ROCKSTARS. Band 1-3 in einer E-Box! (Die Rockstars-Serie) - Teresa Sporrer - E-Book
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ROCKSTARS. Band 1-3 in einer E-Box! (Die Rockstars-Serie) E-Book

Teresa Sporrer

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Beschreibung

ROCKSTARS: Sie sind umwerfend und verwegen, spielen wie die Götter und brechen einem viel zu leicht das Herz. Wenn es jedoch drei Mädchen gibt, die sie um den Finger wickeln können, dann sind das Zoey, Serena und Violet. Jede von ihnen erlebt ihre ganz eigene Geschichte mit einem Rockstar und auch wenn es schließlich immer eine Liebesgeschichte ist, so kommen vor den Höhen erst mal jede Menge Tiefen. Die E-Box mit einem EXTRA für Rockstar-Fans: Nach jedem Band ist eine handgeschriebene Lieblinssong-Liste der jeweiligen Protagonistin zu finden! //Diese E-Box zur Rockstar-Reihe enthält folgende 3 Romane: -- Verliebe dich nie in einen Rockstar (Die Rockstar-Reihe 1) -- Blind Date mit einem Rockstar (Die Rockstar-Reihe 2) -- Ein Rockstar kommt selten allein (Die Rockstar-Reihe 3)// Nicht genug Rockstar-Romantik? Hier gibt es noch weitere rockige Liebesgeschichten: -- Verliebe dich nie als Rockstar (Die Rockstar-Reihe 0)  -- Verliebe dich nie in einen Rockstar (Die Rockstar-Reihe 1)  -- Blind Date mit einem Rockstar (Die Rockstar-Reihe 2)  -- Ein Rockstar kommt selten allein (Die Rockstar-Reihe 3)  -- Rockstar weiblich sucht (Die Rockstar-Reihe 4)  -- Der Rockstar in meinem Bett (Die Rockstar-Reihe 5)  -- Rockstars bleiben nicht zum Frühstück (Die Rockstar-Reihe 6)  -- Rockstars küssen besser (Die Rockstar-Reihe 7)  -- Rockstars kennen kein Ende (Die Rockstar-Reihe 8)  -- Rock'n'Love (Ein Rockstar-Roman)  -- Liebe ist wie ein Rocksong (Die Rockstar-Reihe Spin-off) -- Alles begann mit einem Rocksong (Die Rockstar-Reihe Spin-off) -- Die MEGA Rockstars-E-Box: Band 1–8 der Bestseller-Reihe -- ROCKSTARS. Band 1–3 in einer E-Box -- Berührende Rocksong-Romantik im Sammelband (Die Rockstar-Reihe)//   Die Rockstar-Reihe ist abgeschlossen. Alle Bände der Reihe können unabhängig voneinander gelesen werden und haben ein abgeschlossenes Ende.

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Im.press Ein Imprint der CARLSEN Verlag GmbH © der Originalausgabe by CARLSEN Verlag GmbH, Hamburg 2013, 2014 Text © Teresa Sporrer, 2013, 2014 Redaktion: Katharina Kohlhaas Diese Einzelwerke wurden vermittelt durch die Agentur SCRIPTZZ, Waldesruher Str. 37, 12623 Berlin. Umschlagbild: Shutterstock.com / © nikkytok Umschlaggestaltung: formlabor Gestaltung E-Book-Template: Gunta Lauck Schrift: Alegreya, gestaltet von Juan Pablo del Peral

Für Babsi, Chris, Martina und Rexi,

PROLOG ODER ROCKSTARS SIND SCHWEINE

Ich erinnere mich noch ganz genau an den verfluchten Tag, an dem ich Alex zum ersten Mal traf. Denn obwohl wir beide seit zwei Jahren die gleiche Schule besucht hatten, war ich ihm noch nie wirklich begegnet. Ich hatte lediglich Gerüchte über ihn aufgeschnappt und Berichte von meinen Freundinnen gehört, die alle Fans seiner Musik waren.

Er glich einem Phantom, das nur dann zur Schule ging, wenn es wirklich sein musste. Alex Seidl, der Rockstar, der eine Schulausbildung nicht nötig hatte und nur zum Unterricht erschien, um angehimmelt zu werden.

Und nein, ich würde ihn auf keinen Fall mit seinem dummen Künstlernamen Acid ansprechen!

An dem schicksalhaften Tag war ich sechzehn geworden – ein heiliges Alter laut meiner drei besten Freundinnen Nell, Violet und Serena. Ich durfte nun endlich legal Bier und Wein trinken und die ganze Nacht in Clubs mit Alkoholleichen rumhängen.

Leider interessierten mich all diese neu gewonnenen Rechte kein bisschen. Ich trank fast nie und machte auch keine Nächte in solchen Clubs durch. Im krassen Gegenteil zu beinah achtzig Prozent meiner Altersgenossen, die ich nur mit abfälligen Blicken bedachte.

Nein, ich war auch keines dieser zugeknöpften und spießigen Mädchen, die lieber Mathe büffelten, als ihre freie Zeit in Clubs zu verbringen … Na gut, vielleicht hatte ich schon die ein oder andere Party mit einer ähnlichen Ausrede abgesagt, aber bei meinen Eltern konnte man nichts anderes erwarten: Mein Vater arbeitete als Anwalt und achtete darauf, dass keines seiner drei Kinder auch nur mit der Haarspitze auf die falsche Bahn geriet. Schon ein auffälliger Kleidungsstil oder ein Besuch in einem zwielichtigen Club bedeuteten bei ihm, auf die falsche Bahn abzurutschen. Bei meiner großen Schwester Ellen wurde dieses Programm hart durchgezogen, aber bereits bei meinem Bruder Ian verlief nicht mehr alles so glatt.

An meinem sechzehnten Geburtstag ging ich ausnahmsweise aus. Meine Eltern dachten, dass ich bei Violet zu Hause feierte, und da sie weder Violets Mutter noch ihren Stiefvater ausstehen konnten, würden sie auch nicht bei ihr anrufen. Eigentlich wollte ich an diesem Tag nichts machen, außer meine wohlverdiente Ruhe nach einer harten Prüfungswoche zu genießen. Meine Freundinnen aber hatten mich mit vereinten Kräften auf ein Konzert von einer Band aus der Gegend geschleppt, weil der Sänger – Alex – angeblich der pure Sex auf zwei Beinen war. Konzert konnte man den Auftritt in dem heruntergekommenen Club am Rande von Salzburg wohl kaum bezeichnen, ebenso wie man einen Typ wie Alex auch nicht als der pure Sex auf zwei Beinen bezeichnen konnte.

Natürlich wollte ich überhaupt nicht dorthin.

Musik interessierte mich nicht. Okay, ich wusste vorher zwar nicht genau, was für Musik gespielt würde, aber bei meinen verrückten Freundinnen war einfache Popmusik sicherlich nicht drin.

Jungs interessierten mich ebenfalls nicht die Spur. Manchmal fragte ich mich, warum Gott diese dauernotgeilen Wesen erschaffen hatte. Da ich keinerlei Antworten bekam, ging ich davon aus, dass es Gott nicht gab und Jungs im Grunde nur ein Fehler der Evolution waren.

Doch wieder zurück zu meinem ersten Treffen mit Alex.

Meine Freundinnen hatten es natürlich mit ihrer hypnoseähnlichen Überredungskunst geschafft, mich in diesen Club zu schleifen, obwohl ich ihnen versichert hatte, dass ich dort keinen Spaß haben würde. Den hatte ich dann auch wirklich nicht. Halb angetrunken und auf der Suche nach Frischfleisch, also heißen Jungs, wankten meine Freundinnen durch den dunklen Raum, der nur unzureichend von ein paar blauen und violetten Scheinwerfern beleuchtet wurde. Ich nippte währenddessen tröpfchenweise an meiner Cola und wartete darauf, dass der Abend endlich sein Ende fand. Mit einer halben Stunde Verspätung trottete Alex' Band YourDarkestDesire – offensichtlich ein richtig harter Name für eine Rockband – auf die Bühne. Schon als die selbstgetaufte Säure den ersten Schritt auf die Bühne machte, fasste ich den Entschluss, ihn nicht zu mögen. Schnell schnipste er seine Kippe in die Menge. Wirklich charmant war der Herr Möchtegern-Rockstar auch! Er wurde übrigens seinem Spitznamen sehr gerecht: dunkles, zotteliges Haar fiel ihm ungekämmt ins Gesicht. Auf seinen blassen Armen erkannte ich verschlungene Tattoos, die wie Armbänder aussahen. Außerdem hatte er sich ganz in Schwarz gehüllt: schwarzes T-Shirt, schwarze Jeans und tiefschwarze Schuhe.

Unbewusst schlängelte ich mich durch die umstehende Menge näher an die Bühne. Unter Alex' dunklen Haaren lagen blaue Augen, aber sie sahen wässrig und irgendwie krank aus. Wahrscheinlich schmiss er vor dem Konzert einen Haufen Drogen ein, um seine Nerven zu beruhigen. Vielleicht hätte er durch seinen schlanken, großen Körper richtig attraktiv – sogar sexy, wie ich ungern zugab – ausgesehen, aber ich stand nun mal nicht auf Typen, deren Jeans sich ungewöhnlich eng an den Körper schmiegen.

Als er den Kopf zu seinem zweiten Gitarristen drehte, erkannte ich auf seinem Hals einen fetten Knutschfleck, der sich schon dunkelviolett verfärbt hatte.

Eklig!, dachte ich und schwor dem nicht existierenden Gott, niemals in meinem Leben so etwas zu bekommen.

Alex raunte zwei Worte ins Mikrofon und die Menge flippte aus. Sie erwiderte seine Begrüßung mit einer Mischung aus Kreischen und Brüllen. Manche reckten sogar ihre Hände in die Luft.

Ohne ein weiteres Wort nickte Alex einem Jungen mit weißem Haar zu, der seine Finger flink über die Saiten einer schwarzen E-Gitarre gleiten ließ und so den ersten Song anstimmte.

Ich stand damals in der ersten Reihe, direkt neben den Boxen, deshalb brannten sich die Songs geradezu in mein Trommelfell. Ich wäre, nachdem meine Neugier auf das Phantom gestillt worden war, sofort wieder gegangen – hätte er nicht zu singen angefangen. Eines musste man Alex lassen: singen konnte er, auch wenn es für meine zarten Ohren viel zu laut war. Nur einen Augenblick lang faszinierte mich seine überraschend sanfte, aber auch starke Stimme und ließ meinen Körper ein wenig erzittern.

Diese kurze Faszination wurde zu meinem Verhängnis. Als ich vom Konzert heimkam, konnte ich wegen eines vorübergehenden Tinnitus nicht schlafen. Außerdem hörte ich immer wieder seine starke Stimme in meinen Kopf hallen. Die Folge davon war nicht einfach ein verschlafener Sonntag wie bei meinen Freundinnen. Bei der Hochzeit meiner großen Schwester Ellen am Tag nach dem Konzert fiel ich dem Pfarrer vor lauter Müdigkeit direkt in die Arme. Ich schlief komisch verrenkt auf einem unbequemen Teppich in der Kirche ein, bis mich mein großer Bruder Ian fassungslos fluchend aus dem Gotteshaus zerrte.

Das war es, was ich alles mit Alex verband: stickige Clubs mit Besoffenen, ohrenzerfetzend laute Musik und unglaubliche Demütigung. Und, das musste ich beschämt zugeben, eine äußerst wohlklingende Stimme, die sich in meinen Kopf gebrannt hatte.

1. KAPITEL

MEIN LEBEN, DIE FREAKSHOW

Fast zwei Jahre später

Während sich den meisten Schülern beim Anblick des Schulgebäudes der Magen augenblicklich umdrehte, zauberte er mir ein kleines Lächeln auf die Lippen. Völlig ausgeschlafen stand ich vor dem dunkelgrauen, dreistöckigen Gebäude, flankiert von zwei meiner besten Freundinnen. Links und rechts von mir trudelten Schüler mit hängenden Schultern und lustlosem Gemurmel ein. Nur hin und wieder strahlten ein paar ihrer Gesichter, als sie aufgeregt über ihre Ferienerlebnisse berichteten.

Heute begann ein neues Schuljahr.

»So eine Scheiße«, fluchte Violet neben mir. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sie die Hände vor dem violetten Trägertop verschränkte und die Mundwinkel nach unten verzog.

»Ich glaub, ich hab die Ferien echt versoffen!« Violet hieß eigentlich Samantha, aber aufgrund ihrer gefärbten violetten Haarpracht und ihrer Liebe zu Kleidung in derselben Farbe nannte sie seit der zehnten Klasse niemand mehr bei ihrem eigentlichen Namen.

»Serena will sterben«, stöhnte Serena. Es war ganz normal, dass sie in der dritten Person von sich sprach. Ich wusste nicht, ob sie es sich absichtlich angewöhnt hatte oder ob sie vielleicht unter einem kleinen psychischen Schaden litt. Als sie sich vor drei Jahren mit Violet, Nell und mir anfreundete, hatte sie diese Macke schon.

»Zum Glück ist es das vorletzte Jahr. Sonst würde Serena echt in Erwägung ziehen, von der Dachterrasse der Schule zu springen.«

Ich sah zu ihr auf. Sie maß mit ihren Einsfünfundsiebzig beinahe einen halben Kopf mehr als ich.

»Also, ich freue mich«, sagte ich und fiel damit wie so oft aus dem Rahmen.

Violet schüttelte den Kopf. »Du bist krank, psychisch krank. Irgendwann benennen sie mal eine Art von Schizophrenie nach dir.«

»Serena stimmt dir zu.« Sie nickte. »Keiner freut sich darauf, bis zu neun Stunden in der Schule zu sitzen und zu lernen, bis auf dich natürlich, Zoey.«

»Aber ganz vernünftig sind wir alle nicht mehr hier oben, oder?« Lächelnd tippte sich Violet an die Stirn. Damit spielte sie wohl auf ihren ausgeprägten empathischen Sinn oder auf ihre Obsessionen für schräge Musik und nicht minder schräge Filme an. Ich zuckte nur mit den Schultern und folgte ihnen in den Strom von unmotivierten Schülern in das Gebäude.

»Dein Lächeln ist wirklich, wirklich unheimlich.« Serena griff in ihre schwarze Umhängetasche, auf der irgendwelche skelettierten Tierchen abgebildet waren, und zog eine zusammenklappbare Bürste mit Handspiegel heraus, um sich ihre blonden Haare zu kämmen. Ein paar dunkelbraune Strähnen lugten unter den hellen Haaren hervor. Immer, wenn Serena nervös wurde, pflegte sie ihre Mähne. Vor einer Mathematikschularbeit konnte man einen Pullover aus den ganzen herausgekämmten Haaren basteln. »Serena könnte gerade kotzen.«

Als ich den vertrauten Geruch der Schule erschnupperte, wurde mir um einiges leichter ums Herz. Die Ferien waren wie immer langweilig gewesen und ich hatte mich richtig danach gesehnt, wieder in dem alten Gebäude zu sitzen und meine Zeit mit etwas Sinnvollem zu verbringen. Außerdem erfreute es meine Eltern nicht gerade, dass ich meine Freizeit mit solch speziellen Freundinnen verbrachte, obwohl alle drei wirklich in Ordnung waren!

Violet und Nell kannte ich schon seit der Volksschule, also schon unglaubliche zehn Jahre lang. Wären die beiden nicht mit einer Kiste Lego zu mir gekommen und hätten mich eine Viertelstunde angebettelt, mit ihnen zu spielen, ich hätte wahrscheinlich heute immer noch keine Freunde. Ich war keine einfache Person, wie meine Freundinnen immer betonten, wenn ich mich wieder über etwas aufregte.

Die Eingangshalle unserer Schule hatte sich nicht verändert: Die gelben Wände waren mit diversen Sprüchen beschmiert oder mit Stickern von Bands beklebt, wobei die meisten natürlich von YourDarkestDesire stammten. Den weißen Boden verunzierten Hunderte Schuhabdrücke und die Kletterpflanze an der Mauer neben dem schwarzen Brett vertrocknete in bedenklichem Braun vor sich hin.

Violet sah sich suchend in der hellen Halle um. »Wo ist eigentlich Ne…«

»Leute!« Nell stürmte so schnell auf uns zu, dass ihre bunten Strähnen nur so in alle Richtungen herumwirbelten. Die meisten Schüler drehten sich mit hochgezogenen Augenbrauen um und musterten sie teils besorgt, teils kopfschüttelnd. Gut, dass Nell solche Aufmerksamkeit und wir ihre Auftritte gewöhnt waren. »Ihr …«, als sie bei uns ankam, war sie völlig außer Atem, »… glaubt nie … wer … neu …«

»Atme einmal tief ein, Nell«, wies ich meine Freundin an, die sofort die Luft einsog, »und aus.« Wie bei einem abgestochenen Luftballon stieß sie die Luft schlagartig wieder aus. »Was ist denn passiert?«

»Also, ich habe gerade ein interessantes Gespräch zwischen ein paar Lehrern belauscht und dabei die Neuigkeit des Jahres herausgefunden«, strahlte sie mit den von Lipgloss glänzenden Lippen.

»Es wurde ein Heilmittel gegen Krebs gefunden?«, riet ich.

»Die Schule ist abgebrannt?«, fragte Serena, obwohl wir mitten im Schulgebäude standen.

»Hast du endlich bemerkt, dass du verrückt bist?«, meinte Violet sarkastisch. »Das ist nämlich nichts Neues.«

»Acid kommt in unsere Klasse!«

Während ich mir mit der flachen Hand gegen die Stirn schlug, quiekten Violet und Serena mit Nell um die Wette.

»Acid! Ich habe schon gehört, dass er wieder einmal die Zwölfte nicht geschafft hat, aber dass er ausgerechnet in unsere Klasse kommt! Das ist ja der Wahnsinn! Ich glaube, ich werde dieses Jahr keine einzige Minute dem Unterricht folgen können, außer, er wäre der Lehrer.« Violet fuchtelte mit den Händen herum. »Meine Gebete wurden endlich erhört. Es gibt doch ein fliegendes Spaghetti-Monster, ich wusste es!«

»Serena will ihn knuddeln und nie wieder loslassen«, fügte Alex' Fan Nummer Zwei hinzu. »Ich will ihn einfach als meinen Sexsklaven haben.« Nell strich sich ihr zwei Nummern zu großes Bandshirt zurecht. Ihre Liebe zu Musik ging so weit, dass sie ihren beneidenswerten kurvenreichen Körper unter Zelten versteckte. »Beim letzten Konzert habe ich sein Shirt gefangen. Glaubt ihr, er würde mich bemerken, wenn ich es morgen anziehe?«

Ich schnaubte.

Und dann schrien alle drei auf einmal: »Er ist so süß!«

»Ich hasse Alex«, sagte ich mit monotoner Stimme und erntete sofort die wütenden und empörten Blicke meiner Freundinnen.

»Acid kann doch nichts dafür, dass du vor zwei Jahren die Hochzeit deiner Schwester fast ruiniert hast«, sagte Serena. »Du blamierst dich generell oft.«

»Mache ich nicht«, murmelte ich beleidigt und funkelte meine Freundinnen böse an. »Wann habe ich mich denn bitte schön blamiert?«

»Zum Beispiel, als du im Religionsunterricht Breaking Dawn gelesen und dich dann aufgeregt hast, wie Vampire ohne fließendes Blut den Geschlechtsakt vollziehen können.« Violet klopfte mir auf die Schulter. »Ich habe noch nie jemanden gesehen, der sich so in Rage geredet hat.«

»Aber es stimmt doch«, knurrte ich. »Das ist biologisch gesehen völlig unmöglich. Vampire sind tot! Wie soll bitte dahin Blut fließen, wenn das Herz nicht mehr schlägt? Ich lese Twilight eh nur, weil mir die ganze Fehlersuche in den Büchern unglaublich viel Spaß macht.«

Ich hatte alle vier Bücher zu Hause und jede Seite sah so aus, als hätte ich einen roten Stift ermordet und seine Tinte wie Blut über den Text vergossen.

»Oh, wisst ihr noch, wie Zoey das erste Mal in Berührung mit Alk gekommen ist?«, fragte Nell in die Runde.

Ich grummelte. Noch immer kamen Leute auf mich zu und fragten mich, ob ich ihren Fußboden auch abschlecken würde.

»Na gut, ich blamiere mich recht oft«, gab ich zu. »Aber, und das will ich betonen, ich suche immer nach einem Schuldigen, da kam mir Alex eben recht. Außerdem ist er ein Arsch, das wisst ihr.«

Ich schaute in die Runde und sah, dass alle zaghaft nickten. Jeder kannte Alex' Frauengeschichten, wusste, dass es ihm eigentlich nur darum ging, eine aufzureißen, mit ihr zu schlafen, sie danach fallen zu lassen und sein dummes Spiel von vorn zu beginnen.

Doch die meisten Mädchen interessierte die Tatsache, dass es ihm nur um Sex ging, überhaupt nicht. Für sie wäre es sogar eine Ehre, eine seiner Gespielinnen zu werden.

»Aber er ist auch unglaublich heiß«, sagte Nell und erntete damit ein einstimmiges Nicken meiner Freundinnen.

Warum redete ich eigentlich noch mit ihnen darüber, dass Alex ein Arsch war? Sie würden niemals ihre Meinung über den

geliebten Rocker ändern, dem es nicht nur an so etwas wie Anstand mangelte, sondern in Anbetracht der Tatsache, dass er schon zum zweiten Mal die Zwölfte wiederholte, auch an Intelligenz.

Ich wollte noch etwas gegen Alex sagen, wurde aber von der tiefen Stimme des Direktors hinter mir unterbrochen. Im Gegensatz zu den restlichen Schülern, die sofort zu Steinstatuen erstarren würden, aus Angst, etwas verbrochen zu haben, drehte ich mich um und nickte ihm höflich zu.

»Zoey!« Ein Lächeln zeigte sich auf seinen Lippen. In seinem wettergegerbten Gesicht bildeten sich noch ein paar Falten mehr. »Wie geht es meiner Lieblingsenkelin?«

Mein Großvater, der Direktor der Schule, war ein weiterer Grund dafür, mich stets zusammenzureißen, was mir glücklicherweise nie schwerfiel. Ich war eine gute Schülerin und würde es auch bleiben, da ich keinen Bock darauf hatte, mein zukünftiges Leben mit einem miesen, unterbezahlten Job zu verbringen.

»Gut«, sagte ich knapp. »Ich habe die Schule vermisst.«

Meine Freundinnen begrüßten meinen Großvater höflich und sagten dann, dass sie schleunigst in die Klasse mussten, obwohl es erst in fünf Minuten läuten würde.

Als sie weg waren, verzog er ein wenig das Gesicht. »Bist du immer noch mit ihnen befreundet?«

Mein Großvater kannte die drei gut. Sie waren eher durchschnittliche Schülerinnen und besonders Nell und Violet fielen ihm wegen ihres Aussehens auf. Serena wurde einmal von unserem Schultherapeuten untersucht, der sie aber wieder gehen ließ, weil sie nur von ihren neuen Pumps mit schwarzen Schleifchen geschwärmt hatte. Zwei Stunden lang.

»Sie sind meine besten« – und einzigen, dachte ich – »Freundinnen, Opa!«

»Ja, aber ich will nicht, dass sie einen schlechten Einfluss auf dich haben, Zoey.« Er fuhr sich durch das schüttere graue Haar.

»Das haben sie nicht«, beruhigte ich ihn. »Ich habe mich äußerlich nicht verändert. Meine Noten sind seit Jahren auf dem gleichen Niveau und ich engagiere mich immer noch regelmäßig für die Schule«, rechtfertigte ich mich. Auf keinen Fall würde ich zulassen, dass mir jemand den Umgang mit meinen Freundinnen verbot. »Und jetzt muss ich auch los …«

Großvater nickte mir lächelnd zu. »Enttäusche mich nicht.«

Ich schüttelte den Kopf und stürmte schnell die Treppen zu meiner Klasse hinauf. Wie kam Großvater nur auf die Idee, dass ich ihn enttäuschen würde?

Kaum hatte ich meine Klasse erreicht, läutete es auch schon zur ersten Stunde. Ich sah mich suchend im Raum um, entdeckte Alex jedoch nirgendwo.

Vielleicht hat sich Nell getäuscht, dachte ich. Hoffentlich hat sie sich getäuscht! Ich ließ mich seufzend neben ihr auf den unbequemen Stuhl fallen, der sofort ein beunruhigendes Knarzen von sich gab.

Doch ich hatte mich zu früh gefreut. Mit einer Verspätung von nur fünfzehn Minuten trottete der schwarzhaarige Rocker in die Klasse, gefolgt von einer sehr böse dreinblickenden Mathelehrerin, die bedrohlich mit dem Zeigefinger wackelte.

»Und dass ich Sie nie wieder beim Rauchen im Flur erwische!«, keifte sie. »Wir können von Glück reden, dass Sie nicht den Feueralarm ausgelöst haben.«

Alex murrte eine leise Entschuldigung und verzog sich auf einen freien Platz – den rechten Tisch neben mir.

Nell bekam fast einen Herzinfarkt, sie atmete schwer. »Sieh ihn dir an! Sieh in dir an!«, flüsterte sie in mein linkes Ohr. »Ist er nicht noch heißer geworden?«, schwärmte sie mit rauer Stimme. »Diese Augen!«

Tatsächlich hatte sich Alex irgendwie verändert: Seine Haare fielen ihm zwar noch immer strähnig in die Stirn, teilweise sogar vor die Augen, aber sie waren nicht mehr schulterlang und sahen auch frisch gewaschen aus.

»Hmpf!«

Ich wandte den Blick wieder ab und achtete auf Frau Rainer, die ohne weitere Umschweife mit dem Stoff fortfuhr, mit dem sie letztes Jahr aufgehört hatte: Differenzialgleichungen.

Während die anderen Schüler nur das Gesicht verzogen, meldete ich mich und beantwortete fast alle Fragen, die sie uns stellte, rechnete zwei kurze Beispiele an der Tafel vor und schrieb als Einzige den Stoff ab. Entweder waren die anderen damit beschäftigt, mühsam die Augen offen zu halten, oder sie starrten lüstern den Rockstar an, der die meiste Zeit gelangweilt SMS tippte.

»Zoey!«, quiekte Nell. »Acid schaut zu uns rüber!«

Aus dem Augenwinkel erkannte ich, wie Alex' blaue Augen auf uns gerichtet waren – nein, sie waren nur auf mich gerichtet.

Wenigstens hat er nicht wieder einen Knutschfleck!, dachte ich, als mein Blick auf seinen fleckenfreien Hals fiel.

Nach fünfunddreißig Minuten verließ die Lehrerin kopfschüttelnd den Raum, weil einige eine Runde Schlaf ihrem Unterricht vorgezogen hatten.

»Hi!«

Ich war gerade dabei, mich auf eine Stunde Englisch vorzubereiten, als mich eine tiefe Stimme von der Seite anquatschte. Seit dem Konzert hatte ich diese Stimme nie vergessen können. Er hatte damals zwar nur ein paar Worte gesagt, bevor er zu singen angefangen hatte, aber das war genug, um den Klang wiederzuerkennen.

»Was willst du?«, knurrte ich.

Nell stieß mir in die Rippen. Im Gegensatz zu mir hätte sie ihn wohl vor allen Schülern angesprungen und ihm die Klamotten vom Leib gerissen, und jetzt war sie sauer, da ich ihrem Alex-Fanclub nicht beitreten wollte.

»Ich frage mich, ob du mir vielleicht Mathenachhilfe geben könntest.«

2. KAPITEL

HALLO, ICH BIN KALI UND SCHLAGE GERN JUNGS

Er blickte mich mit diesem dummen Gesichtsausdruck an – beinah konnte man ihn schon als Dackelblick bezeichnen, wären seine Augen nicht strahlend blau gewesen –, der wahrscheinlich Mitleid erregen oder mich zur Sklavin seiner Lust machen sollte. Da mir beide Optionen nicht besonders zusagten, wählte ich die dritte Möglichkeit.

»Nein«, sagte ich mit fester Stimme und blickte desinteressiert auf meine Nägel. Ich musste unbedingt mal wieder eine Schicht durchsichtigen Nagellack auftragen. »Und hör auf, mich anzuglotzen, als wär ich dein Frauchen! Ich streichele dir nicht über den Kopf und sage dir, dass du«, mit meinem Zeigefinger und meinem Mittelfinger formte ich Krähenfüßchen, »ja sooo ein braver Junge bist. Dieser dämliche Dackelblick zieht nicht bei mir.«

»Zoey!«, quiekte Nell atemlos. Ob es ihr wegen meiner schlagfertigen Antwort an Sauerstoff mangelte, oder ob es an Alex' angeblicher Sex auf zwei Beinen-Ausstrahlung lag, wusste ich nicht. Wahrscheinlich trugen beide Faktoren dazu bei, dass Nell keine Luft mehr bekam.

Alex starrte mich bestimmt seit zehn Sekunden an. Er musste sicherlich verdauen, dass ich ihm nicht gleich Gratisnachhilfe im Austausch gegen Sex angeboten hatte. Ach, Jungs waren so einfach gestrickte Wesen und so leicht zu durchschauen! Es glich einem Wunder, dass sie es überhaupt durch die Evolution bis in die heutige Zeit geschafft hatten, zu überleben. Männer – ganz besonders solche wie Alex – waren wie Wurmfortsätze. Niemand wusste, wozu es sie eigentlich gab. Die Sache mit der Fortpflanzung mal außer Acht gelassen.

Plötzlich fing Alex laut an zu lachen und zog zu meinem Missfallen damit die Blicke der ganzen Klasse auf uns.

»Zoey?« Er sprach meinen Namen langsam aus und schloss dabei kurz die Augen. Als er sie wieder öffnete, grinste er mich an. »Zoey, also … Wenn du mir hilfst, kann ich dir geben, was du willst.«

Ich war einen Augenblick lang sprachlos. Mir fehlten wegen seiner Unverschämtheit einfach die Worte. In jedem anderen Fall hätte ich ihn ignoriert, aber Alex Seidl hatte gerade den Bogen überspannt. »Ich. Bin. Nicht. Deine. Hure!«, stellte ich klar. »Such dir jemand anderen! Ach, verpiss dich einfach.«

»Beruhige dich«, bat mich Nell, doch ich hörte nicht auf meine beste Freundin.

Meinte dieser Typ, er könne jede haben? Wir lebten nicht mehr wie vor einigen hundert Jahren, als man eine Frau gegen eine Kuh eintauschen und Männer unzählige Mätressen haben konnten, als eine Frau im Gegensatz zu einem Mann nichts wert war und immer den Mund halten musste. Hatte Alex in Geschichte auch nicht aufgepasst?

»Weißt du überhaupt, wer ich bin?«, fragte Alex. Sein Grinsen war verschwunden, nun bildeten seine Lippen einen geraden Strich.

»Du bist der Typ, der schon zum dritten Mal die zwölfte Klasse besucht. Meinen herzlichsten Glückwunsch übrigens«, erwiderte ich unbeeindruckt. »Ich dachte, dass dreimaliges Klassenwiederholen bei uns eigentlich gar nicht möglich ist.«

Jetzt hatte ich es geschafft, Alex zu reizen. Seine Hand donnerte auf meinen Tisch. Dadurch gewann er wieder meine Aufmerksamkeit. »Ich bin Acid!«

»Kann ich mal deinen Ausweis sehen?«, fragte ich, unbeeindruckt von seinem kleinen Wutausbruch. Ihn wütend zu machen, war keine gute Idee gewesen, aber jetzt schon klein beizugeben, lag unter meiner Würde.

»Okay, lass das!« Auch Violet und Serena hatten sich in der umstehenden Menge eingefunden. »Sie ist so wahnsinnig!« Beide schüttelten den Kopf.

Obwohl Alex meine Bitte nicht verstand, zog er seine Brieftasche aus seiner Jeans und reichte mir seinen Schülerausweis. Ich nahm ihn entgegen und warf einen kurzen Blick darauf, ehe ich ihn ihm zurückgab.

»Hier steht eindeutig, dass du Alexander heißt. Nicht Acid. Ich weiß schon, dass du dir wie ein ganz großer Rockstar vorkommst, wenn du dich so nennst.«

»Sie meint das nicht so!« Nell hatte es endlich geschafft, ihren Mund aufzumachen.

Um zu verhindern, dass ich Alex noch mehr auf die Palme bringen konnte, versuchte sie, mir den Mund zuzuhalten. Ich schleckte über ihre Handfläche. Mit einem angewiderten Aufschrei zog sie ihre Hand zurück.

»Natürlich meine ich das so!«, sagte ich. »Ich nenn mich auch nicht Kaliumperoxodisulfat, nur um cool zu erscheinen.« Als ich in die Runde schaute, um von meinen Klassenkameraden Zustimmung zu ernten, starrten mich alle mit bleichen Gesichtern an. War hier jeder ein verdammter Fan von Alex? Serena und Violet klappten sogar die Kinnladen herunter. Stephanie und zwei Mädchen aus ihrer Clique blickten mich finster an. Sicherlich wollte die blonde Schönheit dieses Jahr nutzen, um Alex' Groupie zu werden. Selbst der männliche Teil meiner Klasse stand anscheinend hinter dem schwarzhaarigen Rockstar.

Vor meinem inneren Auge sah ich mich in einem Kleid aus dem achtzehnten Jahrhundert, umringt von meinen Klassenkameraden in ebenfalls passender Kleidung. Ich ging ganz langsam zur Guillotine, legte meinen Kopf nieder und sah, wie ein als Scharfrichter verkleideter Alex die Klinge herunterschnellen ließ. Er lachte.

Auch der Alex von heute, aus meiner Klasse, mit schwarzer Jeans und Vans T-Shirt, lachte. Völlig perplex starrte ich ihn an. Er schien sich nicht mehr einkriegen zu können, schlang seine Arme um den Bauch und warf den Kopf in den Nacken.

»Dann nenne ich dich ab heute Kali.« Nachdem er sich wieder beruhigt hatte, drehte er sich um und wandte sich den Schaulustigen zu. »Ist was?«, fuhr er sie unfreundlich an.

»Alex hat einen Spitznamen für dich!« Nell sah so aus, als wäre sie einem Ohnmachtsanfall wirklich sehr nah. »Kali. Ist doch süß.«

»Kali ist im Hinduismus die Göttin des Todes und der Zerstörung«, klärte ich meine Freundin auf. »Sie wird oft mit herausgestreckter Zunge, einem dritten Auge auf der Stirn, mehreren Armen und einem Rock aus abgeschlagenen Händen abgebildet. Und du findest das süß?«

Nell konnte nichts darauf erwidern, denn plötzlich stieß etwas mit einem lauten Knall gegen unseren Tisch und verschob ihn um mehrere Zentimeter nach links.

»Sorry, Mädels«, meinte Alex gelassen und setzte sich neben mich.

Kurz fragte ich mich, ob nicht jemand eine Eins vor die zwölfte Klasse gemalt hatte und ich noch in der zweiten Klasse saß. Alex hatte seinen Tisch an unseren geschoben, um neben mir sitzen zu können.

»Was soll das?«, fuhr ich ihn an. »Schieb deinen Tisch zurück!«

Ich versuchte, Alex' Tisch wieder an seinen Platz zu versetzen, doch der vermeintliche Rockstar lehnte sich mit seinem vollen Gewicht darauf, so dass ich ihn kaum verrücken konnte.

»Das, meine liebe Kali, nenne ich zu härteren Mitteln greifen.« Sein strahlend weißes Lächeln verriet, dass er ein fleißiger Zähneputzer sein musste, denn bei seiner Raucherei hatte ich eine Armee von gelben und verfaulten Zähnen erwartet. »Du gibst mir keine Nachhilfe? Okay. Glaub mir, ich kann dich so lange nerven, bis du mir das gibst, was ich will.«

»Bist du wirklich zwanzig?«, entgegnete ich. »Du hörst dich an wie vier. Wäääh, die böse Zoey gibt mir keine Nachhilfe, wääh. Ich muss sie nerven. Wääh, Zoey hat mir die Nase gebrochen! Letzteres ist übrigens eine Drohung.«

»Ich hab keine Angst vor einem Mädchen wie dir«, sagte Alex schulterzuckend. »Du kämpfst mit Worten, nicht mit deiner Faust.« Er griff nach meiner Hand, streckte meinen Arm und untersuchte mit Daumen und Zeigefinger meine Armmuskulatur. Seine Finger waren ganz rau und schwielig. »Nein, vor diesem dürren Ärmchen muss ich keine Angst haben.«

»Ach, fick dich!« Ich entriss ihm meinen Arm. Erst später kam ich auf die Idee, dass ich ihm dabei eine hätte reinhauen können. Na ja, nachher ist man immer schlauer, oder?

Nell neben mir zog scharf die Luft ein. »Zoey!«

Schon wieder konnte ich mir keinen Reim darauf machen, was Nell erneut zum Beinah-Hyperventilieren brachte: die Kraftausdrücke, die ich eigentlich nie gebrauchte, oder die Tatsache, dass ich Alex gerade wieder beleidigt hatte?

Ich konnte Nell nicht einmal nach dem Grund fragen, weil bereits unsere Englischlehrerin Frau – irgendein Name mit E – hereinstürmte. Im Gegensatz zur Mathematiklehrerin schien sie um einiges motivierter und lächelte ihre neuen Schüler an. Bis ihr Blick auf Alex fiel. Ihre grellrot geschminkten Lippen verzogen sich für kurze Zeit nach unten.

»Oh, Alex. Are you here again?«, fragte sie ihn.

»Sorry, Misses Esther. I'm only here, because I wanted to have you as teacher again this year.«

Mir wurde übel. Flirtete Alex gerade mit der Englischlehrerin, die dreimal so alt war wie er?

»Horny pervert«, flüsterte ich leise, aber Alex hörte es.

»Ich bin nur nett zu der Frau, die mich großgezogen hat«, sagte er.

Ich riss schockiert die Augen auf. »Was? Sie ist deine Mutter?«

»Nö.« Er lachte leise. »Ich mag es nur, wenn du so entsetzt schaust. Das betont deine braunen Augen und deine vollen Lippen wunderbar. Ist das auch dein Gesichtsausdruck beim Orgasmus?«

Als ich Alex endlich die Ohrfeige gab, kippte Nell neben mir ohnmächtig um.

3. KAPITEL

DAS PHANTOM DER KANALISATION

Die Schulkrankenschwester musterte Alex und mich, besonders aber die halb bewusstlose Nell, mit argwöhnischem Blick. Wir hatten Nell ganze drei Stockwerke runtergeschleppt. Sie murmelte leise: »Nein, nicht er …«, vor sich hin, aber ihr Geist schien abgedriftet zu sein.

»Was ist mit ihr?«, fragte die Schwester und setzte sich eine Brille mit dicken Gläsern auf. Mit den vergrößerten Augen sah sie aus wie eine dreidimensionale Manga-Figur. »Und was fehlt euch beiden?«

Während auf Alex' Wange ein hellrot leuchtender Fleck in Form meiner Hand prangte, war mein Gesicht komplett rot angelaufen. Frau Esther hatte mich vor der ganzen Klasse sprichwörtlich zur Sau gemacht und das nur, weil ich Alex zeigen wollte, dass ich mir seine dummen Bemerkungen nicht länger anhören würde.

Damit hatte die pazifistische Frau Esther einen schlechten ersten Eindruck von mir erhalten. Ich vermisste meinen sadistischen Sportlehrer, der es liebte, wenn jemand einen Völkerball ins Gesicht bekam.

Geschadet hatte Alex die Ohrfeige nicht: Seit uns die Lehrerin vor fünf Minuten mit Nell zum Schularzt geschickt hatte, war Alex tatsächlich nett gewesen. Er hatte zwar kein einziges Wort zu mir gesagt, aber das fasste ich als Verbesserung auf.

»Meiner Freundin ist … ähm, schlecht«, erklärte ich. »Sie hat gestern nichts gegessen und jetzt ist sie einfach im Unterricht umgekippt.«

Die Schulschwester nickte und trat zur Seite, um Nell und mich in das strahlend weiße Zimmer zu lassen. Zum Glück war ich es schon gewöhnt, Nells Fliegengewicht von einer Bar, einem Jungen, der sie eigentlich loswerden wollte, DVDs im Sonderangebot oder Ähnlichem wegzuziehen, wenn sie entweder total betrunken oder im Kaufrausch war. Sorgsam versuchte ich, ihren bewusstlosen Körper auf eine weiche, hellbraune Liege zu hieven. Nach einer Minute lag sie seltsam verrenkt darauf. Ich hörte noch, wie Alex der älteren Dame unverblümt erzählte, dass ich ihm eine kräftige Ohrfeige verpasst hatte.

»Poste doch gleich auf Facebook und Twitter, dass ein Mädchen dich geschlagen hat«, sagte ich, als er auf der gegenüberstehenden Liege Platz nahm. »Oder noch besser, schreib einen beschissenen Song darüber!«

Ich hatte in den beinah achtzehn Jahren meines jungen Lebens stets darauf geachtet, in geringem Ausmaß zu fluchen, doch Alex brachte eine Seite von mir zum Vorschein, die ich so gut wie nie an die Oberfläche ließ. Der Grund, nicht fluchen zu wollen, war, dass ich mir dadurch mein eigentlich tadelloses Verhalten nicht versauen wollte.

»Gute Idee.« Alex schenkte mir ein breites Lächeln. »She's beautiful, but she's cold as ice and I'm still hangin' on. Der Song passt zu dir, Kali. Kennst du die Band?«

Hatte mich Alex gerade schön genannt? Und noch wichtiger, hatte er mich gerade als kalt wie Eis bezeichnet?

»Nö«, verneinte ich. »Ich höre fast nie Musik. Und erst recht nicht diese dummen Charts.«

Ein schockierter Ausdruck stahl sich in Alex' Miene. Jetzt musste ich mich unwillkürlich fragen, ob das sein Orgasmus-Gesicht war.

»Nicht? Mann, muss dein Leben armselig sein. Und …«, sein Blick wurde kurz finster, »… All Time Low ist nicht in den Charts. Sehe ich etwa so aus, als würde ich Charts hören?«

Ich schloss kurz die Augen, um seine Beleidigung zu verdauen. Mein Leben war verdammt noch mal nicht armselig!

»Weißt du, was armselig ist? Es ist armselig, zum dritten Mal in der Zwölften zu sein!« Ich beugte mich ein Stück weiter nach vorn. Alex tat es mir gleich, so dass unsere Gesichter sich beinah berührten. »Es ist armselig, ein …«

Ich wollte ihn weiter beschimpfen, aber sein warmer Atem strich über meine Wange. Unsere Lippen waren nur ein paar Zentimeter voneinander entfernt. Waren wir in einem billigen Kitschroman gelandet?

Ich war mir sicher, dass Alex das Gleiche dachte.

»AUS!«, brüllte der aus dem Nichts auftauchende Schularzt. Er zog den grünen Vorhang zwischen mir und Alex zu.

»Zoey! Ich bin enttäuscht von dir.«

Schuldbewusst blickte ich zu Boden. Doktor Schmitt war ein Freund meines Großvaters. Er wusste also genau, dass ich sonst ein ganz anderes Benehmen an den Tag legte.

»Ich auch von mir«, gab ich zu. Wie immer, wenn ich mich schuldig fühle, spielte ich mit meinen schwarzen Haarsträhnen. »Es ist einfach mit mir durchgegangen.«

Doktor Schmitt nickte und wendete sich dann Nell zu. »Warum ist sie ohnmächtig geworden? Doch nicht nur, weil sie euren … Streit beobachtet hat?«

Ich konnte nur mit den Schultern zucken.

Doktor Schmitt leuchtete mit einer dieser speziellen Lampen in Nells Augen, die sofort eine nicht gerade nette Beleidigung grummelte. Es hatte etwas mit seiner Mutter zu tun, die angeblich einen unschönen Beruf ausübte.

»Lass sie sich hier noch ein wenig ausruhen, dann geht es ihr bald besser.« Er seufzte. »Und sie sollte sich eine gepflegtere Umgangssprache angewöhnen.«

Tatsächlich flatterten Nells Augen, kaum hatte sich Doktor Schmitt Alex zugewendet. »Zoey?«, fragte sie. Endlich kam sie wieder zu Bewusstsein. »Wo bin ich?«

Sie sah sich hektisch im Raum um, kam aber nicht darauf, dass die medizinischen Polster, die Liegen und die weißen Schränke nur auf eines hindeuten konnten.

»Krankenzimmer«, antwortete ich.

»Warum?«, fragte sie. Sie griff sich an den Kopf. »Bin ich schon wieder über das Reck gestolpert und gegen den Kasten geknallt?«

»Ich hab Alex eine reingehauen«, antwortete ich nüchtern und betrachtete meine Hand. Ich war noch nie handgreiflich geworden, aber bei Alex' Verhalten war mir einfach die Sicherung durchgebrannt. »Und du bist einfach umgekippt.«

»Geht es dir gut?«, fragte Nell gleich. Dafür liebte ich sie: Ich hatte Alex zwar geschlagen, aber sie war besorgt um mich. Unsere Freundschaft war eben doch stärker als ihre Besessenheit von Alex. »Und warum eigentlich?«

»Solange Doktor Schmitt die ärztliche Schweigepflicht einhält, geht es mir gut.« Ich hatte absichtlich das mit der Schweigepflicht betont und bekam prompt ein Natürlich als Antwort von unserem Arzt. »Ich habe Alex eine geknallt.«

»Ich kann euch drei hoffentlich allein lassen«, sagte Doktor Schmitt zu mir. Er packte seine Tasche. »Ein paar Lehrer haben sich den Magen mit billigem, sprich abgelaufenem Kuchen verdorben und jammern mich voll. Wird wohl Zeit, ein wenig den Placebo–Effekt auszunutzen.«

»Sie können sich auf mich verlassen«, war meine prompte Antwort. Ein typischer Zoey-Kramer-Satz. Man konnte sich auf mich verlassen, ich würde alles für die anderen tun, bla, bla, bla. Zum Glück hatte ich kein besonderes Privatleben, das darunter hätte leiden können.

»Wie geht es Acid?«, fragte Nell.

Ich zog den grünen Vorhang zur Seite. Alex lag auf der anderen Liege, einen dunkelblauen Kühlbeutel auf die schmerzende Wange gedrückt.

»Er wird für immer entstellt sein«, bemerkte ich. »Sieh ihn dir an. Keine Frau wird jemals wieder auf ihn stehen. Er wird in der Kanalisation herumgeistern und auf seiner Orgel herumklimpern, auf der Suche nach einer Frau, die ihn trotz dieses Aussehens liebt.«

»Haha.« Alex verzog die Lippen nach unten. »Ich wende mich gleich an meinen Anwalt.«

»Ruh dich doch noch ein wenig aus«, sagte ich zu Nell.

Meine beste Freundin nickte und schlief prompt wieder ein.

Ich rutschte von Nells Liege hinunter und ging ein paar Schritte auf Alex zu. Da er die Füße angezogen hatte, nahm ich auf seiner Liege Platz und zog den Vorhang wieder vor. Er diente mir in erster Linie dazu, dass niemand sah, dass ich bei Alex saß. Ich hasste Gerede und ich hasste Alex, daraus ergab sich, dass Gerede über mich und Alex einem Hass-Super-GAU glich.

»Bist du hier, um dich zu entschuldigen, Kali?«, fragte Alex. Obwohl der blaue Beutel einen Großteil seines Mundes verdeckte, erkannte ich ein eindeutiges Grinsen.

»Du solltest dich entschuldigen!«, keifte ich ihn an. »Wenn du dich nicht wie ein notgeiler Macho aufgeführt hättest, hätte ich es bei den verbalen Beleidigungen belassen. Aber nein, der Herr musste unbedingt diesen … unflätigen Spruch rauslassen!«

»Unflätig!«, kicherte Alex. »Es war eine Frage«, verteidigte er sich schwach. »Wie soll ich wissen, dass du dich wie eine zickige, alte Jungfer aufführst!«

Bei dem Wort Jungfer zuckte ich kaum merklich zusammen. War das in der heutigen Zeit etwa eine Beleidigung?

»So bin ich halt«, warnte ich Alex vor. »Besonders bei Jungs, wie du einer bist, Alex.«

»Acid«, verbesserte er mich, worauf ich ihn wie eine Königskobra anzischte.

Zu meiner Rettung klingelte die Schulglocke. Da am ersten Tag nur zwei Schulstunden anstanden und dann Gottesdienst, den man nicht zwingend besuchen musste, nutzte ich die Gelegenheit zu flüchten.

»Nell und ich gehen jetzt nach Hause.« Ich zog den Vorhang so ruckartig zur Seite, dass mir meine beste Freundin direkt in die Arme fiel. Da hatte anscheinend jemand gelauscht.

Ohne ein weiteres Wort schleifte ich sie aus der Krankenstation. Ich hatte den heutigen Schultag überstanden. Aber wie sollte ich es schaffen, wenn morgen ganze zehn Stunden mit Alex auf dem Plan standen? Noch schlimmer: Wie sollte ich ein ganzes Schuljahr mit Alex überleben, ohne in der Klapsmühle oder im Gefängnis zu landen?

Bevor ich nach diesem anstrengenden ersten Schultag schon um neun Uhr halbtot in mein kuscheliges Bett fiel, checkte ich noch meine Facebook–Chronik. Und tatsächlich: Alex, der sich auch dort Acid – Die Säure nannte, hatte mich geaddet. Da ich wusste, dass er mich sowieso nur nerven würde, nahm ich seine Freundschaftseinladung an.

Aus reiner Neugier klickte ich mich durch sein Profil.

Dabei ertappte ich mich, wie ich zwei Minuten lang ein Bild anstarrte, auf dem er splitterfasernackt, nur mit einer Gitarre, die seine intimste Zone und einen Großteil seines Oberkörpers abdeckte, abgebildet war. Wusste er nicht, dass solche Bilder keinen guten Eindruck bei seinen zukünftigen Arbeitgebern hinterlassen würden?

Kaum vier Minuten später entdeckte ich, dass mir Alex ein Video auf die Pinnwand gepostet hatte.

»Lass es kein Porno- oder Tokio Hotel-Video sein«, bat ich. »Bitte!«

Zu meiner Erleichterung hieß das Lied That Girl und war von einer Band, die sich All Time Low nennt. Ich zögerte kurz, klickte das Video dann aber doch an … und war positiv überrascht. Bis ich die Lyric-Zeilen erkannte, die mir Alex heute vorgesungen hatte.

Die Nachricht, die Alex dazugeschrieben hatte, ließ mir einen Schauer über den Rücken laufen.

Gefällt es dir, Kali? Ich werde dir jeden Tag einen Song schicken. Es gibt so viele Lieder, die perfekt zu dir passen, meine kleine zickige Kriegsgöttin. Der Name passt zu dir! Schlaf gut und träume von mir ;D

Irgendwie schafften es allein Alex' Worte, mir völlig die Kraft zu rauben. Als ich mit schwachen Gliedern unter die Bettdecke schlüpfte, hörte ich die ganze Zeit den Song in meinem Kopf.

That girl, that girl, she's such a bitch

But I tell myself I can handle it

4. KAPITEL

PHYSIK FÜR ROCKSTARS

»Da ist sie!«

Kaum stand ich mit einem halben Fuß in der Klasse, rannten meine drei Freundinnen auf mich zu. Serena und Violet packten mich jeweils an einem Arm und zogen mich prompt wieder aus dem Klassenraum.

Da wegen Alex' blödem Song nicht gerade ein erholsamer Schlaf hinter mir lag, umrahmten dunkle Schatten meine Augen. Mein Körper fühlte sich an wie Wackelpudding, meine Knochen wie Stäbchen.

»Serena will wissen, was zwischen dir und Acid passiert ist«, sagte Serena. Sie hatte die Arme in die Hüfte gestemmt und blickte mich mit den gleichen großen Augen an wie Nell und Violet. »Nell sagt, dass du gestern mit ihm hinter einem Vorhang gesessen hast! Hast du mit ihm rumgemacht?«

»Noch mal von vorn, bitte«, entgegnete ich und nahm mein vorher noch nie gebrauchtes Headset aus den Ohren. »Ich hab Musik gehört. Hast du gefragt, ob ich mit Alex rumgemacht habe? Oder ob ich ihn dumm gemacht habe? Zweiteres ist nämlich unlogisch, weil er schon immer dumm war.«

Ich gähnte herzhaft und als ich die Augen wieder aufschlug, waren meine drei Freundinnen bereits bedrohlich nah an mich herangerückt.

»Du hörst doch nie Musik«, warf Violet ein. Sie blickte zu Serena. »Auf was lässt uns dieses unnormale Verhalten schließen, werteste Freundin?«

»Das ist Acids Schuld, oder?«, kombinierte diese folgerichtig.

»Leute, unsere liebe Zoey steht doch überhaupt nicht auf ihn«, warf Nell ein und legte mir ihren Arm auf die Schulter.

»Genau«, stimmte ich ihr zu und nickte dabei nachdrücklich.

Ich hasste Alex immer noch genauso wie vorher, wahrscheinlich sogar noch mehr, jetzt, da sein Macho–Getue auch mich betraf, aber – und das war ein fast unsichtbar kleines Aber – die Band, die er mir gestern gezeigt hatte, wirkte extrem süchtig machend. Normalerweise hatte ich einen Song – den Standardalarm von meinem Handy – auf meinem Mobiltelefon, aber jetzt zählten alle Alben dieser großartigen, laut Wikipedia, Pop–Punk-Band zu meiner Musiksammlung.

»Aber das wird sich noch ändern«, beendete Nell ihren Satz.

»Was?!«, schrie ich so laut und schrill, dass der neue Lehrer, der an uns vorbeigegangen war, seine Bücher vor Schreck fallen ließ. Ich achtete kaum auf den armen Kerl, der seine ganzen Sachen wieder richtete und mit einem bösen Blick auf unsere Gruppe in seine Klasse hastete. »Wie soll ich auf so einen Kerl stehen? Er ist überhaupt nicht mein Geschmack!«

»Du hast doch gar keinen Geschmack bei Jungs«, meinte Serena. »Manchmal denkt Serena sogar, dass du asexueller als der Papst bist.«

»Erinnert ihr euch an den Typen, der für Zoey extra sein Shirt ausgezogen hat?« Nell seufzte. »Wenn mich einmal so ein Typ anmachen würde, würde ich schneller schmelzen als ein Eis, das von einem heißen Typen abgeleckt wird.«

»Der hat mich doch nicht angemacht …«

Die Geschichte war wirklich nicht der Rede wert. Ich hatte mit den dreien eine Outdoor-Party besucht. Der Veranstalter war genauso eine Leuchte gewesen wie Alex und hatte nicht auf den Wetterbericht gehört. Das Ende der Geschichte war, dass alle Anwesenden bis auf die Unterwäsche durchnässt wurden. Irgendein betrunkener Typ hatte sich dann sein Shirt ausgezogen und es mir gegeben. Nur blöd, dass sein Shirt noch nasser gewesen war als meine Klamotten.

»Er hat mir sein nasses Shirt gegeben«, grummelte ich. »Mein Herz hat weder etwas für einen intelligenten, einfühlsamen Typ noch für Alex was übrig.«

Ich war der festen Überzeugung, dass es draußen vielleicht diesen einen Typen gab; ich hatte sogar so etwas wie einen physikalischen Beweis: Das Positron war ein positiv geladenes Elektron, ein Anti-Teilchen, zu dem es immer ein negativ geladenes Gegenstück gibt. Alex war ein vollkommenes Arschloch und vereinte all das, was ich hasste. in einem Körper. Deshalb musste da draußen sein Anti-Teilchen herumrennen – also der perfekte Mann für mich.

Nell, Violet und Serena verstanden zwar meine Logik nicht, aber Hauptsache ich wusste, wovon ich sprach.

»Bad–Boy ist viel besser«, sagte Nell und erhielt natürlich gleich Zustimmung.

»Emo–Russen sind auch toll oder platinblonde Norweger mit eisblauen Augen!« Violet seufzte. »Hammergeil!«

»Serena steht auf dunkle, unergründliche braune Augen.« Sie seufzte. »Oder auf smaragdgrüne«, fügte sie mit harter Stimme hinzu.

Sofort artete das Gespräch aus. Von einer Befragung der gestrigen Geschehnisse war es zu einer Umfrage über die beste Sorte von Jungs mutiert.

Als ich meinen Freundinnen so zuhörte, war ich mir sicher, dass sie in naher Zukunft einmal Jungs über eine Internetseite verkaufen würden. Dort könnte man sich dann Haar- und Augenfarbe, Herkunftsland und natürlich Charaktereigenschaften aussuchen. Wahrscheinlich würde ich ihre beste Kundin werden, weil mich meine dreißig Hauskatzen um den Verstand brachten – falls ich mich jemals für Jungs interessieren würde.

Ich war mehr als erleichtert, als es endlich klingelte. Ich wandte mich ab und rannte prompt gegen Alex.

»Aua!« Meine Nase war mit voller Wucht gegen seine harte Brust geknallt. Ich stieß mich von ihm ab. »Pass gefälligst auf!«

»Du könntest auch mal aufpassen, Kali! Das ist ein Asking Alexandria-Shirt, von dem Sänger der Band höchstpersönlich signiert«, knurrte er, aber sofort umspielte wieder dieses schiefe Grinsen, das sicher schon vielen Mädchen das Herz gekostet hatte, seine Lippen. »Obwohl ich ja mit dir gern Körperkontakt habe.«

Von meinen drei Freundinnen hinter mir kam wie im Chor ein hohes »Oh-ho!«

»Das ist doch kein Körperkontakt.« Ich konterte seine dummen Sprüche. Er wollte mich scharfmachen? Dann würde ich ihn wieder entschärfen. »Ach Alex, das sind alles geplante Mordanschläge.«

»Kiss me, kill me, your kiss is torture, but killing me would be too easy«, rezitierte er irgendeinen mir unbekannten Songtext. »Kiss Me, Kill Me von der Band Mest, die du sicherlich nicht kennst. Hm, ich frage mich, ob du beim Küssen beißt und wie eine Schlange dein Gift versprühst.« Blitzschnell beugte er sich vor und strich mir mit dem Zeigefinger über die Lippen. Ich schnappte wie ein Hund nach ihm, leider zu spät, denn er hatte die Finger schon zurückgezogen. »Vielleicht küsst du auch sanft oder leidenschaftlich. Ach Kali, ich würde es nur allzu gern erfahren!«

»Tja, das wirst du weder in diesem oder im nächsten noch im übernächsten Leben herausfinden.« Bevor die Wirtschaftslehrerin kam, drehte ich mich von Alex weg und marschierte erhobenen Hauptes in die Klasse. Meine Mitschüler standen alle an der Tür, um mich und den Lustmolch – oh, ich vergaß, er war ja ein Rockstar! – zu beobachten.

»Ich freu mich schon auf mein überübernächstes Leben!«

Ich war heilfroh, in der Klasse zu sein, bis mir wieder einfiel, dass Alex einen Sonderplatz neben mir hatte. Wenn er mich weiterhin nerven würde, würde er sehr schnell sein erstes Leben lassen.

Als wäre Alex' pure Anwesenheit nicht schon Pein genug, standen zwei Stunden Folter, getarnt als Sportunterricht, im Stundenplan.

Und wie begann unser sadistischer Sportlehrer am liebsten das neue Schuljahr? Mit einer tollen Runde gemischtem Fußball, wobei er Alex und mich als Auswechselspieler vorerst auf die Bank setzte.

»Fragst du nicht, wie es mir nach deiner Ohrfeigenattacke geht?«, fragte Alex.

Er streckte seine langen Beine aus. Auf seinem rechten Knöchel erkannte ich eindeutig ein Totenkopf-Tattoo, aus dessen rechter Augenhöhle eine Schlange kroch … Mann, er war ja ein echt harter Rocker. Ich fragte mich, ob er demnächst auf einem seiner Konzerte ganz wie der eine Musiker, dessen Name mir gerade nicht einfiel, einer Fledermaus den Kopf abbeißen würde.

»Nein.« Ich schwieg für eine Minute. »Tut es denn noch weh? Weil, wenn du jetzt noch Schmerzen hast, würde ich mir an deiner Stelle ernsthaft Gedanken über deine körperliche Verfassung machen.«

»Mir geht es wieder gut, danke der Nachfrage.« Ich drehte nur kurz meinen Kopf zu Alex und sah, dass ein breites Lächeln auf seinen Lippen lag. »Ich hoffe, deiner Freundin geht es auch wieder gut. Gibst du mir Nachhilfe?«

Der wirklich abrupte Themenwechsel ließ meine Augenbraue nach oben schnellen. Trotzdem fiel ich nicht auf den äußerst plumpen Trick rein. »Nein.«

»Hmm, einen neuen Versuch war es wert.«

Ich sah meiner Klasse uninteressiert beim Fußballspielen zu. Nur Männer konnten auf so eine dumme Sportart kommen! Es war total interessant, zweiundzwanzig Leuten dabei zuzusehen, wie sie einem Ball hinterherrannten … oder es wenigstens probierten. Unsere Klassenzicken fingen an, wie Meerschweinchen zu quieken, sobald der Ball nur auf sie zurollte. Nell, Violet und Serena tratschten miteinander, sobald der Lehrer nicht hinsah. Und die richtigen Fußballer ließen ihre Köpfe aneinanderknallen, sobald sie ein Tor geschossen hatten. War das typische High five etwa out?

Gerade als ich dachte, dass es nicht mehr schlimmer kommen könnte, tänzelte Stephanie in ihrem bauchfreien Top und ihren rosa Hot-Pants, die den Lehrer so ablenkten, dass er vergaß, Stephanie auf die Kleiderordnung der Schule hinzuweisen, auf Alex und mich zu.

»Mir tut der Knöchel weh.« Sie verzog ihre Mundwinkel nach unten. Komisch, gerade eben war sie noch auf Alex zugeeilt wie eine zweibeinige, hungrige Katze auf eine Maus. Keine Spur von den ach so großen Schmerzen. »Zoey, kannst du mal eine Zeit lang für mich spielen?«

Grummelnd verließ ich die Bank und stellte mich zu meinen Freundinnen, um über Stephanie zu lästern. Eigentlich mochte ich Lästereien nicht, aber hey, sie hatte es verdient!

Als ich den beiden Auswechselspielern zehn Minuten später einen Blick zuwarf, hätte ich erwartet, dass sie einander die Zungen in die Kehlen steckten, aber Alex fokussierte seine Handflächen, während Stephanie ihn zuplapperte. Sein gequälter Gesichtsausdruck war mir komischerweise eine zu geringe Genugtuung.

5. KAPITEL

WHO YOU GONNA CALL? – ÄHM, DIE FEUERWEHR?

Mein Blick haftete auf gefährlichen Chemikalien mit aufgedruckten Totenköpfen als Warnhinweis. Herr Maier, mein Chemielehrer, war schon so alt, dass man leicht denken könnte, er habe noch mit den Alchemisten versucht, Steine in Gold zu verwandeln. Würde er merken, wenn eine dieser Flaschen und ich fehlten, aber stattdessen ein toter Alex in der Klasse hocken würde? Ich meine, Alex tat so oder so nichts, das seine geistige Anwesenheit bezeugen würde.

Sehr wahrscheinlich, Zoey, gab ich mir selbst die Antwort. Außerdem würdest du dann in Chemie eine schlechte Note kassieren und einen Klassenbucheintrag bekommen, weil du einen Mitschüler aus niederen Beweggründen getötet hast.

»Es wäre Notwehr«, flüsterte ich mir selbst zu. »Kein Gericht der Welt würde mich verurteilen.«

Wir hatten die Aufgabe bekommen, Alkohol mit Schwefelsäure zu dehydratisieren. Ich, eine brave Schülerin, machte genau das, was mir der Lehrer aufgetragen hatte, während Alex die ganze Stunde lang SMS verschickte. Ich war es gewohnt, dass Mädchen so ein Verhalten an den Tag legten, aber erwachsene Jungs? Ich fragte mich, was ich wohl in meinem letzten Leben verbrochen hatte, dass ich zu seiner Laborpartnerin auserkoren wurde. Die letzten Jahre hatte ich mit Serena zusammengearbeitet, doch ausgerechnet dieses Jahr musste Herr Maier die Paare neu mischen.

»Gibst du mir Nachhilfe?«, fragte Alex, nachdem er seine SMS-Schreiberei beendet hatte.

»Nein.«

»Gibst du mir jetzt Nachhilfe?«

»Nein.«

»Gibst du mir demnächst Nachhilfe?«

»NEIN!«, schrie ich und stand kurz davor, Alex mit einem Glas den Mund zu stopfen. Meine Stimme war so laut und schrill, dass ich dachte, die Reagenzgläser würden der Reihe nach zersplittern.

Alex neben mir hatte das Gesicht wegen meines Schreies verzogen. »Wenn du beim Or…«

»Wenn du jetzt das Wort Orgasmus in den Mund nimmst, schütte ich dir Schwefelsäure ins Gesicht!«, drohte ich ihm.

»Hier ist doch nirgends Schwefelsäure.«

Ich drehte ein kleines Gläschen mit farbloser Flüssigkeit zu ihm. »Das orange Zeichen mit der Hand heißt, dass du am besten damit in Berührung kommen solltest. Ist ein gutes Gesichtswasser, willst du mal probieren?«

»Kali, ich bin nicht dumm.« Seine Mundwinkel wanderten nach unten. »Ich weiß, dass Schwefelsäure ätzend ist.«

Ich zog eine Augenbraue hoch, während ich versuchte, mit dem Gasbrenner klarzukommen. »Uh, wirklich? Ich dachte, dass dein Hirn aus einem faulen Hamster besteht, der in einem Laufrad laufen sollte, aber stattdessen in Alkohol ertränkt wurde. Was weißt du denn noch alles, du Genie?«

»Ich weiß zum Beispiel, dass du mit diesem Gasbrenner aufpassen sollst.«

»Warum?«, fragte ich.

»Darum.«

Plötzlich züngelte eine hohe Stichflamme hervor. Erschrocken wich ich vor dem Feuer zurück. Diese veralteten Unterrichtsgegenstände waren ja lebensgefährlich!

»Kali?«

»Ich gebe dir keine Nachhilfe«, presste ich mit zusammengebissenen Zähnen hervor. »Nie im Leben.«

»Deine Haare brennen.«

Erst jetzt spürte ich einen scharfen Schmerz an meiner Kopfhaut. Wenig später stach mir der grausame Geruch von verbranntem Haar in die Nase. Es roch genauso wie damals, als mein Bruder meinem geliebten Langhaarmeerschweinchen eine Kurzhaarfrisur verpasst hatte, indem er ihm die Haare verbrannte, nicht darauf bedacht, dass er damit die halbe Wiese abfackeln würde.

»Ich verbrenne!«, schrie ich hysterisch. »Löscht mich!«

Vor meinem inneren Auge sah ich mich schon als verkohltes Skelett im Chemiesaal liegen, während meine Mitschüler um mich herumstanden und über meiner Leiche Würstchen rösteten.

Nach gefühlten zwei Stunden war jemand so intelligent und kippte mir Wasser ins Gesicht, anscheinend auch über die Haare. Als ich die Augen aufschlug, erkannte ich Serena vor mir, die in der Hand eine ihrer zwei Liter-Mineralwasserflaschen hielt.

»Geht es Ihnen gut?«, fragte mich mein Chemielehrer, der sich als äußerst inkompetenter Lebensretter herausgestellt hatte. Nicht nur veraltete Laborgegenstände waren lebensgefährlich …

»Ja … ja.« Ich wischte mir mit einem Ärmel das Wasser aus dem Gesicht. »Ich glaube, ich habe mich nicht einmal ernsthaft verbrannt.«

»Nur deine Frisur ist im Arsch«, stellte Serena fest. Sie legte mir eine Hand auf die Schulter und betrachtete zuerst meine Haare, bevor sie mir ins Gesicht sah. »Geht es dir wirklich gut?«

»Wenn du einen Wet-T-Shirt-Contest machen willst, musst du dich dafür nicht extra abfackeln, Kali«, grinste Alex breit und deutete auf meinen Oberkörper. »Ich bin so tolerant und habe nichts dagegen. Übrigens, netter BH. Miau.«

Erst als ich auf meine Brüste hinuntersah, verstand ich Alex' Scherz. Unter meinem weißen Shirt zeichneten sich zwei Hello-Kitty-Gesichter ab. Warum hatte ich ausgerechnet heute meinen hässlichsten BH angezogen?

Ich holte aus, um Alex eine weitere Ohrfeige zu verpassen, die ihm dieses Mal hoffentlich das Grinsen ein für alle Mal aus dem Gesicht verbannen würde, doch Serena zog mich von ihm weg.

»Herr Maier hat dir und Serena für heute freigegeben«, sagte sie. »Lass uns zu dir nach Hause gehen und schauen, ob wir deine Haare retten können.«

»Ich komme gleich mit dir mit«, sagte ich mit honigsüßer Stimme und versuchte mit nassen Händen, die Schwefelsäure zu öffnen. »Ich will nur noch …«

Serena riss mir das Glas aus der Hand und lächelte Acid entschuldigend an. »Sie hat ihre Tage, darum ist sie so gereizt. Die hat sie übrigens an dreihundertfünfundsechzig Tagen im Jahr. Nimm ihr das nicht übel, Acid.«

Er zuckte nur mit den Schultern. »She set me alight, she set me on fire.« Er zwinkerte mir zu. »Fires von The Chase.«

»Ach, ich soll dich in Brand setzen?«, fragte ich nach. »Kann ich gern machen! Serena, reich mir dein Feuerzeug.«

Statt mir zu helfen, kniff mir Serena in die Seite, wodurch ich sofort zusammenzuckte. Sie schleppte mich vor den starrenden Augen der ganzen Klasse mit sichtbarem Hello-Kitty-BH und verbrannten Haaren aus dem Labor. Meine Würde hatte sich wohl mit meinem Ruf in Rauch aufgelöst – wenn ich so etwas nach der Ohrfeigen-Attacke überhaupt noch besessen hätte.

Zu Hause angekommen war meine Laune am absoluten Nullpunkt angelangt. Wer hätte gedacht, dass sie noch tiefer sinken könnte?

In Serenas dunkelgelben Pullover gehüllt läutete ich an der Haustür. Meinen Schlüssel hatte ich dummerweise im Chemiesaal liegen lassen. Wie ich es gewohnt war, dauerte es gut zehn Minuten, bis ein Typ mit schwarzen Haaren und braunen Augen wie meinen den Kopf durch den Türspalt steckte. Meine Freundinnen fanden ihn heiß – aber nicht so heiß wie ihren geliebten Alex. Für mich war Ian nur mein nerviger großer Bruder.

»Wow, Schwesterherz.« Er versuchte nicht einmal, sein

schadenfrohes Grinsen zu verbergen. »Du siehst total scheiße aus.«

Da ich Ian schon siebzehn Jahre lang kannte, fiel es mir nicht schwer, ihn zu ignorieren. Ich schob mich an ihm vorbei in das Haus.

»Hi, Ian«, begrüßte Serena ihn schüchtern. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, dass sie ihre Hand über seinen Arm streichen ließ, aber er bemerkte es nicht.

»Was hat meine Schwester denn nun schon wieder gemacht?«, fragte er und sperrte hinter uns die Tür zu. »Hat unser

Prinzesschen versucht, zu rauchen?«

Ich sah, dass Ian noch immer im schmuddeligen Shirt und in

Boxershorts steckte. Im Gegensatz zu mir bemühte sich mein Bruder nicht um eine sinnvolle Weiterbildung oder einen richtigen Job. Nachdem er eine technische Schule abgeschlossen hatte, lebte er von dem Geld meiner Eltern oder hielt sich mit diversen Programmieraufträgen über Wasser.

Bei ihm fiel es mir viel leichter, nicht sofort auszuticken.

»Chemieunfall«, klärte ich ihn auf.

Anscheinend bemerkte Ian nicht, dass er störte, denn er folgte uns in mein Zimmer. Ich wollte mich im Spiegel betrachten, doch Serena nahm eine Decke und verhüllte Haare und Gesicht, bevor ich mich ansehen konnte.

»Setz dich«, wies sie mich an und deutete auf meinen Drehstuhl, während sie meine alte Bastelschere zückte. In ihrer Hand sah sie wie eine extrem gefährliche Mordwaffe aus.

»Mach ihr eine Glatze, Serena«, meinte Ian, der am Türrahmen lehnte.

»So wie du an deinem sechzehnten Geburtstag?«, fragte ich. Mein falsches Lächeln brachte Ian dazu, die Augen weit aufzureißen. Er wusste genau, was jetzt kam. »Weißt du noch? Du warst total besoffen und hast dir Moms Wachsstreifen auf die Haare geklebt und abgezogen. Ich weiß noch, wie du stundenlang wegen deinen armen Haaren geheult hast.«

Während wir uns gepflegt unterhielten, fielen die ersten Haarsträhnen zu Boden.

»Das war wegen der Schmerzen!«, verteidigte er sich schwach. Ein wenig bleich um die Nase verließ er uns.

»Serena macht dir eine tolle Frisur«, sagte sie. »Serena hat ihren Barbies auch immer die Haare geschnitten … bevor sie ihnen den Kopf abgerissen hat.«

»Danke, Serena.« Ich lächelte schwach. »Und danke, dass du mich heute gelöscht hast.«

»Das war nicht Serena.« Da sie gerade vor mir stand, konnte ich sehen, wie sie den Kopf schüttelte. »Acid hat dir Wasser über den Kopf geschüttet. Na ja, eigentlich hätten es ein paar Tröpfchen auch getan. Serena hat jedenfalls nur dein Shirt erwischt. Entschuldigung, Zoey.«

»Was?«

Alex, der nur blöde Sprüche und unpassende Lyrics zu meiner Situation zum Besten gegeben hatte, soll mir geholfen haben?

»Du kannst die ganze Klasse fragen. Alex hat dir einen Messbecher voll Wasser über die Haare gegossen.« Serena ging einen Schritt nach hinten und betrachtete ihr Werk. »Serena ist fertig!«

Freudestrahlend riss sie die Decke vom Spiegel und enthüllte meinen neuen Haarschnitt.

Ich sog die Luft scharf ein und starrte völlig entsetzt auf mein Spiegelbild. Ungläubig strich ich durch meine Haare.

»Serena …«, sagte ich leise. »Was hast du getan?«

»Serena hat dich für Acid hübsch gemacht.«

Meine vorher fast hüftlangen Haare reichten gerade noch bis zu den Schultern und waren ordentlich durchgestuft. Außerdem hatte mir Serena einen Pony verpasst. Ich sah aus wie eine dieser Emos, die man zuhauf auf Alex' Myspace-Seite unter seinen Freunden fand. Nicht, dass ich gestern einmal auf der Myspace-Seite seiner Band gewesen war …

Das nervöse Zucken um mein rechtes Auge verschwand bis zum Abendessen nicht.

6. KAPITEL

GHOSTRIDER IN FLEISCH UND BLUT

Am Morgen nach der kleinen Feuerwehrübung wollte ich zum ersten Mal seit zwölf Jahren nicht aus dem Bett aufstehen und zur Schule gehen.

In meine Bettdecke wie in einen riesengroßen blauen Kokon mit Sternen eingehüllt, fühlte ich mich warm, geborgen und zufrieden. Mir würde schon noch einfallen, wie ich das Problem mit der Nahrungsaufnahme und der Toilette lösen konnte. Ich würde mich auf jeden Fall nie wieder aus meiner Hülle begeben. Ich würde mit ihr alt werden, darin sterben, und nachdem jemand den Verwesungsgeruch bemerkt hat, mit ihr begraben werden.

Als mein Wecker zum dritten Mal klingelte, griff ich aus meiner weichen Schale heraus und schmiss das Teil gegen die Wand. Leider hörte ich neben dem Aufprall des Weckers auch noch das klirrende Geräusch eines zersprungenen Blumentopfes. Meine geliebten Orchideen! Nach sechs Vorgängern hatten sie länger als einen Monat in meiner Obhut überlebt und nun hatte ich sie aus Versehen getötet.

»Daran ist nur Alex schuld!«, schrie ich frustriert und vergrub mich ein Stückchen weiter in meine neue, lebenserhaltende Hülle. »Er ist das Chaos in menschlicher Form, nur ohne Verstand.«

Bevor er in meine Klasse gekommen war, hatte niemand mich beachtet, bis auf die Lehrer natürlich und meine besten Freundinnen. Ich war eines dieser Mädchen, das weder durch Taten noch durch Worte jemals aus der Menge herausgestochen hatte. Wegen meiner Intelligenz war ich noch weniger beachtet worden. Ich hatte mich wohlgefühlt in dieser Rolle und nun war mein perfektes Äußeres brüchig geworden. Nur Violet, Nell und Serena hatten meine unkontrollierte Seite kennengelernt, aber nur, weil ich mit ihnen ab und zu einfach Lust bekam, Dummheiten zu begehen. Und ich wollte nicht, dass Alex diese Seite komplett zum Vorschein bringen konnte! Ich war glücklich damit, ein ganz normales Mädchen zu sein, das sich nicht von anderen abhob. Ich war gern das Mauerblümchen.

Noch hatte mein Großvater nichts Alarmierendes mitbekommen, sonst wären meine Eltern gestern beim Abendessen nicht wie immer gewesen. Jederzeit könnte ein Lehrer melden, dass sich meine böse Seite hervordrängte. Meine Selbstbeherrschung war das Einzige, das meine Miss Hyde kontrollieren konnte und jetzt hing sie am seidenen Faden.