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Nach seiner Scheidung steht Payne vor einem Scherbenhaufen: mit vierzig zurück in seiner Heimatstadt, pleite und ohne eigene Wohnung. Als sein Bruder ihm ausgerechnet seinen besten Freund als neuen Mitbewohner vorschlägt, bleibt Payne nichts anderes übrig, als seinen Stolz herunterzuschlucken und das Angebot anzunehmen. Ein wenig Aufräumen hier, ein bisschen Kochen dort, und schon hat er ein Dach über dem Kopf. Klingt einfach. Wäre da nicht Beau – Beau, der gerne halb nackt herumläuft. Beau, der die Tür nicht schließt, wenn er … beschäftigt ist. Und Beau, der ihn von Anfang an viel zu sehr ablenkt. Beau hingegen hat seine eigenen Gründe, Payne aufzunehmen. Seit sein Job ihn vollkommen vereinnahmt, ist sein Leben ein einziges Chaos – Dates eingeschlossen. Also schlägt er Payne einen Deal vor: Unterkunft gegen eine Generalüberholung seines Liebeslebens. Payne soll ihm helfen, Date-tauglich zu werden, damit er endlich jemanden findet, der ihn so liebt, wie er ist. Dumm nur, dass der Einzige, den Beau jemals wirklich wollte, jetzt in seinem Gästezimmer wohnt …
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Seitenzahl: 358
Veröffentlichungsjahr: 2025
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SAXON JAMES
ROOMMATE ARRANGEMENT
DER CLUB DER GESCHIEDENEN MÄNNER 1
Aus dem Englischen von Anne Sommerfeld
Über das Buch
Nach seiner Scheidung steht Payne vor einem Scherbenhaufen: mit vierzig zurück in seiner Heimatstadt, pleite und ohne eigene Wohnung. Als sein Bruder ihm ausgerechnet seinen besten Freund als neuen Mitbewohner vorschlägt, bleibt Payne nichts anderes übrig, als seinen Stolz herunterzuschlucken und das Angebot anzunehmen. Ein wenig Aufräumen hier, ein bisschen Kochen dort, und schon hat er ein Dach über dem Kopf. Klingt einfach. Wäre da nicht Beau – Beau, der gerne halb nackt herumläuft. Beau, der die Tür nicht schließt, wenn er … beschäftigt ist. Und Beau, der ihn von Anfang an viel zu sehr ablenkt.
Beau hingegen hat seine eigenen Gründe, Payne aufzunehmen. Seit sein Job ihn vollkommen vereinnahmt, ist sein Leben ein einziges Chaos – Dates eingeschlossen. Also schlägt er Payne einen Deal vor: Unterkunft gegen eine Generalüberholung seines Liebeslebens. Payne soll ihm helfen, Date-tauglich zu werden, damit er endlich jemanden findet, der ihn so liebt, wie er ist.
Dumm nur, dass der Einzige, den Beau jemals wirklich wollte, jetzt in seinem Gästezimmer wohnt …
Über die Autorin
Die australische Autorin Saxon James schreibt über queere Charaktere. Ihre Bücher umfassen eine breite Spanne – von Young Adult bis zu Unterhaltungsliteratur für Erwachsene ist alles dabei. Eins haben jedoch ihre Bücher gemeinsam: Immer geht es um die Liebe in all ihren wunderbaren Facetten.
Die englische Ausgabe erschien 2022 unter dem Titel »Roommate Arrangement« bei May Books.
Deutsche Erstausgabe Juni 2025
© der Originalausgabe 2022: Saxon James
© für die deutschsprachige Ausgabe 2025:
Second Chances Verlag, Inh. Jeannette Bauroth,
Hammergasse 7–9, 98587 Steinbach-Hallenberg
Published by arrangement with Bold Type Agency Pty Ltd, Australia via Michael Meller Literary Agency GmbH, München.
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Alle handelnden Personen sind frei erfunden, Ähnlichkeiten
mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Die Nutzung des Inhalts für Text und Data Mining
im Sinne von § 44b UrhG ist ausdrücklich verboten.
Umschlaggestaltung: Ronja Forleo
Lektorat: Sarah Nierwitzki
Korrektorat: Second Chances Verlag
Satz & Layout: Second Chances Verlag
ISBN Klappenbroschur: 978-3-98906-096-8
ISBN E-Book: 978-3-98906-095-1
Auch als Hörbuch erhältlich!
www.second-chances-verlag.de
Titel
Über die Autorin
Impressum
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
CGM-Gruppenchat
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
CGM-Gruppenchat
Kapitel 13
Kapitel 14
CGM-Gruppenchat
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
CGM-Gruppenchat
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
CGM-Gruppenchat
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Epilog
Danksagung
PAYNE
Das Internet eignet sich hervorragend für Kochrezepte, Katzenvideos – und um herauszufinden, dass der eigene Ehemann ein verlogener Betrüger und Lügner ist.
Mit trockenem Mund gebe ich die falschen Informationen und meine Kreditkartennummer ein, um mir den OnlyFans-Account anzusehen, der mir zugeschickt wurde. Auf dem Vorschaubild ist er deutlich zu erkennen, aber ich muss ganz sichergehen, denn ein winziger Teil von mir kann es nicht akzeptieren.
Die Seite lädt, mein Herzschlag beschleunigt sich und … Scheiße.
Nach kurzem Scrollen entdecke ich, nun ja, viel zu viele Videos. Das ist keine einmalige Sache. Unter dem neuesten Video steht das Datum von gestern. Gestern.
Ich weiß nicht, ob er gestern mit dem Typen geschlafen oder nur das Video hochgeladen hat, aber was es auch war, offensichtlich hat er sich während unseres gemeinsamen Morgens gedanklich damit beschäftigt. Kurz bevor er zum Gym gefahren ist.
Ist dieser Typ »Jim«?
Und weil ich nicht ganz bei Trost bin, klicke ich das Video an. Dieser widerliche Dreckskerl. Ich bin ein verständnisvoller und aufgeschlossener Mensch. Kyle hätte mir erzählen können, dass er Pornos drehen will. Eventuell hätte ich zugesehen. Eventuell hätte ich mitgemacht. Selbst über eine offene Beziehung hätten wir reden können …
Aber als Kyle den anderen Mann aufs Bett wirft und grob in ihn eindringt, sehe ich rot. Nicht nur wegen des Betrugs, obwohl der mich ziemlich wütend macht. Oder weil er mit einem anderen Mann schläft. Sondern weil ich im Laufe der Jahre ein paar Mal vorgeschlagen habe, dass er mich toppt, er das jedoch immer abgelehnt hat.
Er hasst es. Es fühlt sich angeblich nicht richtig an. Wir haben ohnehin nur noch selten Analsex. Und dennoch …
Ich scrolle weiter, wobei ich feststelle, dass die Videos zwei Jahre zurückreichen. Mir dreht sich der Magen um. Zwei Jahre lang hat mich dieses Arschloch betrogen. Zwei Jahre hat er mit anderen Männern das getan, was er nie mit mir tun wollte. Wir sind fertig.
Ich zwinge mich, noch drei weitere Videos anzuklicken, mir sein Orgasmus-Gesicht anzusehen und wie er die anderen Männer vögelt, und lasse meinen Zorn wachsen. Und wachsen. Und frage mich, ob er jetzt gerade da draußen ist und seinen Schwanz in einen fremden Typen steckt.
Mir kommt der Gedanke, mich beim Sex auch mit jemand anderem zu filmen und ihm das Video zu schicken, aber vermutlich interessiert ihn das nicht. Außerdem wird mir bei der Vorstellung schlecht, es ihm auf diese Weise heimzuzahlen. Doch irgendetwas muss ich tun.
Rache bringt mein Blut zum Kochen. Sie pulsiert so heiß und heftig in mir, dass meine Ohren klingeln und mir das Denken schwerfällt. Ich stapfe ins Badezimmer, werfe seine Zahnbürste in die Toilette und mache ein Foto davon, ehe ich sie wieder in die Halterung stecke. Aber das reicht nicht.
Mein Blick landet auf seinem Laptop, der auf dem Nachttisch lädt. Verdammt, hat er gestern Abend neben mir gelegen und die Kommentare auf seiner OnlyFans-Seite gelesen?
Mit zitternden Händen ziehe ich den Stecker und klappe den Laptop auf. Das Passwortfenster erwartet mich, und nach ein paar Versuchen errate ich das richtige. So gut kenne ich ihn. Den Mann, mit dem ich zwölf Jahre verbracht habe. Tja … Ich dachte, ich würde ihn kennen.
Auf seiner OnlyFans-Seite sind Benutzername und Passwort gespeichert, sodass ich schon eine Sekunde später in seinem Account bin. All seine schmutzigen Geheimnisse liegen direkt vor meiner Nase.
Er hat einen Haufen ungelesener Nachrichten, und ich weiß, ich sollte es lassen, trotzdem klicke ich sie an. Hunderte verschiedene Männer, ausgetauschte Dickpics, Dirty Talk und Cybersex und, mein Herz zieht sich zusammen, Verabredungen zum Sex.
… warte, bis mein Mann auf der Arbeit ist …
Ich stoße den Laptop weg, atme zittrig ein und versuche, die aufsteigende Galle hinunterzuschlucken. Es fällt mir schwer, an meiner Wut festzuhalten, wenn stattdessen Verrat und Scham die Oberhand gewinnen wollen.
Meine Oberlippe zittert, doch ich weigere mich, Tränen für dieses Arschloch zu vergießen. Er ist es einfach nicht wert. Mein Kopf weiß das, aber mein Herz kommt noch nicht ganz mit.
Ich ziehe den Laptop wieder auf meinen Schoß und starte die Live-Funktion. Mein Gesicht erscheint auf dem Bildschirm. Ich sehe zerstört aus. Egal.
»An alle Abonnenten, das hier ist die Seite meines Ehemanns Kyle Rousle, und obwohl wir schon seit fünf Jahren verheiratet sind, habe ich erst jetzt davon erfahren. Also danke, dass ihr das Beweismaterial für ganze zwei Jahre, in denen mein Mann mich betrogen hat, abonniert habt.« Ich rattere seine Telefonnummer herunter. »Ihr könnt ihm gern die Meinung sagen oder ein Treffen vereinbaren, aber da er jetzt Single ist, macht es ihm vielleicht keinen Spaß mehr. Außerdem kaut er mit offenem Mund, redet wie ein widerlicher Affe und hat offensichtlich Bindungsprobleme.« Ich zwinkere. »Ein richtig guter Fang.«
Dann beende ich das Video, gehe auf den Balkon unserer Wohnung im dritten Stock und werfe den Laptop über die Brüstung. Er landet mit einem befriedigenden Knacken auf dem Boden, doch die darauffolgende Stille ist erdrückend.
Ich starre den kaputten Computer an, als wäre er ein Sinnbild für unsere zerbrochene Beziehung, und dabei überkommt mich eine überwältigende Trauer. Ich bleibe auf keinen Fall bei ihm, und das Ende von zwölf gemeinsamen Jahren ist ein beschissenes Gedankenchaos.
Wie teilen wir unsere Sachen auf? Wie klären wir die Finanzen? Finanzen? Er kann mich mal. Bei so vielen Abonnenten muss er ein geheimes Konto haben, also werde ich unsere Konten leer räumen.
Ich packe so viel wie möglich in mein Auto, denn es dauert noch ein paar Stunden, bis er von der Arbeit kommt.
Mist … Ich muss mich testen lassen. Der Gedanke schießt mir urplötzlich durch den Kopf und stürzt mich in eine Abwärtsspirale. Wenn ich mir durch diesen Dreckskerl irgendetwas eingefangen habe … Ein Schluchzen steigt in mir auf, doch egal, wie sehr ich mich bemühe, es hinunterzuschlucken, verschwimmt meine Sicht.
Ich blockiere ihn auf meinem Handy, dann fliehe ich aus dem Haus, bevor er zurückkommt. Ich kann ihm nicht gegenübertreten. Mit gebrochenem Herzen und ratlos breche ich auf. Was zum Teufel mache ich jetzt?
***
Die Fahrt von Boston nach Kilborough, meiner Heimatstadt, dauert weniger als zwei Stunden. Sie liegt im Hampden County, am Fuße des Provin Mountain. Mein letzter Besuch zum Geburtstag meiner Nichte ist schon eine Weile her, und dieser Wichser hat mich damals begleitet.
Ich dränge die Wut zurück. Ich habe mir geschworen, alles hinter mir gelassen zu haben, sobald ich bei meinem Bruder ankomme, was jetzt, da ich durch die Stadt fahre, lachhaft wirkt. Zwei Stunden reichen nicht aus, um über zehn Jahre Erinnerungen auszuradieren.
Die Sache ist, ich sollte ihn hassen. Aber ich vermisse ihn auch schon und bin froh, ihn vorhin blockiert zu haben, denn ich bin nicht sicher, ob ich stark genug wäre, Nein zu sagen, würde er anrufen und mich anflehen, zu ihm zurückzukommen.
Kilborough ist eine Touristenstadt. Momentan ist Nebensaison, aber in einem Monat steppt hier wieder der Bär. Der Winter ist die einzige Ruhezeit, da im Sommer großer Trubel herrscht und an Halloween eine Woche lang alle Unterkünfte ausgebucht sind.
Das war nicht immer so, aber vor fünfundvierzig Jahren wurde das riesige Gefängnis geschlossen, und die Leute, die dort gearbeitet haben, sind weggezogen. Jetzt sind das Gefängnis und die Geisterstadt ein Hotspot für Gruselfreunde.
Der Rest von Kilborough wurde um die historische Stätte herum errichtet und die ganze Stadt lebt den Ruf, Massachusetts Halloweenstadt zu sein. Mit dem Provin Mountain hinter dem Gefängnis, einem Wanderweg um den See auf der einen Seite und Farmland auf der anderen, fühlen wir uns in unserer Ecke der Welt wohl.
Anstatt zu Marty zu fahren, überlege ich es mir in letzter Sekunde anders und steuere die Kilborough-Brauerei an. Das riesige Lagerhaus hinter der Promenade dient als Bar, in der Axtwurf angeboten wird, Brauerei, Markt und Café. The Killer Brew prangt in Großbuchstaben auf den ausgeblichenen Backsteinen.
Da es mitten in der Woche ist, sind der Markt und das Café gut besucht, während in der Brauerei Ruhe herrscht. Auch das stetige dumpfe Geräusch fehlt, das aus dem Hinterzimmer zu hören ist, wenn Leute dort Äxte auf Zielscheiben werfen.
An der langen Bar sind genügend Hocker frei, und sobald mein Hintern das Polster berührt, winke ich den Barkeeper heran und bestelle zwei Shots und ein Bier, um sie hinunterzuspülen.
Und während ich hier sitze und den Spiegel hinter der Bar anstarre, höre ich meinen Namen.
»Payne Walker, was treibt dich denn hierher?«
Ich schaue hoch und blicke direkt in das dauerhaft überhebliche Gesicht meines alten Highschool-Freundes. Art de Almeida rutscht auf den Hocker neben mir, stützt den Ellbogen auf die Bar und legt neugierig den Kopf schief.
Trotz meines beschissenen Tages ringe ich mir ein Lächeln ab. »Hey Mann. Was machst du denn hier?«
»Mir gehört der Laden mittlerweile. Mom und Dad lassen es ruhiger angehen und haben mir die Brauerei überlassen.«
»Wow, herzlichen Glückwunsch.«
»Danke.« Er verengt seine von langen Wimpern umrahmten Augen. »Warum trinkst du mitten in der Woche?«
»Lange Geschichte.«
»Ich muss nirgendwo hin.«
Es ist seltsam. Obwohl Art und ich keinen Kontakt mehr hatten und seit Jahren nicht mehr miteinander gesprochen haben, fühle ich mich in seiner Anwesenheit augenblicklich wohl. Außerdem muss ich es den Leuten irgendwann erzählen, ich kann ebenso gut schon mal üben.
»Ich habe herausgefunden, dass mich mein Mann betrogen hat.«
»Autsch. Wir trinken also, um zu vergessen, ja?«, fragt Art.
»Jap.«
»Willst du drüber reden?«
Ich brumme. Die Antwort lautet definitiv Nein, auch wenn ich es irgendwann tun muss.
»Okay …«
»Ich … ich verstehe es einfach nicht. Wie konnte er das tun?«
Art drückt meinen Arm. »Manchmal sind die Leute nicht das, wofür wir sie halten. Selbst wenn wir sie schon sehr lange kennen.«
»Zwölf Jahre.« Ich trinke mein Bier aus.
»Wie bist du dahintergekommen?«
Ich schlucke und verspüre erneut diesen Stich wie beim ersten Lesen der Nachricht. »Ein Kollege hat mir die Einzelheiten gesteckt.« Einzelheiten, die ich nicht laut aussprechen werde. Niemals. »Es läuft schon eine Weile.«
Art sieht mich einfach nur an, ehe er sich zum Barkeeper wendet und zwei weitere Shots bestellt. »Dieser Sack.«
Ich schnaube belustigt, obwohl mir schlecht ist, und sobald die Shots vor uns stehen, stürze ich sie hinunter. Art lässt sich selbst noch einen geben. Die Stimmung zwischen uns entspannt sich, und plötzlich ist es wieder wie vor zwanzig Jahren, als wir unzertrennlich waren und über alles reden konnten. »Ich glaube … ich glaube, ich will die Scheidung.« Die Worte auch nur auszusprechen, fühlt sich wie das größte Versagen meines Lebens an.
»Das tut mir leid. Scheidungen sind nie leicht.«
Ich runzle die Stirn. Mit einem Mal fällt mir die Begeisterung wieder ein, als Art vor ein paar Jahren zum ersten schwulen Paar gehörte, das in Massachusetts verheiratet wurde … und auch als erstes die Scheidung einreichte. »Wie bist du damit umgegangen?«
Seine Lippen zucken. »Ich bin wieder durch die Betten geturnt und habe nicht zurückgesehen.«
»Ich bin nicht sicher, ob ich das kann.«
»Na ja, wenn du dich seit der Highschool nicht drastisch verändert hast, stimme ich dir zu. Diese Dinge brauchen Zeit. Du wirst daran wachsen, aber es dauert eine Weile, bis sich die Gewitterwolken verziehen und du siehst, was für ein Segen es ist.«
Ein Segen? Ich schnaube erneut. »Was zum Teufel mache ich jetzt?«
»Musst du das sofort entscheiden?«
Ich lächle niedergeschlagen. »Ich habe den Rest der Woche frei. Wenn ich nicht zurückkomme, muss ich kündigen. Dann habe ich keinen Job, kein Zuhause und nur die zehn Riesen, die ich von unserem Konto abgehoben habe.« Ich reibe mir die Stirn. »Ich bin vierzig und habe nichts.«
»Nein, damit fangen wir gar nicht erst an.« Art greift über die Bar, um mir nachzuschenken, ehe er mir das Glas in die Hand drückt. »Du bist ausgebildeter … Sportlehrer, richtig? Und hast du da unten nicht eine Wohnung gekauft? Entweder schmeißt du ihn raus, oder du verkaufst sie. Du musst deinen Job nicht kündigen, wenn du nicht willst.«
»Aber will ich jetzt in Boston bleiben?«
»Willst du?«
»Keine Ahnung.« Mein gesamter Körper ist müde. »Ich verpasse so viel von der Kindheit meiner Nichten, wenn ich dort bin, und ich kann nach der ganzen Sache unmöglich in unserer Wohnung bleiben. Außerdem kann ich mir allein keine stadtnahe Wohnung leisten.«
»Du musst dir über viele Dinge klar werden«, meint Art. »Ob du Schluss machst oder bei ihm bleibst. Das meine ich nicht wertend. Diese Entscheidung kannst nur du treffen.«
»Es ist schon vorbei.« Ich verziehe das Gesicht. »Meinst du, ich kann eine Scheidung organisieren, ohne den Mistkerl sehen zu müssen?«
»Natürlich. Doch wenn du einen ungewollten Ratschlag hören möchtest: Geh zurück, nimm dir einen Moment, um dein Leben in Ordnung zu bringen, und warte ab, was passiert.«
Seine Worte sind absolut vernünftig. Aber ich will keine Vernunft. Nur Alkohol und Selbstmitleid.
»Und sollte es dich wieder nach Kilborough verschlagen, sag mir Bescheid. Ich habe eine Gruppe für Typen wie uns gegründet.«
»Wie uns?«
»Geschiedene Männer. Es ist eine Selbsthilfegruppe, und wir haben schon so einige Mitglieder.«
»Nichts für ungut, aber das klingt traurig. Eine Gruppe Männer, die so tut, als würden sie ihr Leben lieben, obwohl sie nur einen Nervenzusammenbruch von der Midlife-Crisis entfernt sind.«
Art lacht laut und klopft mir auf den Rücken. »Könnte man denken. Na ja, die meisten Leute tun es auch. Und genau darum geht es. Die Gesellschaft hat aus einer Scheidung diese verdrehte, negative Erfahrung gemacht, obwohl sie eigentlich nur ein Neustart ist. Der Club geschiedener Männer, CGM, ist ein sicherer Ort. Wenn sich jemand auskotzen will, kann er das tun. Wenn er Tipps braucht, um wieder ins Datingleben einzusteigen, bekommt er sie. Bei vielen Trennungen entscheiden sich die Freunde für eine Seite, und für gewöhnlich ist der Mann der Böse – bei queeren Paaren ist immer einer der Gelackmeierte. Wir sind Freunde, wir haben jederzeit ein offenes Ohr und feuern unsere Jungs an, wenn sie sich wieder verlieben. Möglicherweise brauchst du das alles nicht. Aber das Angebot steht.«
Meine nächsten Schritte sind vielleicht noch unklar, doch ich bin gerührt. »Danke, Mann.« Ich werde das Angebot nicht annehmen, weiß es jedoch zu schätzen. »Ich sage Bescheid, falls ich Interesse habe.«
PAYNE
Hinter mir liegt ein langer Monat, doch als ich mit dem Wissen in Kilborough ankomme, dass ich niemals zurück nach Boston oder in meine alte Wohnung muss, habe ich endlich das Gefühl, wieder atmen zu können.
Kyles Betrug tut noch immer weh, wenn ich die Gedanken daran zulasse, aber ich habe einen Punkt erreicht, an dem ich meinem Glücksstern dafür danken kann, es herausgefunden zu haben, um zu verschwinden. Und er kann seinem Glücksstern danken, dass all meine Tests negativ waren.
Kyle hat ein paar Mal versucht, mich per E-Mail zu erreichen. Ich habe nur ein einziges Mal geantwortet, um seine Testergebnisse zu verlangen, die er mir auch geschickt hat – nachdem er mir versicherte, dass er immer ein Kondom benutzt hat. Als würde das einen Unterschied machen. Noch nie war ich so glücklich über unsere Durststrecke.
Es ist überraschend, wie mühelos ich ihn nach zwölf gemeinsamen Jahren aus meinem Leben lösen konnte. Vielleicht liegt es daran, wie er mich betrogen hat, oder dass die Beziehung schon vorbei war, ich es nur nicht gemerkt habe. Doch ihn zu verlassen, fiel mir leichter als erwartet.
Das Wegbleiben wird die größere Herausforderung, denn obwohl ich glaube, darüber hinweg zu sein, war unsere Beziehung wie eine warme Decke. Vertraut. Das schreit nicht gerade nach schrecklich verliebt. Ich dachte, der Moment, in dem meine Liebe für Kyle verpufft, wäre, wenn ich ihn mit jemand anderem sehe, aber vielleicht war es schon früher.
Sex ist nur Sex.
Der Vertrauensverrat schmerzte. Das Scheitern, meinen Ehemann befriedigen zu können, schmerzte. Doch je mehr Leute von der Trennung erfahren und je mehr von ihnen erwarten, dass ich wegen der Trennung am Boden zerstört bin, desto häufiger denke ich darüber nach, dass ich nicht weiß, was meine Ehe war. Ich bin wütend und beschämt, aber mein Herz ist nicht gebrochen.
Da ich schon am ersten Tag alles, was ich wollte, aus unserer Wohnung mitgenommen habe, konnte ich Kyle während des Monats in Boston größtenteils aus dem Weg gehen. Übernachtet habe ich bei einem befreundeten Kollegen und von dort aus alles Notwendige geklärt.
Ich habe meine Kündigung bei der Highschool eingereicht, an der wir beide arbeiten. Zum Glück hat er mich dort in Ruhe gelassen, nachdem ich gedroht habe, dem Schulausschuss den Link zu seiner OnlyFans-Seite zu schicken. So etwas hätte ich nie wirklich getan, aber die Tatsache, dass er mir geglaubt hat, zeigt, wie wenig er mich kannte.
All die Leute, die ich für meine Freunde gehalten habe, sind verschwunden, und mir ist sehr schnell klar geworden, dass ich in Boston kein Leben mehr habe. Sobald meine Kündigungsfrist abgelaufen und unsere Wohnung auf dem Markt war, bin ich gegangen.
Wenn die Scheidung durch ist, muss ich nie wieder an Kyle denken. Das ist eine Erleichterung, denn ich werde all mein Gehirnschmalz brauchen, um herauszufinden, was ich jetzt mache.
Normalerweise lösen diese Gedankengänge Panik in mir aus, aber seit meinem Gespräch mit Art betrachte ich das Leben positiver. Das ist kein Scheitern. Es ist eine Möglichkeit. Oder als welchen Unsinn er mir es verkaufen will.
Ich parke ein Stück vor dem Killer Brew, wo ich mich mit Art und zwei anderen Männern treffe. Sie gehören zum CGM – dem Club der geschiedenen Männer –, die ich anfangs für eine Gruppe deprimierter Typen gehalten habe, die sich selbst bemitleiden, aber die Bezeichnung ist eher theoretisch als praktisch. Wir sind einfach nur Männer, die sich in verschiedenen Stadien einer Scheidung befinden – oder in Orsons Fall ihren Partner verloren haben – und verstehen, welche unschönen Klischees mit dem einhergehen, was wir durchgemacht haben. Wir sind ein sicherer Hafen füreinander.
Als Art mir zum ersten Mal davon erzählt hat, wollte ich nicht zuhören, doch jetzt bin ich froh, mich bei ihm gemeldet zu haben.
Auf dem Weg zum Outdoor-Café entdecke ich Art, Orson und Griffin sofort und gehe zu ihnen. Art und ich waren auf der Highschool befreundet. Griffin ist ein paar Jahre älter als wir. Orson ist kurz nach meinem Umzug nach Boston hierhergekommen, deshalb kenne ich ihn abgesehen vom Gruppenchat und unserem einzigen bisherigen Treffen nicht so gut.
Klar ist jedoch, diese Typen sind so verschieden, dass wir ohne diese Gruppe keinesfalls Freunde geworden wären, allerdings hätte ich den letzten Monat nicht ohne sie überstanden, ohne zu meinem Mistkerl-Ex zurückzugehen. Ich bin nicht ganz sicher, wie viele Mitglieder der Club hat, aber nach dem, was Art erzählt hat, sind es viele. Doch dafür bin ich noch nicht bereit.
»Payne!«, schreit Art durch das Café. Da die Kilborough-Brauerei schon seit Jahren Arts Familie gehört, kennen ihn alle, und alle wissen, wie laut er ist.
Grinsend setze ich mich zu ihnen. »Es ist offiziell – ich bin wieder ein Junge aus Kil.«
Art und Orson applaudieren spielerisch, während Griffin sanft lächelt.
»Toll gemacht«, lobt er. »Fühlst du dich mit dem Umzug gut?«
»Nein. Aber meine Wohnung ist auf dem Markt, und mit etwas Glück habe ich bald die Anzahlung für mein eigenes Zuhause.« Ich erwähne nicht, dass die alte Wohnung eine glückliche Investition war. Mit zwei Lehrergehältern konnten wir die Hypothek nicht so weit abbezahlen, wie ich es gern gehabt hätte, aber inzwischen ist die Wohnung deutlich mehr wert als das, was wir dafür bezahlt haben. Vielen Dank an zehn Jahre Inflation.
Ich gebe meine Bestellung bei der Kellnerin auf, dann wende ich mich wieder an die Jungs.
»Hattest du bei der Jobsuche mehr Glück?«, fragt Orson.
In Kilborough gibt es keine offenen Stellen für einen Highschool-Sportlehrer, aber da ich nur in diesem Beruf gearbeitet habe, fehlen mir die Erfahrungen für etwas anderes. »Ich will trotzdem was mit Kindern machen. Irgendwas Sportliches. Ich weiß nur noch nicht, was.«
»Und du wohnst bei deinem Bruder?«
»Jap. Ist nicht ideal, reicht aber fürs Erste.«
Alle drei haben mir ihre Hilfe angeboten, doch Orson hat nur eine Einzimmerwohnung, Griffin wohnt noch bei seiner Frau, die zu seiner Ex-Frau wird, sobald ihr Sohn aufs College geht, und Art und ich haben direkt nach der Highschool versucht, eine WG zu gründen, deshalb weiß ich bereits, dass er eine Nervensäge und ein absoluter Kontrollfreak ist. Mit ihm will man keine gemeinsame Wohnung haben. Momentan schlafe ich in einem winzigen Einzelbett, während sich meine Nichten das zweite teilen. Eine wahre Freude.
Ich blicke zum Tresen und entdecke Beau, den besten Freund meines Bruders. Nachdem er bestellt hat, schaut er sich um, und ich winke ihm zu, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Seine Augen weiten sich, sobald er mich sieht, dann zögert er eine Sekunde, ehe er rüberkommt.
»Hey«, begrüßt er mich. »Du bist … Ich, äh, wusste nicht, dass du zu Besuch bist.«
»Bin ich auch nicht.«
Verwirrt runzelt er die Stirn. »Dann …«
»Ich wohne wieder hier.«
»Bitte was?«
Ich lache, denn der arme Kerl wirkt aufrichtig geschockt. »Ich ziehe wieder her. Ich komme eine Weile bei Marty unter, also werden wir uns sicher öfter sehen.«
»Und Kyle?«
Mist. Obwohl ich positiv an die Sache rangehe, wird es kein Spaß werden, die Trennung immer und immer wieder zu erklären. »Wir haben uns getrennt.«
»Oh.« Ich kann seinen Gesichtsausdruck nicht deuten, doch die Regung verschwindet, als seine Bestellung ausgerufen wird. »Das ist … Tut mir leid, das zu hören.«
»Muss es nicht«, wirft Art ein. »Das sind gute Neuigkeiten, keine schlechten. Manchmal müssen wir den Ballast in unserem Leben loswerden, um die beste Version unserer selbst zu werden.«
Ich grinse, denn Art redet immer davon, dass wir unsere Flügel ausbreiten, aus unserem Kokon schlüpfen sollen, oder so etwas in der Art. Beau weiß offensichtlich nicht, wie er seine Worte verstehen soll.
»Es ist okay«, erkläre ich mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Danke, aber Art hat recht. Es ist ein guter Schritt für mich.«
»Natürlich, ja«, stimmt Beau hastig zu. »Also, dann bin ich froh. Ich bin tatsächlich gerade auf dem Weg zu Marty, wir sehen uns ja bestimmt bald?«
»Mit Sicherheit.«
Ein strahlendes Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus, und ich kann nicht anders, als es zu erwidern. Es betont sein Kinn und lässt seine blauen Augen hinter der Brille mit dem durchsichtigen Rahmen aufleuchten, die er immer trägt. »Alles klar, okay.« Er zieht sich zurück. »Dann bis später.«
Sobald er weg ist, lacht Orson. »Wow.«
»Was?«
Er reibt über die Stoppeln in seinem Gesicht. »Der Typ war ziemlich nervös.«
»So war er schon immer.«
Art nickt. »Stimmt. Als wir jünger waren, war es noch schlimmer.«
Oh ja, das hätte ich beinahe vergessen. Das Stammeln und wahllose Herausplatzen von Wörtern. Ich hatte es vergessen, weil die Erinnerung in den letzten Jahren praktisch verschwunden ist. Was hat sie nun zurückgebracht?
Griffin brummt. »Eigenartig oder nicht, er ist heiß.«
»Ganz deiner Meinung«, sagt Art. »Ich würde ihn nageln.«
»Ist er Single?«, fragt Griffin.
Ich zucke mit den Schultern. »Keine Ahnung. Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, war er es, und Marty hat nichts erwähnt.«
»Vielleicht hat er ja Interesse an einem Date, wenn Poppy und ich uns offiziell trennen.«
Ich mustere Griffin. Von uns allen ist er derjenige, der am ernstesten ist, und er hat die meiste Erfahrung in Sachen Beziehung. Aber er ist auch umwerfend, mit dunkelbraunen Haaren, einem säuberlich getrimmten Bart und unheimlich stechend blauen Augen.
Arts tolles portugiesisches Aussehen vereint sich mit einem gewählten Auftreten, einer Präsenz, die Aufmerksamkeit erregt, und einer dazu passenden Haltung.
Orson ist der Älteste in unserer Runde. Sein kurzer Bart ist eher grau als schwarz, doch seine Haare sind noch dunkel. Kleine Fältchen zieren sein Gesicht, und obwohl er etwas schroff aussieht, ist er der netteste Mensch, den ich je getroffen habe.
Ich bin … nun ja, der Gelassenste von uns. Normalerweise. Es ist nicht gerade leicht, gelassen zu bleiben, wenn man betrogen wurde. Und wenn ich versuche, mir einen von ihnen mit Beau vorzustellen … Nein, das geht einfach nicht.
»Wie lange noch bis zur Trennung?«, frage ich Griffin.
»Bis zum Ende des Sommers. Sobald Felix aufs College geht, trennen wir uns und erzählen es ihm, wenn er in den Ferien nach Hause kommt.«
»Keine Zweifel?«
Griffin schüttelt den Kopf. »Nein. Poppy war eine tolle Frau, aber wir freuen uns beide darauf, unser Leben weiterzuleben.«
»Und du meinst nicht, dass ihr es tun solltet, bevor Felix geht, damit ihr es gemeinsam durchstehen könnt?«
»Mir ist es lieber, wenn er auf dem College ist und ausreichend Freunde hat, die ihn ablenken.«
»Glaubst du ernsthaft, er wird sich so sehr aufregen?«, fragt Art.
»Jap.« Griffin starrt in seinen Tee. »Er mag keine Veränderungen und kann ein wenig … dramatisch sein.«
Dank unserer Nachrichten habe ich genug Einblick in die Situation erhalten, deshalb erinnere ich ihn: »Poppy und du unterstützt euch dabei, und ihr werdet wie immer für Felix da sein. Ihr gewöhnt euch schon dran.« Immerhin hat Poppy dich nie betrogen. Den Teil behalte ich für mich.
»Stimmt.« Er seufzt. »Aber ich will endlich wieder flachgelegt werden. Das letzte Mal ist Jahre her.«
Trotz ihres Entschlusses, sich zu trennen, sind sie einander treu geblieben, da sie nicht wollten, dass ihr Sohn etwas erfährt. Und obwohl Griffin … sagen wir, ruhig ist, respektiere ich ihn dafür, dass er sein Kind an erste Stelle setzt.
Vor einem Monat habe ich Kyle verlassen, seitdem keinen Sex mehr gehabt und vorher war bei uns auch schon ewig nicht mehr viel los. Um ehrlich zu sein, ist es nach dem, was er getan hat, das Letzte, woran ich denke, aber ich weiß, dass es nicht lange dauern wird, bis der Drang zurückkommt.
Der Drang wird noch etwas länger warten müssen, denn solange ich bei Marty wohne, stecke ich all meine Energie in die Familienzeit. Mein Bruder, meine Schwägerin und meine Nichten werden von oben bis unten verwöhnt. Also mit Liebe. Meine finanziellen Mittel sind gerade beschränkt, was auch der Grund ist, warum ich keine eigene Wohnung habe. Noch nicht.
Wir beenden unsere Runde und verabschieden uns bis nächste Woche. Anschließend gehe ich zu meinem Auto. Lizzy sollte mit den Mädchen schon zu Hause sein. Der Gedanke an meine Nichten hebt sofort meine Laune. Sie sind hinreißend. Und voller Energie.
Ich parke vor dem Haus und schnappe mir die Dinge, die ich auf dieser Tour mitgenommen habe. Den Großteil unserer Möbel habe ich meinem Arschloch-Ex überlassen, deshalb besitze ich nur das Nötigste. Und ich wollte auf keinen Fall das Bett behalten.
Ich schließe mit dem Schlüssel auf, den sie mir gegeben haben. Lizzy liegt auf der Couch und zappt durch die Kanäle, während die Mädchen hinter ihr am Tisch mit LEGO spielen.
»Onkel Payne!«, ruft Bridget, springt auf und macht einen Satz direkt in meine Arme. Ich schmelze dahin. Diesen absoluten Sonnenschein in den Armen zu halten, erinnert mich daran, wie großartig mein Leben trotz allem ist.
»Was baut ihr da?«, frage ich.
»Eine Militärbasis. Die Aliens kommen.«
»Dann machen wir uns besser an die Arbeit.« Ich werfe Lizzy, die uns amüsiert beobachtet, ein kurzes Lächeln zu, ehe ich mich neben Soph fallen lasse, die mich seltsam mustert. Es dauert immer einen Moment, bis sie warm wird. »Kennst du mich noch?«
Sie senkt den Kopf und sieht mich aus den Augenwinkeln an. Das ist so süß, dass ich angestrengt ein Schmunzeln unterdrücke.
»Ist das neu?«, fragt Bridget und dreht meinen Unterarm, um sich mein neuestes Tattoo anzusehen.
»Jap. Ich habe dafür gesorgt, dass es ganz viele Einzelheiten hat. Nur für dich.«
Sie strahlt. »Ich hole meine Stifte.«
»Geht’s dir gut?«, fragt Lizzy, sobald Bridget aus dem Raum ist.
»So gut es mir gehen kann. Manchmal tut es noch weh, aber ich bin bereit, es hinter mir zu lassen.«
»Du kannst gern so lang bleiben, wie du möchtest.«
»Vorsicht. Ich habe ein ganzes Einzelbett bekommen – ihr werdet mich vielleicht nie wieder los.«
»Du bist albern.«
»Ich bin euch wirklich dankbar.«
»Das weiß ich doch. Ich kann immer noch nicht glauben …« Sie verstummt und ihre Mimik wirkt angespannt. Mir ist klar, dass sie ihre Gedanken nur wegen der Mädchen für sich behält. Marty und ich durften uns lange Schimpftiraden über diese Dumpfbacke anhören. Immerhin ist es unterhaltsam, wenn Lizzy wie ein Rohrspatz flucht.
Bridget kommt mit einer Federmappe voller Stifte zurück, also ziehe ich mir das Shirt über den Kopf und lege mich bäuchlings auf den Fußboden. Die Aliens sind offenbar nicht mehr wichtig.
Irgendwann schließt sich Soph der Ausmalstunde an meinen Tattoos an, und ich bin dabei so entspannt, dass ich einnicke. Bis Soph das Wort ergreift. »Wo ist Onkel Ky?«
Autsch, mitten ins Herz.
Lizzy erklärt hastig, dass Onkel Ky nicht mehr herkommt, während ich das Gesicht in meinen verschränkten Armen vergrabe. Ich bin zu einhundert Prozent über ihn hinweg. Größtenteils. Aber in solchen Momenten schießt mir nur ein Gedanke durch den Kopf: Warum? Er hat unser gemeinsames Leben zerstört. Und ich muss mich mit den Konsequenzen auseinandersetzen.
BEAU
Wow, bin ich ein stammelnder Esel oder ein stammelnder Esel?
Sechsunddreißig. Ich bin sechsunddreißig Jahre alt und stolpere in Paynes Anwesenheit noch immer über meine Worte, als wäre ich erneut in der Pubertät. Es hilft auch nicht, dass die vergangenen Jahre gut zu ihm waren.
Anstatt älter zu wirken, sieht er männlicher aus. Breiter und schroffer. Angefangen bei seinem kurzen Bart über die zerzausten Haare bis zu seinen Schultern, über denen sich das T-Shirt spannte. Das hat mich vollkommen unvorbereitet getroffen.
Normalerweise kommt er zu Familienfesten zu Besuch. Wenn eines der Mädchen Geburtstag hat oder an Weihnachten, sodass ich mich immer vorbereiten und mental wappnen kann. Außerdem hat mir seine Ehe einen heftigen Dämpfer verpasst, deswegen dachte ich, meine Schwärmerei wäre vorbei. Aber nein. Sie ist noch da. Sie ist noch stark. Ich will nach wie vor über seinen Hals lecken.
Ich umfasse die beiden Kaffeebecher fester, als ich am Treffpunkt mit Marty ankomme. Jeden Freitag spazieren wir während seiner Mittagspause um den See. So komme ich aus dem Haus und unter Leute, denn wenn man mich mir selbst überlässt, könnten Wochen vergehen, bevor mir klar wird, dass ich in dieser Zeit mit keiner Menschenseele gesprochen habe.
Ich bin … nun ja, einsam ist nicht das richtige Wort. Ich mag meinen Freiraum und bin gerne allein, aber es gibt Tage, an denen ich gern mit jemandem zusammenleben würde. Jemand, der mich bei der Arbeit nicht unterbricht, der meine Macken akzeptiert und mir nicht das Gefühl gibt, ich wäre eigenartig. Aber offensichtlich existiert dieser Jemand nicht.
Oder falls doch, wurde bestimmt bereits ein Date mit dieser Person arrangiert, und ich habe es verschwitzt. Ich wurde schon zu oft Wirrkopf genannt, aber heute bin nicht ich derjenige, der praktischerweise etwas vergessen hat.
Beim Näherkommen nagle ich Marty mit meinem Blick fest. Er hat dieselben hellbraunen Haare wie Payne, aber im Gegensatz zu seinem Bruder ist er klein, nicht tätowiert und glatt rasiert. Außerdem bilden sich um Martys Mund und Augen bereits Fältchen, während Paynes Haut immer noch straff ist. Und umwerfend. Für viele Menschen sehen sie sich ähnlich, doch ich bin anderer Meinung.
Für mich ist Marty wie ein nerviger Bruder. Payne ist … ein feuchter Traum.
Marty setzt zu einem Lächeln an, doch es erstirbt, als er meinen Gesichtsausdruck sieht.
»Oh-oh. Was ist los?«
»Ach nichts, absolut gar nichts.«
»Irgendwas sagt mir, dass ich dir nicht glauben sollte.«
Ich reiche ihm seinen Kaffee. »Payne zieht wieder hierher?«
»Ach das.« Er sieht mich komisch an. »Ja, Kyle und er haben sich getrennt. Warum interessiert dich das?«
»Ich bin nur überrascht, ihn zu sehen, das ist alles.«
Marty wirkt verwirrt, was ich ihm nicht verübeln kann.
Ich will nachhaken und weitere Einzelheiten erfahren, aber das ist nicht so einfach, wenn Marty überhaupt keine Ahnung von meiner Schwärmerei für seinen Bruder hat. Wäre Lizzy hier, würde sie mir all die gewünschten Informationen geben, ohne dass ich etwas sagen muss. Erstaunlich, wie offensichtlich es für sie ist, wogegen Marty absolut keinen Schimmer hat. Trotzdem bin ich ihr dankbar, dass sie nie etwas erwähnt hat.
»Wieso haben sie Schluss gemacht?«
Martys Miene verfinstert sich, während wir losspazieren. »Ich kann’s immer noch nicht glauben.«
»Was denn?«
»Hör zu, ich weiß nicht, wie viel Payne den Leuten erzählen will, da nicht mal wir die ganze Geschichte kennen, aber … Kyle ist fremdgegangen. Vielleicht sehr oft, allerdings ist es definitiv vorbei.«
Mir bleibt die Luft weg. Kyle hat Payne betrogen? Mein Herzschlag beschleunigt sich und wütende Empörung steigt in mir auf. Seit ich in der Pubertät herausgefunden habe, wie gut es sich anfühlt, mir einen runterzuholen, spielt Payne eine Dauerrolle in meinen Fantasien. Er ist nicht nur zum Anbeißen heiß, sondern strahlt auch ein lockeres Selbstbewusstsein aus. Die älteren Brüder unserer anderen Freunde konnten richtige Mistkerle sein, aber Payne hat Marty und mich immer miteinbezogen.
Dann ist er aufs College gegangen und nach Boston gezogen, wo er Kyle kennengelernt hat. Sein Hochzeitstag war der einzige Moment, in dem ich mir wünschte, er wäre nicht so ein anständiger Mensch und hätte mich nicht eingeladen. Es hat wehgetan, mit anzusehen, wie er einem anderen Mann die Ewigkeit versprach.
Kyle durfte mit ihm zusammen sein. Payne ist treu – er wäre bis zum Ende mit diesem Kerl verheiratet geblieben – und dieser Arsch hat all das weggeworfen. Ich kann mich nicht mal darüber freuen, dass Payne Single ist, weil ich viel zu sauer bin, dass ihm jemand so etwas angetan hat. Wäre Payne mein Mann, würde ich dafür sorgen, dass er weiß, wie toll er ist.
»Wow.« Dieses eine Wort reicht nicht aus, um all meine Gefühle auszudrücken, aber ich möchte mich nicht verraten.
»Ja. Ich muss ständig daran denken, wie Kyle bei seinen Besuchen hier einen auf glückliche Familie gemacht hat. Hat er meinen Bruder da schon betrogen?« Marty knurrt beinahe. »Ich will ihn umbringen.«
»Ich fahre gern mit dir nach Boston, falls du Unterstützung brauchst.«
»Wenn ich wüsste, wo er jetzt wohnt, würde ich dein Angebot annehmen.«
»Ist wahrscheinlich besser so, da keiner von uns weiß, wie man jemandem eine reinhaut.« Marty ist kein Kämpfer, genauso wenig wie ich. Wenn die anderen Jungs auf der Highschool nach Prügeleien gesucht haben, sind wir beide vor ihnen geflüchtet. »Zumindest ist Payne jetzt zu Hause.«
»Ganz genau.«
»Wo will er denn wohnen?«, frage ich.
»Bei uns.« Marty verzieht das Gesicht. »Wir haben angeboten, die Betten der Mädchen in ein Zimmer zu stellen, damit er sich in dem anderen einrichten kann, aber er wollte auf die Couch bestehen. Also haben wir einen Kompromiss gefunden – er schläft in einem der Mädchenbetten und sie teilen sich das Zimmer.«
Meine Lippen zucken. »Payne? In einem Kinderbett?«
»Ich weiß. Ich gebe ihm zwei Tage, bevor er einknickt und sich was Größeres kauft.«
»Payne ist nicht der Typ, der sich beschwert. Ich wette, der arrangiert sich damit.«
Marty bleibt plötzlich stehen. »Warte mal. Du hast doch ein freies Zimmer, oder?«
»Ähm …« Ja, Beau, die Antwort lautet Ja. »Hab ich …« Und die Vorstellung, Payne könnte in diesem Zimmer wohnen, macht mich dermaßen nervös, dass ich fast ohnmächtig werde.
»Was hältst du von einem Mitbewohner?« Marty lacht, als wäre es nur ein Witz, aber das ist es definitiv nicht. »Es wäre nur für ein paar Wochen. Oder so. Wahrscheinlich.«
Mist. Ein paar Wochen reichen vollkommen aus, um peinlich süchtig nach seiner Anwesenheit zu werden. Oder … vielleicht heilen sie mich ein für alle Mal von meiner Schwärmerei.
Ich mag keine Menschen in meiner Wohnung. Ich hatte in der Vergangenheit Mitbewohner, aber keine dieser Konstellationen endete im Guten. Sie fanden mich immer zu kleinlich, ich sie zu laut. Und aufdringlich. Und … unpraktisch.
Ein Teil von mir will die Schwärmerei nicht loslassen, andererseits möchte ich einen Partner finden, und das wird doppelt schwer, wenn Payne so … umwerfend, unwiderstehlich und anders als jeder Mann, den ich kennenlerne, verfügbar in Kilborough ist. Dating war einfacher, als er noch verheiratet war und nicht hier gewohnt hat.
Einfacher, aber trotzdem nicht erfolgreich. Langsam befürchte ich, dass ich keine Ahnung habe, wie man datet. Wie ich empathischer werde und die Zügel lockerlasse, um als Freund geeignet zu sein. Ich will nicht kleinlich sein, doch ich weiß nicht mal, was ich tue, um so zu wirken. Auch wenn ich es gern wäre, bin ich nicht so locker wie Payne.
Dann geht mir praktisch ein Licht auf, denn in mir reift der fantastischste und beängstigendste aller Pläne. Wenn Payne einzieht, können wir gegenseitig unsere Makel angehen. Ich überwinde meine Schwärmerei, und er weist mich auf die Dinge hin, die ich falsch mache. Mit seiner Hilfe werde ich datebar.
Ooo ja, das gefällt mir.
Im Grunde ist es kinderleicht.
Allerdings sagt Payne wahrscheinlich Nein. Er drängt sich nicht gern auf, aber wenn ich die Mädchen auf meine Seite ziehe …
»Weißt du was, ich glaube, ein paar Wochen sind in Ordnung«, sage ich.
Marty atmet lang gezogen aus. »So toll ich es auch finde, dass er bei uns wohnt, wären sicher alle glücklicher, wenn er sich nicht ins Kinderzimmer quetschen muss.«
»Bridget eingeschlossen.« Sie ist eine herrische kleine Sechsjährige – natürlich auf die bestmögliche Art und Weise –, deshalb kann ich mir vorstellen, dass sie sich über die jetzige Situation allzu sehr freut. »Und ich kann ja nicht zulassen, dass meine älteste Nichte Unannehmlichkeiten hat.«
»Nicht auszudenken, dass sie sich nicht in eine verwöhnte Göre verwandelt.«
Ich schmunzle an meinem Kaffee. »Keine Sorge. Ich überlege nach wie vor, ob ich ihr ein Pony schenke. Ich mache schon noch eine Diva aus ihr.«
Marty verpasst mir einen Klaps auf den Hinterkopf, dann beenden wir unseren Spaziergang, ohne Payne noch einmal zu erwähnen. Es kostet mich fast meine gesamte Selbstbeherrschung, meine Gedanken für mich zu behalten, aber ich gebe mir Mühe und unterhalte mich mit ihm über die Arbeit, die Kinder und das Buch, an dem ich schreibe.
Schließlich erreichen wir das Bürogebäude, in dem Marty arbeitet. »Komm doch morgen zum Mittagessen. Da kannst du ihm vorschlagen, bei dir einzuziehen. Bitte? Ich kann es nicht machen, weil er sonst denkt, ich will ihn nicht bei uns haben.«
Ich verspreche, vorbeizukommen, dann trage ich mir ungefähr hundert Erinnerungen ins Handy ein, um es nicht zu verschlafen. Da ich jedoch so nervös bin, Payne wiederzusehen, erwarte ich nicht, mich auf irgendetwas anderes konzentrieren zu können.
Was denke ich mir dabei? Etwas so Maßloses und Quälendes habe ich noch nie getan. Ich kann meine Gefühle kontrollieren, wenn ich Payne nur in kleinen Dosen erlebe, aber was, wenn ich ihn ständig um mich habe? Wenn wir uns vielleicht sogar besser kennenlernen? Ich fächere mir mit dem Kragen meines Shirts Luft zu, da Panik in mir aufsteigt.
Der einzige Lichtblick ist, dass ich mich nicht wie letztens zum Esel machen werde, denn nun weiß ich, dass er hier ist. Wenn ich auf ein Treffen mit ihm vorbereitet bin, gelingt es mir, mich wie ein normaler Mensch zu verhalten; erst wenn ich eiskalt erwischt werde, verliere ich meine Fähigkeit zu sprechen.
Oh Mann. Das wird interessant.
PAYNE
Art: Raus aus den Federn, mein Hübscher. Pack den Tag an den Eiern!
Als ich davor gewarnt wurde, in einem Einzelbett zu schlafen, hielt ich die Sorge für etwas übertrieben. Sicher würde es nicht bequem werden, aber ein paar Wochen hält man alles aus. Heute Morgen bereue ich zutiefst, nicht nachgegeben zu haben.
Beim Versuch aufzustehen, tut alles weh. Normalerweise bin ich stolz darauf, dass ich weder wie vierzig aussehe noch mich so fühle. An diesem Morgen spüre ich jedes einzelne dieser Jahre überdeutlich.
»Morgen, Familie«, murmle ich auf dem Weg in die Küche. Soph hüpft sofort von der Anrichte auf meinen Rücken. Obwohl ich mich freue, dass sie ihre Schüchternheit überwunden hat, wäre es mir lieber, wenn sie damit bis nach dem Kaffee warten würde.
»Morgen, Onkel Payne«, erwidert Bridget.
»Morgen, Süße.« Ich unterdrücke ein Gähnen, schalte die Kaffeemaschine an und versuche, Sophie von meinem wunden Rücken zu pflücken.
»Lass uns über etwas reden«, verkündet Bridget.
»Worüber denn?«
»Du suchst das Thema aus.«
»Hm …« Ich überlege. »Teepartys?«
Sie denkt einen Augenblick darüber nach. »Das ist okay. Warst du schon mal auf einer Teeparty?«
Kyle und ich sind früher mit Freunden brunchen gegangen – zählt das? Egal, ich erwähne es sowieso nicht. »Ein- oder zweimal.«
»Erzähl mir mehr. Was hat dir am besten gefallen? Mit wem warst du da? Gab es Kuchen?«