Roots - Tobias Teichen - E-Book

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Tobias Teichen

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Beschreibung

Tote Hose im Alten Testament? Viele Christen können mit dem ersten Teil der christlichen Bibel wenig anfangen. Zu viele Stammbäume, blutige Geschichten und langatmige prophetische Reden. Doch Tobias Teichen, Pastor im ICF München zeigt: Das Alte Testament ist der spannende Boden, in dem unser christlicher Glaube seine Wurzeln hat. Hier beginnt die leidenschaftliche Liebe Gottes und sein Plan für uns Menschen. Hier werden die Grundlagen für ein gutes, fruchtbares Miteinander gelegt. Sein bewährtes Buch beleuchtet durch die Beziehung zu Jesus das Alte Testament und geht den Ursachen und Grundlagen unseres christlichen Glaubens nach.

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Seitenzahl: 327

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TOBIAS TEICHEN

ROOTS

AUF DER SUCHE NACH DEMURSPRUNG DES GLAUBENS

SCM R.Brockhaus ist ein Imprint der SCM Verlagsgruppe, die zur Stiftung Christliche Medien gehört, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.

ISBN 978-3-417-27059-4 (E-Book)

ISBN 978-3-417-00040-5 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book: CPI books GmbH, Leck

Dieser Titel erschien zuvor unter der ISBN 978-3-417-26794-5.

1. überarbeitete Neuauflage (4. Gesamtauflage)

© 2022 SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH

Max-Eyth-Str. 41 · 71088 Holzgerlingen

Internet: www.scm-brockhaus.de; E-Mail: [email protected]

Die Bibelverse wurden, soweit nicht anders angegeben, folgender Ausgabe entnommen:

Neues Leben. Die Bibel, © Copyright der deutschen Ausgabe 2002 und 2006 SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH, Holzgerlingen. (NLB)

Weiter wurden verwendet:

Elberfelder Bibel 2006, © 2006SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH, Holzgerlingen. (ELB)

Hoffnung für alle®, Copyright © 1983, 1996, 2002 by Biblica, Inc.®. Verwendet mit freundlicher Genehmigung von Fontis – Brunnen Basel. (HFA)

Co-Autorin: Claudia Elsen, München

Bildmaterial auf S. 226, 261 darf mit Lizenz von Michael Gereon verwendet werden.

Bildmaterial auf S. 34, 46, 70, 92, 104, 124, 141, 207, 272, 284 darf mit Lizenz von Michael Held verwendet werden. Bildmaterial auf S. 1, 3, 4, 34, 46, 70, 92, 104, 124, 141, 146, 207, 272, 284 darf mit Lizenz von Sophia Langner verwendet werden.

Bildmaterial auf Buchumschlag und S. 6, 14, 17, 18, 40, 76, 82, 106, 128, 174, 194, 211, 212, 249, 250, 257, 258, 269, 282, 283 darf mit der Lizenz von www.unsplash.com verwendet werden.

Gesamtgestaltung: Katie Schneider, Lagom

Autorenfoto: © ICF Münschen e.V.

INHALT

Über den Autor

EINLEITUNGAm Anfang hast du 1000 Fragen

1 / SEIN WESENGuter oder böser Gott?

2 / GOTTES FREUND ABRAHAMEin grundlegender Bund

3 / SCHUTZ ODER SCHIKANE?Ein herausfordernder Bund

4 / DIE RETTUNGEin Bund, der dich versorgt

5 / WELCOME BACKEin Bund, der Orientierung gibt

6 / ABRAHAM, MOSE, JESUSAlle waren Juden!

7 / DAS HEILIGE ISRAELBedeutung für dein & mein Leben

8 / JUDEN & CHRISTENGeschwister mit Zukunft?

9 / EIN IMMERGRÜNER BAUMSei ein Segen für andere!

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

ÜBER DEN AUTOR

TOBIAS TEICHEN (Jg. 1977) ist Pastor und Gründer des ICF München. Zusammen mit seiner Frau Frauke und einigen Freunden fing er 2005 an, eine Art von Kirche aufzubauen, in der Menschen Gott neu erleben und in ihrer Beziehung zu Jesus wachsen können. Er hat einen Sohn und lebt in München.

WWW.TOBIASTEICHEN.COMWWW.ICF-MUENCHEN.DE

Alt versus neu
Einleitung – Am Anfang hast du 1000 Fragen DEFINITION SAMENKORN: Das Samenkorn enthält alle Anlagen, die für einen neuen Baum nötig sind. Es ist der Beginn einer neuen Pflanze.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Weißt du, was ein Genealoge ist? Diese Menschen sind heutzutage sehr gefragt. Es handelt sich dabei um einen Ahnenforscher oder umgangssprachlich: »Familienstammbaumersteller«. Was für ein Wort! Ich habe festgestellt, dass es heutzutage fast »in« ist, diese Berufsgruppe zu beauftragen, um mal ein bisschen mehr in der Familiengeschichte zu stöbern. Ernsthaft, ich höre oft in meinem Umfeld, dass Leute so einen Forscher engagieren und auf die Suche nach ihren Ahnen gehen. Es gibt auch zahlreiche TV-Formate, in denen Prominente auf den Weg in ihre familiäre Vergangenheit geschickt werden. Uns Zuschauer fasziniert es dann zu sehen, woher dieser Mensch kommt, was seine Wurzeln sind. Manchmal denkt man: »Wahnsinn! Der coole Popstar entstammt einer Spielmannsfamilie, das passt ja eins zu eins.«

Oder das Gegenteil ist der Fall: Wir sehen den reichen Unternehmer, der aus einer bettelarmen Landarbeitersippe kommt. Passt auf den ersten Blick gar nicht zusammen – oder vielleicht doch? Eventuell hat sich ja bei ihm das Denken festgesetzt, dass er aus ärmlichen Verhältnissen kommt, sodass er sparsam ist und sein Geld zusammenhält. Diese Zusammenhänge aufzuspüren, finden wir nicht nur bei anderen Menschen interessant, sondern auch bei uns selber. Warum ist das so?

Wo komme ich her? Das ist eine Frage, die sich viele Menschen stellen. Wir alle haben eine Sehnsucht danach, unsere familiären »Wurzeln« kennenzulernen und aufzuspüren, denn in ihnen liegt ein wichtiger Teil unserer Identität. Ich kenne viele Menschen, die in einer Identitätskrise stecken, weil ihnen die Wurzeln fehlen. Gehen sie auf die Suche nach dem Ursprung ihrer Familiengeschichte, verändern sie sich häufig – egal ob sie adoptierte oder leibliche Kinder sind. Sie bekommen eine neue Sicht auf ihr Leben, wenn sie die Umstände entdecken und verstehen, in die sie hineingeboren wurden.

Ich wage zu behaupten, dass viele Christen sich in einer ähnlichen Identitätskrise befinden, denn sie kennen ihre christlichen oder, besser gesagt: hebräischen Wurzeln nicht. Wenn du dich als Christ bezeichnest, dann weißt du vielleicht gar nicht, dass du eine riesige Sippe hast, deren Ursprung lange vor Jesu Geburt zurückverfolgt werden kann. Das Gute: Wir Christen müssen keinen Ahnenforscher beauftragen. Wir haben es leichter und können unsere Wurzeln und die dazugehörige Familiengeschichte nachlesen. Steht ja alles in der Bibel! Easy, oder? Leider ist es jedoch oft nicht so einfach, diese Familiengeschichte zu verstehen, den Wurzeln beim Bibellesen tatsächlich auf die Spur zu kommen und dabei zu entdecken, wohin sie wachsen und woher sie kommen.

ICH VERSTEH NUR BAHNHOF!

Als ich mit 19 Jahren am Anfang meines Glaubensweges stand, habe ich meine christliche Identität kaum durchschaut. Ich hatte keinen richtigen Zugang zur Bibel und vor allem verstand ich Gott nicht. Das Bild von ihm im Alten und Neuen Testament schien mir widersprüchlich. Und dann diese Floskeln, die ich überall hörte, nach dem Motto: Mit Jesus kannst du eine lebendige Beziehung zu Gott haben. Wie denn? Warum? Ich habe das alles nicht zusammenbekommen. Doch ich ahnte, dass ich die Antworten dazu in der Bibel finden würde. Damals wäre ich froh gewesen, wenn ich eine Einleitung oder, besser: eine Bedienungsanleitung, eine Art Schlüssel, zum richtigen Verständnis der Texte bekommen hätte. Aber den Gefallen hat Gott mir nicht getan. Trotzdem habe ich überaus motiviert das Buch der Bücher aufgeschlagen. Mein Plan war, die Bibel von A bis Z durchzulesen. Von Anfang bis Ende. Ich hatte gerade Jesus kennengelernt und wollte sozusagen das neue und kleine Samenkorn meines Glaubens bewässern, damit dieses zu einer großen Pflanze heranwuchs. Also ran an die Bibel. Doch meine Verständnisprobleme begannen schon auf den ersten Seiten:

Angefangen habe ich mit der Schöpfung, dann kamen Adam und Eva. An der Stelle, wo Gott sinngemäß sagt: »Bitte, esst diese eine Frucht nicht! Ihr dürft alles machen, aber um Gottes Willen nehmt nicht diese eine Frucht!«, und dann die Schlange kommt und Eva rumzukriegen versucht, habe ich so mitgefiebert! »Nimmt sie sie? Nimmt sie sie nicht?« Und: »Mist! Sie nimmt sie!« Also konnte der Plan schon mal nicht aufgehen. Aber Gott grämt sich nicht lange und hat bald eine neue Idee. Er bringt Abraham ins Spiel.

Wenn du die Bibel bereits ein wenig kennst, weißt du, dass auch das an einigen Punkten suboptimal läuft. Abraham zeugt ein uneheliches Kind, vertraut nicht auf Gottes Zusagen usw. Beim Lesen denke ich immer wieder, dass dieses Buch auch ein gutes Drehbuch für so manche Realityshow mit Abgründen und Fehlern von Menschen abgeben könnte. Aber unabhängig davon: Gott gibt nicht auf!

Ich habe übrigens auch nicht aufgegeben und habe weitergelesen, was mir, ehrlich gesagt, immer schwerer fiel. Ich hätte mich schon bei Adam und Eva über eine göttliche Einweisung gefreut. Aber ich hatte nun mal keine und habe mich weiter durch die Verse gebissen. Dann kam ich zu Mose: Ich kämpfte mich durch Naturkatastrophen, seitenlange (ehrlich gesagt für mich damals stinklangweilige) Opferrituale und Massen von Blut und Tierkadavern. Irgendwie kam ich mir vor wie in einem Splattermovie. »Gott – sorry, was soll das? Ich verstehe nichts! Warum muss ich das lesen? Heißt es nicht, die Bibel ist eine gute Nachricht? Wo soll hier die gute Nachricht versteckt sein? Ich lese nur von Opfern, Verderben, und überall kommt mir ein scheinbar erhobener Zeigefinger entgegen.«

Solche Fragen und Gedanken schossen mir durch den Kopf. Wer mich kennt, weiß allerdings: Wenn ich mir etwas vornehme, bleibe ich dran. Ich las also weiter und war ziemlich froh, als ich merkte: Irgendwie läuft das mit den ganzen Tieropfern auch in eine Sackgasse. Doch Gott hat natürlich wieder eine Alternative in petto, das »grande finale« wird eingeläutet: Er schickt seinen Sohn Jesus. Der wird geopfert und dann kommt das große Happy End und alles ist und wird gut. Gott sei Dank!

So ungefähr habe ich die Bibel gelesen. Ganz ehrlich: Ich habe eigentlich gar nichts kapiert! Warum machte Gott das alles? Irgendwie passte für mich inhaltlich nichts zusammen. Dass ich das Wort Gottes nicht richtig verstanden habe, war ein Problem für meine neu entdeckte christliche Identität. Doch ich habe schnell gemerkt, dass ich einerseits mit meinen Zweifeln nicht alleine war und dass es andererseits Christen in meiner Umgebung gab, die diese Identitätskrise nicht verspürten und für sich Antworten auf diese Fragen gefunden hatten. Also machte auch ich mich auf die Suche.

FRAGEN ÜBER FRAGEN

Gerade in Bezug auf Gottes Wesen und die Art und Weise, wie er in der Bibel agiert, kamen mir damals immer wieder dieselben Gedanken. Vielleicht sind sie dir auch schon mal beim Bibellesen durch den Kopf geschossen.

HAT GOTT EIGENTLICH EINEN PLAN?

• Irgendwie scheint er ja ziemlich sprunghaft zu sein. Plan A mit Adam und Eva funktioniert nicht – egal! Dann schließt er einen Bund mit Noah, als Nächstes mit Abraham und dann wieder einen (über Mose) mit Israel und schließlich mit David und am Ende mit Jesus.

• Was soll das? Kann der sich mal für einen Weg entscheiden?

• Oder ist er doch nur ein schwacher Gott, der mehr reagiert als agiert?

WAS SOLLEN ÜBERHAUPT DIESE GANZEN BÜNDE? SIND DIE ÜBERHAUPT NOCH GÜLTIG?

• Oder schon längst veraltet? Man hört ja immer vom alten Bund im Alten Testament mit Männern wie Abraham, Mose oder David und vom neuen Bund mit Jesus im Neuen Testament. Heißt dass, dass die alten alt und überholt sind und nur noch der neue gilt?

• Und was heißt das dann für mich, wenn Gott immer wieder neue Bünde schließt? Kündigt er den aktuellen mit mir auch irgendwann?

HAT GOTT EINE MULTIPLE PERSÖNLICHKEITSSTÖRUNG?

• Er schickt eine Sintflut über die Erde, mit deren Hilfe er ganze Völker hinwegrafft. Er grollt und zürnt den Menschen, droht ihnen zeitweilig sogar. Und auf der anderen Seite wandelt dann im Neuen Testament Jesus durch die Welt: Heilt, tut Gutes und predigt Liebe und Versöhnung. Wie passt das zusammen?

• Gehört das überhaupt noch zusammen? Manche Menschen sagen: »Mit dem Gott im Alten Testament will ich nichts zu tun haben! Der meint es doch nicht gut mit uns! Ich bin Christ und brauche nur das Neue Testament!« Wie ist das genau?

• Und ist der Gott des Alten Testaments überhaupt noch der gleiche wie im Neuen? Oder hat er sich verändert? Warum scheint er im ersten Teil der Bibel so gemein und grausam, im zweiten plötzlich liebevoll und den Menschen zugewandt?

Egal wo du auf deiner Reise – oder auch: deiner Ahnenforschung mit Gott – bist, ob du beim Lesen genickt oder auch gedacht hast: »Tobias, ich sehe das ein wenig anders mit Gottes Plan und Charakter«, in einer Sache sind wir uns vielleicht einig: Gott ist unser aller Vater. Und wie nun das Wesen dieses Vaters ist, das möchte ich in diesem Buch versuchen zu beantworten. Denn mir ist klar geworden, dass es für meine christliche Identität ganz wichtig ist, das Wesen des göttlichen Vaters zu verstehen, zu wissen, wo ich herkomme. Zu begreifen, wer und wie er wirklich ist. Dass er ein und derselbe Gott in der Bibel ist und nicht irgendwie einer mit zwei verschiedenen Gesichtern.

Deshalb habe ich mich auf meine persönliche Reise zu den hebräischen Wurzeln des christlichen Glaubens gemacht. Ich habe die Bibel aufmerksam gelesen, Theologie studiert, mich weitergebildet, andere Christen gefragt, gebetet, Eindrücke und Ideen gesammelt und meine christliche Umwelt mit Fragen gelöchert. Viele Dinge wurden mir dadurch deutlicher Ich habe im Gespräch, durch Nachdenken, durch das Studium und die Auslegung der Bibel Zusammenhänge entdeckt, die für mich absolut Sinn ergeben. Diese möchte ich dir nun vorstellen, denn mir haben sie geholfen, meinen Weg zum Wesen Gottes – und damit meiner Identität – zu finden. An manchen Stellen wirst du vielleicht zusammenzucken und den Kopf schütteln, aber ich habe absolut nichts dagegen. Im Gegenteil, wenn du meine provokante Art kennst, weißt du, dass ich mir wünsche, dass dieses Buch ein Anstoß für dich ist, an der einen oder anderen Stelle tiefer zu gehen. Weiter zu suchen und vielleicht auch deine eigene ganz andere Sichtweise zu finden. Das ist für mich mündiges Christsein.

Denn wir erkennen stückweise,und wir weissagen stückweise.

1. Korinther 13,9 (NLB)

Das sagt Paulus und genau das denke ich auch. Ich maße mir nicht an, alles zu durchschauen. Vor allem kann ich als Mensch sowieso nicht komplett verstehen und erkennen, was Gott mit uns vorhat. Auf der Suche nach meinen christlichen Wurzeln wurde mir immer deutlicher, dass zu unserer Familiengeschichte neben Gott als Vater noch weitere Verwandte gehören. Sie sind der Stamm, die Zweige und Äste des Familienbaums. Sie tauchen bereits ganz früh in der Bibel auf – gemeint sind die Mitglieder des Volkes Israel. Früher hatte ich mit diesem Thema so meine Probleme. Doch nach und nach wurde mir deutlich: Gerade weil viele von uns Christen ihre hebräischen Wurzeln nicht mehr richtig kennen, ist eine Trennung zwischen Juden und Christen entstanden. Wir haben einen Teil unserer Identität verloren, und das, obwohl die Juden oder eben die Israeliten die Hauptdarsteller in vielen Bereichen der Bibel sind.

Und dann gibt es ja auch noch dieses Land, das ebenfalls eine wichtige Rolle in der Bibel spielt. Ich weiß, daran scheiden sich oft die Geister. Mit dem Wort »Israel« verbinden wir heute verschiedene Dinge. Es gibt das reale Land im Nahen Osten. Als Nächstes muss man differenzieren zwischen der Bevölkerung des heutigen Israel und dem politischen Israel. Und schließlich gibt es noch das biblische, sozusagen geistliche Israel. Bei dem Thema Israel stoße ich persönlich immer auf zwei oft extreme Fraktionen: Die einen sind hundertprozentig für Israel und feiern alles, was dort passiert. Die anderen finden alles schlecht, was das Land macht. Egal ob du zu einem der beiden Pole gehörst oder dich irgendwo dazwischen ansiedeln würdest – vielleicht hast du dir folgende Fragen zu diesem Teil deines christlichen Stammbaums auch schon gestellt:

WARUM EIGENTLICH IMMER DAS JÜDISCHE VOLK? SIND DIE JUDEN GOTTES LIEBLINGE?

• Muss ich neidisch auf sie sein? Weil sie Gottes Volk sind? Was ist dann mit mir? Wo ist mein Platz in dem Bild des Stammbaums?

• Sind sie irgendwie heiliger? Warum hat Gott sie eigentlich ausgewählt? Was ist ihre Aufgabe?

HAT DAS POLITISCHE ISRAEL IMMER RECHT?

• Muss ich alles gut finden, was die Politiker entscheiden und durchsetzen, nur weil Israel anscheinend zu meinen Ahnen gehört? Oder sollte ich mich von Israel abwenden? Diese ganzen schlimmen Nachrichten, die ich im Fernsehen sehe, kann man doch nicht gut finden.

HAT DAS HEUTIGE ISRAEL ÜBERHAUPT NOCH ETWAS MIT UNS CHRISTEN ZU TUN?

• Oder ist es genauso veraltet wie das Alte Testament? Wir haben doch jetzt Jesus Christus und brauchen das ganze Israelzeugs nicht mehr, oder?

• Juden und Christen gehören doch nicht (mehr) zusammen? Juden glauben schließlich nicht ans Neue Testament und nicht an Jesus … Was habe ich dann mit ihnen zu tun? Und warum sollte ich für sie beten?

AALLE DIESE FRAGEN MÖCHTE UND WERDE ICH DIR IM BUCH BEANTWORTEN!

Immer, wenn du dieses Zeichen siehst, findest du eine kurze Zusammenfassung der Antwort auf eine der gestellten Fragen.

Jetzt habe ich viele Fragen in den Raum gestellt. Wie geht es dir damit? Vielleicht denkst du, dass ich ein wenig übertreibe? Vielleicht aber auch, dass da schon etwas Wahres dran ist an meinen teilweise etwas krass formulierten Fragen und Behauptungen? Ich möchte dich damit zum Nachdenken anregen und dir im Folgenden meine Sicht der Dinge zeigen.

Ich selber habe wie gesagt auch lange nicht verstanden, was Gott uns vor allem mit dem ersten Teil der Bibel sagen will. Was ich heute noch mit Israel zu tun habe – wie das alles mit meiner Identität als Christ zusammenhängt. Und ob es überhaupt so etwas wie einen Zusammenhang, also ein großes Ganzes, gibt.

DER UNIVERSALSCHLÜSSEL

Stehst du vor einem Haufen Schrauben und Bretter einer schwedischen Möbelhauskette, musst du dich auch erst einmal durch die verschiedenen Teile kämpfen. Hast du alles sortiert, dann geht es weiter. Der nächste Schritt ist der Zusammenbau. Aber dafür brauchst du unbedingt passendes Werkzeug. Ohne das wird es schwierig. Erst recht, wenn du so ein »Anti-Handwerker« mit zwei linken Händen bist wie ich, der am liebsten schon beim Glühbirnewechseln einen Elektriker rufen würde. Aber es gibt Hilfe, denn dein freundliches Möbelhaus hat dir einen Universalschlüssel dazugelegt, der dir hilft, die Schrauben anzuziehen und den Schrank aufzubauen.

So ist das auch, wenn man in der Bibel nach dem Wesen Gottes sucht (wie ist er wirklich?) und sich der Bedeutung des Volkes Israel nähern will. Du brauchst ein Hilfsmittel oder, besser gesagt: den richtigen Zugang, um Gott einordnen zu können. Nachdem ich den gefunden hatte, musste ich meinen ersten Eindruck von der Bibel, Gottes Wesen und dem Volk Israel verwerfen. In diesem Buch möchte ich dir gerne meinen Zugang zur Bibel vorstellen, durch den wir den Gott der Bibel besser einordnen und in neuen Dimensionen kennenlernen und erleben können. Mein Ziel ist es, dass du am Ende das große Ganze erkennst und deine christlichen Wurzeln besser verstehst und begreifst. Ich werde dir verschiedene Bilder vorstellen, die dir helfen, deine mögliche Identitätskrise zu überwinden, und dich zu einem ganzheitlicheren Christsein führen.

Wenn du magst, lade ich dich ein, weiterzulesen. Keine Sorge, es wird nicht trocken werden. Es geht schließlich um Gott, das schillerndste und faszinierendste Wesen überhaupt!

Kapitel 1 Sein Wesen – Guter oder böser Gott? DEFINITION WASSER: Wie jedes Lebewesen auf der Erde ist auch jeder Baum angewiesen auf ausreichend Wasser. Die Wurzeln sind dafür zuständig, das Wasser aufzunehmen. Sämtliche Zelltätigkeiten der Pflanze sind ohne Wasser undenkbar.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Je tiefer ein Baum seine Wurzeln in die Erde gräbt, desto besser geht es ihm. Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens wird der Baum immer stabiler, je weiter er in die unteren Erdschichten vorstößt. Er findet Halt und verwurzelt sich fest im Boden. So trotzt er Stürmen und Dürrezeiten und fällt nicht gleich beim ersten leichten Windstoß um. Das kann man eins zu eins auf unser Glaubensleben übertragen: Je tiefer und fester wir im Glauben verwurzelt sind, desto besser überstehen wir die Stürme und Herausforderungen des Lebens.

Zweitens müssen die Wurzeln des Baumes so tief wie möglich in der Erde sein, damit sie an das lebenswichtige Wasser kommen, das den Baum versorgt. Dadurch macht er sich unabhängig von dem, was oben passiert. Auch dieser Aspekt des Bildes lässt sich auf unser Glaubensleben übertragen. Das Wasser steht hier sozusagen für Gottes Wesen. Aber was bedeutet das dann? Versorgt er uns und macht uns unabhängig von äußeren Einflüssen?

Meiner Meinung nach schon, aber lass mich erklären, warum ich das denke. Eine wichtige Facette von Gottes Wesen ist theologisch unumstritten, das habe ich in der Einleitung schon erwähnt und möchte es hier noch einmal betonen: Andere bezeichnen ihn und auch er selbst bezeichnet sich an vielen Stellen als Vater. Das zieht sich durch die Bibel wie ein roter Faden und zeigt, wie wichtig Gott dieser Vergleich und diese Charaktereigenschaft ist:

Und es gibt auch nur einen Gott und Vater, der über allen steht und durch alle lebt und in uns allen ist.

Epheser 4,6

Bei Glaubensfragen ist es immer interessant, Parallelen zu deinem und meinem Leben zu ziehen. Denn wenn du vielleicht schon an dem Punkt bist, wo du Gott als deinen Vater anerkennst, kann er genauso identitätsprägend für dich sein wie deine Eltern. Vater und Mutter haben die Aufgabe, ihre Kinder emotional und physisch zu versorgen, nur leider klappt das bei uns Menschen nicht immer optimal. Warum? Weil wir Menschen sind.

GANZ UNTERSCHIEDLICH

»Mein Papa war superlieb, er war immer zu Hause und einfach nur großzügig. Ständig hat er Geschenke mitgebracht und ich konnte mit allen Sorgen zu ihm gehen!«

»Mein Vater war eher kühl und abweisend! Ich kann mich nicht erinnern, überhaupt mal eine kleine Aufmerksamkeit von ihm bekommen zu haben. Wenn ich etwas auf dem Herzen hatte, bin ich zu meiner Mutter gegangen.«

Was denkst du? Hier geht es um zwei verschiedene Väter, oder? Den liebevollen und den distanzierten. Weit gefehlt! Diese Aussagen kamen von Geschwistern. Besser noch: von Zwillingen. Als ich mich mit ihnen über ihren Vater unterhalten habe, war ich völlig überrascht. Sie malten jeweils ein komplett unterschiedliches Bild von ihm. Beide sind in der gleichen Familie aufgewachsen, nur wenige Minuten trennten den Zeitpunkt ihrer Geburt und doch erlebten sie ihren Vater so verschieden – fast als hätte er zwei Persönlichkeiten. Während die beiden mir von ihrem Papa erzählten, kam mir ein Blitzgedanke: »Sind wir Christen nicht genauso wie diese beiden Geschwister? Gott ist ja auch unser aller Vater und wir alle Brüder und Schwestern! Das können wir überall in der Bibel nachlesen und doch sehen und beschreiben wir ihn alle völlig anders. Wie kommt das?«

Gerade als Pastor begegne ich vielen unterschiedlichen Sichtweisen auf ein und denselben Gott. Der eine sagt: »Gott ist ein Tyrann! Immer wenn irgendetwas Spaß macht, ruft Gott: ›Sünde, Finger weg.‹ Alles, was Spaß macht, verbietet er.« Der andere sagt: »Gott ist so ein Weichei, der ist doch gar nicht relevant in der heutigen Welt. Der kümmert sich ohnehin um nichts.« Und wenn du einen Dritten fragst, kommt von ihm vielleicht die Antwort: »Gott ist pure Liebe!«1

All das sagen Menschen über Gott, doch ähnliche Aussagen könntest du auch von Kindern hören, die ihre Eltern beschreiben. Warum ist das wichtig in Zusammenhang mit deinem Gottesbild? Gott sagt, dass er dein Vater ist. Wissenschaftlich ist es erwiesen, dass Vater und Mutter deine Identität prägen und beeinflussen.2

Sogar wenn Vater oder Mutter schon lange tot sind, versucht man oft noch, ihnen etwas zu beweisen. Vielleicht hat der Vater ständig zu dir gesagt: »Das schaffst du doch eh nicht!« Und gerade deshalb rackerst du dich heute auf der Karriereleiter ab und versuchst, immer weiter emporzuklettern – wahrscheinlich in erster Linie, um vor deinem Vater gut dazustehen. Möglicherweise versuchst du durch all dein Handeln, Anerkennung von deinen Eltern zu bekommen. Nun kann es sein, dass du dieses Verhalten auf Gott überträgst. Vielleicht hast du schon mal gedacht, dass du so, wie du bist, nicht zu Gott kommen kannst. Du fragst dich: »Kann er mich wirklich so lieben, wie ich bin, hinter meiner Fassade? Besonders heilig bin ich ja leider nicht … Ich glaube, ich muss mehr leisten! Vielleicht mehr spenden, mehr beten oder einen heiligeren Lebensstil führen.« Vereinfacht gesagt: »Ich muss es mir irgendwie verdienen, dass Gott mich liebt.«

Solltest du das jemals gedacht haben, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das mit den Wurzeln deines Glaubens zu tun hat. Eventuell könnte es damit zusammenhängen, dass du mit ihnen noch nicht tief genug am Wasser im Boden und im übertragenen Sinne an Gottes Wesen angekommen bist und sein wahres Ich und das, was unter der Oberfläche steckt, noch nicht durchschaut hast. Das ist auch nicht einfach und muss langsam entstehen – ähnlich wie bei menschlichen Beziehungen. Da passiert es ebenfalls öfters, dass wir nicht hinter die Kulissen schauen und unser Gegenüber erst einmal falsch einschätzen. Ich kann da ein Lied von singen …

IN SCHUBLADEN GESTECKT

Marmor, Stein und Eisen bricht,aber unsere Freundschaft nicht!3

Oder besser:

Du hast gewaltig recht!Die Welt ist ganz erbärmlich schlecht,denn jeder ist ein Bösewicht, nur du und ich natürlich nicht!4

Oh, ne – das kann ich so echt nicht schreiben … Besser, ich nehme den Klassiker, mit dem kann ich nichts falsch machen:

Ein Häuschen aus Zucker, aus Zimt die Tür, den Riegel aus Bratwurst, das wünsche ich dir!5– Alles Gute wünscht dein Lehrer Tobias Teichen

So lasse ich es jetzt! Jetzt noch einen kleinen, niedlichen, glitzernden Sticker aus der Bastelkiste meiner Frau unter den Text klatschen – fertig! In Poesiealben schreiben, das war mit das Schlimmste, was man mir in meiner Laufbahn als Lehrer antun konnte. Es kam aber zum Glück nicht oft vor, da ich selten in den fünften Klassen unterrichten musste, in denen Poesiealben noch im Umlauf waren. Mir war zwar bewusst, dass diese Alben eine Art Liebesbezeugung der Kids waren, aber ich war und bin einfach nicht der Typ für solche niedlichen Sprüchlein.

Einmal hatte ich eine Schülerin, bei der ich anfangs fast froh gewesen wäre, wenn ich nur in ihr Poesiealbum hätte schreiben müssen. Warum? Sie war unglaublich anhänglich. Ich hatte sozusagen meinen Schatten immer dabei. Wohin ich auch ging – sie stand neben mir. Das war, ehrlich gesagt, alles etwas viel, ich fühlte mich fast schon ein wenig bedrängt und erdrückt von ihren Liebesbezeugungen. Ständig musste ich mir die Bilder ihrer Hamster ansehen, und wer mich kennt, der lacht sich kaputt, wenn er sich vorstellt, wie Tobias in Begeisterungsstürme wegen niedlicher kleiner Hamster ausbricht. Das geht komplett wider meine Natur. Als sie mir dann ihr Poesiealbum in die Hand drückte und mich mit großen Augen bat, etwas hineinzuschreiben, schickte ich ein Stoßgebet zum Himmel: »Gott! Warum hast du mir bloß eine fünfte Klasse gegeben und warum muss ich mich jetzt mit diesem ganzen Mädchenkram herumschlagen?«

Die Antwort bekam ich schneller als gedacht. Als ich meiner Schülerin das Poesiealbum zurückgab, freute sie sich sehr: »Herr Teichen, darf ich Sie was fragen? Können Sie mein Papa sein? Sie sind so nett zu mir und immer da! Geht das?« Ich war leicht irritiert und habe nachgehakt. Nach einem langen Gespräch mit ihr kannte ich auf einmal den Grund oder, besser gesagt: die Wurzel für ihr aufdringliches und anhängliches Verhalten. Ihre Mutter hatte ständig neue Partner, sodass es keinerlei Konstanz im Familienleben gab. Wechselnde Bezugspersonen hatten ihr den Halt im Leben genommen. Irgendwie hat sie wohl das Gefühl gehabt, dass ich ihr die fehlende Stabilität geben könnte, denn ich war (zumindest in der Schule) immer da und in ihren Augen sehr freundlich zu ihr. Auf einmal hatte ich Verständnis für ihre extremen und bedrängenden Liebesbeweise. Meine Sichtweise auf sie hat sich komplett geändert. Denn erst als ich hinter ihre Fassade geblickt habe, verstand ich den Grund dafür, dass sie so massiv meine Nähe gesucht hat. Und auch wenn dieser Vergleich ein wenig hinkt – auf ähnliche Weise müssen wir bei Gott hinter die Fassade schauen, um sein wahres Wesen zu ergründen. Vielleicht sagst du jetzt: »Okay, das ist alles schön und gut, ich versuche ja, mich Gottes Wesen zu nähern und unter die Oberfläche zu blicken. Ich möchte meine Vorurteile und mein Schubladendenken gegenüber Gott aufgeben. Aber trotzdem: Ich bringe den Gott des neuen Teils der Bibel mit dem des alten Teils nicht zusammen. Wie passt dieser liebevolle Jesus mit einem Gott-Vater zusammen, der zum Beispiel von Abraham verlangt, seinen Sohn zu opfern? Was soll daran gut sein? Jesus hätte das bestimmt nicht von ihm verlangt!«

Vielleicht könnten auch die folgenden Worte aus deinem Mund kommen: »Im Neuen Testament, da finde ich einen liebevollen Vater und einen gütigen Sohn. Aber im Alten, da sehe ich nur Mord und Totschlag und einen Gott mit erhobenem Zeigefinger! Das Wesen Gottes, und eben vor allem das des Vaters, kommt mir irgendwie gespalten vor. Man muss wohl doch etwas leisten, damit man von Gott geliebt wird, vielleicht die Gebote komplett einhalten, sonst bestraft er einen am Ende noch?!?«

Wenn du diese Gedanken hast, ist das in Ordnung, denn eines ist klar: Du bist nicht allein damit. Ich verrate dir mal etwas: Ich habe auch lange so gedacht und konnte Gottes Wesen nicht richtig einordnen. Das hat mich in meinem Leben als Christ ganz schön herausgefordert, denn ich habe gemerkt, wenn ich Gott nicht richtig verstehe, kann ich auch meine christliche Identität nicht wirklich verstehen. Deshalb habe ich weitergesucht. Ich hatte das Gefühl, dass da mehr war als mein Vorurteil, dass der Gott im Alten Testament böse ist, Leistung verlangt und der im Neuen Testament gütig, menschenfreundlich, heilend und eben einfach durch und durch gut.

Meine Stärke und gleichzeitige Schwäche ist es, mich in Themen festzubeißen: Habe ich eine Frage, dann lasse ich nicht locker. So machte ich mich auf die Suche nach Antworten. Hörte mir Predigten an, die vom Gott des Alten und vom Gott des Neuen Testaments berichteten. Tief in mir drin wollte ich einfach nicht akzeptieren, dass es da anscheinend eine Persönlichkeitsspaltung gab, denn ich wusste, dass Jesus gesagt hatte:

Denn der, den Gott gesandt hat, redet die Worte Gottes; denn er gibt den Geist nicht nach Maß. Der Vater liebt den Sohn und hat alles in seine Hand gegeben.

Johannes 3,34-35 (ELB)

Außerdem steht im Hebräerbrief:

Jesus Christus ist gestern, heute und in Ewigkeit derselbe.

Hebräer 13,8

Das klang für mich nicht nach einer Zweiteilung, denn Jesus redete die Worte Gottes und handelte im Sinne des Vaters, der alles in seine Hand gegeben hatte, gestern, heute und in alle Ewigkeit. Doch ich brauchte noch mehr Beweise als diese Zitate, um das auch wirklich zu glauben. Und deshalb suchte ich weiter nach Antworten.

EIN GOTT IN DER GANZEN BIBEL?

Hast du schon einmal in einem Hotel eine Bibel in der Nachttischschublade gefunden und sie vielleicht sogar in die Hand genommen und aufgeschlagen? Was ist dir dabei aufgefallen? Richtig! Es gibt oft nur das Neue Testament! Wenn es gut läuft, dann sind noch die Psalmen hinten drangeklatscht, weil die ja »so schön« zu lesen sind und »so viel Hoffnung« geben. Aber das vermeintlich Unangenehme, nämlich das Alte Testament: Fehlanzeige!

Als ich einmal so eine Hotelbibel in der Hand hatte, ist mir aufgefallen, wie dünn sie eigentlich war. Zum Vergleich habe ich meine eigene Bibel aus der Tasche geholt und nachgesehen, wie das Verhältnis zwischen altem und neuem Teil ist. Meine Bibel hatte 1453 Seiten (ohne Anhänge usw.). Ich war überrascht: 1065 Seiten zählte ich beim Alten und nur 388 beim Neuen Testament!

Das heißt: In dieser Hotelbibel fehlten fast drei Viertel des Umfangs. Schon krass, oder? »Vielleicht braucht man ja den ersten Teil nicht«, dachte ich, »und man ist auf die Idee gekommen, ihn wegzulassen, möglicherweise sogar, um diese elende Diskussion über den guten und bösen Gott zu beenden. Ein lieber und gütiger Gott ist ja auch viel sympathischer, da eliminieren wir den bösen einfach mal.« Das meine ich jetzt natürlich ironisch! Aber es ist leider bei uns Christen oft so, dass der erste Teil der Bibel unter den Tisch fällt. Doch er ist immens wichtig, und genau das kannst du sogar nachlesen, und zwar: im zweiten Teil der Bibel.

DIE WURZELN DES CHRISTLICHEN GLAUBENS

Wie wichtig der erste Teil ist, steht im Römerbrief, den Paulus an die Christen in Rom geschrieben hat. Die Adressaten dieses Briefes sind sogenannte »Heidenchristen«, also Christen, die nicht dem Judentum entstammen. Das Gegenteil davon sind Judenchristen, die, bevor sie Christen wurden, im jüdischen Glauben gelebt haben – Paulus war so einer. Eine wichtige Stelle im Römerbrief ist die mit dem Bild des Ölbaums. Damit erklärt Paulus den Heidenchristen, also eigentlich auch uns Neuzeitchristen, wo wir die Wurzeln unseres christlichen Glaubens finden können:

Einige Zweige dieses Baumes sind herausgebrochen worden. An ihrer Stelle wurdet ihr als Zweige eines wilden Ölbaums aufgepfropft. So lebt ihr von den Wurzeln und Säften des edlen Ölbaums.

Römer 11,17 (HFA)

Diese Bibelstelle und ihr Kontext ist wichtig, um unsere Wurzeln und das Wesen Gottes zu verstehen und um später das große Ganze zu begreifen, den Plan, den Gott durch die ganze Bibel verfolgt. Mit diesem Bild hat Paulus sozusagen einen Zugangsweg zum Glauben aufgezeigt. Deshalb möchte ich dir erklären, wie ich es verstehe: Der Ölbaum symbolisiert Gottes Volk. Der Stamm steht für die Patriarchen, die alle Juden waren6, und die Zweige für die Juden als Volk. Der Zweig, der eingepfropft wird, sind wir, also Christen ohne jüdischen Hintergrund. Das bedeutet für dich und mich, sofern du dich als Christ bezeichnest:

Bildet euch aber deshalb nicht ein, besser als die herausgebrochenen Zweige zu sein! Denn nicht ihr tragt die Wurzel, sondern die Wurzel trägt euch.

Römer 11,18 (HFA)

Die Wurzel trägt dich, und wenn du an den Saft, also an Gottes Wesen, willst, dann musst du eine Verbindung zur Wurzel haben. Und ebendiese Wurzel hat viel mit dem ersten Teil der Bibel zu tun! Sie gehört zum Ölbaum und somit zum biblischen alttestamentlichen Volk Israel. Sie verankert den Baum im Boden und zieht das lebensspendende Wasser aus der Erde.

Man kann die Geschichten über das sogenannte Volk Gottes nachlesen. Und die stehen wo? Richtig: im Alten Testament. Paulus bezieht sich auf diesen Teil der Heiligen Schrift und zeigt uns, dass er wichtig ist, weil unser ganzer Glaube darauf basiert. Es ist eben nicht so, dass Gott im ersten Teil der Bibel gemerkt hat, dass sein Handeln und seine Pläne nicht so gut ankommen, er sich einen Unternehmensberater ins Haus geholt hat und mit ihm Folgendes besprochen hat: »Hören Sie mal: Ich komme leider gerade nicht so gut an! Immer wenn ich ein bisschen krasser werde, also Gericht halten will oder eben Opfer verlange, wenden sich die Leute ab! Kannst du mich bitte marketingtechnisch ein wenig aufpimpen?«

»Klar«, sagt der Berater, »ich habe die Idee: Das mit den Opfern, das lassen wir weg – wir machen einfach den Gott des Neuen Testaments aus dir! Wir schicken deinen Sohn: Jesus! Gott 2.0! Der wird alles retten! Der wird ›Everybody’s Darling‹ und alle werden ihn und damit dich lieben!«

»Ja«, ruft Gott, »das ist eine super Idee. Jesus, komm mal, ich habe dir was zu sagen, pack schon mal deine Koffer!«

Du merkst hoffentlich die Ironie in meiner Geschichte, denn gerade so hat es Gott sicher nicht gemacht. Paulus wusste das und warnt immer wieder davor, dass wir den Ursprung unseres Glaubens vergessen, denn nur wenn wir ihn kennen und verstehen, verstehen wir auch Gottes Wesen und können unsere christliche Identität wirklich leben.

Aus dem, was mit unseren Vorfahren geschah, sollen wir eine Lehre ziehen. Die Schrift berichtet davon, um uns zu warnen – uns, die wir am Ende der Zeit leben.

1. Korinther 10,11 (NGÜ)

Die Schrift berichtet davon! Damit meint er wieder den ersten Teil der Bibel. Ich mache mal ein kleines Quiz mit dir. Wenn du magst, dann beam dich kurz zu »Wer wird Millionär?«. Es ist die Eine-Million-Euro-Frage und sie lautet:

WELCHE TEXTE WAREN GRUNDLAGEFÜR DIE ERSTE KIRCHE?

A) DIE GESAMTE HEUTIGE BIBEL

B) DER ERSTE TEIL DER BIBEL

C) MARIAS TAGEBUCHEINTRÄGE

D) DER ZWEITE TEIL DER BIBEL

Jaaa, bingo! Ich hoffe, du wusstest es. Richtig ist Antwort B – es war der erste Teil der Bibel. Und nur der! Den anderen Teil gab es ja noch gar nicht, der ist erst später geschrieben worden – eben zur Zeit der ersten Kirche. An dieser Stelle ist es mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass ich ab jetzt nicht mehr die Begriffe »Altes« und »Neues Testament« benutzen werde. Denn meiner Meinung nach ergeben sie einfach keinen Sinn. Bis hierhin habe ich sie verwendet, weil sie (leider) gängige Bezeichnungen sind und du die Teile der Bibel vielleicht so nennst. Doch für mich ist das »Alte« Testament nicht alt, sondern ebenso wichtig für uns Christen wie das Neue Testament, oder eben der zweite Teil der Bibel. Auch Jesus zitiert immer nur aus ebendiesem ersten Teil der Bibel, wenn er sich auf Gottes Wort und Wesen bezieht:

In den Schriften der Propheten heißt es: »Alle werden von Gott unterwiesen sein.« Wer den Vater hört und von ihm lernt, kommt zu mir.

Johannes 6,45

An einer anderen Stelle, als der Teufel ihn auf die Probe stellt, antwortet Jesus ihm, indem er ihm göttliche Prinzipien nennt:

Jesus antwortete: »In den Heiligen Schriften steht: Der Mensch lebt nicht nur von Brot; er lebt von jedem Wort, das Gott spricht.«

Matthäus 4,4

Mit anderen Worten: Wenn du innerlich so reich und erfüllt leben willst, wie Gott es für dich geplant hat, dann höre und beherzige sein geschriebenes Wort. Es ist sogar wichtiger, als zu essen. Woher hat Jesus dieses Zitat? Aus dem ersten Teil der Bibel! Er hatte ja nur diesen!

AHAT GOTT EINE MULTIPLE PERSÖNLICHKEITSSTÖRUNG?

Nein, es gibt nur einen Gott in der gesamten Bibel. Jesus und die ersten Christen hatten nur die Schriften des ersten Teils der Bibel. Und Jesus und Paulus betonen immer wieder, dass Gott ein und derselbe ist, und begründen das mit Aussagen aus dem ersten Teil der Bibel. Wenn man sich das einmal vergegenwärtigt, ist es schon ziemlich krass, wie viele Christen es gibt, die nur den zweiten Teil lesen oder gar besitzen. Sie kennen ihre hebräischen Wurzeln nicht und haben somit überhaupt keinen Zugang zum Wesen Gottes.

WIE GOTT WIRKLICH IST

Auf der Reise zu diesem Wesen Gottes und zu unseren Wurzeln sind wir an dieser Stelle schon mal einen Schritt weitergekommen: Es gibt also nur einen Gott in der ganzen Bibel, denn erster und zweiter Teil gehören zusammen, bauen sozusagen aufeinander auf. Das bedeutet: Gott hat keine gespaltene Persönlichkeit. Als Nächstes kann man nun fragen: Ist er gut oder böse? Wie ist sein Hauptcharakterzug? Im zweiten Teil sieht man das deutlich: Gott ist Liebe. Darüber muss man eigentlich nicht diskutieren. Aber woran kann man das im ersten Teil erkennen? Vielleicht ist er doch ein kleines bisschen böse? Und meint es nicht nur gut mit uns? Man denke nur an die ganzen Gebote, die er uns im ersten Teil der Bibel aufdrückt. Dass Töten schlecht ist, sieht, glaube ich, jeder ein, aber wie sieht das bei anderen Dingen aus wie zum Beispiel:

Du sollst nichts Unwahres über deinen Mitmenschen sagen.

2. Mose 20,16

Ja, prinzipiell ist das auch eine gute Sache – aber ein bisschen lästern über andere? Macht das nicht jeder? Warum verbietet er das? Es macht doch auch Spaß! Und so richtig schlimm ist es ja nicht. Oberflächlich gesehen stimmt das vielleicht. Aber glaub mir, diese Gebote aus dem ersten Teil der Bibel sind nicht veraltet und Gott hat sie uns nicht gegeben, um uns zu strafen oder uns zu ärgern, sondern weil er uns liebt. Ich weiß, dass das schwer nachzuvollziehen ist. Und deshalb lohnt es sich, an dieser Stelle tiefer zu graben. So wie ich damals bei meiner Schülerin versucht habe, den Grund ihres Verhalten zu verstehen, sollten wir auch hier einen Blick auf die eigentlichen, erst mal nicht so offensichtlichen Beweggründe von Gottes Handeln werfen.

Gerade bei so Dingen wie Lästereien denkt man vielleicht: »Ach, das tut doch keinem weh, was der andere nicht weiß, macht ihn nicht heiß …« Es ist aber so, dass es gar nicht um die andere Person geht, wenn man schlecht über sie redet, sondern in erster Linie um dich und mich. Man erhebt sich über jemand anderen, indem man über ihn redet. Und füllt somit einen Minderwert in sich selbst. Jemand gibt zum Beispiel mit seinen guten Taten an – und das regt dich total auf. Ja, das Angeben ist nicht so optimal, da stimme ich dir zu, doch vielleicht hast du einfach ein schlechtes Gewissen, dass du selbst keine »guten Taten« in der letzten Zeit vollbracht hast. Fühlst dich deshalb minderwertig und versuchst, durch das Lästern den Fokus von dir abzulenken.