Rowan - Verrat im Ostreich - Aileen O'Grian - E-Book

Rowan - Verrat im Ostreich E-Book

Aileen O'Grian

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Beschreibung

Der jugendliche Magier Rowan ist mit seinem Freund Ottgar, dem Thronfolger des Magierreiches, ins Ostreich gezogen. Während Ottgar auf der Burg von König Kustin zum Ritter ausgebildet wird und am Hofleben teilnimmt, sitzt Rowan häufig in der Kammer seines Meisters und studiert in alten Schriften. Die beiden Magier müssen unbedingt ein Heilmittel gegen die Klauenfäule finden. Noch nie in seinem Leben fühlte Rowan sich so unwohl, da Magier im Ostreich verachtet werden. So werden Rowans Warnungen vor Angriffen der Trolle und Zwerge auch nicht ernst genommen. Selbst als er eine Seuche, die die Bewohner der Königsburg und die Bauern aus der Umgebung heimsucht, erfolgreich bekämpft, steigt sein Ansehen kaum. Auch Ottgar, der unter dem Einfluss der ostianischen Prinzen steht, ist ihm fremd geworden – und sogar die Gefahr eines Aufstandes im Ostreich scheint seinen Freund nicht zu interessieren, bis es fast zu spät ist.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhaltsverzeichnis

Rowan - Verrat im Ostreich

Fantasyroman von Aileen O‘Grian

Aileen O‘Grian

Rowan - Verrat im Ostreich

Fantasyroman von Aileen O‘Grian

Impressum

Aileen O‘Grian

c/o Papyrus Autoren-Club,

R.O.M. Logicware GmbH

Pettenkoferstr. 16-18

10247 Berlin

Copyright © 2018 Aileen O’Grian

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Birgit Maria Hoepfner

www.textewerkstatt.de

Bilder: © Zeferli - Fotolia.com

© Inked Pixels / Shutterstock.com

© Zacarias Pereira da Mata / Shutterstock.com

Covergestaltung: TomJay - bookcover4everyone / www.tomjay.de

1.

„Kommst du mit zu dem Jagdausflug?“, fragte Ottgar seinen Freund, den jungen Magier Rowan. Er schaute neugierig in den Kessel, der über dem Feuer hing.

Rowan warf ein Pulver hinein, zischend stieg heißer Dampf auf. Erschrocken sprang Ottgar einen Schritt zurück. Rowan schüttelte den Kopf. „Du solltest genug über die Heilkunst wissen, um vorsichtig zu sein und den Gefäßen nicht zu nahe zu kommen“

Ottgar, der Thronfolger des Magierreichs, lachte. „Wenn es gefährlich wäre, hättest du mich längst aus deiner Stube geworfen.“

Rowan stöhnte. „Du störst mich. Ich brauche Ruhe, weil ich sorgfältig arbeiten muss. Bitte geh.“ Er wog getrocknetes Mondkraut ab, gab es in den Topf, dabei summte er ein Lied. Doch Ottgar ließ sich nicht wegschicken.

„Ich habe noch so viel zu tun. Meister Wudon erwartet, dass ich ein Heilmittel gegen die Klauenfäule finde“, erklärte Rowan, nachdem er sämtliche Strophen gesungen hatte.

„Wieso? Die behandelt ihr schon, so lange ich denken kann.“ Ottgar war ehrlich überrascht. Er weilte als Knappe am Hofe des Königs des Ostreichs, während Rowan bei dem hiesigen Magiermeister Wudon lernte.

„Die Krankheit hat sich verändert. Unsere Mittel helfen nicht mehr. Bis vor ein paar Jahren hat Wudon die Seuche auf die gleiche Art wie mein Großvater erfolgreich geheilt.“

Eine Weile schaute Ottgar seinem Freund beim Hantieren zu, bald langweilte er sich, denn Rowan ließ sich auf kein Gespräch ein, sondern arbeitete, ohne ihn zu beachten, weiter. Als Ottgar die Schritte von Wudon hörte, stand er auf und verließ die Stube der Magier.

Rowan spürte, wie verärgert sein Kamerad war. Ottgar haderte immer wieder damit, nach ihrer abenteuerlichen Flucht vor den unheimlichen Nordmännern aus Llyllia nicht bei seinem Freund Mardok geblieben zu sein. Doch Mardok war, nachdem sie bei einer Regenhexe Unterschlupf gefunden hatten, ins undurchdringliche Bergland zwischen Llyllia und dem Ostreich geflohen. Inzwischen lebte er als Knappe bei Fürst Xandril, dem großen Heerführer, von dem alle voller Ehrfurcht sprachen. Damals hatte der Großmagier Bunduar, Rowans Großvater, ihnen durch den Elfenprinzen Sirii genaue Anweisungen gegeben. Mardok sollte Heerführung bei Xandril lernen, während Ottgar, von Rowan begleitet, ins Ostreich ziehen sollte, um die Beziehungen beider Länder zu vertiefen, vielleicht sogar neue Bündnisse zu schließen.

Bunduar vertraute sicher Rowans übersinnlichen Fähigkeiten, um Ottgar, König Wilhars Thronerben, zu schützen. Allerdings hockte Rowan in der Stube, studierte Bücher und lernte Rezepte auswendig, während Ottgar weiter zum Ritter ausgebildet wurde. Dabei wäre ihm Mardok, der Enkel des magianischen Waffenmeisters, ein besserer Gefährte gewesen.

Obwohl König Wilhar wünschte, dass auch Rowan eine Ausbildung zum Krieger erhielt, ließ sich der junge Magier immer seltener bei den Waffenübungen blicken. Er war viel zu beschäftigt, denn er versuchte, möglichst schnell voranzukommen.

Rowan beugte sich über die verschnörkelte Schrift und entzifferte sie mühsam. Die meisten Handschriften, die Wudon besaß, waren auf Ostianisch verfasst. Rowan beherrschte die Sprache, da seine Mutter Salawin sie ihm beigebracht hatte. Schließlich stammte die Großmutter aus dem Ostland. Ebenso wurde am Hofe von König Wilhar Ostianisch gesprochen, da die Königin eine Prinzessin aus dem Ostreich war.

Doch die alten Texte wiesen nur wenig Ähnlichkeit mit der am Königshof angewandten Sprache auf. Zudem hatte Rowan Probleme, die ungewohnten Buchstaben zu erkennen, so riet er mehr, als er es las.

Sein Bauch knurrte vernehmlich.

„Geh erst einmal essen“, sagte Wudon. „Wenn du Hunger hast, denkst du nur ans Tafeln.“ Er grinste Rowan an. „Halte jedoch Maß, ein voller Magen denkt nicht gern.“

Rowan nickte. Magier und Priester übten sich in Mäßigung. Er hatte noch keinen fülligen Vertreter von ihnen kennengelernt.

Im Rittersaal der Greifenburg ging es schon hoch her. König Kustin saß mit den engsten Vertrauten am Kopf der Tafel vor dem Kamin. Es folgten die Rangniederen. Freie Bänke gab es nur an der Tür.

Trotzdem schaute Rowan sich suchend um. Ottgar saß zwischen Prinz Jatain, dem jüngsten Bruder, und Herzog Loruw, dem ältesten Neffen des Königs. Eine Auszeichnung für einen unerfahrenen Knappen. Allerdings war er nicht nur Thronerbe des Magierreichs, sondern dazu ein Neffe Kustins. Während Rowan nur entfernt verwandt war, da seine Großmutter eine Cousine der Königinwitwe war. Aber als Magier stand Rowan in diesem Königreich nur ein Platz am Rand der Tafel zu. Dabei waren die Magier mindestens genauso wichtig wie die Prinzen und Fürsten und mächtiger als die einfachen Ritter.

In der Nähe der Königin saß Murin, die Tochter von Herzog Burgwan von Burg Ranhoe, der Rowan vor Jahren Ostianisch-Unterricht erteilt hatte. Inzwischen war die Prinzessin mit Jatain verheiratet und von der Königin zur Hofdame ernannt worden. Rowan sah sie meist nur von Ferne, da er selten mit dem Hofadel sprach. Schließlich galt er an König Kustins Hof nur als einfacher Bürger, und es fiel ihm noch immer schwer hinzunehmen, als solcher respektlos behandelt zu werden.

Er musste sich an einen anderen Platz setzen, und an diesem Abend würde er sich nicht mehr mit dem Freund unterhalten können. Er bedauerte, dass ihn Ottgar zuvor zum falschen Zeitpunkt besucht hatte. Auch wenn er manches von Meister Wudon lernte, fehlten ihm Kameraden, da Meister Wudon keine weiteren Schüler hatte. Selbst mit dem Wissen, das der Magiermeister ihm vermittelte, war er unzufrieden. Seine vorherigen Lehrer hatten ihn geistig wesentlich stärker gefordert.

Rowan nahm sich Brot, Gemüse und einen Becher Wasser.

„So klösterlich?“, meinte Rudin, der Heiler, der neben ihm saß.

„Ich muss nachher weiterarbeiten, da brauche ich einen klaren Kopf und darf nicht müde sein“, erwiderte Rowan, nur mühsam unterdrückte er seine Gereiztheit. Musste sogar der Heiler sticheln?

„Hast du Hoffnung, die Arznei zu finden?“ Der Mann klang spöttisch.

„Ihr habt es bestimmt ebenfalls probiert. Mich wundert, dass die bekannten Mittel nicht mehr wirken.“ Unverwandt bemühte Rowan sich, höflich zu bleiben.

Rudin nickte. „Wudon und ich haben alles ausprobiert. Wir haben unsere Freunde in den anderen Reichen um Hilfe gebeten, doch sämtliche Rezepte waren nutzlos.“

Rowan stimmte ihm nachdenklich zu. „Der Meister hat die Versuche aufgeschrieben. Jetzt suchen wir in den alten Folianten nach Mitteln, die in Vergessenheit geraten sind.“ In Gedanken verloren kaute Rowan auf einer Brotkante herum, schließlich riss er sich zusammen und fügte, an Rudin gewandt, hinzu: „Viele Schweinezüchter an der Westgrenze des Reichs haben schon ihre Tiere durch die Seuche verloren. Wenn es so weitergeht, gibt es in zwei Jahren im gesamten Ostreich weder Schweine noch Schafe und Ziegen.“

Als Rowan gesättigt war, plauderte Ottgar noch immer mit seinen Kameraden. Ein Spielmann unterhielt die Königin und ihre Hofdamen mit Liedern. Rowan bedauerte, nicht weiter zuhören zu können, aber das Heilmittel war wichtig, denn wenn die Schafe und Ziegen starben, würde im nächsten Jahr eine Hungersnot drohen. Deshalb eilte er zurück und spürte weiter in den Unterlagen nach Hinweisen. Wudon hatte die Stube wieder verlassen. Der Kessel war vom Feuer gehoben worden. Vielleicht probierte er das Mittel schon aus.

Rowan blätterte und las. Langsam gewöhnte er sich an die Schrift und auch die Sprache war ihm nicht mehr so fremd. Plötzlich hörte er draußen Stimmen.

„Ich möchte, dass Rowan mich auf den Jagdausflug begleitet.“ Diese Stimme kam ihm bekannt vor. Das war der König, der vor dem Fenster mit jemanden sprach.

„Bunduar möchte, dass Rowan möglichst viel Wissen in kürzester Zeit erwirbt“, erwiderte Wudon. Rowan staunte über den Mut des Magiermeisters. Normalerweise widersprach er niemandem, nicht einmal unbedeutenden Rittern.

„Bestimmt nicht, indem er alte Arzneien sucht. Er muss ebenso die Heiligtümer kennenlernen. Wir wollen in Burg Eichenfels Rast machen. Von da kann er zum Kloster Eichenborn reiten und dort sein Wissen erweitern. Außerdem lernt er den ostianischen Teil seiner Familie kennen. Alle Zweige der Königsfamilie treffen sich dort wie üblich zur großen Jagd.“

„Die Suche nach einem Heilmittel ist eine gute Gelegenheit, die überlieferten Schriften zu studieren und die traditionelle ostianische Magiersprache zu lernen“, verteidigte sich Wudon.

„Ich weiß. Zieht ihr in diesem Frühjahr wieder ins Kloster?“, erkundigte sich der König.

„Ja, Bruder Zietwa ist ein großer Heiler und Bruder Micho ist ein Freund der Naturgeister. Rowan kann viel von ihnen aufnehmen.“

Rowan hatte schon von Wudons alljährlichem Klosteraufenthalt und den Mönchen gehört. Er war gespannt, sie kennenzulernen, da sie als hervorragende Kräuterkundige galten.

„Umso wichtiger ist es, dass er zum Familientreffen mitkommt. König Wilhar wünscht, dass er die Ausbildung zum Ritter mitmacht.“ Der König schien keine weiteren Widerworte dulden zu wollen.

„Die Zeit wird ihm nicht bleiben. Dunkle Mächte bedrohen seine Heimat. Wenn er Bunduar eine Hilfe sein soll, muss er schneller lernen, als es üblich ist.“

„Ist es so besorgniserregend?“ Kustin klang nicht überzeugt.

„Ich befürchte, es steht schlimmer, als wir uns ausmalen können. Bunduar hat es angedeutet. Er möchte, dass Rowan hier und im Sumpfland lernt, egal, was im Magierreich geschieht.“

Ein Schauer lief über Rowans Rücken. Was ahnte oder wusste Bunduar? Er wollte Ottgar, Mardok und Rowan in Sicherheit wissen, auch damit sie später das Magierreich führen konnten. Befürchtete er, dass alle einflussreichen Leute im Magierreich eines gewaltsamen Todes starben? Konnten die befreundeten Nachbarländer nicht helfen?

Deshalb konnte Rowan sich über Wudons Mitteilung nicht mehr freuen, als dieser ihn kurz darauf ansprach: „Der König wünscht, dass du am Jagdausflug teilnimmst. Du sollst deine ostianische Familie kennenlernen.“

Dabei war es eine besondere Auszeichnung, zur höfischen Jagdgesellschaft zu gehören. Während er mitritt, würde Wudon weiterhin die Bauern besuchen und verschiedene Heilmittel ausprobieren in der Hoffnung, die Tiere zu retten. Erst später würde er auf dem Weg zum Kloster Eichborn in der Burg Eichenfels Halt machen.

In der Nacht lag er wach, aber nicht vor Aufregung, sondern vor Angst. Würde er seine Mutter und seinen Großvater je wiedersehen? Er konnte den Gedanken nicht ertragen, dass ihnen etwas passierte. Am liebsten wäre er sofort nach Hause geritten, um die Seinen zu unterstützen. Aber bestimmt würden Wudon und das Gefolge des Königs es verhindern. Außerdem hatte er die Aufgabe, Ottgar zu beschützen. In dem letzten Brief hatte Bunduar ihn eindringlich ermahnt, auf den Thronfolger Acht zu geben und fleißig zu lernen.

„Du bist alt und vernünftig genug, Verantwortung zu übernehmen. Da ich selbst auf Wanroe weile, kann ich nicht auf Ottgar aufpassen. Doch in Königs Kustins Obhut seid ihr sicher. Eigne dir bei Meister Wudon, so viel du kannst an, du wirst es bald gebrauchen können. Wudon ist ein redlicher Mann. Er kann dir allerhand über Kräuterkunde beibringen. Setze deine Ausbildung später bei Zwandir im Sumpfland fort. Er war bereits mein Lehrmeister und kann dich mancherlei lehren, was ich nicht so gut beherrsche. Außerdem ist eine enge Zusammenarbeit mit dem Sumpfland für das Magierreich sehr wichtig. Das Sumpfland ist der Rückzugsort unserer Priester, Geister und Elfen. Auch ihr seid bei Gefahr dort geschützt, wenn ihr euch mit den Herrschern gut versteht.“

Der Brief schloss mit den Worten: „Schreite auf deinem Weg unbeirrt voran und sei gesegnet. Deine Mutter und ich lieben dich.“

Rowan hatte sich über diese Zeilen geärgert. Er hatte es als Aufforderung verstanden, keine Zeit mit Reiten und Waffenkampf zu verschwenden, sondern sich ausschließlich der Magierkunst hinzuwenden. Er wollte aber nicht ständig gegängelt werden, schließlich war er mit seinen sechszehn Wintern fast erwachsen. Warum sollte er nicht ein paar Stunden mit seinen Freunden üben? Wilhar war gleichwohl der Meinung, dass ein Magier kämpfen können sollte. Wie sonst sollte Rowan den König einst beraten, wenn er die Kampfkunst nicht mit Vollkommenheit beherrschte?

Jetzt allerdings spürte er die Bedrohung, die über ihnen allen schwebte. Großvater fürchtete, dass Rowan schneller, als es gut für ihn war, in die Rolle eines wichtigen Magiers schlüpfen musste. Ob Mardok von seinem Großvater, dem Waffenmeister Peruan, genauso ermahnt wurde? Rowan wusste es nicht. Mardok war zu weit weg. Eigentlich sollte der Freund im nächsten Jahr ins Ostland kommen und auf Ottgar Acht geben, damit Rowan ins Sumpfland wechseln konnte. Bloß davon hatte Bunduar nichts mehr geschrieben. Anscheinend befürchtete er, dass die Frist, die ihnen noch blieb, dafür nicht ausreichte.

Als er schon lange im Bett lag, klopfte es leise an der Tür. Rowan erhob sich und öffnete sie.

„Kannst du nach meinem Hengst schauen? Er lahmt und die Pferdeknechte finden die Ursache nicht“, bat Ottgar.

Rowan fuhr sich durch die Haare. Er war müde. Trotzdem zog er seinen Umhang über und folgte seinem Freund zum Stall. Dort ließ er Ottgar das Pferd im Schein einer Öllampe herumführen. Natürlich sah er kaum etwas.

„Jetzt scheint es in Ordnung. Doch auf dem Rückweg gestern und heute lahmte er“, erklärte Ottgar.

Rowans tastete das Bein ab. Als er nichts fand, strich er den Rücken entlang. Obwohl das Pferd ruhig stand, fühlte er dessen Unbehagen, als er bei verhärteten Muskeln anlangte, deshalb untersuchte er gründlich die Hufe.

„Das Hufeisen an der rechten Hinterhand ist nicht richtig angepasst. Da muss der Schmied ihm ein neues machen.“ Anschließend schaute er sich den Sattel an, ließ ihn auflegen und prüfte den Sitz. „Der Sattel drückt. Du benötigst einen kleineren, leichteren.“

„Das geht nicht. In der Rüstung brauche ich einen festen Halt.“

„Dann ist das Pferd als Turnierpferd nicht geeignet. Wenn du es weiter mit dem schweren Sattel reitest, wird es bald als Reitpferd untauglich sein.“

So einfach war Ottgar nicht zu überzeugen. „Und was soll ich mit ihm machen?“, trotzte er.

„Reite es als Jagdpferd und nimm es für die Zucht. Es ist ein sehr gutes Tier. Es ist schnell und nervenstark. Es wäre schade, es zu ruinieren.“ Rowan drehte sich um und ging. Er war müde und hatte keine Lust, sich mit dem Freund zu streiten.

Ottgar band das Pferd an und rannte hinter ihm her. „Das ist keine Lösung, kannst du keine Abhilfe schaffen?“

Rowan schüttelte erschöpft den Kopf. „So kannst du es jedenfalls morgen nicht reiten. Falls du länger auf Burg Eichenfels bleibst, lass es hinterherbringen. Vielleicht gibt es dort einen besseren Schmied. Und nimm deinen alten Sattel mit, damit seid ihr schließlich zurechtgekommen.“

Ohne sich weiter um Ottgar zu kümmern, lief er zurück, um zu schlafen. Doch sobald er lag, stürmten die Sorgen um die Zukunft auf ihn ein und hielten ihn wach.

2.

Am nächsten Morgen herrschte dichter Nebel. Trotzdem versammelte sich die Jagdgesellschaft schon vor Sonnenaufgang auf dem Burghof. Die Knappen führten die Pferde ihrer Ritter und ihre eigenen aus dem Stall. Rowan sattelte Scharus, den alten Wallach Peruans. Vor Jahren hatte der greise Waffenmeister ihm das kluge Sumpfpferd anvertraut, da es als Schlachtross zu alt war. Dank seiner übersinnlichen Fähigkeiten war es aber für Rowan häufig ein hilfreicher Gefährte gewesen. Rowan hatte viel Gepäck. Nicht nur einen Sack, der mit etwas Essen, einem frischen Umhang, einem Unterkleid und einer Decke gefüllt war, sondern zudem einen Folianten von Wudon, verschiedene Tiegel und Gefäße mit Heilmitteln. Außerdem ein Kurzschwert, eine Lanze und ein Schild. Scharus war schwer bepackt. Rowan sorgte sich, dass der treue Kamerad den Weg nicht schaffen würde, schließlich war das Tier alt und hatte Mühe, seine Last zu tragen. So ritt er bald dem Tross hinterher. Lieber wäre er ganz allein geritten und hätte auf die Umgebung geachtet, so lenkten ihn die Stimmen und Geräusche von Menschen und Pferden, die vor ihm ritten, ab. Er konnte die Naturgeister nicht spüren. Trotzdem beschlich ihn eine düstere Vorahnung. Er tat sie ab, sicher war sie durch das belauschte Gespräch ausgelöst worden und wies auf keine wirkliche Gefahr hin.

Nach Sonnenuntergang nächtigten sie in den Scheunen eines Dorfes.

Rowan nahm einen Räucherkegel und machte sich auf, einen stillen Fleck zu finden. In der Nähe des Ortes gab es eine Quelle, die jetzt, am späten Abend, verlassen dalag. Er hockte sich auf einen Felsen am Rand des Wassers und sammelte sich in seinem Inneren. Er spürte den Geist der Quelle, auch wenn er ihn nicht zu Gesicht bekam. Selbst die Geister des Waldes hinter ihm fühlte er. Sie waren ihm wohlgesonnnen, wie er erleichtert feststellte.

Als er zur Ruhe gekommen war, entzündete er den Kegel. Rotglühend brannte er und verbreitete den Geruch von Rosenholz. Es dauerte eine Weile, bis er ein Sirren hörte.

Sirii schwebte von den Bäumen zu ihm herab. „Wie geht es dem großen Magier?“, fragte der Elf spöttisch.

„Schlecht. Droht dem Magierreich Gefahr? Sind Salawin und Bunduar in Lebensgefahr?“ Rowan musterte Sirii genau. Bei dem Elfenprinz zuckten die Lider kurz.

„Wieso kommst du darauf?“, tat Sirii ahnungslos.

Schnell berichtete Rowan von dem belauschten Gespräch. „Ich mache mir Sorgen. Mein Großvater war schon bei unserem Abschied in Llyllia so merkwürdig. Damals ist es mir nicht aufgefallen, weil ich so unglücklich war, allein bei Magier Hildrun zurückzubleiben und mit seinem Schüler Altus nicht klarkam. In dem letzten Brief hat Bunduar mich erneut eindrücklich ermahnt, fleißig zu arbeiten. Dabei sagen mir immer wieder alle, wie strebsam und befähigt ich sei und dass ich erheblich weiter sei als andere Magierlehrlinge.“

„Er will nur nicht, dass du hochmütig wirst.“

„Nein, dann würde er sich anders ausdrücken. Nach Wudons Worten drängt er, dass ich rasch mit der Ausbildung fertig werde, da nicht mehr viel Zeit bleibt. Sicher würde Großvater mir die Unterweisung zum Ritter gönnen, wenn ich verweilen könnte. Er weiß schließlich, dass mir das Lernen dann viel mehr Spaß machen würde.“

Sirii schwieg eine Weile.

„Meine Mutter, die Elfenkönigin Mirasa, hat mir ans Herz gelegt, besonders auf dich zu achten. Du bist für das Magierreich wichtiger als Ottgar oder Mardok. Du bist nicht nur ein begabter Magier, sondern du hast auch Verständnis für die Naturgeister und uns Elfen. Nicht jeder Magier ist diplomatisch und schafft es, sich Verbündete zu suchen. Nur mit Hilfe von uns Unsterblichen kannst du einst dem Magierreich dienen.“

„Und was ist meine Aufgabe im Ostland?“ Natürlich hatte Rowan sich gefreut, auf Wanderschaft zu gehen und etwas Neues zu lernen. Inzwischen fühlte er, dass hinter den Orten, die sein Großvater für die Ausbildung ausgewählt hatte, ein weit größerer Sinn steckte als fähige Lehrmeister.

„Du weißt längst, dass es heilige Orte gibt. Orte, die wirkungsreicher sind als andere.“

Rowan nickte.

„Das Kloster Eichenborn ist so ein Ort. Einige der Mönche beherrschen besondere Künste.“ Sirii wollte schon wegfliegen, doch Rowan hielt ihn zurück: „Was ist mit euch Elfen? Wenn das Magierreich in Gefahr ist, seid ihr es ebenfalls.“

Sirii wurde ernst. „Meine Anweisungen sind ähnlich wie deine. Egal, was daheim passiert, ich soll dich schützen, selbst wenn alle meine Kameraden sterben sollten.“

„Warum erteilt man solche Aufträge?“, murmelte Rowan und gab sich selbst die Antwort darauf: „Weil wir nichts ausrichten können. Falls es unsere mächtigen Freunde und Verwandten allein nicht schaffen, können wir ihnen auch nicht helfen. Wenn sie untergehen, ruht allein auf unserem Überleben die Hoffnung der Zukunft!“

Sirii sagte leise: „Es belastet mich genauso wie dich. Aber sage Ottgar nichts davon. Er versteht es nicht. Er würde sofort zurückreiten wollen und trotzdem nicht helfen können.“

Rowan zog seine Augenbrauen zusammen und nickte. Ja, Ottgar war noch ein rechter Kindskopf. Er versuchte zwar, sich zurückzuhalten und erst nachzudenken, bevor er handelte, doch bis er einst ein weiser König werden würde, musste er weiterhin eine Menge lernen.

Rowan wünschte Sirii eine gute Nacht, winkte ihm zum Abschied, bevor er zurückschlich und sich zwischen die Reitknechte in der Scheune legte.

Die anderen waren schon längst aufgestanden und hatten die Pferde bepackt, als Rowan endlich aus einem tiefen Erschöpfungsschlaf aufwachte. Er beeilte sich, Scharus zu satteln und das viele Gepäck unterzubringen. Zum Glück erklärte sich ein Wagenfahrer bereit, einen Teil der Sachen zu verstauen, damit er Scharus entlasten konnte. Einer der Pferdeknechte, bei denen er eine Stute mit entzündetem Huf behandelt hatte, brachte ihm ein Stück Brot vorbei. „Du hast bestimmt Hunger!“

Rowan dankte mit einem Lächeln. „Ich hatte den Kopf mit wichtigen Dingen voll.“

„Schaffst du es, die Klauenfäule zu heilen? Mein Vater ist Schäfer, er benötigt dringend ein Mittel dagegen, sonst hungert unsere Familie im Winter. Das bisschen Gemüse, das bei uns auf dem Berg wächst, reicht kaum zum Überleben.“

„Ich weiß es nicht. Bisher hat nichts geholfen, deswegen habe ich allerlei Gepäck dabei, um weiterarbeiten zu können. Und die Mönche in Eichborn haben einen guten Kräutergarten.“

Der Junge wirkte nach den Worten noch bedrückter als zuvor.

„Bestimmt hilft der König seinen Untertanen, wenn sie in Not geraten“, tröstete Rowan.

Er unterhielt sich in der nächsten Etappe mit dem Pferdejungen und erkannte, dass er sehr viel von Tieren verstand. Vielleicht könnte er ihm zur Hand gehen. Gemeinsam untersuchten sie Ottgars Hengst. Der Junge stellte einen ähnlichen Befund wie Rowan. „Und was würdest du empfehlen?“

„Neue Eisen und einen leichteren Sattel.“

Ottgar, der gerade dazu kam, meinte verärgert: „Dann ist das Pferd aber als Kampfross nicht geeignet. Ich brauche den schweren Sattel um einen sicheren Halt im Kampf zu haben.“

Der Pferdeknecht schaute ihn verwundert an, schwieg jedoch.

Er tat Rowan leid, deshalb schickte er ihn weg. Sobald der Junge außer Hörweite war, grinste er Ottgar an. „So ergeht es Fürsten, entweder sie hören zu und vertrauen ihren Leuten oder die Menschen reden ihnen nach dem Mund und sie können ihre Fehler nicht bereinigen.“

Ottgar Gesicht verfärbte sich rot. „Es ist ein hervorragendes Schlachtross, nervenstark, aus guter Zucht und ihr sagt mir, ich kann es nicht reiten!“

Rowan zuckte mit den Achseln. „Wenn du unserer Meinung nicht traust, warum fragst du dann eigentlich? Du kannst weitermachen wie bisher, dann wird dieses wunderbare Tier bald nur für den Schlachter taugen, oder du beherzigst unseren Rat und besitzt einen guten Zuchthengst und ein hervorragendes Jagdpferd. Falls der Huf gut ausheilt, ist es vielleicht dein schnellstes Pferd im Stall.“

Ottgar wurde nachdenklich. „Meinst du wirklich?“

Rowan verdrehte die Augen. „Der Hengst hat ausgezeichnete Anlagen, und wenn er vorsichtig aufgebaut wird, wirst du noch viel Freude an ihm haben“, knurrte er erbost. Früher hatte Ottgar seinen Rat angenommen, aber seit er ständig die Vorurteile seiner Kameraden über Magier hörte, glaubte er Rowan nicht mehr unbeirrt.

Ottgar zögerte noch immer, schließlich nickte er. „Dann soll zuerst der Schmied seine Arbeit erledigen. Du musst dabei zusehen, damit es richtig gemacht wird.“

„Es wäre sinnvoll, wenn der Junge anwesend ist. Er versteht viel von Tieren“, gab Rowan zur Antwort.

3.

Am Abend wollte die Gesellschaft in einem Tal an einem Bergsee rasten, die ersten Pferde waren längst abgesattelt, als Rowan eintraf. Er fühlte sich an diesem Ort sofort unwohl und ritt weiter zum König.

„Majestät, ich bitte um Gehör.“

„Was will mein kleiner Magier mir sagen?“

„Der Ort ist unheilvoll. Bitte übernachtet hier nicht.“

„Aber wir brauchen Wasser für die Pferde!“, fuhr ihm ein Ritter über den Mund.

„Ich weiß“, Rowan nickte. „Tränkt sie, füllt Eure Trinkbeutel und sucht anschließend einen sicheren Ort für die Nacht.“

Kustin mustere ihn. „Schade, dass Wudon erst später hinterherkommt, sein Rat wäre jetzt hilfreich. Aber Bunduar hat seine Könige schon öfter vor Unheil gerettet, und alle Nachbarn beneiden Schwager Wilhar um diesen Magiermeister. Und du giltst als sein hoffnungsvoller Erbe …“ Er schwieg eine Weile und befahl dann: „Wir reiten weiter.“

Rowan dankte ihm. Nachdem er Scharus getränkt hatte, saß er auf und ritt voran. Der Weg führte durch eine schmale Schlucht. Besorgt musterte er die Felsen über sich, ohne etwas Beunruhigendes zu entdecken. Nur das ungute Gefühl dauerte an. Endlich weitete sich das Tal und es ging bergauf. Oben gab es ein Plateau. Groß genug für die ganze Gesellschaft. Die Berge im Norden schirmten es von den Winden ab. Hier hielt Rowan an und saß ab.

Die Ritter und Knechte murrten, weil sie nicht am See rasteten, doch nach einem Machtwort von Kustin beeilten sie sich, die Zelte aufzubauen. Rowan spannte nur eine Plane zwischen seiner Lanze und dem Stock des jungen Burschen. Zu zweit war die Kälte zu ertragen.

Einige Knechte entfachten mehrere Feuer, brieten Fleisch und backten Stockbrot darüber. Rowan schlenderte durch das Lager und beobachtete die Leute. Die Stimmung war schlecht. Alle waren müde und das Wasser fehlte. Aber es fehlte nicht nur das Wasser. Rowan entdeckte besorgt, dass Herzog Vlotan, ein Großcousin des Königs, mit seinem Gefolge zurückgeblieben war. Er schwieg dazu, er war nur ein kleiner Magierlehrling und hier nicht besonders angesehen, obwohl seine Großmutter Wilanin eine ostianische Prinzessin gewesen war und sein Großvater für seine Voraussagen bekannt war.

Der Morgen graute noch lange nicht, als sie von lauten Rufen geweckt wurden. Eine Gruppe Reiter kam auf erschöpften Pferden angeritten und berichteten von einem Überfall. Mitten in der Nacht, als sie schliefen und nur zwei Männer Wache hielten, hatten bewaffnete Trolle sie überfallen. Ungerüstet hatten die Ritter nach ihren Schwertern und Lanzen gegriffen und versucht, sich im Dunkeln so gut es ging zu verteidigen.

„Rowan ist schuld“, murrten ein paar Männer.

„Bevor wir hier Schuldzuweisungen machen, sollten wir unseren Kameraden zu Hilfe eilen“, schlug Jatain vor.

„Das wird vergebens sein. Als wir flohen, lagen die anderen längst erschlagen auf der Erde.“

Rowan spürte, dass sie logen, aber wer sich bis jetzt von Herzogs Vlotans Leuten nicht in Sicherheit gebracht hatte, wäre inzwischen bestimmt tot. Warum hatten sie nicht auf ihn gehört? Stattdessen wurde er nun als Verursacher verunglimpft. Am liebsten wäre er auf sein Pferd gesprungen und heimgeritten, wo er nötiger gebraucht wurde als hier. Dort war er sogar als Kind angesehen gewesen.

„In zwei Stunden wird es hell, dann kommen wir schneller voran. Legt euch wieder hin und ruht euch bis dahin aus“, befahl König Kustin.

Die Männer befolgten seine Anweisung. Trotzdem hörte Rowan überall leise Stimmen. Er selbst konnte auch nicht schlafen. Hätte er die Ostianer retten können? Er grübelte, doch es hatte keinen Sinn. Er hatte eine Bedrohung gespürt, nur nicht gewusst, woher sie kam. Die seherischen Fähigkeiten seiner Mutter waren bei ihm nicht so stark ausgeprägt.

Am Morgen, lange bevor die Sonne aufging, rief der König ihn zu sich.

---ENDE DER LESEPROBE---