasiertes Kinn. Es war lästig, sich jeden Tag zu rasieren, aber offensichtlich wich sein Aussehen ohne Bart so stark von seinen Fotos im Internet ab, dass sie ihn nicht erkannte.

„Sagen Sie mir zuerst, warum Sie hier sind. Sind Sie allein gekommen? Oder ist Ihr Ehemann auch hier?“ Er schaute zu den Fenstern, die auf die Auffahrt hinausgingen. „Oder jemand anderer?“, fügte er mit einem Zucken seiner Lippen hinzu.

Ein Anflug von Empörung huschte über ihre Miene. Sie mochte es nicht, dass er ihr Ehebruch unterstellte. Etwas Verletzlicheres trat in ihre Augen – vielleicht die Erkenntnis, dass sie mit einem Fremden ganz allein war? Denn jetzt richtete sie sich zu ihrer vollen Größe auf und erklärte tapfer: „Mein Mann kommt jeden Moment an. Sie sollten auf jeden Fall gehen, bevor er hier ist.“

„Lügen Sie mich nicht an, Vienna“, sagte er müde. „Ich hasse Lügner.“ Das tat er wirklich.

„Nun, und ich mag keine Leute, die so tun, als würden sie mich kennen. Würden Sie mir jetzt bitte verraten, wer Sie sind und was Sie in meinem Haus tun?“

„Ihrem Haus.“ Er fuhr sich mit der Zunge über die Zähne. Das musste auch eine Lüge sein.

Sie richtete sich noch weiter auf. Für eine Frau war sie ziemlich groß. Sie war zwar gertenschlank, aber ihre weiblichen Kurven waren nicht zu übersehen. Hübsch. So verdammt hübsch. Auch das konnte er nicht übersehen, selbst wenn sie verheiratet war.

Äußere Schönheit bedeutet nicht innere Schönheit, erinnerte er sich nüchtern.

Aber die Tatsache, dass sie nicht gewusst hatte, dass er hier war, und ihn nicht einmal erkannte, sagte ihm, dass sie nicht für REM-Ex arbeitete.

„Ich bin Jasper Lindor, Amelias Bruder.“

Sie schien die Luft anzuhalten und stand ganz still da, nur ihre Wimpern zitterten, als ihr Blick von seinem Haaransatz zu seinen Turnschuhen glitt.

„Können Sie das beweisen?“, fragte sie mit zitternder Stimme. „Amelia hat erzählt, ihr Bruder sei tot. Hunter würde ihr nicht verschweigen, dass Sie noch leben.“

„Sie weiß, dass ich lebe. Unser Vater auch. Ich habe sie vor Kurzem getroffen.“

Einmal. Es war ein viel zu kurzer Besuch gewesen, gleichzeitig ermutigend und herzzerreißend. „Ich bin noch nicht bereit, die Gründe für mein Verschwinden an die Öffentlichkeit zu bringen, darum hat Hunter mich hier untergebracht.“

Sie runzelte die Stirn, als sie offensichtlich zu entscheiden versuchte, ob sie ihm glauben sollte.

Wenn Vertrauen eine Einbahnstraße war, umrundeten sie beide den Block und wollten nicht einbiegen.

„Mein Ausweis ist oben. Soll ich ihn holen?“

„Nein. Jetzt sehe ich die Ähnlichkeit“, murmelte sie, und ihr Blick wanderte mit einer Gründlichkeit über seine Züge, die ein seltsames Gefühl in seiner Brust auslöste.

Dann legte sie den Kopf schief und entspannte sich ein wenig. Ihre Stimme klang wärmer. „Ist das der Grund, warum Hunter dieses Anwesen auf so eine seltsame Weise gekauft hat? Ich hatte keine Ahnung, dass Sie am Leben sind, und erst recht nicht, dass Sie hier sind. Für Ihre Familie muss es eine solche Erleichterung gewesen sein, zu erfahren, dass es Ihnen gut geht!“

„Gut“ war übertrieben. Er konnte nicht mehr schlafen. Er wurde vom Tod seines Freundes verfolgt und hatte sich sogar von einer Frau bedroht gefühlt, die so viel körperliche Gefahr darstellte wie eine Wolldecke.

Nichts von dem Unrecht war mehr zu ändern oder wiedergutzumachen, aber er unternahm alle Schritte, die in seiner Macht standen, um etwas Gerechtigkeit zu erreichen. Doch alles hing davon ab, dass noch nicht bekannt wurde, dass er lebte und wieder in Kanada war.

„Warum sind Sie hier?“, fragte er unverblümt.

Sie wurde ernst. Schmerz blitzte in ihren Augen auf, bevor sie die Wimpern senkte. „Ich brauche etwas Zeit für mich. Ich bin hergekommen, um meine Ruhe zu haben.“

„Und dazu haben Sie sich ausgerechnet dieses Haus ausgesucht? Aus all den Immobilien Ihrer Familie?“

Er wusste nicht genau, wie viele es waren, aber er würde wetten, dass es mehrere Eigentumswohnungen, Cottages und Villen zur Auswahl gab.

„Ich darf ja wohl in ein Haus kommen, das mir gehört.“

Nach allem, was er gelesen hatte – und er hatte nur sehr wenig über sie gelesen, weil sie nichts mit ihm und seiner Situation zu tun hatte –, war ihm Vienna wie die Verkörperung der typischen Erbin vorgekommen: nutzlos und oberflächlich.

Auf Fotos trug sie stets klassische und perfekte Kleidung und das immer gleiche bedeutungslose Lächeln, egal ob sie eine Wohltätigkeitsveranstaltung besuchte oder an der geplatzten Hochzeit ihres Bruders teilnahm.

Sie arbeitete nicht, hatte keine Kinder, und mehr wusste er auch schon nicht über sie.

„Nun, dieses Haus ist jedenfalls bewohnt. Ich will auch meine Ruhe haben.“ Er warf ihr ein schmales Lächeln zu. „Darum weiß niemand, dass ich hier bin.“

„Sonst wäre ich auch nicht gekommen“, erklärte sie abwehrend. Sie verschränkte die Arme und blickte über die Schulter zu dem Geländewagen in der Einfahrt. „Ich kann aber nirgendwo anders hingehen. Man würde mich überall erkennen, und dann würden sie über mich herfallen.“

„Herfallen?“

„Die Paparazzi.“ Sie verzog angewidert die Lippen. „Diesmal bin ich verantwortlich für den neuesten Waverly-Skandal: Scheidung.“

Er hörte nur Paparazzi: „Die Presse ist Ihnen auf den Fersen?“ Sein Blutdruck schoss in die Höhe. „Sie bringen mir die Reporter ins Haus?“

Ihre Augen blitzten. „Es ist nicht Ihr Haus, sondern meins“, erinnerte sie ihn schnippisch. „Und nein, ich habe vorgesorgt. Niemand weiß, dass ich hier bin. Mein Wagen wurde von Wave-Com angemietet. Ich habe ein anonymes Kartentelefon dabei, und mein Presseteam nutzt einen sicheren Chatroom für jeden Kontakt. Ich habe mir große Mühe gegeben, mich – und Hunter und seine Familie – zu schützen. Ich sehe absolut nicht ein, warum ich mich der Meute stellen sollte, nur weil Ihnen meine Anwesenheit hier unbequem ist. Das ist mein Haus, und ich bleibe hier.“

Der Kampf um die Kontrolle über das eigene Leben war Furcht einflößend. Jasper war ein sehr einschüchternder Mann. Wenn er die Arme verschränkte, wirkten seine Schultern wie Berge.

Wäre er gefährlich, würde Hunter ihm nicht helfen, beruhigte Vienna sich. Hunter hatte ihr geschworen, dass dieses Haus nicht für kriminelle Zwecke benutzt wurde. Jasper war nicht auf der Flucht vor der Justiz, nur ein ausgesprochen beeindruckender Einsiedler, der sich darüber ärgerte, dass seine Privatsphäre verletzt worden war.

„Wir sind beide erwachsen“, betonte sie und bemühte sich um einen versöhnlicheren Ton, aber sie konnte die Anspannung in ihrer Stimme hören. „Und wir sind verschwägert.“

Dabei freute sie sich wirklich, Amelias Bruder kennenzulernen, aber aus irgendeinem Grund trafen ihre Blicke wie Stahl auf Stahl aufeinander, funkelnd und heiß. Ihre Kehle fühlte sich versengt an.

Sein finsterer Blick wies ihr Friedensangebot zurück. Sie spürte seine Missbilligung körperlich, und sie traf mitten in ihre Unsicherheiten.

Du bist nicht erwünscht. Verschwinde.

Sie widerstand dem Wunsch, einfach aufzugeben. Sie würde nicht wie ein Feigling davonlaufen.

Es war ihr Haus.

Mit einer Handbewegung umfasste sie die großen Räume um sie herum. „Ich bin sicher, dass wir uns arrangieren können. Offensichtlich wollen wir beide unsere Anwesenheit hier geheim halten.“ Sie auf jeden Fall. „Ich denke, das Haus ist groß genug. Wir können es uns bestimmt teilen, ohne uns gegenseitig in die Quere zu kommen. Ich habe meine eigenen Lebensmittel mitgebracht.“

Unbeeindruckt hob er eine dunkle Augenbraue.

„Ich bleibe nur eine Woche.“ Sobald die erste Aufregung vorüber war, würde sie zu einer Hochzeit nach Europa fliegen. „Ich habe einen Plan.“

Er schnaubte.

„Ich werde dich nicht stören! Ich habe mir Arbeit mitgebracht.“ Hier konnte sie endlich an ihren eigenen Projekten arbeiten. „Willst du mich wirklich vor die Tür setzen?“

„Das kann ich ja wohl schlecht, oder?“ Seine Stimme triefte vor Sarkasmus. „Mi casa es tu casa.“ Mein Haus ist dein Haus.

2. KAPITEL

Was für ein Griesgram.

Vienna ging zum Wagen, um ihre Tasche zu holen. Draußen ließ sie mit einem gewaltigen Seufzer ihre aufgestaute Spannung heraus. War sie verrückt, hierzubleiben? Jaspers Verhalten erinnerte sie an die Stiefmutter, mit der sie aufgewachsen war. Ihr schlimmster Albtraum.

Es ist mein Haus, erinnerte sie sich.

Aber sie sollte wirklich anfangen, offener mit ihrem Bruder zu reden. Mit seiner neuen Ehe und seinem neuen Baby hatte er viel durchgemacht, darum hatte sie ihn nicht stören wollen. Sie wollte niemals lästig sein, aber fast alle behandelten sie so, als wäre sie es.

Sie musste erwachsen werden und endlich aufhören, so ein Angsthase zu sein. Das wusste sie selbst. Sie musste aufhören, sich darüber Gedanken zu machen, was andere von ihr dachten, und ohne Scham oder Schuldgefühle das tun, was sie für richtig hielt.