Revolution at Point Zero - Silvia Federici - E-Book

Revolution at Point Zero E-Book

Silvia Federici

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Beschreibung

Silvia Federici hat durch ihren politischen Aktivismus und ihre Schriften Generationen von Feminist*innen inspiriert. Als Mitbegründerin der internationalen Kampagne »Lohn für Hausarbeit« hat sie den Grundstein für eine Theoriebildung gelegt, die das Leben und seine gesellschaftliche und soziale Reproduktion ins Zentrum setzt. Marxistische und feministische Theorien werden kritisch hinterfragt und neu zusammengesetzt, sodass sie die Bedeutung der Hausarbeit für den Kapitalismus und die Privatisierung von Dienstleistungen und Commons (Gemeingütern) erfassen und erklären können. Revolution at Point Zero vereint Federicis wichtigste Texte der letzten fünfzig Jahre, die bis heute nichts an politischer Brisanz und Aktualität eingebüßt haben. Im Gegenteil: Angesichts der aktuellen Krise der sozialen Reproduktion und der weltweiten Frauenstreikbewegung bietet die Lektüre nicht nur Bausteine für eine Analyse der gesellschaftlichen Zusammenhänge, sondern auch für eine feministische Revolution. »Wenn die Frauenbewegung wieder in Schwung kommen und nicht länger bloß eine weitere Stütze eines hierarchischen Systems sein möchte, muss sie sich mit den materiellen Grundlagen des Lebens von Frauen auseinandersetzen.« – Silvia Federici

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Seitenzahl: 489

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Band 2 in der Reihe »Theorien und Kämpfe der sozialen Reproduktion«, herausgegeben von Friederike Beier

Silvia Federici ist feministische Aktivistin, Schriftstellerin und Lehrerin. Sie war 1972 eine der Mitbegründerinnen des International Feminist Collective, der Organisation, die die internationale Kampagne ›Lohn für Hausarbeit‹ ins Leben gerufen hat. Von 1987 bis 2005 unterrichtete sie Internationale Politik und Politische Philosophie an der Hofstra-Universität im Bundesstaat New York. In all diesen Jahren hat sie Bücher und Essays über Philosophie und feministische Theorie und in jüngerer Zeit über den weltweiten Kampf gegen die kapitalistische Globalisierung und für eine feministische Wiederaneignung der Commons geschrieben. Sie ist unter anderem Autorin von Caliban und die Hexe: Frauen, der Körper und die ursprüngliche Akkumulation (2012), Hexenjagd. Die Angst vor der Macht der Frauen (2019) und Jenseits unserer Haut. Körper als umkämpfter Ort im Kapitalismus (2020).

Leo Kühberger ist Historiker, Kulturanthropologe und Übersetzer und lebt in Graz. Er forscht und schreibt vor allem zur Geschichte und Theorie sozialer Bewegungen. Hauptberuflich ist er Eisenbahner.

Friederike Beier forscht, lehrt und publiziert zu materialistischem Feminismus, sozialer Reproduktion und globaler Gouvernementalität. Als Politologin arbeitet und promoviert sie an der Freien Universität Berlin über die globale Regierung und Quantifizierung sozialer Reproduktionsarbeit. Sie hat eine Tochter und lebt in Berlin. Bei Unrast ist zuletzt der Sammelband materializing feminism. Positionierungen zu Ökonomie, Staat und Identität (Beier, Haller, Haneberg 2018) erschienen.

Silvia Federici

Revolution at Point Zero

Hausarbeit, Reproduktion und feministischer Kampf

aus dem Englischen übersetzt von Leo Kühberger

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar

Silvia Federici:

Revolution at Point Zero

Hausarbeit, Reproduktion und feministischer Kampf

1. Auflage, März 2021

eBook UNRAST Verlag, März 2022

ISBN 978-3-95405-073-4

Titel der Originalausgabe:

Revolution at Point Zero

Housework, Reproduction, and Feminist Struggle

2. Ausgabe

© 2020 PM Press

© UNRAST-Verlag, Münster

www.unrast-verlag.de | [email protected]

Mitglied in der assoziation Linker Verlage (aLiVe)

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung

sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner

Form ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter

Verwendung elektronischer Systeme vervielfältigt oder verbreitet werden.

Umschlag: Felix Hetscher, Münster

Satz: Andreas Hollender, Köln

Inhalt

Vorwort zur deutschen Ausgabe von Friederike Beier

Danksagungen

Vorwort zur 2. Auflage von 2020

Vorwort zur Auflage von 2012

Einführung

I Theorie und Politik der Hausarbeit

Lohn gegen Hausarbeit (1975)

Warum Sexualität Arbeit ist (1975)

Counterplanning aus der Küche (1975)

Die Reorganisation der Hausarbeit und der Reproduktion in den USA in den 1970er-Jahren (1980)

Den Feminismus wieder auf die Füße stellen (1984)

Über affektive Arbeit (2011)

II Globalisierung und soziale Reproduktion

Reproduktion und feministische Kämpfe angesichts der neuen internationalen Arbeitsteilung (1999)

Krieg, Globalisierung und Reproduktion (2000)

Frauen, Globalisierung und die internationale Frauenbewegung (2001)

Die Reproduktion der Arbeitskraft in der Weltwirtschaft und die unvollendete feministische Revolution (2008)

Auf dem Weg nach Peking: Wie die Vereinten Nationen die feministische Bewegung kolonisierten (2011)

III Die Commons reproduzieren

Altenpflege und die Grenzen des Marxismus (2009)

Frauen, Kämpfe um Land und Globalisierung: Eine internationale Perspektive (2004)

Feminismus und die Politik der Commons in Zeiten der ursprünglichen Akkumulation (2010)

»Wir haben andere Länder gesehen und haben eine andere Kultur«: Migrantische Hausangestellte und die internationale Produktion und Zirkulation von feministischem Wissen und Organisierung (2016)

Literatur

Anmerkungen

Vorwort zur deutschen Ausgabe

von Friederike Beier

Silvia Federici ist Feministin, Theoretikerin, Aktivistin und vieles mehr. Ihre Themen sind mindestens genauso vielfältig und umfassen feministische Kapitalismus- und Staatskritik, soziale Reproduktion, globale Arbeitsteilung, Commons sowie Strategien und Perspektiven von feministischen Kämpfen und Bewegungen. Angefangen in den 1970er-Jahren mit Federicis Beteiligung an der ›Lohn für Hausarbeit‹-Bewegung über die Herausforderungen von Globalisierung und sozialer Reproduktion als zentrale Themen der Nullerjahre bis hin zu aktuellen Kämpfen um Gemeingüter, kapitalistische Landnahmen und staatliche Vereinnahmungsprozesse, bietet der Sammelband einen Überblick über die unterschiedlichen Stationen von Federicis politischer, theoretischer und persönlicher Entwicklung. Der vorliegende Band ist in drei Teile untergliedert, welche die vielfältigen Themen und aktivistischen Phasen von Silvia Federici repräsentieren, und liegt erstmals in deutscher Übersetzung vor.

Theorie und Praxis

Silvia Federicis Werk ist von den Wechselwirkungen ihres politischen Engagements und ihrer theoretischen Überlegungen durchzogen. Aktuelle soziale Kämpfe und ihre Themen werden immer wieder zum Anlass genommen, theoretische Konzepte zusammenzudenken, zu verfeinern und weiterzuentwickeln. Dabei bleibt sie ihren Ausgangsthemen aus den 1970ern und der ›Lohn für Hausarbeit‹-Bewegung bis heute treu: den materialistischen Bedingungen von Haus- und Reproduktionsarbeit und ihren Auswirkungen auf die Situation von Frauen* weltweit sowie den Chancen eines emanzipatorischen und globalen Feminismus. Oder wie sie selbst schreibt: »[A]us unserer Analyse der ›Frauenfrage‹ [wurde] eine Analyse der Hausarbeit, die wir als entscheidend ansahen für die Bestimmung der Ausbeutung von Frauen im Kapitalismus« (S. 25 in diesem Buch).

Silvia Federici zeigt in ihren Analysen strukturelle Zusammenhänge und gesellschaftliche Widersprüche auf, wie den zwischen entlohnter und unentlohnter Arbeit. Während entlohnte Arbeit durch den Lohn vermittelt wird, verschleiert das Fehlen eines Lohns die Bedeutung der reproduktiven Arbeit für das Funktionieren des Kapitalismus. Unbezahlte Haus- und Sorgearbeit bildet die Grundlage der kapitalistischen Wirtschaftsweise, da sie Arbeiter*innen reproduziert, versorgt und erzieht:

»Hausarbeit ist viel mehr als Putzen. Sie beinhaltet, dem Lohnempfänger physisch, emotional und sexuell zu Diensten zu sein und dafür zu sorgen, dass er am nächsten Tag wieder fit zur Arbeit gehen kann. Sie beinhaltet, sich um die Kinder – die zukünftigen Arbeiter*innen – zu kümmern und sie von Geburt an zu unterstützen, sie durch die Schulzeit zu begleiten und sicherzustellen, dass sie mal die Leistung erbringen werden, die im Kapitalismus von ihnen erwartet wird. Das bedeutet, dass hinter jeder Fabrik, jeder Schule, jedem Büro und jedem Bergwerk die unsichtbare Arbeit von Millionen Frauen steckt, die ihr Leben und ihre Arbeit darauf verwendet haben, diese Arbeitskraft, die in den Fabriken, Schulen, Büros und Bergwerken arbeitet, zu produzieren.« (S. 59 in diesem Buch)

Sowohl die klassische politische Ökonomie, als auch die marxistische Theorie ignorieren diese versteckte Form der Arbeit, indem sie davon ausgehen, dass die Reproduktion der Arbeitskraft durch den Wert der Lebensmittel und benötigten Konsumgüter ausreichend dargestellt sei. Die Zeit, die zumeist Frauen dafür aufwenden, die Lebensmittel zu verarbeiten und die Arbeitsfähigkeit der Familienmitglieder wiederherzustellen, wird damit unsichtbar gemacht. Diesen blinden Fleck der politischen und marxistischen Ökonomie haben Silvia Federici und ihre Mitstreiter*innen durch die Forderung nach Lohn für Hausarbeit nicht nur sichtbar gemacht, sondern auch ins Zentrum einer politischen Bewegung und des politischen Subjekts ›Hausfrau‹ gesetzt. Auch wenn sich die Form der Reproduktionsarbeit in einem globalisierten und neoliberalen Kapitalismus verändert hat, sind es immer noch zumeist Frauen und oft Migrant*innen, die diese Arbeit unsichtbar, unbezahlt oder prekär beschäftigt verrichten.

Die theoretischen und politischen Grundlagen von Hausarbeit sind daher der Ausgangspunkt von Federicis Werk. Wie ist die Rolle von Hausarbeit im Kapitalismus zu verstehen und wie werden Hausfrauen* zum Ausgangspunkt von politischen Veränderungsprozessen? Bei diesen Fragen geht es Silvia Federici immer um die ganz materiellen Bedingungen des Lebens von Frauen*. Weibliche Emanzipation ist insofern erst dann erreicht, wenn alle Frauen* befreit sind – nicht nur von der Sklaverei des Spülbeckens, sondern auch von der Sklaverei einer ausbeuterischen Lohnarbeit, wie ihre Mitkämpferin Mariarosa Dalla Costa betonte (vgl. Dalla Costa und James 1973).

Globale Zusammenhänge und lokale Widerstände

Globale Zusammenhänge aus einer antikolonialen Perspektive zu betrachten, zieht sich wie ein roter Faden durch Silvia Federicis Arbeiten. Die internationale und vergeschlechtlichte Arbeitsteilung, wie bei Fabrikarbeiterinnen* in Freihandelszonen im globalen Süden oder bei undokumentierten Arbeitsmigrantinnen* im globalen Norden, nimmt Federici zum Ausgangspunkt, um die Feminisierung von Armut aufzudecken und eine radikale antikapitalistische Globalisierungskritik zu formulieren. Über die Verschränkung von Geschlechterungleichheit und Rassismus in einem globalisierten Kapitalismus hat Silvia Federici schon geschrieben, bevor Konzepte wie Intersektionalität en vogue wurden. So beschreibt sie etwa die massiven Auswirkungen der neuen internationalen Arbeitsteilung auf die Bedingungen sozialer Reproduktion, die zu neuen Ungleichheiten von Frauen* zwischen dem globalen Norden und Süden geführt haben. Der Aufstieg von Frauen* aus der Mittelschicht und ihre zunehmende Erwerbsbeteiligung erfolgten dabei zumeist auf dem Rücken von Migrant*innen aus der Peripherie. Eine neue Form der Ungleichheit, die Federici ins Zentrum ihrer Analyse setzt, womit sie den liberalen Fortschrittsgedanken der Frauenbewegung radikal infrage stellt. Sie zeigt darüber hinaus auf, wie Frauenbewegungen von staatlicher Seite vereinnahmt wurden, beispielsweise durch die Weltfrauenkonferenzen der Vereinten Nationen. Dabei ging die globale Anerkennung von Frauenrechten mit einer gleichzeitigen Verschärfung von sozialer und Geschlechterungleichheit einher. Gleichzeitig zu den pessimistischen Einschätzungen der Auswirkungen von neoliberalen Umstrukturierungen im Zuge globaler Austeritäts- und Privatisierungsmaßnahmen, sind die Perspektiven kollektiver und feministischer Kämpfe ein fester Bestandteil ihres Denkens:

»Uns muss es darum gehen, den kollektiven Kampf um die Reproduktion wieder aufzunehmen, die Kontrolle über die materiellen Bedingungen unserer Reproduktion zurückzuerobern und neue Formen der Kooperation rund um diese Arbeit zu schaffen, die außerhalb der Logik des Kapitals und des Marktes liegen.« (S. 193 f. in diesem Buch)

Ein weiteres zentrales Themenfeld im Werk von Federici sind Gemeingüter, Commons, und wie diese von einer globalisierten Ökonomie in Land genommen werden. Erklärt werden diese Landnahmen, die auch in einem ganz wörtlichen Sinn zu verstehen sind, mit dem Konzept der ursprünglichen Akkumulation von Karl Marx. Anders als Marx, der diese Prozesse des Landraubes als ursprünglich und konstitutiv für die Entstehung von Eigentumsverhältnissen und die Freisetzung von Arbeitskräften denkt, versteht Federici die ursprüngliche Akkumulation als permanenten Prozess. Durch die Vereinnahmung und Zerstörung von Gemeingütern und der Umwelt wird der Kapitalismus insbesondere in Krisenzeiten am Laufen gehalten. Daher ist der Kampf gegen Landraub und für die Rekommunalisierung der Gesellschaft ein zentraler Ansatzpunkt aktueller Kämpfe und Bewegungen.

Theoretische Verortungen

Silvia Federici geht es als materialistischer Denkerin immer auch um die emanzipatorische Überwindung der Verhältnisse und nicht nur darum, gesellschaftliche Widersprüche und strukturelle Ungleichheit aufzudecken und zuzuspitzen. Obwohl sie selbst gegen einen orthodoxen Marxismus anschreibt, der unsichtbare Arbeit von Frauen und im globalen Süden vernachlässigt, ist das marxistische und materialistische Denken tief in ihren Überlegungen und ihren Schriften verankert. Dabei zeigt sie aber auch, wo die Grenzen des Marxismus für den Feminismus liegen und warum es gilt, einen ökonomischen Determinismus zu vermeiden. Ein sozialistischer oder marxistischer Feminismus geht davon aus, dass Geschlechterungleichheit ein Nebenprodukt des Kapitalismus ist, durch dessen Abschaffung sich auch die Unterdrückung von Frauen* erledigt habe. Für Silvia Federici ist es genau umgekehrt: Die kapitalistische Produktion ist auf Geschlechterungleichheit und heteronormative Familienvorstellungen angewiesen, um sich selbst aufrechtzuerhalten. Zu verstehen, wie Geschlechterverhältnisse, vergeschlechtlichte Arbeitsteilung und der globale Kapitalismus zusammenhängen, war und ist für viele nachfolgende Feministinnen eine Art Erleuchtungsmoment.

Im Gegensatz zu vielen anderen marxistischen Feministinnen ist Silvia Federici durchaus anschlussfähig für poststrukturalistisches und queer-theoretisches Denken. Einerseits spricht sie sich gegen postmoderne ›Dekonstruktionen‹ aus und kritisiert damit die Vernachlässigungen materieller Lebensbedingungen in der postmodernen Theorie. Andererseits versteht sie Geschlecht und Sexualität als Ausdruck ökonomischer und sozialer Verhältnisse. Denn ihre Kritik richtet sich gegen die patriarchale und heteronormative Kernfamilie und deren Funktion für Staat und Kapitalismus. Zweigeschlechtlichkeit, und die damit einhergehende Abwertung von Frauen*, wird ihr zufolge durch die radikale Trennung von Produktion und Reproduktion im Kapitalismus zementiert. Die gesellschaftliche Arbeitsteilung ist daher der wichtigste Grund für Geschlechterungleichheit, was gleichzeitig die Kategorie Geschlecht als soziales Konstrukt mit ökonomischer und staatlicher Funktion entlarvt. In dem Aufsatz »Warum Sexualität Arbeit ist« zeigen sich bereits 1975 Ansatzpunkte der später von Judith Butler beeinflussten Queer Theorie und ihrem Konzept der Heterosexualität als Zwangsordnung: »Indem unsere Sexualität der Reproduktion der Arbeitskraft unterworfen wurde, wurde uns die Heterosexualität als das einzig akzeptable Sexualverhalten aufgezwungen.« (S. 50 in diesem Buch)

Die Verbindung eines historischen Materialismus in marxistischer Tradition und mit dem poststrukturalistischen Denken ist Teil eines materialistischen Feminismus, zu dem auch Silvia Federici gezählt werden kann (Beier, Haller und Haneberg 2018).

Perspektiven für aktuelle feministische Kämpfe

Silvia Federici ist deshalb so inspirierend, weil sie der Trennung von Theorie und Praxis, des Privaten und des Öffentlichen nicht nur widerstanden hat, sondern auch über Jahrzehnte demonstriert hat, wie beides zusammenhängt. Das scheinbar Private, die unbezahlte Haus- und Sorgearbeit, ist für sie der Ausgangspunkt weitreichender Analysen und Kritiken an Kapitalismus, Staat und globaler Ungleichheit. Die Reproduktion von Menschen als grundlegend für jedes wirtschaftliche und politische System zu sehen, war nie nur eine theoretische Erkenntnis, sondern, wie sie selbst schreibt, Teil ihrer persönlichen Erfahrungen zu Hause. Inspiriert von dem Engagement und den Schriften Mariarosa Dalla Costas in Italien und Selma James in Großbritannien, gründete Silvia Federici Anfang der 1970er-Jahre mit anderen Feministinnen die ersten ›Lohn für Hausarbeit‹ (wages for housework)-Gruppen in den USA. Mitte der 70er-Jahre organisierten dann auch in Deutschland Aktivistinnen und Wissenschaftlerinnen wie Giesela Bock, Barbara Duden, Claudia von Werlhof und Maria Mies ähnliche Gruppen (Toupin 2018: 185). Die ›Lohn für Hausarbeit‹-Bewegung war durch ihre Transnationalität und Diversität ein Novum im Kontext der Zweiten Frauenbewegung. Zum einen basierte sie auf einem transnationalen Netzwerk, das neben Italien und Großbritannien auch Deutschland, die Schweiz und das englischsprachige Kanada einschloss. Zum anderen ermöglichte dieses Netzwerk die Partizipation von ganz unterschiedlichen Frauen*, einschließlich lesbischer, nicht-weißer, arbeitsloser Frauen* oder Arbeiterinnen und Sex-Arbeiterinnen (Toupin 2018: 2). Durch öffentlichkeitswirksame Streiks und die Niederlegung von Hausarbeit, Demonstrationen und die Besetzung von öffentlichen Plätzen wurden die Forderungen weit über das Netzwerk hinaus bekannt.

50 Jahre nach der ›Lohn für Hausarbeit‹-Bewegung sind deren Forderungen neoliberal vereinnahmt worden und inzwischen liegen neue Ungleichheiten zwischen Frauen entlang von Klasse, race und Herkunft, aber auch neue Widerstandspraxen vor. Die Organisierung der migrantischen Hausarbeiter*innen hat das Thema Care und soziale Reproduktion wieder auf das Tableau gebracht und trägt zu neuen Perspektiven eines globalen Feminismus bei. Federici sieht diese Perspektive in der Verknüpfung der Kämpfe von unbezahlter und bezahlter Hausarbeit, die eine Brücke schlagen von den 1970er-Jahren bis heute. Nach wie vor geht es ihr nicht nur um die Anerkennung von sozialer Reproduktion, sondern um die Rekommunalisierung von Care-Arbeit jenseits von Staat und Kapital. Potenzial dafür zeigt sich in den Streiks von Erzieher*innen, von Gesundheits- und Pflegearbeiter*innen oder im transnationalen Frauen*streik. Federicis Beiträge betten diese Kämpfe theoretisch ein, zeigen, was es noch zu tun gibt und welche Wege es sich einzuschlagen lohnt.

Die Erfahrungen der ›Lohn für Hausarbeit‹-Bewegung und Federicis Beiträge sind daher besonders für heutige feministische Kämpfe und Bewegungen relevant. Die Überlegungen und Praxen von damals tauchten auch beim internationalen Frauen*streik 2019/20 sowie bei Aktionen des Care-Revolution-Netzwerkes in Deutschland wieder auf. Diese Bewegungen zeigen damals wie heute, wie sehr Geschlechterverhältnisse mit Fragen von Klasse und Rassismus verwoben sind, und verweigern sich dem oft postulierten Widerspruch von Anerkennung und Umverteilung oder vielmehr zwischen Identitäts- und Klassenpolitik. Denn auch wenn die Erfahrungen von Frauen*, die global und lokal den größten Teil der unbezahlten Haus- und Sorgearbeit übernehmen (in Deutschland ist es mehr als das Doppelte) einen Ausgangspunkt für politische Organisierung bilden, ist es die Abwertung dieser Arbeit durch den Kapitalismus, die im Zentrum der theoretischen und politischen Kritik steht. Wie Federici gezeigt hat, basiert kapitalistische Ausbeutung auf vergeschlechtlichten, rassifizierten und heteronormativierten Identitäten. Eine neue Klassenpolitik, welche die politischen Subjekte außer Acht lässt, riskiert nicht nur einen zentralen Aspekt der kapitalistischen Funktionsweise zu negieren, sondern den Klassenbegriff ad absurdum zu führen: losgelöst von genau den Menschen, die vom globalen Kapitalismus am meisten betroffen sind.

Es ist kein Zufall, dass Silvia Federici in Deutschland heute wieder so viel rezipiert wird. Durch die Finanz- und Staatsschuldenkrisen, die globalen Auswirkungen eines neoliberalen Kapitalismus, die Krise der sozialen Reproduktion und die Privatisierung und Kommodifizierung (das Zur-Ware-Werden) von Wohnraum und Gemeingütern sind ihre Themen immer noch, immer wieder und besonders heute aktuell. In der Hochzeit des Ausbruchs des Coronavirus hat sich gezeigt, was Silvia Federici seit Jahrzehnten betont: in Krisenzeiten tragen Frauen* die Hauptlast, da sie in Sorge- und Gesundheitsberufen arbeiten. Gleichzeitig sind diese Berufe personell und finanziell besonders prekär sowie von Austeritätspolitik und Privatisierungswellen verstärkt betroffen. Für die meisten Frauen* kommt zudem noch eine zweite Schicht unbezahlter Haus- und Sorgearbeit dazu. Die Krise der sozialen Reproduktion wurde zwar nicht durch Corona verursacht, aber ihre Ursachen und Auswirkungen treten in dieser Gesundheitsnotlage umso deutlicher hervor. Bleibt zu hoffen, dass die gesellschaftliche Anerkennung und Betonung der ›Systemrelevanz‹ dieser Berufe widerständige und solidarische Praxen nach sich zieht, die über das symbolische Klatschen vom Balkon hinausgehen. Gründe zu hoffen finden sich in Federicis Werk viele. Auch wenn die zerstörende Kraft von Kapitalismus, Rassismus und Patriarchat im Zentrum ihrer Analysen stehen, finden sich gleichzeitig auch überall Ansatzpunkte zu deren Überwindung.

Friederike Beier

Berlin, 07.01.2021

Literatur

Beier, Friederike und Lisa Yashodhara Haller und Lea Haneberg. Plädoyer für einen materialistischen Feminismus. In: Dies. (Hg.). materializing feminism. Positionierungen zu Ökonomie, Staat und Identität. Münster: Unrast, 2018.

Dalla Costa, Mariarosa und Selma James. The Power of Women and the Subversion of the Community. Bristol: Falling Wall Press, 1973. (Dt.: Die Frauen und der Umsturz der Gesellschaft, Berlin 1973.)

Toupin, Louise. Wages for Housework: A History of an International Feminist Movement, 1972-77. London, Vancouver: Pluto Press und UBC Press. 2018.

Danksagungen

Politische Ideen entstehen in Bewegungen, deren langer Weg in ein Buch jedoch die Arbeit vieler Menschen erfordert. Unter denen, die dieses Buch ermöglichten, gibt es zwei Menschen, denen ich besonders für ihren Beitrag zu diesem Projekt, ihre Kreativität und den Großmut ihres politischen Engagements danken möchte: Malav Kanuga, die Herausgeberin der »Common Notions Series« des Verlags PM Press, die mich ermutigte, diese Texte zu veröffentlichen und mich dabei mit ihrer Begeisterung und ihrer großartigen Beratung unterstützte; und Josh MacPhee, dessen Gestaltung des Covers[1] nur ein weiteres Beispiel für die Kraft seiner Kunst und für sein Verständnis von Bildern als Keimzellen von Veränderung ist. Ich möchte auch Nawal El Saadawi, der Feministin, Schriftstellerin und Revolutionärin, danken, deren Buch Woman at Point Zero nicht nur den Titel dieses Buches inspirierte.

Das Buch handelt von der Transformation unseres Alltags und neuen Formen der Solidarität. In diesem Sinne widme ich dieses Buch Dara Greenwald, die durch ihre Kunst, ihr politisches Engagement und ihren Kampf gegen den Krebs eine Care-Gemeinschaft ins Leben rief, die diese ›heilende Insel‹ verkörperte, die Dara während ihrer Krankheit aufbaute.

Vorwort zur 2. Auflage von 2020

Wenn man ein Buch neu auflegt, geht man schlussendlich davon aus, dass sein Inhalt, trotz der Zeit, die vergangen ist, noch immer etwas zur aktuellen Situation beitragen kann. Sicherlich änderte sich in der Art und Weise der Organisation der reproduktiven Arbeit wie auch in der feministischen Politik in den letzten acht Jahren, seit dem ersten Erscheinen des Buches, so einiges. Insbesondere in der marxistischen feministischen Theorie entwickelte sich die ›soziale Reproduktion‹[2] zu einem zentralen Thema. Es wurde aber auch die Forderung nach einem ent-gendering feministischer Politik laut, was auf der institutionellen Ebene davon begleitet wurde, dass die Identifikation nach dem Geschlecht zu einer Sache der persönlichen Entscheidung und Erklärung wird. Am bedeutsamsten ist aber der weltweite Aufschwung neuer feministischer Bewegungen – eines neuen feministischen Aufstands – gegen die Gewalt an Frauen, wobei sich diese Bewegung direkter gegen den Staat richtet, was durch den Slogan, der erst kürzlich im Netz verbreitet wurde, deutlich wird: »El violador eres tú« – »Der Vergewaltiger bist Du!«.

Die Herausforderung in diesem Vorwort besteht also darin, dass ich herausarbeiten muss, warum die Analysen und Themen dieses Buches trotz dieser Veränderungen für die feministische Politik noch immer von Bedeutung sind. Methodisch betrachtet liegt die Bedeutung des Buches in der Vorrangstellung, den es der reproduktiven Arbeit in ihrem Doppelcharakter, als Reproduktion des Lebens und als Reproduktion der Arbeitskraft, dem Hauptfeld feministischer Organisierung, einräumt. Von der ›Vorrangstellung der reproduktiven Arbeit‹ zu sprechen, bedeutet nicht, zu ignorieren, dass im Kapitalismus jedwede Arbeitstätigkeit durch die Akkumulation kapitalistischen Reichtums geprägt und darauf ausgerichtet ist und dass sich reproduktive Tätigkeiten aufgrund der sich verändernden Anforderungen des Arbeitsmarktes und der Warenproduktion andauernd verändern. Es muss aber betont werden, dass die Produktion von Arbeiter*innen und ungleichen Machtverhältnissen, die darauf abzielen, die Arbeitskraft zu spalten, weiterhin, wie in den Anfangstagen des Kapitalismus, wichtiger als jede technologische Neuerung ist und das wichtigste Unterfangen für den Kapitalismus darstellt.

Neuere Theorien über die soziale Reproduktion betonen, dass dieser Prozess immer weniger auf das eigene Zuhause beschränkt ist und zunehmend in den öffentlichen Raum verlagert und kommerzialisiert wird. Dennoch waren die wichtigsten Veränderungen im Bereich der reproduktiven Arbeit eine Folge der Austeritätspolitik, die den ehemals kolonisierten Ländern im Namen der ›Schuldenkrise‹ aufgezwungen wurde und dazu führte, dass ganze Bevölkerungen enteignet wurden, was einem neuerlichen Prozess der Kolonisierung gleichkommt. Von hier aus, von der neuen internationalen Arbeitsteilung und den Kriegen, die durch die Entwicklungspolitik angezettelt wurden, den Themen, die im zweiten Teil des Buches behandelt werden, beginnen wir, die bedeutendsten Phänomene unserer Zeit zu verstehen, von den massiven Migrationsbewegungen der letzten Jahrzehnte, über die Zerstörung von Wäldern und die Verwüstung des Planeten, bis hin zum Krieg selbst, als Mittel der wirtschaftlichen Entwicklung und gesellschaftlichen Disziplinierung.

Nicht zuletzt dokumentiert dieser Band den Aufschwung popularer feministischer Bewegungen, die den von den Vereinten Nationen geprägten Feminismus ablehnen, der mittlerweile sogar von Regierungen und Institutionen wie der Weltbank gefördert wird und der den Bestrebungen von Frauen nach Autonomie und anderen gemeinschaftlichen Beziehungen unerbittlich gegenüberstand. Diese Bewegungen gegen die Privatisierung von Grund und Boden, für die Wiederaneignung städtischen Raums und für neue Commons[3] in der Stadt und auf dem Land, sowohl Commons für Grund und Boden als auch Wissenscommons, sind heute die treibenden Kräfte eines um sich greifenden Aufstands gegen die Entwertung unseres Lebens durch das Kapital.

Vor diesem Hintergrund enthält die Neuausgabe des Buches drei zusätzliche Texte, um die Debatten der ursprünglichen Ausgabe noch zu erweitern. »Auf dem Weg nach Peking« geht dem Zusammenhang zwischen der Einmischung der Vereinten Nationen in feministische Politik und ihrer Rolle im Prozess der Dekolonisierung nach. »Über affektive Arbeit« überprüft diesen Begriff, wie er von Michael Hardt und Toni Negri in ihren Büchern Multitude und Commonwealth definiert wird, und konzentriert sich dabei insbesondere auf die Unterschiede gegenüber der Auseinandersetzung mit emotionaler Arbeit in feministischen Debatten. »Wir haben andere Länder gesehen und haben eine andere Kultur« erweitert die Analyse feministischer Kämpfe und zeigt, wie die zunehmende Organisierung migrantischer Hausangestellter Themen wieder auf die Tagesordnung bringt, die von vielen Feministinnen lange übergangen oder ignoriert worden waren. In diesem Text fasse ich die Möglichkeit ins Auge, dass ausgehend vom Kampf der migrantischen Hausangestellten eine neue feministische Mobilisierung entstehen könnte, die bezahlte wie unbezahlte Reproduktionsarbeiterinnen zusammenbringt, um diese Arbeit gemeinsam neu zu bewerten, nicht nur in Worten, sondern durch die Schaffung neuer gesellschaftlicher Verhältnisse und die Wiederaneignung des Reichtums, den diese Arbeit geschaffen hat.

Vorwort zur Auflage von 2012

Nach der materialistischen Auffassung ist das in letzter Instanz bestimmende Moment in der Geschichte: die Produktion und Reproduktion des unmittelbaren Lebens.

Friedrich Engels

Vor der Herausforderung, […] zu Hause eine Gemeinschaft des Widerstands zu schaffen, standen Schwarze Frauen überall auf der Welt, insbesondere Schwarze Frauen, die in weißen, rassistischen Gesellschaften leben.

bell hooks

Dieses Buch beinhaltet mehr als dreißig Jahre der Reflexion und Forschung über den Charakter von Hausarbeit, der sozialen Reproduktion und der von Frauen in diesem Bereich geführten Kämpfen, um dieser Arbeit zu entfliehen, bessere Bedingungen zu erreichen und sie so zu gestalten, dass sie eine Alternative zu den kapitalistischen Verhältnissen bietet. Das Buch vermischt Politik, Geschichte und feministische Theorie. Aber es spiegelt auch die Entwicklung meines politischen Aktivismus in der feministischen Bewegung und der Antiglobalisierungsbewegung wider, und wie sich allmählich mein Verständnis von der ›Verweigerung‹ zur ›Aufwertung‹ der Hausarbeit verschob, was ich mittlerweile als Ausdruck einer kollektiven Erfahrung begreife.

Es besteht kein Zweifel, dass unter den Frauen meiner Generation nach dem Zweiten Weltkrieg die Weigerung, Hausarbeit als natürliches Schicksal zu begreifen, weitverbreitet war. Das galt besonders für Italien, wo ich geboren wurde und aufgewachsen bin. Das Land war in den 1950er-Jahren nach wie vor von einer patriarchalen Kultur geprägt, die während des Faschismus nur noch gestärkt wurde, und erlebte dennoch bereits eine ›Geschlechterkrise‹, die teils vom Krieg verursacht war und teils durch die Anforderungen der Reindustrialisierung nach dem Krieg bedingt wurde.

Die Unabhängigkeit, die unsere Mütter während des Krieges erfuhren und uns mit auf den Weg gaben, ließ die Aussicht auf ein Leben mit Hausarbeit, Familie und Fortpflanzung für die meisten von uns als undenkbar und für einige von uns als unerträglich erscheinen. Als ich in »Lohn gegen Hausarbeit« (1975) schrieb, dass das Leben als Hausfrau ein »Schicksal, das schlimmer ist als der Tod« sei, brachte ich damit meine eigene Haltung dieser Arbeit gegenüber zum Ausdruck. Und tatsächlich habe ich alles unternommen, um diesem Schicksal zu entkommen.

Rückblickend entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass ich mich in den vierzig darauffolgenden Jahren meines Lebens mit der Frage der reproduktiven Arbeit befassen sollte, zumindest theoretisch und politisch, aber eben nicht praktisch. In meinem Bemühen zu zeigen, warum wir als Frauen gegen diese Arbeit kämpfen sollten, zumindest gegen die Art und Weise, wie sie sich im Kapitalismus darstellt, lernte ich nicht nur zu verstehen, welche Bedeutung diese Arbeit für die Klasse der Kapitalisten spielt, sondern auch, wie wichtig sie für unseren Kampf und unsere Reproduktion ist.

Durch mein Engagement in der Frauenbewegung wurde mir klar, dass die Reproduktion von Menschen die Grundlage jedes wirtschaftlichen und politischen Systems ist und dass die immense Menge an bezahlter und unbezahlter Hausarbeit, die Frauen zu Hause leisten, die Welt am Laufen hält. Diese theoretische Erkenntnis entstand jedoch auf Grundlage der praktischen und emotionalen Erfahrungen, die ich in meiner Familie gemacht hatte, in der ich einer Welt von Tätigkeiten ausgeliefert war, die ich lange Zeit für selbstverständlich hielt und die ich als Kind und Jugendliche zugleich mit einer großen Faszination beobachtete. Bis heute sind einige der Erinnerungen aus meiner Kindheit, die mir lieb und teuer sind, die Bilder, wie meine Mutter Brot, Nudeln, Tomatensauce, Kuchen und Liköre herstellt und dann strickt, näht, flickt, stickt und sich um ihre Pflanzen kümmert. Manchmal ging ich ihr dabei zur Hand, meist jedoch mit einem gewissen Widerwillen. Als Kind sah ich ihre Arbeit, später, als Feministin, lernte ich, ihre Kämpfe zu sehen, und mir wurde klar, wie viel Liebe in dieser Arbeit steckte und wie viel es meine Mutter kostete, dass diese Arbeit meist als selbstverständlich betrachtet wurde und sie nie über eigenes Geld verfügen konnte und für jeden Cent, den sie ausgab, von meinem Vater abhängig war.

Aufgrund meiner Erfahrungen in meinem Elternhaus – durch meine Beziehungen zu meinen Eltern – entdeckte ich auch das, was ich heute als ›Doppelcharakter‹ der reproduktiven Arbeit bezeichne, der Arbeit, die uns reproduziert und uns nicht nur im Hinblick auf unsere Integration in den Arbeitsmarkt, sondern auch gegen ihn ›bewertet‹. Ich kann meine Erfahrungen und Erinnerungen sicherlich nicht mit denen von bell hooks (1990) vergleichen, die ihr Zuhause als »Ort des Widerstands« beschreibt. Dennoch wurde stets vorausgesetzt, und manchmal klar und offen ausgesprochen, dass unser Leben nicht an den Anforderungen und Werten des kapitalistischen Arbeitsmarktes zu messen ist, und dieses Prinzip sollte die Reproduktion unseres Lebens bestimmen. Bis heute geben mir die Bemühungen meiner Mutter, die uns ein Gefühl für unseren eigenen Wert zu vermitteln versuchte, die Kraft, mit schwierigen Situationen zu Rande zu kommen. Wenn ich mich nicht selbst schützen kann, rettet mich oft meine Verpflichtung, ihre Arbeit und mich selbst, als das Kind, dem sie galt, zu bewahren. Reproduktive Arbeit ist zweifellos nicht die einzige Form der Arbeit, bei der sich die Frage stellt, was wir für das Kapital geben und »was uns selbst zugutekommt« (bell hooks 1990). Aber es ist ganz sicher die Arbeit, in der die Widersprüche, die der ›entfremdeten Arbeit‹ inhärent sind, am explosivsten zutage treten, und das ist der Grund, warum es sich dabei um den Ground Zero der revolutionären Praxis handelt, auch wenn es durchaus noch andere gibt.[4] Denn es gibt nichts anderes, dass auf unser Leben so bedrückend wirkt, wie die Verwandlung der Tätigkeiten und Beziehungen, die unsere Bedürfnisse befriedigen, in Arbeit. Umgekehrt können wir durch diese alltäglichen Tätigkeiten unser Dasein hervorbringen und unsere Fähigkeit zur Kooperation entwickeln und nicht nur dieser Entmenschlichung widerstehen, sondern auch lernen, die Welt als einen Raum des Nährens, der Kreativität und der Fürsorge neu zu erschaffen.

Silvia Federici

Brooklyn, Juni 2011

Einführung

In der Vergangenheit habe ich stets gezögert, einen Band zu veröffentlichen, der sich ausschließlich mit Fragen der ›Reproduktion‹ beschäftigt, weil mir diese Herausstellung angesichts der vielen Themen und Kämpfe, denen ich mich über viele Jahre hinweg verschrieben habe, künstlich erschien. Und dennoch ist die Auswahl der Texte in diesem Band durchaus begründet: Die Frage der Reproduktion, verstanden als Komplex von Tätigkeiten und Beziehungen, die unser Leben und unsere Arbeit täglich aufs Neue erschaffen, ist der rote Faden, der sich durch all meine Schriften und meinen politischen Aktivismus zieht.

Die Auseinandersetzung mit ›reproduktiver Arbeit‹ – zunächst einmal als Hausarbeit verstanden – war für viele Frauen meiner Generation, die nach dem Zweiten Weltkrieg aufwuchsen, entscheidend. Nach zwei Weltkriegen, die innerhalb von drei Jahrzehnten mehr als siebzig Millionen Menschen das Leben gekostet hatten, hatten die Verlockungen des häuslichen Lebens und die Aussicht, unser Leben der Produktion von noch mehr Arbeiter*innen und Soldat*innen für den Staat zu opfern, auf unsere Vorstellungen keinen Einfluss. Unser Verhältnis zur Reproduktion, besonders in Europa, war nach dem Krieg mehr noch als von der Erfahrung der Selbstständigkeit, die viele Frauen erlebt hatten und die in den USA mit dem Bild von Rosie the Riveter symbolisch ihren Ausdruck fand, geprägt von der Erinnerung an das Blutbad, in das wir hineingeboren worden waren. Dieses Kapitel der Geschichte der internationalen feministischen Bewegung muss erst noch geschrieben werden.[5] Wenn ich mich daran erinnere, wie wir als Schulkinder in Italien die Konzentrationslager besuchten, oder ich mich der Geschichten entsinne, die am Mittagstisch erzählt wurden und davon handelten, wie oft wir wegen eines Bombenangriffs nur knapp dem Tode entronnen sind, unter einem Himmel, der in Flammen stand, durch die Nacht hetzten, auf der Suche nach einer einigermaßen sicheren Zuflucht, dann frage ich mich, wie sehr diese Erfahrungen dazu beitrugen, dass ich und andere Frauen entschieden, keine Kinder zu haben und nicht Hausfrau werden zu wollen.

Diese Anti-Kriegs-Haltung ist vielleicht der Grund, warum wir im Gegensatz zu früheren feministischen Kritikerinnen von Heim, Familie und Hausarbeit einfach keine Reformerinnen sein konnten. Wenn ich mir die feministische Literatur der frühen 1970er-Jahre ansehe, bin ich sprachlos angesichts dessen, dass darin jene Themen keine nennenswerte Rolle mehr spielten, die die Feministinnen in den 1920er-Jahren beschäftigt hatten, als es darum ging, das Zuhause im Hinblick auf häusliche Pflichten, Technologien und die Organisation des Raums in der feministischen Theorie und Praxis neu zu gestalten (vgl. Hayden 1985). Dass Feminismus zum ersten Mal bedeutete, sich nicht mit der Reproduktion zu identifizierten, nicht nur, wenn sie für andere geleistet wird, sondern auch für die eigene Familie und Verwandtschaft, kann wohl darauf zurückgeführt werden, dass der Krieg für Frauen einen Wendepunkt bedeutete, nicht zuletzt deswegen, weil die Bedrohung nie zu Ende ging, sondern mit der Entwicklung von Nuklearwaffen nur noch weiter eskalierte.

Während die Hausarbeit für den Feminismus zwar wichtig war, hatte sie für die Organisation, der ich 1972 beitrat und in der ich für fünf Jahre aktiv mitarbeiten sollte, eine besondere Bedeutung: ›Lohn für Hausarbeit‹. Diese internationale Kampagne war ziemlich einzigartig, weil sie politische Strömungen aus verschiedenen Teilen der Welt und unterschiedlichen Bereichen des Weltproletariats vereinte, die alle in einer Geschichte von Kämpfen verwurzelt waren und nach einer gemeinsamen Grundlage suchten, die unser Feminismus bot und veränderte. Während sich die meisten Feministinnen auf eine liberale, anarchistische oder sozialistische Politik bezogen, hatten die Frauen, die ›Lohn für Hausarbeit‹ schufen, eine Geschichte der Militanz durchlaufen, in Organisationen, die sich als marxistisch begriffen und durch die Erfahrungen der antikolonialen Bewegungen, der Bürgerrechtsbewegung, der Studierendenbewegung und der ›operaistischen‹ Bewegung geprägt waren. Letztere entstand in Italien Anfang der 1960er-Jahre, als die Kämpfe in den Fabriken zunahmen, führte zu einer radikalen Kritik am ›Kommunismus‹ und einer erneuten Lektüre der Texte von Marx und beeinflusste eine ganze Generation von Aktivist*innen. Ihre analytische Kraft ist noch immer nicht erschöpft, wie das weltweite Interesse an der autonomen Bewegung Italiens zeigt.[6]

Durch, aber auch gegen die in diesen Bewegungen formulierten Kategorien wurde aus unserer Analyse der ›Frauenfrage‹ eine Analyse der Hausarbeit, die wir als entscheidend ansahen für die Bestimmung der Ausbeutung von Frauen im Kapitalismus, womit wir bei dem Thema sind, das sich wie ein roter Faden durch die Texte in diesem Band zieht. Die antikoloniale Bewegung, am besten ausgedrückt in den Werken von Samir Amin, Andre Gunder Frank und Frantz Fanon, lehrte uns, dass wir die marxistische Analyse der unbezahlten Arbeit über die Fabrik hinaus ausdehnen und das Heim und die Hausarbeit als die Grundlagen des Fabriksystems begreifen müssen und nicht als sein ›Anderes‹. Hier lernten wir auch, dass wir die Protagonist*innen des Klassenkampfs nicht nur im männlichen Industrieproletariat suchen sollten, sondern vor allem unter den Versklavten, Kolonisierten, in der Welt der unbezahlten Arbeiter*innen, die von der kommunistischen Tradition außen vor gelassen worden waren, zu denen wir nun die Figur der proletarischen Hausfrau hinzufügen können, die wir nun als Subjekt der (Re-)Produktion der Arbeitskraft begrifflich neu denken können.

Der soziale und politische Kontext, in dem sich die feministische Bewegung entwickelte, erleichterte diese Einordnung. Spätestens seit dem 19. Jahrhundert ist es eine Konstante der amerikanischen Geschichte, dass der Aufschwung des feministischen Aktivismus stets in den Fußstapfen der Kämpfe von Afroamerikaner*innen erfolgte. Die feministische Bewegung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bildete hier keine Ausnahme. Ich bin schon lange der Meinung, dass die Welfare Moms[7], die, angeführt von afroamerikanischen, von der Bürgerrechtsbewegung geprägten Frauen, in den Sechzigerjahren auf die Straße gingen, um vom Staat zu verlangen, dass er ihnen einen Lohn dafür bezahlen sollte, dass sie ihre Kinder großziehen, die Basis schaffen, auf der Organisationen wie ›Lohn für Hausarbeit‹ wachsen könnten.

Die operaistische Bewegung, die den Kämpfen der Arbeiter*innen um Autonomie im Verhältnis Kapital – Arbeit eine zentrale Rolle zugestand, lehrte uns die politische Bedeutung des Lohns, als Mittel, um die Gesellschaft zu organisieren, und zugleich als Hebel, um die Hierarchien innerhalb der Arbeiter*innenklasse zu untergraben. In Italien verwirklichte sich diese politische Lektion in den Fabrikkämpfen des ›heißen Herbstes‹ im Jahr 1969, als die Arbeiter*innen Lohnerhöhungen, die in keinem Verhältnis zur Produktivität standen, und gleiche Löhne für alle forderten. Sie wollten also nicht in einzelnen Bereichen erfolgreich sein, sondern waren entschlossen, die Spaltungen entlang der Lohnhierarchie zu überwinden (vgl. MEW 40: 471 f.). Aus meiner Perspektive wurde diese Vorstellung vom Lohn – die auch die leninistische Trennung in einen politischen und ökonomischen Kampf ablehnt – ein Mittel, um die materiellen Grundlagen der geschlechtsspezifischen und internationalen Arbeitsteilung herauszuarbeiten und, in meinen späteren Arbeiten, das ›Geheimnis der ursprünglichen Akkumulation‹ freizulegen.

Darüber hinaus war für die Entwicklung unserer Perspektive das operaistische Konzept der ›gesellschaftlichen Fabrik‹ wichtig. Damit wurde die Theorie, die Mario Tronti in Operai e Capitale (1966) entwickelt hatte, umgesetzt, wonach die kapitalistischen Verhältnisse in einem bestimmten Stadium der Entwicklung so hegemonial werden, dass jedes gesellschaftliche Verhältnis dem Kapital untergeordnet wird und die Unterscheidung zwischen Gesellschaft und Fabrik in sich zusammenfällt, die Gesellschaft also zu einer Fabrik wird und die gesellschaftlichen Verhältnisse direkt zu Produktionsverhältnissen werden. Tronti bezog sich dabei auf die zunehmende Neugestaltung des ›Territoriums‹ als sozialer Raum, der im Hinblick auf die Bedürfnisse der Produktion in der Fabrik und der Kapitalakkumulation strukturiert wird. Aber für uns war sofort klar, dass der Kreislauf der kapitalistischen Produktion, und die von ihr produzierte ›gesellschaftliche Fabrik‹, seinen Anfang und vor allem sein Zentrum in der Küche, im Schlafzimmer, im Zuhause hat – insofern, als es sich dabei um die Zentren für die Produktion der Ware Arbeitskraft handelt – und von dort über die Schule, das Büro und das Labor in die Fabrik reicht. Insgesamt lässt sich sagen, dass wir die Lehren aus den genannten Bewegungen nicht passiv übernahmen, sondern sie auf den Kopf stellten, ihre Grenzen aufzeigten und mit ihren theoretischen Bausteinen eine neue Art von politischer Subjektivität und Strategie aufbauten.

Das Unterfangen, diese politische Perspektive zu bestimmen und sie gegen die Vorwürfe zu verteidigen, die sowohl von Linken als auch von Feministinnen erhoben wurden, verbindet die Texte im ersten Teil des Buches miteinander. Diese Texte wurden zwischen 1974 und 1980 verfasst, also in den Jahren, als ich mich aktiv an der Kampagne ›Lohn für Hausarbeit‹ beteiligte. Mir war es dabei wichtig, die grundlegenden Unterschiede zwischen Hausarbeit und anderen Formen der Arbeit herauszuarbeiten, den Prozess der Naturalisierung offenzulegen, den diese Arbeit erfahren hat, weil sie nicht entlohnt wird, den spezifischen kapitalistischen Charakter und die Funktionsweise des Lohns zu zeigen und zu verdeutlichen, dass die Frage der ›Produktivität‹ historisch betrachtet immer mit dem Kampf um gesellschaftliche Macht verbunden war. Aber vor allem wollte ich zeigen, dass die Attribute der Weiblichkeit in Wirklichkeit Arbeitsfunktionen sind, und ich wollte die ökonomistische Art und Weise widerlegen, in der die Forderung nach Lohn für Hausarbeit von vielen Kritiker*innen aufgefasst wurde, die nicht in der Lage waren, die Funktion des Geldes jenseits seiner unmittelbaren Funktion als Form der Entlohnung zu verstehen.

Die Kampagne ›Lohn für Hausarbeit‹ nahm im Sommer 1972 in Padua ihren Anfang, als Frauen aus Italien, England, Frankreich und den USA das ›International Feminist Collective‹ gründeten. Ihr Ziel bestand darin, eine internationale feministische Mobilisierung anzustoßen, die den Staat zwingen würde, Hausarbeit als Arbeit anzuerkennen, das heißt, als eine Tätigkeit, die entlohnt wird, weil sie zur Produktion der Arbeitskraft beiträgt und Kapital schafft, wodurch andere Formen der Produktion überhaupt erst möglich werden. Die Kampagne stand für eine revolutionäre Perspektive, nicht nur, weil sie die zentrale Ursache für die ›Unterdrückung von Frauen‹ in der kapitalistischen Gesellschaft benannte, sondern auch, weil sie vor Augen führte, wie der Kapitalismus seine Macht aufrechterhält und die Arbeiter*innenklasse spaltet: durch die Abwertung ganzer Bereiche menschlicher Tätigkeit, angefangen bei den Tätigkeiten, die der Reproduktion des menschlichen Lebens dienen, und die Fähigkeit, den Lohn dazu zu verwenden, die Arbeit einer großen Zahl von Arbeiter*innen anzuzapfen, die außerhalb des Lohnverhältnisses zu stehen scheinen – Sklav*innen, kolonisierte Menschen, Häftlinge, Hausfrauen und Student*innen. Anders gesagt war die Kampagne für uns revolutionär, weil wir erkannten, dass der Kapitalismus unbezahlter reproduktiver Arbeit bedarf, um die Kosten für die Arbeitskraft gering zu halten, und wir waren davon überzeugt, dass eine erfolgreiche Kampagne, die die Quelle dieser unbezahlten Arbeit trockenlegt, den Prozess der Kapitalakkumulation unterbrechen und das Kapital und den Staat in einem Bereich herausfordern würde, der den meisten Frauen bestens vertraut ist. Nicht zuletzt verstanden wir diese Kampagne als revolutionär, weil damit der Naturalisierung der Hausarbeit ein Ende gesetzt und der Mythos zerstört wurde, dass es sich dabei um ›Frauenarbeit‹ handle. Anstatt für mehr Arbeit zu kämpfen, forderten wir, dass Frauen endlich für die Arbeit bezahlt werden, die sie ohnehin schon leisten. Ich sollte an dieser Stelle betonen, dass wir Lohn für Hausarbeit, nicht für Hausfrauen forderten, in der Überzeugung, dass diese Forderung einen Beitrag leisten könnte, diese Arbeit zu ›ent-gendern‹. Wir forderten auch nicht, dass die Männer für den Lohn aufkommen sollten, sondern dass der Staat zahlen sollte, als Repräsentant des kollektiven Kapitals – der wahre ›Mann‹, der von dieser Arbeit profitiert.

Diese Themen und Probleme könnten heute, insbesondere für jüngere Frauen, überholt erscheinen, weil man sich mittlerweile, wenn man jung ist, einem großen Teil dieser Arbeit entziehen kann. Darüber hinaus sind junge Frauen, zumindest im Vergleich mit meiner Generation, heute wirtschaftlich unabhängiger und autonomer gegenüber Männern. Die Hausarbeit ist jedoch nicht verschwunden und ihre Abwertung ist für die meisten von uns nach wie vor ein Problem, unabhängig davon, ob sie unbezahlt bleibt oder ob es dafür einen Lohn gibt. Zudem kann die Vorstellung, die unter Feministinnen in den 1970er-Jahren verbreitet wurde, dass die bezahlte Arbeit der Weg zur ›Befreiung‹ wäre, nach vier Jahrzehnten der außerhäuslichen Vollbeschäftigung nicht mehr aufrechterhalten werden. Aus diesem Grund werden heute viele Aspekte der Kampagne leichter akzeptiert, solange sie auf einem theoretischen Niveau verbleiben. Zentral dafür waren die Arbeiten feministischer Aktivistinnen und Wissenschaftlerinnen wie Ariel Salleh und Maria Mies, weil sie die Analyse der reproduktiven Arbeit aus einer öko-feministischen und kolonialen Perspektive auf ein neues Niveau hoben (vgl. Salleh 1997 und Mies 1986). So sehen wir, dass sogar die alten Argumente der Kampagne heute von akademischen Feministinnen ganz nüchtern diskutiert werden, so als ob sie sie gerade selbst erfunden hätten. In den 1970er-Jahren jedoch sorgten nur wenige politische Positionen für einen derart heftigen Widerspruch.

Ende der 1970er-Jahre flauten die Kämpfe ab, die zwei Jahrzehnte gedauert und die Grundlagen des kapitalistischen Akkumulationsprozesses erschüttert hatten, und wurden durch eine bis heute andauernde globale Krise in die Defensive gedrängt. Beginnend mit dem Ölembargo des Jahres 1974 setzte, verborgen hinter Schlagworten wie ›Washington-Konsens‹, Neoliberalismus und ›Globalisierung‹, eine lange Phase an Experimenten der ›Zersetzung‹ der Arbeiter*innenklasse ein. Vom ›Nullwachstum‹ in den Jahren 1974 und 1975 über die Schuldenkrise, die Verlagerung von Industrien und die Durchsetzung von Strukturanpassungsprogrammen in den früheren Kolonien wurde eine neue Welt geschaffen, die das globale Kräfteverhältnis zwischen Arbeiter*innen und Kapital radikal veränderte.

Einige der Auswirkungen dieser Veränderung auf die Reproduktion der Arbeitskraft habe ich in den Beiträgen im zweiten Teil dieses Bandes behandelt sowie in den Texten, die ich zu den Midnight Notes, insbesondere zu der Ausgabe mit dem Titel »The New Enclosures« (die neuen Einhegungen), beigesteuert habe. Ich möchte an dieser Stelle ergänzen, dass ich dank der Analyse, die wir zuerst im Rahmen der Kampagne ›Lohn für Hausarbeit‹ und später im Rahmen der Midnight Notes entwickelten, feststellen konnte, dass es sich bei den Entwicklungen nicht um einen Umbau der Industrie handelte, sondern um eine Neugestaltung der Klassenbeziehungen, beginnend bei dem Prozess der sozialen Reproduktion (vgl. Midnight Notes 1990). Meine Sicht auf die neue Weltordnung wurde durch zwei Entwicklungen begünstigt, die meine theoretische und politische Praxis nachhaltig beeinflussten. Zunächst entschied ich mich in den späten 1970er-Jahren, mich mit der Geschichte der Frauen am Übergang zum Kapitalismus zu befassen. Die Ergebnisse dieser Untersuchung wurden in Il Grande Calibano (1984), das ich zusammen mit Leopoldina Fortunati verfasste, und später in meinem Buch Caliban and the Witch (2004, Caliban und die Hexe, 2012) veröffentlicht.

Außerdem hatte ich durch meine Lehrtätigkeit an der Universität von Port Harcourt (Nigeria) Mitte der 1980er-Jahre die Gelegenheit, die verheerenden sozialen Folgen der Austeritätsprogramme zu beobachten, die den ›Schuldnernationen‹ durch die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds als Bedingung für die Gewährung von Krediten aufgezwungen wurden.

Die historische Auseinandersetzung vertiefte nicht nur mein Verständnis über ›Frauen im Kapitalismus‹, sondern des Kapitalismus selbst. Es wurde mir möglich, einen Zusammenhang zwischen der sogenannten ›Strukturanpassung‹, dem Kernstück der entstehenden neuen Weltwirtschaft, und den Prozessen, die ich in Caliban and the Witch als das »wahre Geheimnis« der »ursprünglichen Akkumulation« bezeichnete, dem Krieg, den der Kapitalismus in den drei Jahrhunderten der Hexenverfolgungen gegen Frauen führte, herzustellen. Die Phase des Aufstiegs des Kapitalismus anzusehen, erweiterte auch meinen Begriff von Reproduktion, von der Hausarbeit hin zur Subsistenzlandwirtschaft, es »öffnete sich die Tür«, wie Mariarosa Dalla Costa das kürzlich ausgedrückt hat, von der Küche zum Garten und zum Land (vgl. Caffentzis 1981 und Midnight Notes 1992). Auch durch die Situation in Nigeria begann ich, die Reproduktion anders zu denken. In einem Umfeld, in dem der Zugang zu Land trotz der zerstörerischen Auswirkungen der Ölförderung eine wichtige Voraussetzung für die Reproduktion des Alltags ist und der größte Teil der Lebensmittel aus der Subsistenzlandwirtschaft, die vor allem von Frauen betrieben wird, kommt, musste mein Begriff von ›Hausarbeit‹ eine umfassendere Bedeutung bekommen.

Die Texte im zweiten Teil spiegeln diese Einsichten und meine umfassendere Analyse wider, die sich bald auch in meiner politischen Praxis niederschlugen. Mit meinem Aufenthalt in Nigeria begann mein Engagement in der Antiglobalisierungsbewegung, die in Afrika bereits Anfang der 1980er-Jahre durch das Aufkommen feministischer Bewegungen, beispielsweise der ›Frauen in Nigeria‹ und der Bewegungen gegen die Strukturanpassungsprogramme, Gestalt annahm. Insgesamt sind diese Texte ein Versuch, die Architektur der neuen Weltwirtschaftsordnung zu verstehen und den reformistischen Impulsen innerhalb dieser Bewegung entgegenzuwirken, die besonders stark wurden, als die Bewegung auch in der ›entwickelten‹ Welt ankam. Im Widerspruch zu jenen, die meinten, dass sich die Bewegung dafür einsetzen sollte, dass die Weltbank und der Internationale Währungsfonds reformiert werden und ›humaner‹ und ›geschlechtssensibler‹ agieren sollten, ist mein Zugang in diesen Texten ein anderer. Ich begreife diese Institutionen als Instrumente für eine Re-Kolonisierung der Welt und deute sie als einen weltweiten Angriff auf die Macht der Arbeiter*innen. Insbesondere untersuche ich den Zusammenhang zwischen den großen Migrationsbewegungen, die durch Strukturanpassungsprogramme der frühen 1990er-Jahre ausgelöst wurden, und dem, was Arlie Hochschild als »Globalisierung der Fürsorge« bezeichnet hat. Des Weiteren widme ich mich dem Zusammenhang zwischen Krieg und der Zerstörung der Subsistenzlandwirtschaft und vor allem den Ursachen, die hinter dem neuen Krieg der Weltwirtschaft gegen die Frauen stecken.

Zudem zieht sich die Kritik an der Institutionalisierung des Feminismus und der Reduktion feministischer Politik auf ein Instrument der neoliberalen Agenda der Vereinten Nationen durch die Beiträge im zweiten Teil des Bandes. Für diejenigen unter uns, die stets hartnäckig darauf bestanden, dass feministische Autonomie nicht nur Autonomie gegenüber Männern, sondern auch gegenüber Kapital und Staat bedeutet, war es eine Niederlage, dass die Bewegung die Initiative nach und nach aufgab und sich der Agenda der Vereinten Nationen unterwarf, besonders, da sich dies in einer Zeit ereignete, als diese Institution sich offen dafür zeigte, neue Kriege, ob mit militärischen oder wirtschaftlichen Mitteln, zu legitimieren. Rückblickend betrachtet war diese Kritik richtig. Vier UN-Konferenzen über die Rechte der Frauen und ein Jahrzehnt, das diesen Rechten gewidmet wurde, führten weder zu irgendeiner Verbesserung im Leben der meisten Frauen, noch zu einer ernsthaften feministischen Kritik daran oder einer Mobilisierung dagegen, dass sich die Unternehmen den gesellschaftlichen Reichtum aneigneten. Auf der einen Seite wurde das ›Empowerment der Frauen‹ gefeiert, auf der anderen Seite wurde aber zugleich eine blutige Politik legitimiert, die Millionen Menschen das Leben kostete, zur Enteignung von Land und Küstengewässern, wo Unmengen an giftigem Müll abgeladen wurden, führte und ganze Bevölkerungen zur Flucht zwang.

Dieser in der Geschichte einmalige Angriff auf unsere Lebensgrundlagen, der durch die Politik der ›permanenten Krise‹ verstetigt wurde, brachte viele von uns dazu, unsere politischen Strategien und Perspektiven zu überdenken. In meinem Fall führte das dazu, erneut die Frage des ›Lohns für Hausarbeit‹ zu durchdenken und mir darüber hinaus den wachsendem Bedarf nach ›Commons‹ in verschiedenen radikalen Zusammenhängen überall auf der Welt genauer anzusehen.

Basierend auf der Annahme, dass die Ausbeutung der unbezahlten Arbeit von Frauen und die ungleichen Machtbeziehungen, die auf ihrem unbezahlten Zustand aufbauen, die Stützen der kapitalistischen Organisation der Produktion sind, identifizierte die ›Lohn für Hausarbeit‹-Bewegung die ›Hausarbeiterin‹ als das entscheidende gesellschaftliche Subjekt. Angesichts der weltweiten Wiederkehr der ›ursprünglichen Akkumulation‹, beginnend mit der immensen Ausdehnung des Weltarbeitsmarktes, welche auf verschiedensten Formen der Enteignung basiert, konnte ich nicht länger, wie ich das Anfang der 1970er-Jahre noch tat, schreiben, dass ›Lohn für Hausarbeit‹ nicht nur eine Strategie für die feministische Bewegung ist, »sondern für die gesamte Arbeiter*innenklasse«. Angesichts dessen, dass praktisch gesamte Bevölkerungen einzelner Länder durch drastische Währungsabwertungen ent-monetarisiert wurden und zusätzlich die Privatisierung des Landes und die Kommerzialisierung aller natürlichen Ressourcen vorangetrieben wurde, stellt sich dringend die Frage nach der Wiederaneignung der Produktionsmittel und der Schaffung neuer Formen gesellschaftlicher Kooperation. Das sollte nicht als Ersatz zu den Kämpfen um und über den ›Lohn‹ verstanden werden. Beispielsweise ist der Kampf migrantischer Hausangestellter, die sich für die institutionelle Anerkennung der ›Care-Arbeit‹ einsetzen, strategisch von großer Bedeutung, da die Abwertung reproduktiver Arbeit immer eine der Säulen der Kapitalakkumulation und der kapitalistischen Ausbeutung von Frauenarbeit war. Es bleibt zudem auch ein zentrales politisches Anliegen, den Staat zur Zahlung eines ›gesellschaftlichen Lohnes‹ oder eines ›Grundeinkommens‹ zu zwingen, um unsere Reproduktion zu gewährleisten, angesichts dessen, dass der Staat einen großen Teil des von uns produzierten Reichtums in Geiselhaft hält.

Ein Common oder Commons zu schaffen, muss stets als Ergänzung und Voraussetzung des Kampfes um den Lohn gesehen werden, vor dem Hintergrund, dass die Beschäftigung immer prekärer wird, monetäre Einkommen stets unter Beschuss sind und Flexibilisierung, Gentrifizierung und Migration die Formen der Gesellschaftlichkeit, die das proletarische Leben mal ausmachten, zerstört haben. Ganz klar können, wie ich im dritten Teil des Buches noch ausführlicher schreiben werde, die Wiederaneignung des Landes, die Verteidigung der Wälder gegen die Holzfäller*innen und der Aufbau urbaner Landwirtschaft nur der Anfang sein. Am wichtigsten ist, wie Massimo De Angelis und Peter Linebaugh in ihren Texten und ihrer politischen Tätigkeit immer wieder deutlich machen, die Schaffung von Praxen des ›Commoning‹. Das beginnt bei neuen kollektiven Formen der Reproduktion, die sich den Spaltungen widersetzen, die entlang von ›Rasse‹[8], Geschlecht, Alter und geografischer Herkunft zwischen uns errichtet wurden. Das ist eines der Themen, das mich in den letzten Jahren am meisten interessierte und dem ich einen großen Teil meiner künftigen Arbeit widmen möchte, und zwar sowohl wegen der gegenwärtigen Krise der Reproduktion – wozu auch die Zerstörung einer ganzen Generation junger Menschen, vor allem junger People of Color, die heute in den Gefängnissen verrotten, gehört – als auch wegen der wachsenden Einsicht unter Aktivist*innen, dass eine Bewegung, die nicht lernt, sich selbst zu reproduzieren, nicht von Dauer sein kann (vgl. Dalla Costa 2005: 121). In New York führte diese Einsicht dazu, dass einige Menschen eine Diskussion über ›sich selbst reproduzierende Bewegungen‹ und ›Care-Communitys‹ zu führen begannen und zugleich anfingen, verschiedene Strukturen aufzubauen, die auf Gemeinschaft beruhen. Den Begriff der Commons weiterzudenken und ihm eine umfassendere politische Bedeutung zu geben, prägte auch die Occupy-Bewegung, den Arabischen Frühling und viele andere Kämpfe gegen die Austeritätspolitik. Denn ihre Macht der Veränderung beruht auf der Fähigkeit, sich Räume anzueignen, die vom Staat kontrolliert und vom Markt kommodifiziert wurden, und sie wieder zu gemeinschaftlichen Räumen zu machen.

Brooklyn, New York, März 2011

I Theorie und Politikder Hausarbeit

Lohn gegen Hausarbeit (1975)

Sie sagen, es ist Liebe. Wir sagen, es ist unbezahlte Arbeit.Sie nennen es Frigidität. Wir nennen es Arbeitsverweigerung.Jede Fehlgeburt ist ein Arbeitsunfall.Homosexualität und Heterosexualität sind beides Arbeitsbedingungen … doch Homosexualität ist die Kontrolle der Arbeiter*innen über die Produktion, nicht das Ende der Arbeit.Mehr lächeln? Mehr Geld. Nichts wird mächtiger sein, um die heilenden Tugenden eines Lächelns zu zerstören. Neurosen, Selbstmorde, Ent-Sexualisierung: Berufskrankheiten der Hausfrau.

Die Schwierigkeiten und Unsicherheiten, die bei vielen Frauen zutage treten, wenn sie den Lohn für Hausarbeit diskutieren, kommen daher, dass sie den Lohn auf eine Sache reduzieren, auf einen Haufen Geld, anstatt diesen als politische Perspektive zu begreifen. Der Unterschied zwischen diesen beiden Standpunkten ist enorm. Lohn für Hausarbeit als eine Sache und nicht als eine Perspektive zu betrachten, bedeutet, das Endergebnis unseres Kampfes vom Kampf selbst zu trennen und nicht zu verstehen, welche Bedeutung ein solcher Lohn für die Entmystifizierung und Schwächung der Rolle, die Frauen in kapitalistischen Gesellschaft beigemessen wird, innehat.

Wenn wir Lohn für Hausarbeit derart reduziert verstehen, fragen wir uns: Welchen Unterschied würde mehr Geld für unser Leben bedeuten? Wir sind uns wahrscheinlich sogar einig, dass es für viele Frauen, die keine Wahl jenseits von Hausarbeit und Heirat hatten, tatsächlich einen großen Unterschied machen würde. Aber für diejenigen von uns, die andere Wahlmöglichkeiten zu haben scheinen – berufliche Perspektiven, ein aufgeklärter Ehemann, eine gemeinschaftliche Lebensweise, homosexuelle Beziehungen oder eine Kombination aus alledem – würde es keinen großen Unterschied bedeuten. Für uns gibt es vermutlich andere Wege, wirtschaftliche Unabhängigkeit zu erreichen, und das Letzte, das wir wollen, ist sie zu erreichen, indem wir Hausfrauen werden, ein Schicksal, und da sind wir uns alle einig, das sozusagen schlimmer ist als der Tod. Das Problem mit dieser Position besteht darin, dass wir für gewöhnlich in unserer Vorstellung diesem Leben im Elend, das wir führen, ein wenig Geld hinzufügen und dann fragen: ›Na und?‹. Und das unter der falschen Prämisse, dass wir dieses Geld jemals bekommen könnten, ohne gleichzeitig – im Prozess des Kampfes darum – all unsere familiären und sozialen Beziehungen zu revolutionieren. Wenn wir aber den Lohn für Hausarbeit als politische Perspektive verstehen, dann sehen wir, dass der Kampf um diesen Lohn eine Revolution in unserem Leben und der gesellschaftlichen Macht von Frauen hervorrufen wird. Es ist auch klar, dass, wenn wir denken, dass wir dieses Geld nicht bräuchten, wir die besonderen Formen der Prostitution von Körper und Geist akzeptiert haben, durch die wir eben das Geld bekommen, auf das wir meinen verzichten zu können. Ich werde versuchen zu zeigen, dass dem Lohn für Hausarbeit nicht nur eine revolutionäre Perspektive innewohnt, sondern dass dies aus feministischer Sicht auch die einzige revolutionäre Perspektive ist.

»Arbeit aus Liebe«

Es ist wichtig zu betonen, dass wir, wenn wir von Hausarbeit sprechen, nicht von einem Job sprechen, der wie alle anderen ist, sondern von der allgegenwärtigen Manipulation und der subtilsten Gewalt, die der Kapitalismus jemals gegen irgendeinen Teil der Arbeiter*innenklasse ausübte. Zwar wird im Kapitalismus jeder Arbeiter und jede Arbeiterin manipuliert und ausgebeutet, und das Verhältnis zum Kapital ist vollkommen verschleiert, aber der Lohn erweckt den Eindruck eines fairen Geschäfts: Man arbeitet und wird dafür bezahlt, daher erhalten beide Seiten, die Arbeiter*in und der Chef, das, was sie sich schulden. In Wirklichkeit wird man mit dem Lohn nicht für all die Arbeit bezahlt, die man leistet, sondern der Lohn verbirgt all die unbezahlte Arbeit, die in den Profit fließt. Aber der Lohn erkennt zumindest an, dass man ein Arbeiter oder eine Arbeiterin ist, und man kann um die Bedingungen und die Höhe dieses Lohns, und die Bedingungen und das Ausmaß dieser Arbeit verhandeln und kämpfen. Einen Lohn zu haben, besagt, dass man Teil eines Gesellschaftsvertrages ist, und es besteht kein Zweifel, was das bedeutet: Man arbeitet nicht, weil man das möchte oder weil es unsere natürliche Bestimmung wäre, sondern, weil es die einzige Bedingung ist, unter der es einem überhaupt gestattet ist, zu leben. So ausgebeutet man sein mag, man ist diese Arbeit nicht. Heute bist du Postbot*in und morgen Taxifahrer*in. Es zählt nur, wie viel Arbeit zu verrichten ist und wie viel Geld man dafür bekommt.

Der Unterschied zur Hausarbeit besteht darin, dass diese den Frauen nicht nur aufgezwungen, sondern in ein natürliches Attribut des weiblichen Körpers und der Persönlichkeit verwandelt wurde, in ein inneres Bedürfnis, ein Streben, das angeblich aus der Tiefe unseres weiblichen Charakters kommt. Hausarbeit wurde in ein natürliches Attribut umgewandelt, anstatt als Arbeit anerkannt zu werden, weil sie dazu bestimmt war, nicht bezahlt zu werden. Das Kapital musste uns davon überzeugen, dass sie eine natürliche, unvermeidliche und sogar erfüllende Tätigkeit ist, damit wir akzeptieren, dass wir ohne Lohn arbeiten. Im Gegenzug ist diese Bedingung der Hausarbeit, dass sie nicht entlohnt wird, die stärkste Waffe, um die ohnehin verbreitete Vorstellung zu stärken, dass es sich hier nicht um Arbeit handelt, und somit zu verhindern, dass Frauen dagegen kämpfen, abgesehen vom privatisierten Streit in Küche und Schlafzimmer, der in der Gesellschaft ins Lächerliche gezogen wird, wodurch sie noch weniger als Protagonistinnen eines Kampfes begriffen werden. Wir werden als meckernde Zicken gesehen und nicht als kämpfende Arbeiterinnen.

Wie natürlich es ist, eine Hausfrau zu sein, wird schon daran deutlich, dass es mindestens zwanzig Jahre der Sozialisation bedarf, des tagtäglichen Trainings unter der Anleitung einer nicht-entlohnten Mutter, damit eine Frau auf diese Rolle vorbereitet wird, sie davon überzeugt wird, dass ein Ehemann und Kinder das Beste sind, das sie vom Leben zu erwarten hat. Trotzdem gelingt das selten. Egal, wie gut wir darauf vorbereitet wurden, haben nur ganz wenige Frauen, wenn der Hochzeitstag mal vorüber ist und sie vor einem Berg von schmutzigem Geschirr stehen, nicht das Gefühl, dass sie betrogen wurden. Viele von uns pflegen noch immer die Illusion, dass wir aus Liebe heiraten. Aber viele begreifen, dass sie es des Geldes und der Sicherheit wegen tun. Aber es ist an der Zeit, dass wir uns bewusst machen, dass da nur wenig Geld und Liebe im Spiel sind, die Arbeit jedoch, die uns erwartet, ist enorm. Daher sagen ältere Frauen immer zu uns: »Genieße deine Freiheit, so lange du kannst, kauf dir jetzt all das, was du möchtest!« Aber leider ist es beinahe unmöglich, diese Freiheit zu genießen, wenn man von frühester Kindheit an darauf vorbereitet wird, fügsam, untertänig und unselbstständig zu sein, und sich, das ist am allerwichtigsten, aufzuopfern, und das dann auch noch gerne zu tun. Wenn dir das nicht gefällt, dann ist das dein Problem, dein Versagen, deine Schuld und du bist abnormal.