Rockstar weiblich sucht (Die Rockstars-Serie 4) - Teresa Sporrer - E-Book

Rockstar weiblich sucht (Die Rockstars-Serie 4) E-Book

Teresa Sporrer

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Beschreibung

Natalie Pearce ist DER große Stern am amerikanischen Rockstarhimmel. Teenager kreischen ihren Namen, die Männer stehen Schlange und der Sängerin steigt der Ruhm eindeutig zu Kopf. Sagt zumindest die Presse, von der Natalie langsam aber sicher die Nase voll hat. Als sie sich eine siebenmonatige Auszeit in Österreich nimmt, um dort mit ihren Freundinnen Zoey, Serena, Violet und Nell ein wenig auszuspannen, lauten die Schlagzeilen prompt, sie sei schwanger. Weit gefehlt. Nichts wünscht sich die Sängerin mehr, als einen netten jungen Mann kennenzulernen, aber da ist niemand am Horizont. Bis sie den liebevollen Nerd Ian kennenlernt und die Presse auch davon Wind bekommt… //Alle Bände der romantischen Bestseller-Reihe:  -- Verliebe dich nie als Rockstar (Die Rockstar-Reihe 0)  -- Verliebe dich nie in einen Rockstar (Die Rockstar-Reihe 1)  -- Blind Date mit einem Rockstar (Die Rockstar-Reihe 2)  -- Ein Rockstar kommt selten allein (Die Rockstar-Reihe 3)  -- Rockstar weiblich sucht (Die Rockstar-Reihe 4)  -- Der Rockstar in meinem Bett (Die Rockstar-Reihe 5)  -- Rockstars bleiben nicht zum Frühstück (Die Rockstar-Reihe 6)  -- Rockstars küssen besser (Die Rockstar-Reihe 7)  -- Rockstars kennen kein Ende (Die Rockstar-Reihe 8)  -- Rock'n'Love (Ein Rockstar-Roman)  -- Liebe ist wie ein Rocksong (Die Rockstar-Reihe Spin-off) -- Alles begann mit einem Rocksong (Die Rockstar-Reihe Spin-off) -- Die MEGA Rockstars-E-Box: Band 1–8 der Bestseller-Reihe -- ROCKSTARS. Band 1–3 in einer E-Box -- Berührende Rocksong-Romantik im Sammelband (Die Rockstar-Reihe)//   Die Rockstar-Reihe ist abgeschlossen. Alle Bände der Reihe können unabhängig voneinander gelesen werden und haben ein abgeschlossenes Ende.

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Im.press Ein Imprint der CARLSEN Verlag GmbH © der Originalausgabe by CARLSEN Verlag GmbH, Hamburg 2014 Text © Teresa Sporrer, 2014 Redaktion: Katharina Kohlhaas Umschlagbild: Shutterstock.com/ © Netfalls – Remy Musser Umschlaggestaltung: formlabor Gestaltung E-Book-Template: Gunta Lauck Schrift: Alegreya, gestaltet von Juan Pablo del Peral

PROLOG

PAPA-PAPARAZZI – HALT DIE KLAPPE, LADY GAGA!

Oktober letzten Jahres

Als ich noch ein kleines Mädchen war, wurde ich jeden Morgen sanft von meiner Mutter geweckt. Sie sang immer Lieder für mich. Aber keine Kinderlieder, sondern Songs von Alice Cooper, The Runaways oder Dads und ihrer Lieblingsband Nirvana. Ihre Stimme war nicht für eine großartige Gesangskarriere geeignet, aber sie hatte einen eigenen wunderschönen Klang.

Rückblickend war es nicht überraschend, dass ich mit zarten achtzehn Jahren beschlossen hatte, ein Rockstar zu werden. Das war nun fast drei Jahre her …

An diesem einen Morgen weckte mich jedoch die Stimme meines besten Freundes Brandon.

»Hey, Kleine«, sagte er und rüttelte mit seinen rauen Händen an meinem nackten Arm. Er spielte seit über fünfzehn Jahren fleißig Gitarre, meist ohne Plek, und deshalb waren seine Hände leicht schwielig. »Es ist bereits ein Uhr nachmittags.«

Dreizehn Uhr war keine Zeit für einen Rockstar wie ihn oder wie mich. Aftershow-Partys dauerten meistens bis fünf Uhr morgens und mit zu vielen Energydrinks intus machte ich auch mal locker bis elf Uhr vormittags durch. Ich konnte auch den ganzen Tag durchmachen, nur wurde ich dann Stunde um Stunde nerviger und irgendwann richtig zickig.

»Schlafen, Brandon.« Ich zog mir die flauschige, blaue Bettdecke über den Kopf. »Wir haben erst um halb zwei einen Termi… – oh, du heilige Scheiße!«

Ich riss mir die Decke vom Körper, stolperte aus dem riesigen Hotelbett und rannte gedankenlos ins Bad. Das helle Licht im Zimmer schmerzte in meinen Augen. Hektisch schmierte ich eine dicke Schicht Zahnpasta auf meine Zahnbürste. Ich spürte immer noch ein bisschen den Geschmack von Alkohol in meinem Mund. Mit einer Hand zog ich ein Abschminktuch aus meiner Box und wischte mir die dunklen Schminkflecken aus dem Gesicht.

»Anke fürs ecken«, sagte ich mit der Zahnbürste im Mund zu Brandon.

Mein Lead-Gitarrist und bester Freund saß an einem kleinen viereckigen Tisch, den der Room-Service anscheinend während ich schlief fürs Frühstück hergerichtet hatte.

»Wir aben keine eit fürs Frü stück -« Ich nahm die Bürste aus dem Mund. »Es ist ein Uhr! Wir sind zu spät dran! Wo sind Jack und Nigel? Schlafen die etwa auch noch? Hilfe! Gale bringt uns um. Gale bringt vor allem mich um!«

»Es könnte auch erst elf sein«, grinste Brandon.

Mit seinen dunkelbraunen Augen, den blonden Haaren, die ihm in die Stirn fielen, und dem schiefen Lächeln konnte er schon immer fast jedes Mädchen um den Finger wickeln. Seit wir berühmt geworden waren, konnte er Jede haben. Bis auf mich, aber das hatte bei uns sowieso nie zur Debatte gestanden. Wir waren so etwas wie Kumpels, beste Freunde und Beinahe-Geschwister. Einmal hatten wir uns total betrunken geküsst. Das war das Sexuellste, was je zwischen uns passiert war und passieren würde. Nach dem Kuss waren wir beide augenblicklich stocknüchtern und ganz weiß im Gesicht geworden. Für mich war es der furchtbarste Kuss der furchtbarsten Küsse gewesen. Mir wurde immer noch ganz übel, wenn ich daran dachte, und Brandon wirkte die Tage danach total abwesend. Nicht, weil er romantische Gefühle für mich gehegt hatte, sondern weil ich für ihn nicht in die Kategorie Mädchen und Frauen gehörte. Ich war Nate, sein bester Freund und Kumpel. Kein Mädchen wie die anderen, mit denen er schlafen würde.

Ich schmierte mir noch ein bisschen duftendes Peelinggel auf die Haut, klatschte mir gleich darauf Wasser ins Gesicht und bürstete mir eilig durch die Haare.

»Arsch«, sagte ich, nachdem ich fertig war mit meiner morgendlichen Wäsche. Ich band meine Haare noch schnell zu einem Zopf und setzte mich gegenüber von Brandon hin. Die Visagisten mussten sich sowieso später um mein Aussehen kümmern. »Warum hast du mich nicht ausschlafen lassen?«

»Weil du beinahe nur noch aus Haut und Knochen bestehst«, meinte Brandon. Er schob alles Mögliche an Süßigkeiten zu mir, von Cupcakes über Kuchen bis zu verschiedenen Marmeladen. »Du sollst bei dem heutigen Foto-Shooting nicht kollabieren.«

»Wenn ich das alles esse, wird mir schlecht«, prophezeite ich Brandon und biss von einem Vanille-Cupcake mit rosaroter Glasur ab.

»Wenn du kotzt, dann bitte nicht auf meine neuen Vans.« Brandon nahm sein Tablet zur Hand. Unsere Band hatte von einem Sponsor eine Menge Technikzeug umsonst bekommen. »Die waren teuer.«

»Wenn ich kotze, dann nur auf deine neuen Vans.«

»Oh, oh.« Brandon sah von dem Gerät zu mir und dann wieder aufs Tablet. »Fuck«, fluchte er und verzog die Mundwinkel nach unten. »Diese Parasiten von Paparazzi!«

»Haben sie dich wieder einmal fotografiert, wie du betrunken mit einer gewissen blonden Hotelerbin herumknutschst?«, fragte ich. Ich strich mir extra viel Himbeer-Marmelade auf den Toast. »Lass mich raten, die Überschrift lautet Bad Boy Brandons Nacht in Paris?«

Im Gegensatz zu meinem Bad-Girl-Image, das ich nur aufsetzte, um mich in der Rockszene zu behaupten, war mein bester Freund wirklich ein böser Junge. Ich hatte Brandon so oft gebeten, seinen Alkoholkonsum und seine Frauengeschichten zurückzudrehen, vielleicht ein bisschen netter zu den Paparazzi zu sein, doch Gale war der Meinung, dass Brandon ruhig weiterhin für solche Schlagzeilen sorgen sollte.

Ich hätte mir zwar gewünscht, dass er statt auf seinen Manager auf seine beste Freundin hören würde, aber durch den Erfolg hatten wir uns alle verändert. Wir vier waren nie die besten Freunde gewesen, von Brandon und mir mal abgesehen, und jetzt benahmen wir uns fast wie Fremde, die Freunde sein mussten.

»Empathica - Emo-Rockstars erstürmen Charts«, las Brandon laut vor. »Warum nennen die uns Emos?«

Ich stöhnte. »Weil die meisten Leute alles, was mit Rock oder Punk zu tun hat, in die Emo-Kiste stecken. Und du trägst immer diese engen Jeans von Hot-Topic und Jack zieht immer so ein Gesicht«, zählte ich zusätzlich auf. Ich zog meine Mundwinkel nach unten und versuchte möglichst desinteressiert und ablehnend zu wirken. »Und Nigel … Nigel mit seinen blauen Augen … Also, wenn der sich auch noch die Haare schwarz färben würde …!«

Brandon deutete mit dem Kinn auf meine Haare mit den blauen Strähnen. »Ach, ich dachte eher deinetwegen.«

Ich zeigte meinem besten Freund den Mittelfinger, dessen schiefes Lächeln dadurch nur größer wurde.

»Lies weiter«, forderte ich Brandon auf.

Seufzend fuhr er fort. »Seit Monaten hält sich das Album I Killed My Lover der vierköpfigen Alternative-Rock-Band Empathica wacker auf den obersten Plätzen der Charts. Das liegt vor allem an der charismatischen Sängerin Natalie Pearce.«

Sofort wurde ich rot im Gesicht. Der Erfolg war mir noch nicht so weit zu Kopf gestiegen, dass mich Lob kalt ließ.

»Doch wie ist der neue Superstar der Szene wirklich? Sie singt über Ex-Freunde, die einen schmerzhaften und vor allem grausamen Tod verdient haben, dass Liebe nichts weiter als eine Droge sei, die Menschen zerstöre und dass jedes Mädchen im Herzen ein fucking Rockstar sei. Anscheinend lebt Pearce ihre Songs.«

Als Brandon den Artikel über eine Natalie Pearce vorlas, die Affären mit Alex Gaskarth, Josh Ramsay, Jordan Witzigreuter und anderen Musikern vorweisen konnte, mit denen ich oberflächlich befreundet war, drehte sich mein Magen um. Jedes weitere Wort stahl mir mehr und mehr Kraft, bis ich zitternd am Hoteltisch saß.

»D-das ist nicht deren Ernst! Das können die nicht ernst meinen!«, kreischte ich. Ich sprang auf und riss Brandon das Teil aus den Händen. Schwarz auf weiß standen dort die Worte, die er gerade vorgelesen hatte. »Die stellen mich so dar, als wäre ich irgendeine dahergelaufene Schlampe, die es mit jedem Kerl im Backstage-Bereich treibt! Und was heißt hier Drogenkonsum?! Ich kann nicht einmal Tabletten schlucken, weil ich die so eklig finde. Und das eine Mal in der High-School …« Auf einer Party hatte ich unbedingt mal einen Joint rauchen wollen. Nachdem ich eine Stunde lang die Küchendecke angestarrt hatte, wollte ich in den Kühlschrank krabbeln, um zu sehen, ob das Licht wirklich nicht brannte, wenn die Tür zu war. Brandon hatte mich eineinhalb Stunden später gefunden. Da er selbst ziemlich besoffen war, wollte er sich mit mir in den Kühlschrank legen, aber da es dafür nicht genug Platz gab, hatte er mich schließlich rausgezogen. »Ich rühre nie wieder Drogen an, auch wenn es nur Gras wäre!« Ich schüttelte mich. »Das ist … das ist …«

Mein Blick fiel auf den Artikel. Zwei Bilder waren darunter abgebildet. Eins zeigte mich, wie ich vor einem großen Schaufenster stand und über meinen flachen Bauch strich. Darunter stand in Großbuchstaben: PEARCE SCHWANGER?

Ich hatte mir nur über den Bauch gestrichen, weil ich zuvor mit Gale und der Band essen war und eindeutig zu viel Pizza verdrückt hatte.

Beim zweiten Bild hätte ich beinahe laut losgelacht. Zu Nigels Geburtstag wollte ich ihm unbedingt einen Kuchen backen. Doch da ich ziemlich tollpatschig war, hatte sich eine Mehlwolke in mein Gesicht verirrt und mich ein wenig verunstaltet.

Mit glasigen, rot geränderten Augen starrte ich beim zweiten Foto aus dem Fenster. Die Aufnahme war so vergrößert worden, dass man das Mehl unter meiner Nase sah.

PEARCE KOKAINSÜCHTIG?, meinte die Zeitung dazu.

Ironischerweise trug ich sogar eine blaue Schürze, die Schokoladenflecken von der Glasur aufwies.

Brandon packte mich am Handgelenk und zog mich an seine Brust. Er nahm mir das Gerät aus der Hand.

Ich war wohl das einzige Mädchen, zu dem er so zärtlich war. Er strich mir durch die Haare. »Beruhige dich, Nate«, flüsterte er meinen Kosenamen. Brandon war der Einzige, der mich Nate nannte. Die anderen meinten alle, das wäre ein Spitzname für einen Kerl, aber Brandon zeigte mir dadurch, dass ich sein bester Freund war. »Wenn die Presse so etwas über dich schreibt, dann weißt du, dass wir es geschafft haben. Neid. Sie sind alle neidisch.«

»Ich will aber nicht als Schlampe gelten!« Ich hämmerte gegen Brandons Brust. »Ich will doch nur endlich wieder einen Freund haben!«

»Meinst du so einen wie Sebastian?«, knurrte Brandon.

Mein Herz setzte für einen kurzen Moment aus. Seit ich mich von Sebastian getrennt hatte, hatten wir beide uns geschworen, nie wieder ein Wort über ihn zu verlieren.

Ich schrieb nach der Trennung die Texte zu I Killed My Lover und verarbeitete dadurch den Schmerz. Ich weiß, ich weiß. Mit einem riesigen Eisbecher und ein paar Litern Tränen, die ich an Brandons Schulter ausgeheult hätte, wäre ich nach ein paar Wochen auch über ihn hinweggekommen, aber mein innerer Rockstar wollte Songs darüber schreiben.

»Sieh doch nur, was er aus dir gemacht hat«, sagte Brandon.

»Das war doch nur Liebeskummer«, leugnete ich.

»Nein. Er hat dir das Herz gebrochen. Er hat dich nur benutzt. Er wollte nur mal ausprobieren, wie es ist, jemanden wie dich zu daten. Er wusste, dass du ihn mochtest und hat das eiskalt ausgenutzt.« Seine dunklen Augen blickten mich flehend an. »Du bist bald ein weltbekannter Rockstar, Natalie. Du kannst dir nicht mehr sicher sein, ob dich eine Person wirklich liebt wenn du mit ihr ausgehst oder ob sie nur dein Geld und ein Stück des Ruhmes will. In unserer Branche halten die wenigstens Beziehungen wirklich lange. Warum haben Nigel, Jack und ich keine Freundin? Es gibt viele Arschlöcher da draußen. Außerdem, wenn ich ein Mädchen wäre, würde ich auch nicht mit einem Arschloch wie mir ausgehen.«

Ich knuffte Brandon in den Arm. Ein halbes Lächeln war zwar wieder auf meinen Lippen, aber ich fühlte mich noch … Ich fühlte mich einfach … Es war so, als würde sich meine wahre Persönlichkeit langsam auflösen. Brandon hörte nicht auf mich. Jack und Nigel waren nicht mehr richtig meine Freunde. Außer Konzerten unternahmen wir kaum noch etwas zusammen …

Das konnte doch unmöglich so weitergehen!

Schon seit langem war ich in Bezug auf meine Karriere zweigeteilt: Einerseits liebte ich es für Menschen zu singen, andererseits wollte ich wieder in mein normales Leben zurück. Ich wollte endlich Freundinnen haben, mit denen ich mir kitschige Schnulzen ansehen und über Jungs reden konnte.

Alles weitere, was an diesem Tag passierte, war eine simple Kurzschlussreaktion.

Ehe ich mich versah, hatte ich das Geld, das ich in einer leeren Coladose versteckt hatte, mit ein paar Habseligkeiten in eine Sporttasche gesteckt.

Ich kaufte mir eine Prepaid-Kreditkarte, um einen Flug nach Österreich zu buchen. Einen Reisepass hatte ich vor einiger Zeit schon fälschen lassen. Mein halbes Geburtstagsgeld war damals für diese exzellente Fälschung draufgegangen. Ich hatte ihn bis jetzt öfters dazu benutzt, mit Brandon in Clubs zu gehen und Alkohol zu bestellen.

Ich wusste, dass es trotzdem noch ein Leichtes war mich zu finden, aber ich hoffte stark, dass mein Manager die Sache richtig auffassen und mir ein paar entspannte Wochen gönnen würde. Gale war ein Meister der Vertuschung.

Das Geld würde allerdings nur für maximal fünf Monate reichen, vorausgesetzt ich sparte wirklich.

»Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Flug, Miss Smith.«

Die Flugbegleiterin lächelte mich freundlich an. Ich war unglaublich froh darüber, dass ich die übertriebene Schminke vom Shooting noch im Gesicht hatte.

Vorsichtig stöckelte ich mit meinen Nietenschuhen davon.

»Mal sehen, was Österreich so zu bieten hat«, murmelte ich. Ich stöpselte mir mein Headset in die Ohren und drückte auf Play. Zuerst hörte ich den Song Hate you, Kill you von meiner Band, bis er durch Vienna’s Burning von der österreichischen Band 3 Feet Smaller abgelöst wurde.

01. KAPITEL

I’M BACK IN DER STADT

Juli diesen Jahres

Herzrasen. Schweißausbrüche. Schwindelgefühl.

Als meine Band und ich anfingen mit Bands wie Linkin Park, 30 Seconds To Mars und Paramore auf Tour zu gehen, hatten mich diese Symptome am Anfang jedes Konzerts an die Grenze eines Nervenzusammenbruchs getrieben. Mit unserem raschen Erfolg kamen dann die eigenen Touren und bald war ich von meinen Angstzuständen geheilt. Die Konzerte wurden einfach zur Gewohnheit. Ich musste keine Angst mehr haben.

Doch in diesem Moment litt ich unter ihnen wie noch nie zuvor.

Ich wusste, dass ich mit Gale den wohl nachsichtigsten und besten Manager der Musikszene erwischt hatte, was wohl auch daran lag, dass er mein Taufpate war, aber ich hatte ohne nur ein einziges Wort zu sagen vor über acht Monaten Hals über Kopf das Land verlassen.

Noch immer sah ich die Schlagzeilen vor meinen Augen, die daraufhin im Internet kursierten: Sängerin von Empathica auf Entzug?, Vertuschter Mord an Natalie Pearce! und meine immer wiederkehrende Lieblingsschlagzeile: Pearce ist schwanger!

Ich konnte diese ganzen Gerüchte nicht mehr hören.

Ich hatte geahnt, dass mit meiner überstürzten Flucht in das Heimatland meiner Mutter die Gerüchte nicht verschwinden würden, aber dass sie noch schlimmer und absurder wurden, war eine böse Überraschung. Meine Band wurde immer bekannter, meine Persönlichkeit immer gefragter.

Aus reinem Spaß hatten meine Freundinnen und ich eines Abends beschlossen, einen Shot pro neuer Schlagzeile in einer Woche zu trinken. Am Ende mussten wir abbrechen, da das kleine Trinkspiel außer Kontrolle geraten war. Den Rest der Nacht hatten Serena, Nell und ich uns die Kloschüssel geteilt, Violet hatte stumm auf dem Rücken gelegen und wie eine Leiche gewirkt, während Zoey bis zum Morgengrauen schlüpfrige SMS an ihren Freund verschickt hatte. Scheinbar machte Alkohol Zoey ein bisschen pervers …

Da ich die ganze Zeit nervös mit meinen neu gefärbten Haaren spielte, griff ich nach einem Magazin, um Gales Sekretärin, die mich komisch anstarrte, auf eine nette Weise zu ignorieren. Ich hielt mir das Klatschmagazin vor die Nase und las den Artikel auf der Seite, die ich zufällig aufgeschlagen hatte.

Lady Gagas neuste Bekanntschaft, stand in riesengroßen, rosaroten Lettern auf einer Doppelseite. Darunter war …

Mir stockte der Atem, als ich Brandons blonde Mähne sah.

Er hatte einen Arm um den Popstar geschlungen und schenkte den Paparazzi sein schiefes Bad-Boy-Grinsen.

Er sieht glücklich aus, stellte ich schweren Herzens fest. Vielleicht vermisst er mich nicht einmal.

Bevor ich mir weitere Gedanken über meinen besten Freund machen konnte, räusperte sich Gales Sekretärin.

»Du kannst jetzt zu Mr. Caputo.« Seine neue Sekretärin deutete mit einem freundlichen Lächeln auf Gales Tür. »Äh, aber vorher …« Tracey – der Name stand auf dem Schild vor ihrem Schreibtisch legte den Kopf schief und musterte mich durch ihre Brille gründlich. »Es tut mir leid das zu fragen, aber bist du wirklich Natalie Pearce? Die Natalie Pearce von Empathica?«

Ich nickte, da sich meine Zunge dagegen wehrte, ein Ja auszusprechen.

Wunderbare sieben Monate hatte ich in völliger Anonymität leben können. So gut wie niemand hatte Natalie Pearce oder Empathica in Österreich gekannt. Sieben Monate lang war ich ein ziemlich normales Mädchen gewesen. Seit ich mich statt eines Colleges für die Band entschieden hatte, war die Normalität endgültig aus meinem Leben verschwunden gewesen. Und dann? Ich hatte monatelang shoppen gehen können, ohne dass mich dauernd wer um ein Autogramm oder um ein Foto bat. Ich hatte mit meinen Freundinnen trinken können, ohne dass ich gleich als Alkoholikerin von den Medien bezeichnet wurde. Ich hatte einfach Natalie sein können: Ein einundzwanzigjähriges Mädchen mit einer Leidenschaft für Rockmusik, Schuhen mit Absätzen, schwarzen Klamotten, das gerne mit ihren Haaren experimentierte und das ihre Freundinnen liebte.

Das war das einzig Gute an unserer explosionsartigen Popularität außerhalb Europas: Innerhalb Europas wussten nur ein paar Insider über die neue Sensation am Rockstar-Himmel Bescheid. Allen voran meine neue Freundin Zoey, für die ich zur Mentorin geworden war.

Tracey hob eine Augenbraue, dann fiel ihr Blick schon auf meinen flachen Bauch, den ich unter einem weiten Band-T-Shirt von Framing Hanley versteckte. »Ist das Kind schon da?«

»Ja, ist es«, stieß ich mit zusammengebissenen Zähnen hervor. »So wie die anderen drei, die ich alle in den letzten zwölf Monaten bekommen habe!«

Als ich wütend an ihr vorbeirauschte, murmelte Tracey etwas von Stars und ihren Phasen.

Der vertraute Geruch nach Zigarren und Fichte stieg mir beim Betreten von Gales Büro in die Nase.

Ich erinnerte mich noch genau an den Nachmittag, an dem ich hier zum ersten Mal mit Brandon gesessen und den Vertrag, der mein Leben veränderte, unterschrieben hatte.

Ich war mindestens genauso aufgeregt gewesen wie heute.

In einem großen schwarzen Bürostuhl saß ein Mann um die vierzig, mit dunklen braunen Augen hinter einer dicken Brille. Gale hatte die Hände gefaltet. Seine Lippen waren zu einem ausdruckslosen, dünnen Strich verzogen. Seine dunklen Haare wurden langsam schon so grau wie der Anzug, den er trug.

Rechts hinter ihm hing unser Doppel-Platin-Album I Killed My Lover.

»Natalie …«

Gales Stimme war kalt, abweisend und drückte seine ganze Enttäuschung aus. Ich kannte ihn schon mein Leben lang. Da er ein Teil meiner Familie war, tat mir das alles noch viel mehr leid. Er hatte mich und die Jungs auch unter Vertrag genommen, weil ich die einzige Familie war, die er hatte.

»Hi, Gale.« Mit gesenktem Kopf trottete ich auf seinen Schreibtisch zu. Ich ließ mich auf einen bequemen schwarzen Sessel fallen. Moment mal, bequem? Endlich hatte Gale sich neue Möbel für sein Büro angeschafft. »Man sollte meinen, die Paparazzi wissen, dass man nicht durch Umarmungen schwanger wird«, sagte ich um Gale aufzumuntern. Das letzte Mal, dass ich so einen wütenden Ausdruck in seinen braunen Augen gesehen hatte, war, als Dad meinte, dass er der bessere Gitarrist von den beiden war und deshalb Mom abgekriegt hatte. Manchmal verstand mein Vater einfach nicht, dass Gale immer noch meiner Mutter hinterhertrauerte. »Ich glaube, die sollten sich informieren, wie das wirklich geht.«

»Was hast du dir dabei gedacht?«, fuhr er mich harsch an. Nun brachen die Gefühle aus ihm hervor. »Nach alldem, was ich für dich getan habe? Alles, was ich für dich, Brandon und besonders Jack und Nigel getan habe? Wie oft habe ich den Kopf für euch hingehalten? Ich habe deinen Eltern versprochen auf dich aufzupassen und du machst dich einfach aus dem Staub!«

Tja, was hatte ich mir gedacht, als ich aus meinem alten Leben geflohen war?

Ich hatte nie auch nur eine einzige Freundin gehabt. Brandon war mein einziger Freund gewesen, bevor ich in der Band gelandet war und als Zugabe Jack und Nigel bekommen hatte. Aber ich hatte mich schon immer danach gesehnt, mit Mädchen über Jungsprobleme reden zu können. Wenn ich mit Brandon darüber reden wollte, mutierte er gleich zu meinem Beschützer und Jack und Nigel drucksten immer nur mit einem Keine Ahnung herum. Doch als Nigel über seine alte Freundin Candy oder so gejammert hatte, hatte ich als einzige Frau in der Band Ratschläge und Trösterchen aussprechen müssen.

Violet, Zoey, Nell und Serena – plötzlich hatte ich vier gute Freundinnen gefunden. Endlich!

»Jetzt bin ich ja wieder da«, meinte ich schulterzuckend. »Also, was steht als nächstes an?«

Ich lächelte Gale an.

Ich hasste es, wenn jemand böse auf mich war. Meine innere Stimme drängte mich immer dazu, die Person dann aufzumuntern.

»Du gehst zu den Jungs und erklärst ihnen, dass ihr in genau drei …« Er hob die Hand und streckte drei Finger hoch. »… in genau drei Tagen auf Tour geht.«

Das Lächeln verschwand aus meinem Gesicht. »Die Jungs wissen nichts von der Tour?«

Gale schüttelte den Kopf. »Sie wissen von der Tour, aber sie wissen nicht, dass du wieder da bist. Wahrscheinlich denken sie, dass ich eine Ersatzsängerin für dich gefunden habe. Wie ich es eigentlich vorgehabt hatte.«

Mein Manager wollte mich austauschen? »Aber Gale«, begann ich mit heiserer Stimme. »Ich habe doch gesagt, dass ich wieder zurückkomme.«

»Nachdem du dich einen ganzen Monat nicht persönlich bei mir gemeldet hast«, knurrte Gale unfreundlich. Er verzog das Gesicht und fuhr sich durch die kurzen braunen Haare. »Versteh mich, Natalie. Ich dachte, du kommst nicht mehr wieder! Hättest du deinen Eltern nicht gesagt, dass du für eine Zeit nicht erreichbar bist, hätte ich die Polizei eingeschaltet, weil Verdacht auf Entführung bestanden hätte. Raphael hat wie ein Irrer getobt! Miriam war krank vor Sorge!«

»Ich -«, begann ich, aber Gale schnitt mir das Wort mit einer Handbewegung ab. »Wann kommt denn die Band, die den Support macht?«

Von draußen hörte man Tracey ein »Nicht reingehen! Sie brauchen einen Termin!« kreischen, als auch schon ein Mädchen mit schwarzen Haaren eintrat. »Wir sind ja schon da!«

Es war faszinierend, wie viel Selbstbewusstsein sie ausstrahlte. Allein die Art, wie sie den Raum betrat, dabei die Hand durch die Haare gleiten ließ, so dass man ein Notenschlüssel-Tattoo auf ihrem Hals und den Schriftzug Lost in Stereo auf ihrem Arm betrachten konnte, ließ einen erstaunt zurück.

Wenn ich keine Schulfotos von Zoey mit hochgeschlossener Bluse und Jeans gesehen hätte, hätte ich nicht glauben können, dass das Mädchen mit dem schwarzen Neckholder-Top und dem kurzen,

blauen Jeansrock früher einmal eine brave Einserschülerin gewesen war.

Einserschülerin war sie zwar immer noch, über das brav ließen sich allerdings stundenlange Diskussion zwischen ihr, ihren Freundinnen und ihrem Freund führen.

Zoey nickte mir lächelnd zu.

Mit einem schiefen Grinsen auf den Lippen folgte ihr Freund Alex. Ein hochgewachsener, schlanker Typ mit schwarzen Haaren, die ihm modisch in die Stirn fielen. Irgendwie erinnerte mich Alex stark an Brandon. Nur dass Alex streng monogam lebte.

Ich hatte Zoey gebeten einen guten ersten Eindruck bei Gale abzuliefern. Sie gab sich auf jeden Fall Mühe.

»Ich bin Zoey, die Sängerin, und das ist mein Freund Alex, zweiter Gitarrist und Sänger der Band«, stellte sie sich in fast perfektem Englisch vor.

Sie und Alex schüttelten Gale die Hand.

»Entschuldigung für die Verspätung. Eine Freundin hat … hat eine Buchhandlung entdeckt.«

»Hat Vio ihr book gekriegt?«, fragte ich Zoey mit meinem nicht gerade perfekten Deutsch. Die anderen hatten sich in den letzten Monaten mit mir an mein Denglisch gewöhnt.

»Bücher, Mehrzahl.« Zoey stöhnte laut. »Sie hat den halben Laden leer gekauft. Wenn du ganz leise bist, hörst du sie vielleicht draußen schluchzen. Sie liest gerade irgendeinen Band irgendeiner Reihe und ist aus irgendeinem Grund traurig, weil irgendeine Person gestorben ist – oder am Sterben ist. Frag besser sie.«

Ich lächelte.

Von all meinen neuen Freunden hatte ich Violet am liebsten. Ich hatte sie unter einem McDonald’s-Tisch kennengelernt, als sie einem heißen Kerl namens David nachspioniert hatte. Ach ja, sie und David … Was hatte ich da nicht alles mitgemacht!

Erleichtert stellte ich fest, wie sich die tiefen Falten auf Gales Stirn auflösten.

Wenn Zoey nicht gerade wegen irgendetwas herumzickte, wirkte sie ziemlich beeindruckend und sogar ein kleines bisschen nett. Im Moment wirkte sie wie ein selbstbewusster Rockstar, der bereit war eine große Karriere zu starten.

»Ich habe die Verträge für euch noch einmal zum Aufbewahren kopiert«, sagte Gale. Er drehte sich mit seinem Drehsessel zu seinem Aktenschrank und holte ein paar Zettel heraus. »Eure Band wird für die Dauer von zwei Monaten Natalies Band auf der Tour begleiten und eure drei Begleiterinnen werden das Merchandise-Zeug verkaufen. Eure Unterschriften habe ich ja bereits. Willkommen im Land der unbegrenzten Möglichkeiten.« Gale nickte Alex und Zoey zu. »Und willkommen zurück, Natalie.«

Es hörte sich aber immer noch wie eine Anschuldigung an.

02. KAPITEL

I LICK IT LIKE A LOLLIPOP – MIT KIRSCHGESCHMACK!

Der Geruch von frischen Äpfeln und Orangen stieg mir in die Nase und ließ mir das Wasser im Mund zusammenlaufen. Wenn man bedachte, dass Taxis normalerweise nach Zigaretten, Alkohol und oder anderen unangenehmen Sachen stanken, musste ich für Violets Sucht nach Frucht-Lollipops richtig dankbar sein.

»Lutscher?«

Ihr violetter Haarschopf, dem sie ihren Spitznamen zu verdanken hatte, tauchte links neben mir auf. Sie streckte mir einen Kirschlutscher entgegen und lächelte mich freundlich an, während sie selbst gleich zwei im Mund stecken hatte. Die grünen Stiele ragten wie Reißzähne aus ihrem Mund.

Der Taxifahrer, der mehr Haare im Gesicht hatte als ich am ganzen Körper, murmelte etwas in einer mir unbekannten Sprache, als ich dankend die Süßigkeit annahm.

Vor gut einer halben Stunde hatten wir Gales Büro verlassen und waren nun auf dem Weg in ein Nobelhotel namens Horizon. Meine Band hatte sich anscheinend die letzten Monate in diesem neu gebauten 5-Sterne Hotel eingenistet und dadurch schön die Werbetrommel für das Gebäude gerührt, so dass ein ganzes Stockwerk meiner Band ein ganzes Jahr lang umsonst zur Verfügung stand.

Das war ein Vorteil, wenn man ein Rockstar war: Neben viel Kohle bekam man auch eine Menge anderer Sachen umsonst und Vergünstigungen ohne Ende.

Violet, David und ich hatten uns zusammen ein Taxi genommen, während sich die anderen auf zwei weitere gelbe Autos aufgeteilt hatten.

Durch den Rückspiegel des Autos erhaschte ich einen kurzen Blick auf Violets festen Freund David. Ein Buch mit einem Mädchen in rotem Kleid auf dem Cover, das den Titel Everneath trug, verdeckte die untere Hälfte seines Gesichtes. Violets Bucheinkäufe stapelten sich gut einen Meter hoch und waren wie eine Mauer zwischen ihr und David.

Ich lächelte verträumt.

Die beiden waren ein absolut traumhaftes Paar, obwohl Violets Freund ziemlich gefühlskalt und wortkarg sein konnte. Obwohl in Davids Adern zur Hälfte das Blut seines Halbbruders Alex floss, war er viel stiller und weniger humorvoll als sein kleiner Bruder. Außerdem hatte er nicht so herrliche meerblaue Augen wie Alex, sondern grüne wie seine Freundin.

Das Wort traumhaft hatten sie sich verdient, weil sie wie zwei Puzzleteile perfekt zueinander passten.

Sie glichen ihre Unterschiede perfekt aus und hatten gleichzeitig sehr viele Gemeinsamkeiten, was ihnen eine Beziehung verschafft hatte, die meiner Meinung nach für den Rest ihres gemeinsamen Lebens halten würde.

»Du bist ziemlich aufgeregt.«

Violet stellte keine Frage. Sie spürte, wie Menschen sich fühlten, da sie einen ausgeprägten Empathie-Sinn hatte.

»Hey, was kann denn im schlimmsten Fall schon passieren?«

»Weißt du noch, als du Angst hattest, dass deine Freundinnen dich wegen deiner relationship mit David verstoßen würden?«

Violets Blick wurde trüb und sie nickte. Sie hatte sich wochenlang damit herumgequält, dass sie David liebte, ihre Freundinnen ihn aber hassten. Am Ende hatte es aber dennoch ein Happy End für sie alle gegeben.

»Sie könnten mich auch verstoßen.«

Violet wollte zu einer Aufmunterung ansetzen, aber Davids tiefe Stimme kam ihr zuvor. »Wenn sie deine Freunde sind, werden sie dir verzeihen. Selbst Alex hat mir verziehen, nach all dem, was ich ihm angetan habe. Du hast eine zweite Chance mehr als verdient, Natalie. Besonders, weil du nichts falsch gemacht hast. Wegrennen war keine Lösung, aber du sahst eben keinen anderen Ausweg.«

Ich nickte David im Rückspiegel dankbar zu.

Ich hoffte, dass die beiden Recht behalten würden.

Nachdem ich dem Taxifahrer ein wenig mehr Trinkgeld zugesteckt hatte, weil seine glasigen blauen Augen mich beinahe durchbohrt hatten, als ich ihm gerade einmal fünf Dollar zu viel gegeben hatte, zog ich mir die Kapuze meiner kurzärmeligen Weste tief ins Gesicht.

Die Paparazzi hatten zwar noch nicht Wind davon bekommen, dass Natalie Pearce wieder in New York war. Aber ich war mir sicher, dass es nur noch eine Frage von Stunden, wenn nicht von Minuten sein würde.

»Oooh!«, schwärmte Nell, ein kleines Mädchen mit zahlreichen bunten Strähnen im Haar und ebenfalls eine Freundin von mir. Sie drehte sich mit weit ausgestreckten Armen im Kreis. »Oooh! Ich habe Amerika so vermisst!«

Ihre Freunde staunten schweigend. Niemand außer mir, Nell und ihrem Freund Craig war vorher schon mal in diesem Land gewesen.

»Können wir reingehen?«, fragte ich.

Panisch blickte ich mich um. Die Paranoia hatte mich wieder einmal voll im Griff. Ich kaute nervös auf meiner Unterlippe, während ich die Leute, die an uns vorbeigingen, genau unter die Lupe nahm.

»Gruppenfoto?«, bettelte Nell.

Violet, die mein Unbehagen spürte, schüttelte den Kopf. »Du hast doch schon zehn.«

»Eigentlich sind es zwölf.«

Nell machte einen Schmollmund als wir uns, ohne ein Foto gemacht zu haben, in das Innere des Hotels verzogen.

Protz – war alles, was mir zu diesem Hotel einfiel. Im Eingangsbereich herrschte eine angenehme Stille, die nur bei teuren Hotels ohne Massentourismus zu finden war, obwohl wichtig aussehende Männer in schwarzen Anzügen und Frauen in teuren Business-Kostümen hier schnellen Schrittes und mit Headphones durch die Halle hetzten.

Unsere ganze Truppe bestand aus neun Personen, einem gefräßigen Frettchen und ungefähr fünfundzwanzig Koffern und Taschen.

Man konnte sich vorstellen, dass sich alle nach uns umdrehten. Besonders wenn man sich die Gruppe genauer ansah: Die Jungs trugen kurzärmelige Shirts, die ihre Tattoos an den Armen entblößten. Violets, Nells und meine außergewöhnlichen Haarfarben und Strähnen fielen nicht weniger auf. Serenas Freund Simon hatte Snakebites-Piercings und ich lief bei Sonnenschein mit einer Kapuze in einem 5-Sterne Hotel herum und trug außerdem eine Sonnenbrille mit blauen Gläsern. Ich fragte mich noch immer, warum so ein edles Hotel die Band hier wohnen ließ. Zu meiner Bandzeit hatte es zwar nie Sexorgien, Drogenorgien oder sonst irgendwelche ausschweifenden Partys gegeben, aber war das nicht ein allgemeines Vorurteil? Zudem war ich mir sicher, dass meine Jungs ab und zu ein paar Mädchen abschleppen und sich in der hoteleigenen Bar die Kante geben würden.

»Gebt mir dreißig minutes mit meinen Jungs alone«, bat ich sie, während wir uns zu neunt in einen Aufzug zwängten. »Ich will sie nicht gleich mit euch konfrontieren.«

»Schon gut«, meinte Serena, eine schlanke Blondine mit hüftlangem Haar. »Du musst sie seelisch darauf vorbereiten, dass sie Zoey kennenlernen. Serena wäre ja dafür, dass wir Informationsbroschüren für den Umgang mit einer Zoey drucken.«

Zoey knurrte laut. »Du bist echt so scheiße.«

Ich ließ meine Freundinnen inklusive ihrer männlichen Begleitungen im Gang stehen, während ich anfing, das Zimmer mit der Nummer 167 zu suchen. Gale hatte mir gesagt, dass die Jungs das größte Zimmer als Wohnraum benutzten.

Ich hatte die letzten sieben Monate in einer Jugendherberge und die letzten Wochen davon bei Violet verbracht.

Anfangs hatte ich mich von Fertiggerichten und Fast-Food ernährt, danach hatte ich die österreichische Küche genießen dürfen, Violets Süßigkeiten, die für Jahre gereicht hätten und weiterhin die Burger von McDonald’s, die anscheinend auf der ganzen Welt gleich schmeckten.

Als ich durch die weißen, leeren Gänge der siebten Etage schlich, kam ich mir wie in einem schlechten Horrorfilm vor: Hinter jeder Tür hätte ein Monster warten können – oder die Jungs.

Meine Jungs, die ich ohne Worte verlassen hatte, die ich im Stich gelassen hatte und die ich dennoch über alles liebte. Egal, ob wir nicht mal mehr richtige Freunde waren, ich hatte sie immer noch gern.

Plötzlich raschelte etwas unter meinen Füßen. Ich blickte auf meine einfachen Flip Flops herunter und sah, dass der rote Teppich über und über mit Pizzakartons, Schokoriegelverpackungen und Bierflaschen gepflastert war.

Je mehr Müll auf dem Boden lag, desto deutlicher nahm ich auch schnelle Gitarrenriffs war. Jemand spielte hier Gitarre. Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Ich war mir ziemlich sicher, dass es Brandon war.

Mein Herz war unglaublich schwer in meiner Brust und mein Mund ganz trocken, als ich vor einer weißen Tür mit der Nummer 167 stand. Brandon hatte einige Male versucht mich mit Mails oder Tweets zu erreichen, aber ich hatte seine Nachrichten ungelesen einfach gelöscht. Er war mein bester Freund, aber zugleich Teil der Welt, der ich eigentlich den Rücken hatte zukehren wollen. Er war einer der Gründe, warum ich wieder zurückgekommen war. Ich liebte Brandon einfach zu sehr.

Langsam öffnete ich die Tür. Drei Stimmen drangen sofort an meine Ohren: Nigel, Jack und natürlich Brandon.

»Gale hat ganz offensichtlich einen Vogel«, sagte Nigel. Sein leichter Akzent veranlasste meine Lippen sich zu einem Grinsen zu verziehen. Er kam aus Irland und wir hatten ihn immer wegen seiner Aussprache geärgert. In Österreich war ich jedoch diejenige mit komischem Akzent gewesen. »Wie sollen wir in drei Tagen auf Tour gehen, wenn …«

Als er abbrach, stöhnte ich leise wegen des Schmerzes in meiner Brust. Nigel und ich hatten uns immer gut verstanden. Er war ein netter Kerl, aber in den Wochen vor meinem Verschwinden hatte er wie Jack und Brandon immer häufiger einen draufgemacht.

»Du meinst, wenn Natalie immer noch wie vom Erdboden verschluckt ist?«

Jack war schon immer jemand gewesen, der seine Wut zurückhielt, aber in seinen Worten konnte ich sie wie einen Dolch in meinem Rücken spüren.

Plötzlich brach Brandons Gitarrenspiel ab. Ein freudiges Gefühl kam in mir auf, ich hatte seine Stimme in den letzten Monaten vermisst.

»Sie kommt nie wieder zurück.«

Ich keuchte erschrocken auf.

»Warum meldet sie sich denn sonst nicht?« Ein dumpfer Knall ertönte. Brandon musste wirklich wütend sein, wenn er seine Gitarre nicht wie das Kostbarste behandelte. »Wo auch immer sie ist, sie wird dort wohl bleiben. Ich hoffe nur, dass Gale eine gute Ersatz-Sängerin aufgetrieben hat, die ganz schön anzuschauen ist.«

»Du hast das mit dem Vögeln vergessen«, merkte Jack trocken an. »Die hoffentlich auch noch ganz schön zum Vögeln ist.«

Brandon lachte rau. »War das denn nicht allzu klar?«

Ich konnte mich nicht länger im Flur versteckt halten.

»Hallo Jungs.«

Meine Stimme klang erstaunlich stark dafür, dass meine Knie furchtbar schlotterten und ich mich an der Wand abstützen musste, um nicht umzukippen. Ich rang mich zu einem schwachen Lächeln durch.

Vier riesige, mit Klamotten bedeckte Sofas standen um einen Tisch herum, der über und über mit Bierflaschen, Zigarettenstummeln und Essensresten bedeckt war. Würden Alex und Zoey diesen Saustall sehen, dann war ich mir sicher, dass sie mit Müllsäcken und Zangen bewaffnet sofort aufräumen würden.

Beinahe zeitgleich drehten sich die Köpfe von Jack, Nigel und Brandon zu mir.

Ich sah Brandon besonders lange in die Augen. In den letzten Monaten hatte ich meine Eltern nicht vermisst, ihn aber umso mehr.

»Natalie«, formten Brandons Lippen ohne einen Laut.

Nigel fiel ein Stück Pizza aus dem Mund auf den Karton zurück.

Alle drei sahen unverändert aus: Jack hatte immer noch dieselben dunkelbraunen Haare und eine honigbraune Haut, die perfekt zu seinen schokoladenfarbenen Augen passte. Die Piercings in seinem Ohr glitzerten im Sonnenlicht, das durch die großen Fenster fiel. Nigel hingegen war nach wie vor extrem blass, hatte karottenfarbenes Haar und ein paar Sommersprossen unter den blauen Augen.

Und Brandon … war einfach Brandon.

Stumm starrten wir uns an.

Hin und wieder öffnete jemand den Mund, nur um kein Wort herauszubekommen.

Die ersten Worte kamen nicht von mir.

»Ronnie, komm her!« Zoey lief dem braunen Fellknäuel hinterher, aber es war viel schneller als sein

fluchendes Frauchen. »Ronnie!«

Blitzschnell war Brandon aufgesprungen und schnappte das geflüchtete Frettchen.

Mit einem schiefen Lächeln und dem Frettchen in den großen Händen kam er auf meine Freundin zu.

»Ich glaube, ich habe da etwas, das du willst«, raunte er Zoey mit verführerischer Stimme zu. »Du kannst es gerne wiederhaben, wenn ich im Gegenzug etwas dafür bekomme. So einen kleiner Finderlohn.«

Zoey rollte mit den Augen und antwortete auf Englisch. »Nein, ich will keinen Sex mit dir.« Brandon durfte wirklich froh sein, dass Zoey wegen der Tour immer noch überglücklich war und ihm nicht gleich mit ihren spitzen Nägeln die Augen ausstach. »Fass mich nur einmal an und ich erdrossle dich mit deiner Gitarrensaite.«

Brandon blinzelte meine Freundin verwirrt an. »Hast du mir gedroht?«

»Lass sie, Brandon«, warnte ich ihn. »Sie hat einen Freund.«

Irgendwie war ich unheimlich froh darüber, dass Zoey und Ronnie aufgetaucht waren, weil ich so nicht sofort erklären musste, wieso ich abgehauen war. »Sie ist die Sängerin der Band, die uns auf der Tour supportet. Ihre Todesdrohungen sind übrigens ernst zu nehmen. Äh, Zoey, holst du bitte kurz die anderen?«

Wenigstens konnte ich die nächsten zwei Stunden damit verbringen, alle einander vorzustellen.