Rosenfolter - Friederike Schmöe - E-Book

Rosenfolter E-Book

Friederike Schmöe

4,7

Beschreibung

Bamberg, kurz vor Eröffnung der Landesgartenschau im April 2012. Auf dem Ausstellungsgelände werden kurz nacheinander ein Ohr, ein Finger und eine Hand gefunden, jeweils gebettet auf einem Kissen aus roten Rosen. Ein Rachefeldzug? Als schließlich noch eine Leiche im Fischpass, dem Öko-Vorzeigeprojekt der Gartenausstellung, liegt, bricht endgültig Panik aus. Privatdetektivin Katinka Palfy, Hauptkommissar Harduin Uttenreuther und Reporter Dante Wischnewski ermitteln …

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Friederike Schmöe

Rosenfolter

Ein neuer Fall für Katinka Palfy

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Besuchen Sie uns im Internet:

www.gmeiner-verlag.de

© 2012 – Gmeiner-Verlag GmbH

Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

Telefon 0 75 75/20 95-0

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten

1. Auflage 2012

Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

Herstellung: Julia Franze

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

Prolog

Die Schließanlage war ausgeklügelt. Hochtechnologie, voll elektronisch. Der Zeigefinger im schwarzen Handschuh glitt von links nach rechts über das Tastenfeld. Zwei von sechs Kontrollleuchten sprangen auf grün.

»Jetzt der zweite!«

»Ja-ha!« Er wusste, dass das Anwesen durch drei Codes geschützt war und er kannte alle Ziffern. Er hatte ein unglaubliches Zahlengedächtnis. Wenn ihn allerdings jemand antrieb, reagierte er gereizt. Seine Hände begannen in den Handschuhen zu schwitzen. Es waren leichte Handschuhe, beste Qualität, keine Gummiwürste, die seinen Tastsinn blockiert hätten. Sein linker Zeigefinger tippte die nächste Kombination. Wieder zwei rote Lämpchen weniger und zwei grüne mehr. Das hier war so simpel.

Zwar mochte es neugierige Nachbarn geben. Doch die Villa war von einem Garten umgeben, hohen Buchen, einer Hecke. Sensationsgeilen Blicken waren Grenzen gesetzt.

Die letzte Kombination. Er stemmte seine freie Hand in die Hüfte. Sechs Zahlen. Er hatte von all diesen Nummern geträumt, sie aufgesagt, unter der Dusche, auf dem Klo, hatte nachts den Wecker auf drei Uhr gestellt und schlaftrunken die Ziffern heruntergerasselt.

Der Bewohner war nicht zu Hause. Das hatten sie 100 Mal überprüft. Er war ein paar Tage in Zürich. Hatte es geheißen. Was er dort wollte, konnte man sich denken.

Die letzten beiden Leuchtdioden sprangen von rot auf grün. Es klickte sanft, beinahe unhörbar. Er schob die Tür auf. Sie waren drin.

Eine der beiden Taschenlampen streikte, und das war ein Fehler, ein Problem, ein böses Omen. Es war einfach unprofessionell! Hatten sie die Lampen vorher nicht getestet? Beinahe begannen sie zu streiten, fanden aber dennoch den Raum – zweite Tür rechts von der Diele aus – und den Safe genau an der beschriebenen Stelle. Sie hebelten ihn mit brutaler Gewalt aus der Wand und wuchteten ihn auf den Sackkarren. Draußen hörte er die Hunde kläffen.

Darüber hatten sie am längsten gestritten. Wie sie die Köter außer Gefecht setzen würden. Am Ende tat es ein Ultraschallgerät. Eines, das es auf dem freien Markt nicht zu kaufen gab.

Sein schweißnasses Shirt klebte an seinem Rücken fest. Außer einem Loch in der Wohnzimmerwand – wenigstens vermutete er, dass die minimalistisch eingerichtete Bude eine Art Wohnzimmer war – hinterließen sie nichts. Keine Fingerabdrücke, keine Visitenkarten, keine DNA-Spuren. Sie betraten nicht einmal ein anderes Zimmer. Nur Diele und Wohnzimmer. Neben der Haustür befand sich der Kasten mit dem Computer, der die Videoüberwachung steuerte. Er brach ihn auf, fand den Reset-Knopf unten links und drückte. Dann unterbrach er die Stromversorgung.

Sein Wagen parkte in der Schützenstraße, sie mussten einmal um die Ecke. Der Sackkarren machte schmatzende Geräusche auf dem Asphalt, als die Villa längst dunkel hinter ihnen lag. So ein blödes Grinsen legte sich auf sein Gesicht. Unmöglich zu unterdrücken.

Er hatte die Schließanlage zurückgesetzt und aktiviert, nachdem sie das Haus verlassen hatten.

Finito.

Er lachte leise, als sie den Safe ins Auto hievten. Einsteigen, den Zündschlüssel drehen und Gas geben war eins. Erst jetzt begann sein Herz zu hämmern. Er riss sich die Maske vom Gesicht.

»Pass doch auf!«, kam es vom Beifahrersitz.

Er hatte tatsächlich das Steuer ein Stück verrissen.

Eine halbe Stunde später luden sie in der Nähe von Pommersfelden den Safe aus. Der Kroate brauchte zwei Stunden, bis er die Kiste offen hatte, und vom Stahl war dann nicht mehr viel übrig.

500.000 Mäuse!

Sie konnten die Provision an die Frau zahlen, die ihnen den Tipp gegeben und den Code verraten hatte.

Kaum zu glauben, dass das hier sein erster Bruch überhaupt war. Klar, er hatte das eine oder andere Ding gedreht. Aber Einbruch war neu auf der Liste. Er konnte stolz sein.

Zwei Sachen waren im Safe, mit denen er nichts anfangen konnte. Notizen, handschriftlich, unleserlich. Dazu Zeichnungen. In einer Metallbox fand er irgendwelche Krümel, die er nicht mal näher ansah. Er schleuderte die Papiere und die Box in die Mülltonne auf dem Hof des Kroaten. Im Osten färbte sich der Himmel hellrosa.

Der Kroate bekam 5.000. Für den Tipp mussten sie 50.000 berappen. Das war fair. Sie hatten 445.000 übrig und teilten. 222.500 für jeden. Ein derart irres Geschäft hatte er noch nie gemacht.

Die Welt bekam ein neues Gesicht.

Selbst wenn er seine latenten Probleme mit einem Mal aus der Welt schaffte, hatte er locker 50.000 übrig. Man könnte auf Reisen gehen. Einfach so.

Sie stiegen in den Wagen. Der Kroate versprach, die Safereste zu entsorgen.

3.4.2012 – Dienstag

1

Semmler hatte schon eine Menge seltsamer Dinge bei seinen Rundgängen gefunden. Mausefallen, die angeblich niemand aufgestellt haben wollte, einen schlappen Fußball, auf dem South Africa 2010 stand, aufgeweichte Brötchen und – zum Brüllen – einen Vibrator.

Harri Semmler nahm seinen Job ernst und das bedeutete, er nahm Sicherheit ernst. Seit gut 13 Jahren war er bei der Security-Firma angestellt. Er galt als höchst zuverlässig. In seinen Berufsjahren war er mit renitenten GIs zusammengestoßen, hatte betrunkene Mountainbike-Fahrer vom Asphalt gepflückt und war zweimal von Bewaffneten bedroht worden. Das eine Mal kam ihm ein Kollege zu Hilfe, der den Angreifer anschoss, das zweite Mal war Semmler mehrere Stunden in einem Geldtransporter eingesperrt, bis die Polizei ihn rausholte.

Was er am Morgen des 3. April fand, fügte seinen reichhaltigen beruflichen Erfahrungen eine neue Dimension hinzu. Er fand ein Ohr.

Ein menschliches Ohr.

Semmler ging in die Hocke und betrachtete das Objekt interessiert. Noch verrückter aber war die Unterlage des Ohres: ein Rosenkissen. Rote Rosen, starke, spitzblättrige Knospen, die in einem Schwamm steckten. Als Umrandung geflochtene Weidenzweige. Das Kissen war quadratisch. Es lag dezent neben dem Brunnen. Er nahm sein Maßband aus der Tasche und checkte die Zentimeter. 20 mal 20. Und darauf ein menschliches Ohr. Ein linkes Ohr.

Niemand war in der Nähe.

Er befand sich im Historischen Garten, ganz in der Nähe des Eingangs auf das Landesgartenschaugelände. Des zukünftigen Eingangs. Noch war die Schau nicht eröffnet.

Semmler kam ächzend wieder hoch und zückte sein Handy. Während er Bescheid gab, sah er sich wachsam um. Die langgezogene Inselspitze, auf der die Gartenausstellung abgehalten wurde, wirkte so unfertig wie vor Wochen: Überall lag Werkzeug herum. Pflanzkübel standen da, große, plastikverschweißte Quader mit Erde, Paletten voller Sämlingskästen. Grün und Braun im Wechsel. In drei Wochen war Eröffnung.

Semmler hatte zwar beileibe keinen grünen Daumen, aber ihm war auch so klar, dass ein Ohr auf einem Rosenkissen auf der ERBA-Insel nichts zu suchen hatte. Das Ohr sah schrumpelig und bläulich aus im Morgenlicht. Oben auf der Ohrmuschel wuchsen dicke, schwarze Haare.

Das fand Semmler jetzt doch ein bisschen unappetitlich. Gähnend fragte er sich, wann er eigentlich das letzte Mal einer Frau Rosen geschenkt hatte. Ohne Ohr, natürlich.

2

Der Kroate hatte den Typen beobachtet, der seinen Kram in der Mülltonne auf dem Hof versenkt hatte. Der Knabe musste ein ziemlicher Dämlack sein. Wer schmiss denn den Inhalt eines Safes, den er vor Stunden aus einer fremden Wand gestemmt hatte, einfach in den Müll!

Der Kroate machte sich nichts aus den Aufzeichnungen anderer Leute, aber er nahm Papiere und Box aus der Tonne, stopfte alles in eine Aldi-Tüte und warf das Zeug mitsamt den Überresten des Safes auf seinen Pick-up. Er fuhr ständig Schrott in der Gegend herum, an den Anblick war man gewöhnt. Er schleuderte noch ein paar krumme Bleche auf die Ladefläche, schnappte sich seine Thermoskanne und schwang sich hinter das Lenkrad. Er hatte seine Sache gut gemacht, seinen Anteil kassiert, und wenn er öfter so einen Auftrag bekam – gesetzt den Fall, seine Künste sprachen sich an den entscheidenden Stellen herum – würde er … würde er … während er am Schloss Weißenstein vorbeifuhr, ging ihm durch den Kopf, dass er eigentlich wunschlos glücklich war.

14.4.2012 – Samstag

3

Es gab zu viele Dinge, die schräg liefen, fand Privatdetektivin Katinka Palfy. Sie saß vor dem Café am Kranen und trank einen Latte Macchiato. Der April hatte sonnig und vielversprechend begonnen. Daran konnten auch der Finger und die Hand nichts ändern, die fünf beziehungsweise zehn Tage nach dem Ohrfund auf der ERBA-Insel entdeckt wurden. Den Finger fand ein Arbeiter, der eine Reparatur am Geländer des Aussichtsstegs ausführen musste. Der Steg ragte als Plattform Richtung Hafen übers Wasser und war einer der Diskussionsgegenstände gewesen, die während der Grabenkämpfe rund um die Landesgartenschau für verbale Attacken gut gewesen waren. Der Arbeiter erbrach sich in den Kanal. Die Hand wurde von einem Fünfzehnjährigen aufgespürt, der die Herausforderung annahm, noch vor der Eröffnung das Gelände kennenzulernen, und mit einem Kajak zur äußersten Spitze der ERBA-Insel hinübergepaddelt war. Das war gestern gewesen. Wie das Ohr, waren auch Finger und Hand auf einem mit Weidenzweigen eingefassten Rosenkissen drapiert gewesen. Katinka faltete den Fränkischen Tag zusammen und widmete sich ihrem Latte. Gegenüber am Kranen wallte eine Horde Touristen vom Ausflugsschiff. Gleich würden sie das Café stürmen, um ihre Wartezeit auf den Bus zu verkürzen.

»Haben Sie meinen Artikel gelesen?«, surrte eine Stimme in ihr Ohr.

»Dante Wischnewski. Wer anders könnte an einem solchen Tag durch die Stadt spuken.«

Es war nicht despektierlich gemeint. Sie mochte den rasenden Jungreporter, der ihr immerhin schon bei zwei Kriminalfällen in der letzten Zeit sekundiert hatte. Dante war jünger als Katinka, in den frühen Zwanzigern, hatte kaum Haare auf dem Kopf, dafür eine Menge Flausen darin. Er brannte für die gute Sache: seine Karriere als Journalist, die örtliche Zeitung und berauschende Storys. Letztere hatte ihm der Ohr-, Finger- und Handabschneider gerade geliefert.

»Setzen Sie sich. Das tun Sie sowieso.« Katinka versuchte, ihrer Stimme etwas Resigniertes zu geben, aber er sah sofort, dass es freundlich gemeint war.

»Sie grinsen, das heißt, Sie sind guter Laune. Was wiederum bedeutet: Die Geschäfte laufen gut. Sind Sie am Gliederschnippler dran?«

»Falsch getippt. Damit habe ich gar nichts zu tun.«

»Und der Hauptkommissar?«

»Ebenso wenig. Solange da keine Leiche ist, braucht es keine Mordkommission.«

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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