Rüm Hart - Klaar Kiming - Thorsten Rottmann - E-Book

Rüm Hart - Klaar Kiming E-Book

Thorsten Rottmann

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Beschreibung

Raus aus dem Alltag, raus aus dem Überfluss, raus aus dem Zeitdruck, rein ins mobile Leben - das ist heute der Wunsch vieler Menschen. Dieses kleine Reisebuch richtet sich nicht nur an Wohnmobilisten, sondern an alle, die von einem einfachen Leben träumen oder lediglich gerne unterwegs sind. Der Autor Thorsten Rottmann zeichnet in diesem Buch seinen Weg in ein reduziertes und entschleunigtes Leben nach, angereichert mit Betrachtungen rund um sein altes Reisemobil und das Leben darin.

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Seitenzahl: 100

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Das Buch:

Raus aus dem Alltag, raus aus dem Überfluss, raus aus dem Zeitdruck, rein ins mobile Leben – das ist heute der Wunsch vieler Menschen. Dieses kleine Reisebuch richtet sich nicht nur an Wohnmobilisten und andere Freigeister, sondern an alle, die von einem einfachen Leben träumen oder lediglich gerne unterwegs sind. Der Autor Thorsten Rottmann zeichnet in diesem Buch seinen Weg in ein reduziertes und entschleunigtes Leben nach, angereichert mit Betrachtungen rund um sein altes Reisemobil und das Leben darin.

Der Autor:

Thorsten Rottmann (geb. 1965) war nach seinem Abitur auf dem Zweiten Bildungsweg viele Jahre im Bildungsbereich im In- und Ausland tätig, unter anderem als Dozent und Autor.

Sein Weg in ein reduziertes und entschleunigtes Leben ist eng verbunden mit seiner Leidenschaft für das Meer und das mobile Leben. Gesundheitliche Rückschläge brachten ihn dazu, seinem Leben endgültig eine neue Richtung zu geben. Heute lebt er genau das, worüber er schreibt, und ist oft in seinem alten Reisemobil unterwegs.

Inhalt

Ein Wort vorab

Küstenkind

Moderne Zeiten

Stand der Dinge

Neustart

Schnecken und Riesen

Größen und Mengen

Gezogener Stecker

Zu guter Letzt

Literatur

Für Kathi

1. Ein Wort vorab

„Reisen ist Sehnsucht nach dem Leben.“

(Kurt Tucholsky)

Camping, Caravaning und vor allem Reisemobile sind im Trend und rund um diese Strömung boomt eine ganze Industrie. Es wird ein ganz spezifisches Lebensgefühl inszeniert, um uns in Kauflaune zu versetzen. Es vergeht kein Monat ohne exklusive, technische Neuerungen. Die Ausstattung von neuen Reisemobilen wird immer umfangreicher, angefangen von Weinkühlschränken bis hin zu allen möglichen Haushaltsgeräten. Basis dieser Entwicklung ist der Wunsch vieler Menschen nach Freiheit und Individualität, die sie in ihrem Leben und in ihrem Alltag offensichtlich vermissen. Wer strebt nicht danach, selbst zu entscheiden, wohin man fährt, welches das Ziel der Reise ist. Wer hat nicht den Wunsch, sich von der breiten Masse abzuheben, die mit dem „modernen“ Menschen ebenso im Hamsterrad läuft wie man selbst?

Der Titel des Buches, „Rüm Hart–Klaar kiming“, ist ein Spruch friesischer Inselkapitäne früherer Zeiten. Es gibt verschiedene Auslegungen dieser Wendung, die geläufigste ist „Großes Herz–Klarer Horizont“. Diese Sichtgrenze bezeichneten die friesischen Seefahrer als „Kimme“ – das ist die Linie zwischen Meer und Himmel, ein mystischer Ort, an dem sich bei klarer Sicht das Irdische und das Himmlische berühren. Die friesischen Männer sind über Jahrhunderte zur See gefahren, um ihre Familien zu ernähren und haben diesen Leitspruch gewählt, um ihre Weltoffenheit und ihre Hoffnung auf eine sichere Seereise auszudrücken. Diese Worte lassen sich ebenso auf andere Lebensbereiche übertragen: offen sein für fremde Menschen, Veränderungen, unbekannte Kulturen, ein großes Herz haben. Dabei aber nie sein Ziel aus den Augen verlieren, heimatverbunden und bodenständig bleiben. „Klaar Kiming“ wird manchmal auch mit „klarer Verstand“ übersetzt – denn wenn der Kopf klar ist, sieht man den Weg. Dieser Weg war für die friesischen Inselkapitäne, physisch betrachtet, der sichere Heimweg. Dieser Leitspruch begleitet mich im übertragenen Sinne einen Großteil meines Lebens, beruflich wie privat. Ein großes Herz haben für andere, mit offenen Augen und Ohren die Welt betrachten und seinen klaren Verstand nutzen. Das ist ein einmaliges Geschenk und besonders wichtig in Zeiten wie heute, wenn viele Menschen durch ihr Leben hetzen und häufig nur über soziale Netzwerke miteinander kommunizieren.

In diesem Buch erwarten Sie keine Kaufberatung, kein Ratgeber und kein Katalog im Sinne einer Auflistung von „How to ...“ oder „100 Dinge, die man ...“. Es ist auch kein Reisebericht im Sinne einer Aufzählung von traumhaften Plätzen und Gegenden, die ich besucht habe. Es ist vielmehr ein Reisebuch der anderen Art, das versucht, einige Entwicklungen, Trends und Mechanismen des heutigen Lebens zu hinterfragen, etwas andere Prioritäten zu setzen und das einige Thesen aufstellt, wie man seinen Lebensstil vielleicht etwas langsamer und reduzierter gestaltet. Das Leben im Reisemobil ist dabei synonym mit meiner Lebenseinstellung, die jenseits der großen Masse angesiedelt ist. Die Einfachheit, die Unkompliziertheit und die Mobilität in einem Reisemobil eröffnen das Potential und die Möglichkeit, an den schönsten, kreativsten und magischsten Plätzen zu leben, die man sich wünscht. Und warum nicht dort sogar arbeiten? Dabei spielt es keine Rolle, ob man einem „normalen“ Arbeitsleben nachgeht, oder nur eine mehr oder weniger lange Auszeit plant, um den Alltag zu entschleunigen. Unter Umständen bereiten Sie Ihren Ruhestand vor oder Sie stehen oder standen nach gesundheitlichen oder persönlichen Wendepunkten in Ihrem Leben vor einer Neuausrichtung, die Ihren Vorstellungen von einem „guten Leben“ Rechnung trägt. Für mich spielt dabei mein altes Reisemobil eine wichtige Rolle. Diese beiden Punkte thematisiert dieses kleine Buch: ein bescheidenes Leben und mein altes Reisemobil.

Mit dieser kleinen Lektüre nehme ich Sie mit auf einige persönliche Etappen. Ich lade Sie ein, mich gedanklich ein Stück zu begleiten. Viele meiner Überlegungen und Betrachtungen sind keineswegs neu und womöglich haben Sie ja nach dem Lesen des Buches Lust, einige dieser Ansätze punktuell auf Ihr Leben zu übertragen. Unabhängig davon, wo und wie es stattfindet. Oder Sie nehmen sich vor, mal wieder eine längere Reise zu unternehmen. Mit oder ohne Reisemobil. Dafür ist dieses kleine Reisebuch gedacht: Impulse und Denkanstöße geben – nicht weniger, nicht mehr!

Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Lektüre!

2. Küstenkind

„Das Meer ist keine Landschaft, es ist das Erlebnis der Ewigkeit.“

(Thomas Mann)

Ich bin ein Kind der Küste. Ich bin nicht an der See geboren, aber seit längst mehr als der Hälfte meines Lebens habe ich immer das Meer in meiner Nähe. Schon davor hat die See stets eine ausgemachte Anziehungskraft auf mich ausgeübt. Vor allem im Rahmen von Urlauben und Reisen, die damals einen anderen Stellenwert hatten, als es heute der Fall ist. Daher war es vor vielen Jahren folgerichtig, dass es mich vollends in den hohen Norden gezogen hat und ich meinen Lebensmittelpunkt dorthin verlegt habe. Für alle Ortswechsel, die danach anstanden, war es für mich stets ein wichtiges Kriterium, ob ich das Meer vor der Haustür hatte oder nicht. Zunächst zog es mich an die Ostsee, dann an die Küste des Wattenmeeres, weiter an die griechische Ägäis und dann wieder zurück an die Watten der Nordsee.

Die Frage nach Wassernähe stellt sich bis heute auch immer wieder, wenn es sich um die Planung von Touren mit dem Reisemobil dreht. Es ist dabei wichtig, zu wissen, dass Kathi eine Fränkin ist, die es nach Oberbayern verschlagen hat. Während es Kathi als Kind der Berge eher in die Höhe zieht, plädiere ich zumeist für das Meer. Es ist mir bislang schon ein ganzes Stück gelungen, sie den Vorzügen der Küste und der See näherzubringen, was umgekehrt aber bislang nicht so geklappt hat. Es ist keineswegs so, dass ich den Bergen nichts abgewinne. Kathi meint, dass der Blick von einem Gipfel über die benachbarten Bergkämme und ins Tal durchaus vergleichbar sei mit dem Blick auf den freien Horizont an der See. Doch die weite Kimmung an der Küste habe ich immer, während ich, realistisch betrachtet, den Blick von einem Gipfel immer nur kurz habe. Vor allem aber wandert man erstmal hoch. Ich habe im Süden Deutschlands schon viele grandiose Landschaften und Menschen kennengelernt, die meinen Blick verändert und meine Perspektive erweitert haben. Die Bayern, die ich bislang kennenlernen durfte, sind ausgesprochen bodenständige Menschen. Die Berge und das Alpenvorland sind pittoreske Landschaften, die für mich aber immer dann umso reizvoller sind, sobald ein Gewässer in der Nähe ist. Aber all diese Seen, so wunderschön sie sind, sind nicht imstande, es ansatzweise mit dem Meer aufzunehmen. Nach einiger Zeit engen mich die Berge ein, sie rauben mir den Blick auf den Horizont, sie beklemmen mich, sie nehmen mir die Luft zum Atmen.

Warum ist das so? Was ist dran am Meer, das es für mich so speziell macht? Für mich ist es vor allem das Gefühl von Weite, von Klarheit und von Freiheit. Ich habe das große Glück, an einem Ort zu leben, an dem andere Menschen ihren Urlaub verbringen. Ich bin in der glücklichen Lage, mir dieses Gefühl immer dann zu holen, wenn mir danach ist. Egal, wie nah genau ich an der Küste bin, ich schmecke das Salz in der Luft, es weht immer eine leichte Brise, es gibt dieses gigantische Licht, den endlosen Himmel und die Wolken, die ich schon dann wahrnehme, wenn ich mich von Weitem der Küste nähere. Ich spüre sie immerzu, die Nähe des Meeres, hier atme ich durch. In Afrika gibt es die „Big Five“, die typischen Tiere des Schwarzen Kontinents, in den Watten sind es die „Flying Five“, die überall anzutreffenden Vögel des Wattenmeers. Diese Gleichsetzung, diese Parallelität beschreibt, welch spezielle Welt die Watten sind. Mir vermittelt es das Gefühl von Heimat, von Zu–Hause–Sein im besten Sinne. Zurückgezogen hinter dem Deich, die Schreie der Möwen und Austernfischer im Ohr, am Rande der Republik. Hier gehen die Uhren anders. Manche Landschaften begegnen einem als Persönlichkeit mit einem eigenen Charakter, das gilt im Besonderen für das Wattenmeer.

Eine weitere Steigerung dieses Privilegs erfahre ich im wahrsten Sinne des Wortes, wenn ich mit meinem alten Reisemobil ein paar Tage draußen an der Küste verbringe. Hier spüre ich ihn buchstäblich, den langsameren Takt der Zeit, obwohl das physikalisch vollkommener Unsinn ist. Entweder ich finde ein Plätzchen unmittelbar hinter dem Deich oder ich ergattere sogar einen der seltenen Plätze direkt an der Wattkante. Das Wetter ist dabei völlige Nebensache. Es ist mir egal, ob ich im strahlenden Sonnenschein unterwegs bin, bei norddeutschem Landregen, durchdringendem Nieselregen oder gar während eines ausgewachsenen Sturms, die es vor allem im Herbst und Winter zu Genüge gibt. Ich öffne eines der Klappfenster und schon habe ich die typischen Geräusche des Watts im Ohr. Das Wasser plätschert leise, Wellen gibt es praktisch nicht. Der Takt der Tide prägt das Leben und die Rufe der Austernfischer geben mir sofort eine akustische Rückmeldung, wo ich bin. Gleiches gilt für den Anblick von Strandhafer, Queller und Salzwiesen. Wenn mir danach ist, schließe ich die Augen und atme tief durch. Dann rieche ich das Watt, schmecke das Salz auf meinen Lippen und die optischen und akustischen Eindrücke verschmelzen zu einem Gemälde der Sinne. Der Morgen startet mit einem frisch gebrühten Kaffee auf der Treppe meines fahrenden Weggefährten, der Nachmittag endet mit einem Fischbrötchen an einer Hafenkante. Immer und überall liegt Salz in der Luft. Vielerorts vernimmt man das obligatorische „Moin!“. Mir schießt unweigerlich der Titel eines Buches in den Kopf, das ich vor einigen Jahren gelesen habe und in dessen Gedanken ich mich immer wieder selbst gefunden habe: „WerMeer hat, braucht weniger.“

***

Eine weitere Erklärung für meinen Hang zum Meer ist ein Charakterzug, der viele Menschen in der heutigen Zeit eher verschreckt. Ich bin weder unkommunikativ noch unsozial, aber ich brauche Phasen in meinem Alltag, in denen ich schlicht allein bin. Das bedeutet keineswegs, dass ich einsam bin. Ich bin ein autarker Mensch, der nicht allzu viele Mitmenschen um sich herum braucht und deshalb größere Menschenansammlungen meidet. Wie ich das Meer in mich aufsauge, so benötige ich Weite, Klarheit und die Stille des Watts. Das verbindet uns. Ich bin in meinem Leben weit herum