Running Man - Charlie Engle - E-Book

Running Man E-Book

Charlie Engle

0,0

Beschreibung

Vom Drogenjunkie zum Ultraläufer? Charlie Engle, der Sohn von Hippie-Studenten, entdeckt schon früh seine Leidenschaft für den Sport, insbesondere das Laufen. Doch sein rebellischer Freiheitsdrang und die ständige Suche nach dem ultimativen Kick werden ihm zum Verhängnis. Am College kommt der begabte junge Mann erstmals mit Alkohol und Kokain in Berührung und führt jahrelang ein Doppelleben als erfolgreicher Unternehmer, liebevoller Familienmensch und engagierter Freizeitläufer. Aber die Macht der Drogen ist stark und Engle droht daran zu zerbrechen. Prostitution, Kriminalität, Gewalt – er weiß, was es heißt, in der Gosse zu landen. Woher nahm er die Kraft, dem Drogensumpf zu entkommen? Wie ist es möglich, dass er heute zu den weltweit besten Ultraläufern zählt? Berührend und fesselnd schildert Engle seinen beeindruckenden Lauf zurück ins Leben. Er beweist, dass es nie zu spät ist umzukehren, das Leben bietet so viel mehr als den flüchtigen Rausch der Drogen. Running Man ist kein Buch über das Laufen, Engles Botschaft lautet nicht, Laufen ist die Lösung. Aber Sport ist wohl eine der schönsten Möglichkeiten, wahre, bleibende Glücksmomente zu erleben. „Running Man wird Sie zum Weinen, Lachen und Jubeln bringen, alles neu definieren, was Sie bisher für möglich gehalten haben, und Sie völlig sprachlos zurücklassen. Es ist ein packendes und ausnahmslos authentisches Zeugnis dessen, was wir alle gemeinsam haben – zutiefst menschlich zu sein.” Rich Roll, Ausdauerathlet und Bestseller-Autor von Finding Ultra

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 577

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



CHARLIE ENGLE

RUNNING MAN

EIN ULTRALAUF ZURÜCK INS LEBEN:

AUS DEM DROGENRAUSCH ZUM RUNNERS HIGH

Impressum

Charlie Engle

Running Man

Ein Ultralauf zurück ins Leben: Aus dem Drogenrausch zum Runners High

1. deutsche Ausgabe 2018

ISBN 978-3-96257-012-5

© 2018, Narayana Verlag GmbH

Titel der Originalausgabe:

Running Man

A Memoir

Copyright © 2016 by Charlie Engle

All Rights Reserved.

Published by arrangement with the original publisher, Scribner, a division of Simon & Schuster, Inc.

Übersetzung aus dem Englischen: Bärbel und Velten Arnold

Satz: Marcus Linke

Coverabbildung und Autorenbild S. 341 © Rod McLean

Herausgeber

Unimedica im Narayana Verlag GmbH, Blumenplatz 2, 79400 Kandern

Tel.: +49 7626 974 970-0

E-Mail: [email protected]

www.unimedica.de

Alle Rechte vorbehalten. Ohne schriftliche Genehmigung des Verlags darf kein Teil dieses Buches in irgendeiner Form – mechanisch, elektronisch, fotografisch – reproduziert, vervielfältigt, übersetzt oder gespeichert werden, mit Ausnahme kurzer Passagen für Buchbesprechungen.

Sofern eingetragene Warenzeichen, Handelsnamen und Gebrauchsnamen verwendet werden, gelten die entsprechenden Schutzbestimmungen (auch wenn diese nicht als solche gekennzeichnet sind).

Die Empfehlungen dieses Buches wurden von Autor und Verlag nach bestem Wissen erarbeitet und überprüft. Dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Weder der Autor noch der Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.

Für Momma

Nun heiß mich laufen,So will ich an Unmögliches mich wagen,

WILLIAM SHAKESPEARE

Julius Caesar

Inhalt

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Widmungen

Wettkampf-Highlights

Über den Autor

Prolog

Ich hörte immer die Schlüssel, dieses furchtbare Klirren der Schlüssel, auf mich zukommen und wieder verblassen, wenn der Wärter den Gang entlangging und sich wieder entfernte. Ich lernte den glatzköpfigen Riesenkerl auszublenden, der immer die halbe Nacht gegen seinen Spind trommelte, und diesen dürren Typen in der Ecke, der immer irgendetwas über Jesus brüllte. Aber ganz egal, wie müde ich auch war oder wie fest ich mir die Schaumstoffohrstöpsel in die Ohren stopfte – diese verdammten Schlüssel hörte ich immer. Es war nicht das Klirren selbst, das mir zu schaffen machte, sondern die Tatsache, dass es sich um die klirrenden Schlüssel eines Wärters handelte – und wo ein Wärter war, konnte es Ärger geben.

Das Klirren der Schlüssel bedeutete, dass es fünf Uhr morgens war – Zählappell. Ich lugte unter der Ecke einer Augenbinde hervor, die ich mir aus einem grauen Stofffetzen gemacht hatte, den ich von einer alten Jogginghose abgerissen hatte. Etliche meiner Mithäftlinge ließen die ganze Nacht das Licht an. Einige lasen oder schrieben, andere strichen umher und taten Dinge, von denen ich lieber nichts wissen wollte. Die Augenbinde half mir dabei, mich alldem zu entziehen. Ich sah, dass der Wärter sich von meinem Zellenblock entfernte. Gut. Also war ich nicht an der Reihe, schikaniert zu werden.

Ich nahm die Binde von meinen Augen, zog die Ohrenstöpsel raus, lag reglos auf meiner Pritsche und hörte, wie sich die anderen 200 Männer in meinem Block regten. Mein Zellengenosse, Cody, ein freundlicher Junge, der eine zehnjährige Haftstrafe aufgebrummt bekommen hatte, weil er Gras gekauft hatte, schnarchte noch auf der Pritsche unter mir. Durch das hohe, völlig verdreckte Doppelglasfenster meiner Zelle konnte ich ein viereckiges Stück des schwarzen Himmels sehen.

Kurz bevor ich meine Haft im Bundesgefängnis Beckley angetreten hatte, war ich in Charlotte, North Carolina, als Gastredner auf einer großen Veranstaltung der Anonymen Alkoholiker eingeladen gewesen. Am Tisch mit den kleinen Stärkungen hatte sich ein stämmiger tätowierter Kerl zu mir gesellt und mir geraten, mir im Knast unbedingt einen Spitznamen verpassen zu lassen.

„Warum das denn?“, hatte ich gefragt, während ich mir von einem Pappteller einen Oreo-Keks genommen hatte.

„Du brauchst einen Spitznamen, damit du, wenn du wieder draußen bist und dich auf der Straße jemand mit deinem Gefängnisspitznamen ruft, das Arschloch ignorieren und einfach weitergehen kannst.“

In den drei Monaten, in denen ich bereits einsaß, war mir ein Squirrel, ein Shorty, ein Pick-n-Roll, ein Swag, ein Gut, ein Tongue, ein Beaver und ein Glue Stick begegnet. Mich nannten sie Running Man. Ich war der weiße Typ in den mittleren Jahren, der auf der Vierhundertmeterbahn des Gefängnisgeländes alleine seine Runden drehte, vorbei an den grinsenden Rauchern und den Basketballspielern. Wenn wir eingeschlossen waren, war ich der Verrückte, der auf dem harten Boden neben dem Bett in der Zelle seine Kilometer absolvierte.

„Du gehörst nicht in den Knast“, sagte mir ein Mithäftling, den ich unter dem Namen Butterbean kannte, nachdem er mir dabei zugesehen hatte, wie ich länger als eine Stunde auf der Stelle gejoggt war. „Du gehörst in ein verdammtes Irrenhaus.“

Running Man. Sie konnten nicht wissen, wie gut der Name zu mir passte. Ich war mein ganzes Leben lang gelaufen – auf der Suche nach etwas beziehungsweise um mich von etwas zu befreien. Es hatte mir dabei geholfen, eine zehn Jahre andauernde Kokainsucht zu überwinden und nun schon seit zwanzig Jahren clean und trocken zu leben. Das Laufen hatte mir das Leben gerettet – und mir ein Leben geschenkt. Draußen, in den Kreisen der Ultramarathon-Läufer, kannte man mich. Ich war quer durch die Sahara gerannt und hatte auf der Strecke Rekorde aufgestellt. Jay Leno hatte mich in seine Fernsehshow eingeladen. Ich hatte Sponsorenverträge, auch wenn das inzwischen Geschichte war. Ich wurde gebucht, um auf gut besuchten Veranstaltungen vor Pharmavertretern, Kriegshelden, Führungskräften und Sonntagssportlern inspirierende Reden zu halten. Im Gefängnis war das Laufen – und ans Laufen zu denken, Laufbücher zu lesen und selber eins zu schreiben – das Einzige, was mir geblieben war.

Eines Morgens lag ich kurz vor dem Zehn-Uhr-Zählappell auf meiner Pritsche und las in der Zeitschrift Runner’s World einen Artikel über den Badwater Ultramarathon, jenen 217 Kilometer langen Ultramarathon, der jedes Jahr im Juli im Death Valley in Kalifornien stattfindet. Viele Leute halten ihn für den härtesten Ultramarathon der Welt, und ich würde ihnen da nicht widersprechen. Die Strecke beginnt auf einer Höhe unterhalb des Meeresspiegels und endet am Whitney Portal in einer Höhe von 2530 Metern nach einem erschöpfenden Anstieg den Mount Whitney hinauf. Der Asphalt der Wüstenstraße ist so heiß – oft heißer als 90 Grad –, dass die Sohlen deiner Schuhe schmelzen können und es dir regelrecht deine Fußsohlen verbrutzeln kann. Ich war den Badwater Ultramarathon fünfmal gelaufen und war bis auf einmal immer unter den ersten fünf ins Ziel gekommen. Ich hielt mich für ein Mitglied der großen, verrückten Badwater-Familie.

Als ich an jenem Nachmittag rausging, um zu laufen, dachte ich immer noch an den Badwater Ultramarathon. Ich hatte zwei Stunden Zeit, bis ich rechtzeitig um vier Uhr zum Nachmittagszählappell wieder in meiner Zelle sein musste. Von dem Grasstreifen aus, auf dem ich immer meine Aufwärmübungen machte, konnte ich auf einem Hang in der Ferne die Dächer einiger Häuser sehen. Manchmal hörte ich sogar Musik, die aus dem bewaldeten Tal unterhalb des Gefängnisses nach oben drang. Die Laufbahn war der einzige Ort, an dem ich mir beinahe einreden konnte, nicht im Gefängnis zu sein.

Ich begann zu laufen, erst gemächlich, dann schneller. Ich spürte die Sonne auf meinem Gesicht und dachte an den Badwater Ultramarathon. An die flirrende Hitze und den mich anziehenden Horizont. Vor meinem inneren Auge malte ich mir die über Furnace Creek aufragenden dunstigen Berge aus, die welligen Sanddünen von Stovepipe Wells und den langen, inmitten der Einsamkeit aufsteigenden Towness Pass. Ich rief mir das Licht in der Wüste in Erinnerung: rostrot bei Tagesanbruch und lavendelfarben in der Abenddämmerung. Ich dachte daran, wie ich mich den Mount Whitney hocharbeitete, in dem Wissen, dass das Ende des qualvollen Anstiegs mit jeder S-Kurve näher kam. Ich dachte an den Schmerz. Und in dem Moment sehnte ich mich nach diesem quälenden, jedoch zugleich erleuchtenden Schmerz, jenem Schmerz, der offenbart, wer du wirklich bist – und der dich fragt, wer du sein willst.

Nach acht Kilometern legte ich noch mal einen Zahn zu. Und da hörte ich etwas in meinem Kopf, das ich schon mal gehört hatte – ein Geräusch, das klang wie das Surren und Klappern einer sich drehenden Roulette-Scheibe und der gegen die Drehrichtung rollenden Kugel, die im Begriff ist, in ein Nummernfach zu fallen. Du denkst, du weißt, wo sie landen wird, doch dann hüpft die Kugel herum und landet in einem Fach, das du nie und nimmer erwartet hättest. Vor meinem inneren Auge sah ich die Kugel abprallen und springen und schließlich in ein Fach fallen. Ich blieb stehen, verschränkte keuchend die Hände hinter meinem Kopf und sah zum Himmel. Ich würde den Badwater Ultramarathon in diesem Jahr auch laufen. Jawohl. Genau das würde ich tun.

Ich würde das Rennen auf dieser beschissenen Laufbahn absolvieren. Ich kalkulierte die Distanz. Es würde bedeuten, dass ich 540 Runden laufen müsste, wahrscheinlich insgesamt gut 24 Stunden, verteilt auf zwei Tage. Ich würde ein paar Gegengefallen einfordern und alles zwischen die Zählappelle packen müssen, aber mit ein bisschen Glück glaubte ich, es schaffen zu können. Ich lief wieder los und spürte ein vertrautes Glücksgefühl, das mich überkam. Es war diese innere Erregung, die ich immer verspürte, wenn ich mich zu einem wichtigen Wettkampf angemeldet hatte. Diesmal wurde diese innere Erregung von einem merkwürdig berauschenden und unbestreitbar absurden Gefühl von Freiheit begleitet. Es gäbe keine Anmeldegebühren, keine Bewerbung um die Teilnahme, keine Warteschlangen an den Sicherheitschecks irgendwelcher Flughäfen, keinen Twitter-Feed, keine Geldbeschaffungsaktionen, keine Finisher-Medaille und keinen Druck. Ich würde einfach nur 217 Kilometer laufen müssen. Am Morgen des 13. Juli 2011, dem ersten Tag des Badwater Ultramarathons, würde ich an meiner eigenen Startlinie stehen.

Kapitel 1

„Du hast mich geliebt, bevor du mich gesehen hast;Du liebst mich mit allen meinen Fehlern;Du wirst mich lieben, weil ich der Mensch bin, der ich bin.“

Luffina Lourduraj

Ich wurde 1962 in einem kleinen Nest in den Hügeln außerhalb von Charlotte, North Carolina, geboren. Ab dem Moment, ab dem ich laufen konnte, genoss ich als Kind große Freiheiten. Meine Mutter und mein Vater waren 19-jährige Studienanfänger und hatten sich auf einem Sommerferien-Literaturkurs der University of North Carolina at Chapel Hill während einer Zigarettenpause kennengelernt. Richard Engle, mein Vater – schlaksig, einsneunzig groß und in seinen gebügelten Khakihosen und seinen Button-Down-Hemden immer sehr adrett – spielte an der University of North Carolina in der Basketballmannschaft der Neulinge mit. Sein Trainer war der legendäre Basketballtrainer Dean Smith. Meine Mutter, Rebecca Ranson – 1,57 m groß, mit unbändigen kurzgeschnittenen braunen Haaren und dunklen Augen – war eine angehende Theaterstückeschreiberin. Ihr Vater hatte es während seines Studiums als Läufer in die landesweite Bestenauswahl der USA geschafft und war an der University of North Carolina at Chapel Hill ein hochgeschätzter Geländelauftrainer geworden. Doch meine Mutter verbrachte ihre High-School-Jahre nicht auf einem Sportplatz oder auf einer Aschenbahn. Sie wurde mit sechzehn schwanger und in ein Heim für unverheiratete junge Mütter gesteckt, in dem sie blieb, bis sie ein Mädchen zur Welt brachte, das sie zur Adoption freigab. Ich erfuhr erst Jahrzehnte später, dass ich eine Halbschwester hatte.

Als ich drei war, ließen meine Eltern sich scheiden. Mein Vater trat der Armee bei und ging nach Deutschland. Ich sah ihn erst nach mehr als vier Jahren wieder. Später erfuhr ich, dass meine Eltern übereingekommen waren, vor mir nicht schlecht übereinander zu reden, was erklärt, warum meine Mutter ihn von dem Tag an, an dem er die Familie verließ, fast nie mehr erwähnt hat. Er verschwand einfach. Meine Mutter stürzte sich in ihr Studium und in das Schreiben ihrer Stücke und protestierte mit Inbrunst gegen jede Ungerechtigkeit, die ihr ein Dorn im Auge war. Und Mitte der 60er Jahre gab es in North Carolina verdammt viel, worüber man sich aufregen konnte.

Meine Mutter heiratete noch einmal. Ihr neuer Ehemann, Coke Ariail, war Regisseur, Produzent, Schauspieler, Fotograf und Bildhauer, und sein Lieblingsmotiv war meine nackte Mutter. Er war ein sanftmütiger Mann, entstammte einer konservativen Familie des Südens und hatte die unmögliche Aufgabe, zu versuchen, meinen Vater zu ersetzen. Ich missachtete seine Regeln und nahm seine Bestrafungen nicht ernst. Noch bevor ich zehn wurde, zogen wir fünfmal um. Coke und meine Mutter fanden immer eine neue Theatergruppe, die sie aufbauen konnten, einen neuen Abschluss, den sie noch machen konnten, oder irgendein Unrecht, zu dessen Behebung sie einschreiten mussten. Ein Jahr ums andere fühlte ich mich im September wie ein Sonderling: der neue Junge mit den zotteligen, schulterlangen Haaren und den Hippie-Eltern, der seine Samstage nicht beim Baseballtraining oder bei den Spielen der Kinder- und Jugendliga verbrachte, sondern in avantgardistische Theateraufführungen ging oder bei Antikriegsdemonstrationen mitmarschierte. Als per Gerichtsbeschluss die Rassentrennung aufgehoben wurde, setzte ich mich im Bus zu den schwarzen Schülern und freundete mich mit einem leise sprechenden Jungen namens Earl an, was mich in den Augen meiner konservativen Klassenkameraden zu einem noch größeren Sonderling machte.

Kurz bevor ich in die vierte Klasse kam, zogen wir außerhalb von Durham aufs Land in ein einstöckiges Haus mit abblätternder Farbe und einer durchhängenden Veranda. Meine Mutter liebte das Haus. Sie meinte, es habe „Charakter“ und „eine solide Grundkonstruktion“, also sagte ich, dass ich es auch super fände. Fortan brachte ich unseren Vermietern jeden Monat die 100 Dollar Miete. Um zu ihnen zu gelangen, musste ich eine Kuhweide überqueren, die zwischen unseren Häusern lag, und fühlte mich wie James Bond, wenn ich über die Weide rannte, über Elektrozäune und Misthaufen sprang und einen weiten Bogen um die Bullen machte. Ich kam keuchend und mit verschwitzten Haaren bei den Wimbleys an, meine abgerissenen Shorts hingen schlabbernd von meinen dürren Hüften herab, meine Beine waren mit Matsch und Grasfetzen übersät. Manchmal luden sie mich auf ein Sandwich mit kalter Rinderzunge und Gurke aus ihrem Garten ein.

Coke und meine Mutter inszenierten im örtlichen Theater Aufführungen gekünstelt anspruchsvoller und abgedrehter Stücke, die sie selber geschrieben hatten. Für ihre Theatertruppe warfen sie jede Menge Partys. An einem jener Abende, an denen bei uns eine Party stieg, saß ich in meinem Zimmer auf einem Sitzsack und sah Johnny Carson. Ich musste die Lautstärke voll aufdrehen, um den Partylärm zu übertönen. Außerdem ließ ich meine Zimmertür geschlossen, weil es im ganzen Haus merkwürdig roch: nach Marihuana und Räucherkerzen, vermischt mit den Gerüchen der Chemikalien aus Cokes kleiner Dunkelkammer. The Tonight Show verpasste ich nie, nicht mal, wenn ich am nächsten Tag in die Schule musste. Ich mochte Johnny, aber ich sah die Sendung vor allem wegen Ed McMahon. Ich erinnere mich, gedacht zu haben, dass er mit dieser tönenden Stimme eines Karnevalsredners und mit diesem fröhlichen, schallenden Lachen bestimmt ein toller Vater war. Ich stellte ihn mir vor, wie er bei Familientreffen an die Haustür kam.

„Wo ist Charlie?“, würde er als Erstes mit seiner dröhnenden Stimme fragen. „Wo ist mein Junge?“

Wenn Johnny und Ed sich verabschiedeten und ihren Zuschauern eine gute Nacht wünschten, trottete ich oft noch einmal hungrig und durstig aus meinem Zimmer. Zu dem Zeitpunkt hatte sich die Party normalerweise in den Vorgarten verlagert und die Lautsprecher standen umgedreht an einem offenen Fenster. Ich blickte dann an den großen Motten vorbei, die gegen die Fliegengittertür flatterten, und sah meine Mutter, die sich in einem ihrer langen Röcke um sich selbst drehte, während Coke mit jedem und niemandem tanzte.

Ich erinnere mich, wie ich eines Nachts während einer dieser Partys durch das Wohnzimmer ging, über leere Flaschen, Gitarrenkoffer und Sandalen hinwegstieg und die Küche ansteuerte. Vor dem Sofa blieb ich stehen. Auf ihm lag eine junge Frau, einer ihrer Arme baumelte leicht verdreht herab. Sie schnarchte. Auf dem niedrigen Couchtisch vor ihr standen zwei offene Flaschen Bier, die beide noch mehr als halbvoll waren. Ich betrachtete die Schlafende einen Moment lang, ging dann in die Küche und öffnete den Kühlschrank. Das Einzige, was ich dort vorfand, war ein Krug mit aufgelöstem Milchpulver – ich hasste dieses Gesöff – und Cokes selbst gemachten Orangenwein.

In dem Moment blieb die Schallplatte hängen. Ich ging ins Wohnzimmer, nahm den Tonarm hoch und legte die Nadel wieder auf die Platte. Die junge Frau auf dem Sofa war immer noch weggetreten. Ich nahm eine der offenen Bierflaschen in die Hand, schnupperte, führte sie mir an den Mund und nahm einen Schluck. Es schmeckte bitter, aber ich nahm noch einen Schluck. Ich leerte die erste Flasche und nahm die zweite in die Hand. Das Bier machte mich warm, beschwingt und ruhig, als ob jemand eine magische Hand auf mich gelegt und gesagt hätte: „Na bitte, Charlie, ist doch alles bestens.“

In jener schwülen Spätsommernacht pflanzte der Alkohol zu den jammernden aus den Stereoboxen dröhnenden Klängen von Janis Joplin eine kleine Flagge in mein Hirn und beanspruchte dieses Territorium für sich.

Etwa 800 Meter hinter unserem Haus befand sich mitten im dichten Wald ein kalter, tiefer Teich, der von Pinien, Zwergeichen und Azaleen umgeben war. An diesem Teich verbrachte ich viele Stunden, beobachtete Wasserwanzen zwischen Seerosenblättern umherhuschen, die so groß waren wie Frisbees, schlug Mücken tot, ließ flache Steine übers Wasser hüpfen und angelte mit einer Angelrute aus Zuckerrohr. Wenn es mir zu warm wurde, zog ich mich aus, schwamm eine Runde, legte mich anschließend auf einen warmen Felsen und ließ mich in der Sonne trocknen. Dieser Wald war ein Ort zum Träumen – von Orten, an denen ich lieber gewesen wäre, und davon, wer ich selber lieber gewesen wäre. Ich war Marshal Matt Dillon, Detective Joe Mannix oder Kwai Chang Caine beim Praktizieren einiger Kung-Fu-Übungen. Und ich war Jonny Quest – oh, ich liebte Jonny Quest – und düste mit meinem brillanten Vater, Dr. Benton Quest, in irgendeiner absolut geheimen Mission zur Rettung der Welt nach Tibet, Kalkutta oder in die Sargassosee.

Eines Nachmittags, als ich an dem Teich war, hörte ich ein leises Donnergrollen. Über den Baumspitzen brauten sich grünliche Gewitterwolken zusammen. Die Blätter begannen im Wind zu rascheln. Ich spürte einen Regentropfen und dann noch einen, und im nächsten Moment ging ein Wolkenbruch auf mich nieder. Ich machte mich schnell auf den Nachhauseweg, rannte zwischen den Bäumen hindurch und zog mir im Laufen mein T-Shirt aus. Als ich aus dem Wald kam, sah ich einen gezackten Blitz wie einen Finger auf das Feld vor mir herunterlangen. Der Donner, der gerade noch fern geklungen hatte, krachte jetzt direkt über meinem Kopf. Das Gewitter schien unmittelbar über mir zu sein und mit mir Schritt zu halten, während ich rannte. Ich hüpfte über einen Zaun, sprang über einen Graben hinweg, der mit schäumendem, schnell fließendem Wasser gefüllt war, und stürmte durch das hohe Gras in unserem Vorgarten. Von dort sah ich meine Mutter im Eingang der Veranda stehen und auf mich warten. Ich wedelte mit meinem T-Shirt über meinem Kopf und sie winkte mir zu.

„Ich bleibe hier draußen!“, rief ich ihr zu.

„Wie bitte?“, rief sie und legte die Hände hinter die Ohren.

Ich rannte zum Fuß der Verandatreppe, zog meine völlig durchnässten Shorts aus, knüllte mein nasses T-Shirt zusammen und warf beides zu ihr hoch. Sie fing meine nasse Kleidung auf und lachte.

„Ich bleibe hier draußen!“, rief ich noch einmal.

Ich flitzte, nur noch mit meiner Baumwollunterhose bekleidet, zurück, rannte im Garten herum, juchzte über den Donner und den Regen hinweg und begleitete jeden Blitz mit einem Freudenschrei. Ich fuhr mit der Hand an einem rankenden Gartengeißblatt entlang und ließ die Süße in den Regen entweichen. Ich war nass bis auf die Haut, aber ich fühlte mich frei und beflügelt und glücklich. Ich hatte keine Angst vor dem Gewitter und brachte meine Mutter zum Lachen und Jubeln. Ich nahm mir vor, dieses Gefühl nie zu vergessen – so lange zu rennen, bis man nicht mehr kann, und dieses Gefühl, keine Angst zu haben.

Im Sommer 1973 beschloss meine Mutter, nach Attica, New York, umzuziehen. Der Gefängnisaufstand, der sich zwei Jahre zuvor ereignet hatte, hatte sie aufgebracht. Bei dem Aufstand waren 43 Menschen ums Leben gekommen, die meisten von ihnen Gefängnisinsassen, die von neun Meter hohen Wachtürmen aus von Gefängniswärtern niedergemäht worden waren. Meine Mutter hatte in North Carolina mit Häftlingen Theater-Workshops veranstaltet, in denen sie ihr Leben und ihre Probleme in ernsten Stücken verarbeiteten. Sie bewarb sich und erhielt für ein Jahr Fördermittel, um im Hochsicherheitsgefängnis von Attica das Gleiche zu tun. Der Aufstand war am Tag ihres Geburtstags ausgebrochen. Das deutete sie als Zeichen, dass sie dazu bestimmt war, dorthin zu gehen.

Meine Mutter und ich stiegen in unseren gelben VW Typ 3, der bis zum Dach mit unseren Sachen vollgestopft war, winkten Coke zum Abschied zu, der widerwillig zurückblieb, und fuhren nach Norden in Richtung Attica. Coke erzählte mir später, dass er es für einen Riesenfehler gehalten habe, dass meine Mutter mich nach Attica mitnahm, aber da er immer den ganzen Tag gearbeitet und abends versucht habe, Theateraufführungen zu inszenieren, habe er keine Möglichkeit gesehen, sich alleine um mich zu kümmern.

Wir wohnten über einer Bäckerei in einer winzigen Wohnung, in der es immer nach Zimt und frischgebackenem Brot roch. Meine Mutter schlief auf einer Matratze auf dem Boden des einzigen Schlafzimmers, ich schlief auf einem schäbigen Sofa im Wohnzimmer. Hinter dem Haus verlief eine Bahnstrecke, und jeden Morgen ratterte um halb sieben ein Zug vorbei und ließ das Signalhorn ertönen. Der Zug war mein Wecker, vor allem an den Tagen, an denen meine Mutter im Gefängnis eingeschneit war und nicht nach Hause kommen konnte. Manchmal ging ich einfach nicht zur Schule und hing mit anderen Kindern, die ebenfalls die Schule schwänzten oder sie schon abgebrochen hatten, unten an den Gleisen herum. Die Eltern der meisten Kinder arbeiteten als Wärter in dem Gefängnis. Wir schlugen die Zeit damit tot, Pennymünzen auf die Schienen zu legen und zu warten, bis ein Zug kam und sie plattwalzte. Manchmal ließ einer der älteren Jungs einen Joint oder eine Flasche mit einem braunen Schnaps rumgehen. Ich mochte kein Marihuana – es machte mich träge und schläfrig –, aber ich trank gerne Alkohol. Manchmal trank ich mit den anderen Kindern, die an den Gleisen herumlungerten, so viel, dass ich mich übergeben musste, aber das hielt mich nicht vom Trinken ab. Wenn ich trank, wurde ich von einem Gefühl der Erleichterung erfasst, wobei ich nicht wusste, von was ich mich erleichtert fühlte.

Eines Tages sahen meine Kumpels und ich einen Mann, der neben dem letzten Wagen eines langsam fahrenden Güterzugs herrannte. Wir sahen, wie er sprang, einen Griff in der Nähe der Tür des Güterwagens packte und sich durch die Öffnung in den Wagen schwang. Mit offenen Mündern sahen wir dem entschwindenden Zug hinterher.

Im dem Moment beschloss ich, auch auf einen Zug aufzuspringen. Ich weihte keinen meiner pflichtvergessenen Kumpels in meinen Plan ein, weil ich wusste, dass ich aufgezogen werden würde, wenn es mir misslänge oder ich einen Rückzieher machte. Etwa eine Woche später brachte ich den Mut auf, neben einem Zug her zu rennen, musste jedoch feststellen, dass es viel schwerer war, als es aussah. Die Steine im Gleisbett waren ungleichmäßig verteilt und die Abstände zwischen den Bahnschwellen laufunfreundlich. Ich stolperte, fiel hin und landete nur 15 Zentimeter neben den rollenden Rädern auf dem Boden. Eigentlich hätte ich mein Vorhaben auf der Stelle aufgeben sollen. Stattdessen verfeinerte ich mein Timing und fand heraus, dass ich, wenn ich beim Rennen nur auf jede zweite Schwelle trat, mit dem Zug mithalten konnte.

Eines Samstagmorgens, als meine Mutter zur Arbeit war, beschloss ich, dass dies der Tag war. Ich zog mir die mir viel zu große alte Armeejacke meines Vaters an – eines der wenigen Dinge, die ich je von ihm bekommen hatte – und ging runter zu den Gleisen. Als der Zug sich näherte, versteckte ich mich hinter ein paar Büschen und ließ die ersten Waggons vorbeifahren. Als ich einen Güterwagen mit offener Tür sah, rannte ich los und lief im gleichen Tempo, in dem der Zug fuhr. Ich sprang durch die Öffnung, warf meinen Körper nach vorne und landete hart auf dem Bauch. Eine Schrecksekunde lang wippte ich auf der Kante, halb drinnen, halb draußen, dann fanden meine Finger zwischen den Bodenbrettern Halt, und ich zog mich in den Wagen hinein. Ich rollte keuchend auf den Rücken und war von dem, was ich getan hatte, so begeistert, dass ich von einem rauschartigen Hochgefühl erfasst wurde.

Doch meine Begeisterung hielt gerade mal fünf Minuten an. Leere Güterwagen sind langweilig und stinken nach Urin. Es vergingen zehn, zwanzig, dreißig Minuten, und der Zug ratterte immer weiter. Ich musste aus diesem Ding raus. Ich sah aus der offenen Tür und dachte daran zu springen. Ich stellte mir vor, wie ich auf dem Boden landete und vom Zug wegrollte wie die Typen, die ich im Fernsehen gesehen hatte. Also blickte ich nach vorne und hoffte, eine weiche Stelle zum Landen zu finden, sah jedoch nur Steine, harten Schotter und struppige Büsche an mir vorbeihuschen. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich an dem Griff neben der Tür festzuhalten und mich langsam herunterzulassen.

Ich umfasste den kalten Stahl mit meiner schweißnassen Hand und schwang mich aus dem Wagen. Jetzt hing ich über dem unter mir dahinrasenden Boden, die Geschwindigkeit des Zuges drückte mich gegen die Außenseite des Waggons. Mir wurde bewusst, dass ich wahrscheinlich unter den Rädern des Zugs landen würde, wenn ich losließe. Aber ich konnte mein Bein auch nicht zurück in die Öffnung schwingen und wieder in den Wagen klettern. Meine Hand rutschte langsam ab. Ich ließ einen meiner Turnschuhe über den Boden schaben, um ein Gefühl für die Geschwindigkeit des Zuges zu bekommen, bis ich nicht mehr konnte. Ich ließ los, landete auf den Füßen und rannte neben dem Zug her. Ich machte einen großen Schritt nach dem anderen und versuchte, das Gleichgewicht zu halten. Irgendwie schaffte ich es, auf den Beinen zu bleiben, während der Zug davonratterte.

„Juhu!“, rief ich und verlangsamte mein Tempo, bis ich trabte. Ich riss die Arme hoch. Ich war unbesiegbar, ein Superheld. Aber, wie mir bewusst wurde, war ich auch verdammt weit weg von zu Hause.

Vibrierend vor Adrenalin machte ich mich zwischen den Gleisen auf den Weg zurück nach Attica. Ich rannte und rannte und erwartete nach jeder Kurve, endlich unser heruntergekommenes Wohngebäude zu sehen. Hin und wieder blieb ich stehen und ging im Schritttempo weiter, dann zwang ich mich, wieder weiterzurennen. Letztendlich lief ich mindestens zwei Stunden, bis ich unsere Bleibe endlich sah. Kurz nachdem ich in unserer Wohnung angekommen war und mich auf die Couch geworfen hatte, kam meine Mutter nach Hause.

„Ich habe uns von unten zwei Zimtbrötchen mitgebracht. Sie sind von gestern, aber genauso lecker wie frische.“ Sie hielt eine kleine Papiertüte hoch. „Wie war dein Tag?“

„Gut.“

„Was hast du gemacht?“

„Nichts.“

Es war nicht so, dass ich befürchtete, Ärger zu bekommen, wenn ich ihr erzählt hätte, was ich getan hatte. Ich hatte nie Ärger mit meiner Mutter. Doch dieses Abenteuer wollte ich für mich behalten: die Fahrt mit dem Zug, das berauschende Gefühl beim Springen und die vielen Kilometer, die ich hatte rennen müssen, um wieder nach Hause zu kommen.

Bevor es nach den Ferien mit der achten Klasse losging, fragte meine Mutter mich, ob ich zu meinem Vater, meiner Stiefmutter, Molly, und meiner Stiefschwester, Dina, ziehen wolle, die in Kalifornien lebten. Ich weiß nicht, wessen Idee es war. Ich hatte meinen Vater ein paarmal besucht und wir hatten eine nette Zeit miteinander verbracht. Er hatte mich nach Disneyland eingeladen und war mit mir an den Strand gegangen. Er war nicht so warmherzig wie meine Mutter, aber es gefiel mir da unten im Süden. Vor allem reizte mich, dass ich in Kalifornien organisierten Sport würde treiben können. Meine Mutter und Coke hatten sich mit dem, was organisierter Sport mit sich brachte, nie anfreunden können: uniforme Spielkleidung, Training, feste Trainings- und Spielzeiten. Ich sagte meiner Mutter, dass ich zu meinem Vater ziehen wolle und fühlte mich anschließend furchtbar, weil ich es gesagt hatte. Sie weinte, als ich abreiste, aber irgendwie spürte ich auch ihre Erleichterung. Sie hatte mehr Zeit für ihre Projekte, wenn sie sich nicht mehr um mich kümmern musste. Ich wusste, wie viel ihr ihre Arbeit bedeutete. Ich hatte so ein schlechtes Gewissen, weil ich sie verließ, dass mir regelrecht schlecht war, als ich das Flugzeug bestieg. Gleichzeitig war ich ziemlich perplex, dass sie mich einfach so ziehen lassen konnte.

In Kalifornien meldete ich mich sofort bei der Jugendsportorganisation Pop Warner in einer Footballmannschaft an, obwohl ich Football bis dahin nur aus dem Fernsehen kannte. Ich war 1,80 m groß, dünn wie eine Bohnenstange und erreichte so gerade das Mindestgewicht von 57 Kilogramm. Ich wurde nur selten bei Spielen eingesetzt, aber mir gefiel das Gefühl, Teil eines Teams zu sein, und mir machte das Training Spaß, vor allem das Lauftraining. Eines Tages drehte ich nach dem Training noch ein paar Extrarunden um das Spielfeld, während ich darauf wartete, dass meine Stiefmutter mich abholte. Ich bemerkte, dass der Geländelauftrainer der Organisation mir zusah.

„He!“, rief er, als ich an ihm vorbeilief. „Du siehst eher wie ein Läufer aus als wie ein Footballspieler. Warum kommst du nicht in mein Team?“

Am nächsten Tag ging ich zu meinem ersten Geländelauftraining. Ich trug meine Football-Stollenschuhe, weil ich keine Laufschuhe besaß. Einer der anderen Jungen murmelte „schöne Schuhe“, als wir losrannten, um einen 5-Kilometer-Geländelauf zu absolvieren. Aber das war mir egal. Ich war nur froh, dass ich lief. Als das erste Training vorbei war, wusste ich, dass ich gefunden hatte, wo ich hingehörte.

Ich erinnere mich an mein erstes Rennen, an das Durcheinander der Ellbogen und Knie beim Startschuss, an das Geschubse, als Dutzende Jungen losdrängten und versuchten, auf dem schmalen Weg eine gute Position zu finden. Nach einigen Hundert Metern stolperte ich und fiel hin. Ich versuchte mich wieder aufzurappeln, aber es war, als ob ich in einer großen, brechenden Welle feststeckte. Ich wurde immer wieder zu Boden gedrückt. Ein Schuh trat auf meine Hand, die Spikes bohrten sich in meine Haut. Ich sah auf, um zu sehen, wer zum Teufel da gerade auf mich gelatscht war, und sah einen Jungen in einer hellgrünen Laufhose davonrennen. Als ich schließlich wieder hochkam, wurde ich von einer neuen starken Kraft angetrieben – dem raketentreibstoffartigen Gemisch aus Adrenalin und Wut.

Ich rannte wieder los und überholte einen Läufer nach dem anderen. Ich flog regelrecht – bis ich zu einem Bach kam. Da ich noch nie an einem Geländelauf teilgenommen und noch nie nasse Füße bei einem Lauf bekommen hatte, wusste ich nicht, was ich tun sollte. Ich blieb abrupt stehen, was zur Folge hatte, dass der Junge hinter mir in mich hineinlief und mich umstieß.

„Beweg dich, Idiot“, rief jemand, als ich versuchte, wieder auf die Beine zu kommen. Ich sah die anderen Läufer durch das Wasser platschen, ohne auch nur einen Schritt auszulassen. Einer meiner Teamkameraden lief an mir vorbei.

„Na los, Charlie, weiter!“, rief er.

Los, Charlie, weiter, sagte ich zu mir selbst. Los Charlie, weiter. Ich stand auf und rannte wieder los, wobei ich den Bach auf Zehenspitzen durchquerte. Doch als ich das andere Ufer erreichte und wieder auf dem Weg war, legte ich einen Zahn zu. Ich hatte jetzt Platz. Das Feld hatte sich auseinandergezogen und einige Minuten lief ich alleine durch den Wald. Ich hörte das Tappen meiner über den Boden trabenden Füße und mein rhythmisches Atmen. Ich hatte irgendwie das Gefühl, mich mit der Anmut eines Tieres zu bewegen. Als ich den Wald verließ und in ein offenes Gelände lief, sah ich das Führungsfeld, eine Gruppe von sechs oder sieben Jungen. Und in der Mitte dieser Gruppe lief der Junge mit der hellgrünen Laufhose. Ich nahm mir vor, ihn einzuholen.

Als ich fast zu ihm aufgeschlossen hatte, drehte er sich um und sah, dass ich mich voll ins Zeug legte, um an ihm vorbeizuziehen. Er legte ebenfalls einen Zahn zu und setzte sich an die Spitze der Gruppe. Ich bemühte mich, noch mehr aus mir herauszuholen, doch auf einmal waren meine Beine bleischwer, als ob ich versuchte, durch dicken Schlamm zu rennen. Grünhose lief als Erster über die Ziellinie. Die Tatsache, dass er mein Blut an seinen Spikes hatte, hatte ihn nicht langsamer werden lassen.

Ich kam als Fünfter ins Ziel, musste mich sofort vornüber bücken, die Hände auf die Knie stützen und versuchte, zu Atem zu kommen. Als ich mich wieder aufrichtete, sah ich Grünhose direkt auf mich zukommen. Oh Scheiße. Was wird das denn jetzt?

„Guter Lauf“, sagte er, bedachte mich mit einem angedeuteten anerkennenden Heben des Kinns und ging weiter.

„Guter Lauf.“ Diese beiden Worte änderten mein Leben. Für meine Anstrengung und dafür, nicht aufgegeben zu haben, war mir Anerkennung gezollt worden. In jener Saison ließ ich mir keinen einzigen Laufwettkampf entgehen und qualifizierte mich schließlich für die Junior Olympics. Bei der Meisterschaft auf Bundesstaatsebene wurde ich Dreizehnter. Nicht schlecht für einen Neuling, aber ich wollte mehr. Ich wollte der Schnellste sein.

Während des Winters spielte ich in der Schulmannschaft Basketball, aber vor allem, um im Frühjahr für die Leichtathletikwettkämpfe in Form zu sein. Bei meinem allerersten Leichtathletikwettkampf gewann ich den 800-Meter-Lauf, den 1600-Meter-Lauf und den Dreisprung. Meine Teamkameraden klopften mir auf den Rücken, und mein Trainer sagte mir, dass ich ein geborener Läufer sei und wirklich schnell sein könnte, wenn ich hart trainieren würde. Als ich meinem Vater die drei Siegermedaillen zeigte, schien er eher überrascht als beeindruckt. Ich hoffte, er würde zu einem meiner Wettkämpfe kommen, aber er ließ sich nie blicken. In jener Saison blieb ich ungeschlagen.

Am Ende des Schuljahres verkündete mein Vater, dass wir wieder nach North Carolina ziehen würden, wo er einen neuen Job antreten und mit seinem Bruder zusammenarbeiten würde. Ich war aufgebracht, weil ich in Kalifornien bei den Junior Olympics laufen wollte, um gegen einige der Jungen anzutreten, die mich beim Geländelauf geschlagen hatten. Aber die Entscheidung meines Vaters stand fest. Als mein Trainer mir sagte, dass ich bei den Junior Olympics von North Carolina antreten könne, wenn ich rechtzeitig da wäre, um an den Ausscheidungswettkämpfen teilnehmen zu können, ging es mir schon besser. Solange ich an Laufwettkämpfen teilnehmen konnte, war es mir egal, ob wir umzogen. Bei den Ausscheidungswettkämpfen gewann ich den 800-Meter-Lauf und den 1600-Meter-Lauf. Als ich meinen Vater unter den Zuschauern fand, sagte er: „Gut gemacht, aber wenn du in der dritten Runde noch ein kleines bisschen zugelegt hättest, hättest du eine oder zwei Sekunden schneller sein können.“

An der Highschool legte ich mich ins Zeug und machte alles, wovon ich glaubte, dass es meinen Vater stolz machen würde. Ich spielte in den Schulmannschaften Football, Basketball, Baseball und war Mitglied im Leichtathletikteam. Ich produzierte und präsentierte in dem schuleigenen Fernsehsender eine morgendliche Nachrichtenshow. In der zehnten und elften Klasse war ich Klassensprecher, in der zwölften Schülersprecher. Ich war in meinem Jahrgang von 400 Schülern unter den zehn Besten und in meiner Abschlussklasse der gewählte „Best All Around“. Etliche Colleges wollten mich für ihre Footballmannschaft rekrutieren, und ich erhielt an meiner Traumuniversität und der Alma Mater, an der meine Familie studiert hatte, der University of North Carolina, eine frühe Zulassung.

Auf dem Papier war ich ein perfekter Junge, Mr Wonderful. Nur, dass ich mich nicht wie Mr Wonderful fühlte. Jeder neue Erfolg und jede neue Anerkennung brachte mir nur momentane Befriedigung, gefolgt von der Gewissheit, dass ich mich nicht genug anstrengte. Als ich mit meiner Mutter gelebt hatte, war ich immer ich selber gewesen, aber bei meinem Vater kam ich mir unzulänglich vor, wenn ich einfach nur ich selber war. Und mein Vater tat nichts dagegen, um mir dieses Gefühl zu nehmen. Insbesondere wenn er getrunken hatte, neigte er dazu, mich mit einer Bemerkung über einen vergeigten Korbleger, einen schlechten Pass oder eine Eins minus statt einer glatten Eins runterzumachen. Ich hielt ihm vor, sich auf das Negative zu konzentrieren, doch er sah es so, dass er einfach nur ehrlich war. Sein Vater hatte es genauso gehalten. Es war die gute alte Tradition der Engles: Lob war etwas für Weicheier, wohingegen Herabsetzung und Verhöhnung dazu dienten, einen Mann aus einem zu machen.

Gegen Ende der Football-Saison während meines Abschlussjahrs wurde ich auf dem Jahrmarkt in Raleigh mit einem Bier in der Hand erwischt, und der Trainer suspendierte mich für ein Spiel. Mein Vater war stinksauer, und wir hatten einen Riesenstreit. Ich beschloss abzuhauen und drängte meine Freundin mitzukommen. Wir waren erst seit einigen Monaten zusammen, aber die Sache zwischen uns war schnell zu etwas Ernstem geworden. Sie war auch in der Abschlussklasse und hatte eine Menge zu verlieren, aber alles, was in dem Moment zählte, war, die Fliege zu machen. Wir beluden ihren alten Ford Pinto und düsten in Richtung Süden nach Daytona Beach. In Daytona prüfte niemand unsere Ausweise, deshalb konnten wir uns, obwohl wir erst siebzehn waren, mit Rum und Ananassaft eindecken und uns in unserem Motelzimmer betrinken. Ich suchte mir einen Job als Hilfskellner, doch nachdem wir zwei Wochen lang so getan hatten, als wären wir erwachsen, wurde uns klar, dass wir wieder nach Hause mussten. Wir hatten unsere Eltern nicht einmal angerufen, um sie wissen zu lassen, dass es uns gut ging, und diese Grausamkeit unsererseits machte uns beiden schwer zu schaffen.

Mein Vater ignorierte mich nach meiner Rückkehr erst mal ein paar Tage lang, bis ich eines Nachmittags nach dem Fußballtraining in die Zufahrt zu unserem Haus einbog. Er war gerade draußen und holte etwas aus dem Kofferraum seines Wagens. Ich ließ mir Zeit, packte in aller Ruhe meine Bücher und meinen Rucksack zusammen und hoffte, dass er einfach wieder ins Haus gehen und mich in Ruhe lassen würde. Doch als ich aufblickte, starrte er mich finster mit verschränkten Armen an. Sein Gesicht war rot. Ich stieg widerwillig aus meinem Wagen.

„Was zum Teufel hast du dir eigentlich dabei gedacht?“, fragte er langsam.

„Kann dir doch egal sein. Das geht dich nichts an.“

„Und wie mich das was angeht!“, schrie er. „Du hast jede Chance auf ein Stipendium vertan. Und du hast deine Chance vertan, College-Football zu spielen.“

„Ist ja gut! Ich weiß!“, schrie ich zurück. „Aber ich scheiß drauf!“

Er ging ein paar Schritte auf mich zu und zog ein Bein zurück, um mir einen Tritt zu verpassen. Ich wich seinem Fuß aus, und die Wucht seines verfehlten Tritts ließ ihn nach hinten taumeln und umkippen. Ich sah die matschigen Sohlen seiner Mokassins, als seine Beine in die Luft flogen, und hörte den durchdringenden Aufprall, als er auf den Asphalt schlug. Ich hatte keine Ahnung, was ich tun sollte, deshalb rannte ich zurück zu meinem Van und setzte rückwärts wieder zurück auf die Straße. Bevor ich wegfuhr, blickte ich mich noch einmal um und sah, wie mein Vater sich wieder hochrappelte.

Ich wusste, dass er recht hatte. Ich hatte es total verbockt. Indem ich ein paar entscheidende Spiele verpasst hatte, hatte ich meine Chance vertan, College-Football zu spielen. Ich war auch ein Kandidat für das prestigeträchtige Morehead-Cain-Stipendium gewesen, das mir ein Gratis-Studium an der University of North Carolina ermöglicht hätte. Darum hatte ich mich auch gebracht. Ich hatte einen Riesenschlamassel angerichtet. Aber ich wusste, dass ich das alles an der Uni wiedergutmachen konnte. Ich musste nur fleißig studieren, gute Noten einstreichen und mich von jeglichen Problemen und Schwierigkeiten fernhalten.

Kapitel 2

„Gemäßigt bedeutet kleine, nicht suchterzerzeugende Mengen. Das ist nicht dein Stil.“

Chad Harbach: Die Kunst des Feldspiels

Ich kam als siebzehnjähriger Erstsemesterstudent an die University of North Carolina at Chapel Hill und erwartete halbwegs, mit einem Herzlich-Willkommen-Charlie-Engle-Banner empfangen zu werden. Nach nur wenigen Wochen musste ich mich einer bitteren Wahrheit stellen: Ich war nur Durchschnitt – bestenfalls. 4.000 glänzende Streber tummelten sich neu auf dem Campus, und viel zu viele von ihnen waren klüger als ich, sahen besser aus als ich und hatten, auch wenn es mich schmerzte, es zugeben zu müssen, in sportlicher Hinsicht mehr drauf als ich.

Ich wurde eingeladen, mich als Walk-on bei Probetrainings um eine Aufnahme in die Footballmannschaft der Universität zu bewerben, doch kurz nach Beginn des Studienbetriebs verrenkte ich mir bei einem Basketballspiel, zu dem wir uns spontan zusammengefunden hatten, den Fuß, und damit war es mit dem Football aus und vorbei. Ich hatte meine Chance verpasst, so unwahrscheinlich es auch war, dass sie mich überhaupt genommen hätten. Besser hätte ich mich dem Crosslauf-Team anschließen und die Familientradition fortsetzen sollen, so hätte ich mich in Form halten können. Dass sie mich in das Team aufgenommen hätten, schien mir ziemlich sicher, doch ich bezweifelte, dem Vermächtnis meines Großvaters gerecht werden zu können. Die Strecke, auf der ich trainiert hätte, war nach ihm benannt worden. Deshalb hielt ich es schließlich für einfacher, es lieber gar nicht erst zu versuchen, anstatt zu riskieren zu versagen.

Einige Wochen nach dem Beginn meines ersten Studienjahres lernte ich Backgammon zu spielen. Außerdem wurde ich achtzehn. Für mich bedeuteten diese beiden Dinge Gelegenheiten zum Trinken. Wenn ich mir nicht in den Kneipen in der City einen hinter die Binde goss, dann auf den Fluren meines Studentenwohnheims, über ein Backgammonbrett gebeugt. So wie wir Backgammon spielten, war es ein Trinkspiel – BIER-Gammon – mit komplexen Regeln und Einsätzen, die dem Ziel dienten, dass die Spieler sich betranken. Beim Wurf einer 1 und einer 2: trinken. Pasch 6: trinken. Pasch 2: trinken. Spiel verloren: trinken. Spiel gewonnen: trinken. Durst: trinken. Ich habe keine Ahnung, ob ich ein guter Backgammon-Spieler war, aber ich war auf sämtlichen geselligen Zusammenkünften in der Uni ein gesetzter Stammtrinker mit Meisterqualitäten. Ich hatte etwas gefunden, worin ich glänzen konnte.

Trotz meines Trinkens versuchte ich, in das B-Team der Uni-Basketballmannschaft aufgenommen zu werden und schaffte es. Unser Trainer war Roy Williams. Es waren unglaubliche Zeiten für den Basketball an der University of North Carolina. In der Basketballmannschaft der Uni spielten Michael Jordan, James Worthy und Sam Perkins, ihr Trainer war Dean Smith. Mir war klar, dass ich es niemals mit diesen Spielern würde aufnehmen können, aber ich wollte zur Mannschaft dazugehören. Also beschloss ich, einer der Teammanager der Junior-Mannschaft zu werden, anstatt zu spielen. Ich hoffte, es irgendwann in die A-Mannschaft zu schaffen, immerhin hätte ich so an eine Familientradition anknüpfen können. Mein Onkel war in den 60er Jahren Teammanager der Uni-Basketballmannschaft der University of North Carolina at Chapel Hill gewesen. Ja, ich saß hinter der Bank und verteilte Handtücher und Wasserflaschen, aber ich gab sie einigen der besten Basketballspieler aller Zeiten. Ich war nur ein winziger Teil der Mannschaft, aber ich war überglücklich, als die Mannschaft 1982 die NCAA Championship gewann und nationaler Hochschulmeister wurde.

Ich liebte den Basketball – aber das Trinken war mir noch wichtiger. Manchmal war ich so neben der Spur, dass ich bei den Eintragungen in die Statistikbögen Fehler machte. Als eine Stelle als Teammanager der Uni-Mannschaft ausgeschrieben wurde, bewarben sich vier Teammanager der Junior-Mannschaft, unter anderem ich. Ich bekam die Stelle nicht. Ich verdiente sie auch nicht.

Zu Beginn meines zweiten Studienjahres erkundete ich zusammen mit meinem Zimmergenossen Mike die Szene der Studentenverbindungen. Wir zogen von Haus zu Haus und von Party zu Party und sorgten gerne dafür, dass die Verbindungsbrüder, deren Mission es war, die Neuen fertigzumachen, auf ihre Kosten kamen. Schließlich schloss ich mich der Verbindung Sigma Phi Epsilon an. Die Jungs dort waren sportbegeistert, strichen gute Noten ein, und es schienen immer hübsche Mädels bei ihnen herumzuhängen. Mir gefiel, dass die meisten von ihnen Jeans und T-Shirts trugen und keine popperhaften Mokassins und Button-Down-Hemden.

Ich war froh, Teil dieser Gemeinschaft von Kommilitonen zu sein, die auf mich aufpassten – und sei es auch nur, wenn ich mir vornüber gebeugt auf die Schuhe reiherte. Das Alter, ab dem man Alkohol trinken durfte, sollte von 18 auf 21 Jahre angehoben werden, und da mir somit der Zutritt zu Kneipen verwehrt sein würde, war ich froh, mir in dem schimmeligen Keller des Verbindungshauses einen festen Platz gesichert zu haben, an dem ich trinken konnte.

Besonders angesagt waren die Ausflugstrips mit den Sig-Ep-Jungs. Mein erster ging nach Boone in die Berge von North Carolina, wo wir einen Tag Ski laufen und mit unseren Verbindungsbrüdern der Appalachian State University feiern wollten. Wir nahmen ein Fass mit in unseren gecharterten Bus, drehten die Stones auf und machten es uns für die zweistündige Fahrt gemütlich.

Auf halbem Weg nach Boone fischte Steve, der Junge, der neben mir saß, etwas aus seiner Tasche. „Willst du eine Runde sniefen?“ Er hielt mir eine kleine Kunststoffapparatur hin, die aussah wie ein kleines Dechiffriergerät.

„Was?“

„Kokain.“

„Oh, ja, gerne. Na klar“, sagte ich in dem Bestreben, nicht zu erkennen zu geben, dass ich ahnungslos war.

Steve hielt eine kugelförmige Apparatur ins Licht wie ein Juwelier einen Edelstein. In der Sonne war am Fuß der Apparatur eine kleine, runde, bernsteinfarbene Kammer zu sehen, die etwa zur Hälfte mit einem Pulver gefüllt war. An der Seite gab es einen kleinen Griff, der aussah wie der Schlüssel eines Aufziehspielzeugs. Steve drehte ihn und zeigte mir das weiße Pulver oben in der Kammer, das darauf wartete … tja, worauf nur? Was musste ich tun?

Steve sah meinen ratlosen Blick und hielt die Hand in einer Weise hoch, als wollte er sagen: Pass auf, jetzt wirst du etwas lernen. Er hielt sich die Kugel an sein linkes Nasenloch, legte den Kopf nach hinten, inhalierte und schloss die Augen. „Ahhhhh.“

Er füllte die Kugel nach und reichte sie mir. Etwas verlegen hielt ich sie mir an mein rechtes Nasenloch, hielt mir das linke zu und sog ein. Steve sah mich erwartungsvoll an, deshalb nickte ich, wie ich hoffte, ausreichend begeistert, um ihm zu bedeuten, dass ich die Dröhnung eingesogen hatte.

Er nahm die Apparatur zurück, hantierte daran herum und reichte sie mir wieder. „Jetzt die andere Seite.“

Ich inhalierte das Pulver und rief mir in Erinnerung, die Augen zu schließen und den Kopf nach hinten zu legen, wie er es gemacht hatte. „Danke.“ Ich gab ihm die Kugel zurück.

Dann lehnte ich mich zurück und wartete darauf, dass die Wirkung der Droge einsetzte. Zwanzig Minuten und zwei Biere später wartete ich immer noch. Vielleicht lag es an dem vielen Alkohol, den ich in meinem Leben schon zu mir genommen hatte, oder vielleicht war es auch schlechtes Kokain, aber ich spürte nichts. Wenn das die ganze Wirkung von Kokain war, wer brauchte es dann? Ich jedenfalls nicht. Ich hatte ja den Alkohol. Und damit kannte ich mich aus. Alkohol zeigte exakt die Wirkung, die er zeigen sollte. Er betäubte alle Sinne. Wenn man trank, konnte man sich auf die Wirkung verlassen, und ich war gut darin. Ich konnte nahezu jeden unter den Tisch trinken und lernte beizeiten, dass das beste Gegenmittel gegen einen Kater war, weiterzutrinken. Ich erinnere mich, dass ich regelrecht erleichtert war, dass das Kokain bei mir nicht gewirkt hatte. Ich wollte nicht, dass das Kokain – oder sonst irgendetwas – mich vom Trinken ablenkte.

Zwei Wochen später bot mir einer meiner Kumpels hinten in einer Kneipe in der City von Chapel Hill erneut Kokain an. Um nicht ungesellig zu wirken, sniefte ich schnell zwei Linien durch einen zusammengerollten Dollarschein. Eine oder zwei Minuten lang spürte ich nichts, dann ging in meinem Gehirn ein helles Licht an. Ich erinnere mich an den elektrisierenden Geschmack der Limone, in die ich gebissen hatte, bevor ich mir einen brennenden Tequila heruntergekippt hatte. Und daran, dass Roxanne auf einmal aus meinen Ohren zu dröhnen schien anstatt aus den Lautsprechern. Und an den Krug mit dem kalten Bier und den Kondensationstropfen am Rand des Glases, die im blauen Licht der Neonleuchtreklame für Pabst Blue Ribbon leuchteten wie Glitzersteine. Ich hatte noch nie so etwas Schönes gesehen.

Ich hatte plötzlich Pläne – sehr große Pläne. Ich erinnere mich an die Gesichtsausdrücke meiner Freunde Tom, Lenny und Carl. Hatte wirklich irgendjemand coolere Freunde als ich? Ich spulte meine Pläne ab, mit deren Realisierung ich meine Größe unter Beweis stellen würde. Ich würde fleißig studieren, glatte Einsen einstreichen, mich wieder in Topform fürs Laufen bringen, ehrenamtlich im Obdachlosenheim arbeiten, mir einen Teilzeitjob suchen, bei meinem Vater meine Schulden begleichen, die Wale retten und Heilmittel für alle gottverdammten Krankheiten entdecken, unter denen Menschen litten.

Kokain rammte mein Gehirn in einen Schmiedeofen und hämmerte es axtscharf. Meine Gedanken waren nicht mehr die sentimentalen, verschlungenen Abschweifungen eines betrunkenen Träumers. Sie waren ein rasender Güterzug mit voller Fracht, die aus Klarheit, Zielen und unerschütterlicher Entschlossenheit bestand. Ich war endlich der Mensch, der ich wirklich war, der zu sein ich geboren worden war. Ich war neu geschaffen und glühte vor in mir steckenden Möglichkeiten. Ich konnte der Mann sein, der ich sein wollte, ja, sogar der Mann, den mein Vater sich wünschte. Ich brauchte dafür nichts weiter zu tun, als noch ein paar Linien Koks zu ziehen.

Zu jenem Zeitpunkt konnte ich noch nicht wissen, dass ich die nächsten zehn Jahre damit zubringen würde, nach der magischen Kombination aus Kokain, Alkohol, Freunden und der passenden Stimmung zu suchen, um diesen lebensverändernden ersten Rausch noch einmal zu erleben.

Wie so viele Menschen meines Alters Anfang der 80er Jahre betrachtete ich Kokain als eine risikofreie, wenn auch teure Möglichkeit, den Spaßfaktor in die Höhe zu treiben. Meine Freunde und ich teilten uns ein Gramm für hundert Dollar und tanzten und tranken die ganze Nacht. Kokain schien mir, was das Trinken anging, Superkräfte zu verleihen, und das gefiel mir. Ich konnte eine ganze Kiste Bier leeren oder was auch immer mir vor die Nase gestellt wurde – Tequilas, Kamikazes, egal was – und immer noch auf den Beinen stehen.

Meine Freunde tranken und koksten auch gerne, aber mir wurde bald bewusst, dass es einen fundamentalen Unterschied zwischen uns gab. Irgendwann im Laufe der Nacht erinnerten sie sich daran, dass sie Hausarbeiten zu schreiben, Prüfungen abzulegen und Vorlesungen zu besuchen hatten. Dann machten sie Schluss, verabschiedeten sich, um ins Bett zu gehen, und ließen mich allein zurück, baff darüber, dass sie einfach abzogen; es wurde zwei Uhr morgens, drei Uhr morgens, vier Uhr morgens, und ich kam gerade erst in Fahrt.

Bald reichte mir ein geteiltes Gramm nicht mehr. Meine Gewohnheit wurde immer teurer. Um mich weiter versorgen zu können, fing ich an, selber Stoff zu verkaufen. Zunächst verkaufte ich nur an meine Studentenverbindungsbrüder und an enge Freunde, doch dann wurde ich wagemutiger und verkaufte auch an die Freunde meiner Freunde und schließlich an jeden, der zu mir kam. Ich redete mir ein, kein gieriger Abschaum zu sein, der dealte, um sich ein tolles Auto oder Designerklamotten kaufen zu können. Kokain zu verkaufen, ermöglichte mir selber mehr Kokain konsumieren zu können. Und mehr war genau das, was ich wollte. So einfach war das.

Und je mehr Drogen ich in die Hände bekam, desto mehr konsumierte ich natürlich. Ich bewohnte ein Einzelzimmer im Verbindungshaus, und niemand wusste jemals, ob ich da war oder nicht. Ich blieb für mich allein, trank und kokste während des Tages vor mich hin und ließ mich erst abends blicken, wenn offiziell die Zeit begann, zu der man ausging und Partys feierte. Meine Leistungen gingen in den Keller und schließlich besuchte ich nicht mal mehr die Lehrveranstaltungen.

Meine tagelangen Gelage endeten erst, wenn mir die Drogen und das Geld ausgingen. Dann landete ich hart auf dem Boden der Tatsachen und schwor mir, krank vor Schuldgefühlen, nie wieder zu trinken und zu koksen. Ich schwor mir, mich zusammenzureißen, mich gesund zu ernähren, zu studieren und das sinkende Schiff wieder flottzumachen. Der erste Schritt meiner kompletten Verwandlung bestand beinahe immer darin, meine Laufschuhe zu schnüren, rauszugehen und loszurennen.

Immer noch mit dem Gift im Körper und von Schlaflosigkeit gezeichnet, zog ich mir eine Baseballkappe tief über die Augen und stahl mich aus dem Nebeneingang des Verbindungshauses. Ich schlenderte zwischen den Universitätsgebäuden hindurch und überquerte einen Friedhof, um zu den Leichtathletikplätzen und der hellblauen Laufbahn zu gelangen. Dann rannte ich los wie in Trance, den Blick starr geradeaus gerichtet, die Arme hin und her schwingend; meine Knie arbeiteten wie die Kolben eines Motors. Die Glocke im Turm der Universität läutete alle fünfzehn Minuten und zeigte die vollen Stunden an. Jogger kamen und gingen, und ich lief immer noch. Dreißig, vierzig, fünfzig Runden, ich rannte immer schneller, bis meine Lunge und meine Beine brannten. Je heftiger ich gefeiert hatte, desto schlimmer schmerzte das Laufen. Je schlimmer es schmerzte, desto schneller rannte ich. Wenn ich schließlich fertig war, trank ich Wasser aus dem Brunnen, bis mein Magen aufgebläht war und ich mich in die Büsche erbrach, bis mir der Hals wehtat. Ich wusste, dass ich diese Qualen verdiente. Ich hasste mich dafür, dass ich im Studium versagte und dass ich als Mensch versagte. Das Laufen war meine Buße.

Kapitel 3

„Ich trank, weil ich meinen Kummer ertränken wollte, aber jetzt haben die verdammten Dinge Schwimmen gelernt.“

Frida Kahlo

Mein Absturz war meinen Verbindungsbrüdern nicht entgangen. Engle, darin stimmten sie überein, steckte tief in der Scheiße. Ich schuldete meinem Dealer, von dem ich den Stoff bezog, Geld, das ich nicht hatte, und ich hatte gehört, dass die Polizei angefangen hatte, Erkundigungen über mich einzuholen. Mein Freund Jimmy rief hinter meinem Rücken meinen Vater an und sagte ihm, dass er kommen und mich holen müsse, oder es werde etwas Schlimmes passieren.

Ich kehrte gerade von einem meiner Bußläufe zurück, als mein Vater, ohne anzuklopfen, in mein Zimmer marschiert kam. Er sah mich an und schüttelte den Kopf. Ich wusste, was er sah. Ich sah abgerissen aus, war unrasiert, verschwitzt, dreckig und hatte rote Augen. Ich wandte mich ab und stopfte meine Sachen in eine Tasche. Schweigend luden mein Vater und ich meine Sachen in seinen Mietwagen und fuhren zum Flughafen. Die Uni war für mich vorbei.

Als mein Vater, meine Stiefmutter Molly und meine Stiefschwester Dina nach Carmel, Kalifornien, zogen, zog ich mit um. Wir sagten alle, dass es genau das sei, was ich bräuchte: einen Neustart. Molly und mein Vater kauften zwei Baskin-Robbins-Eisdielen und übertrugen mir mutig die Leitung eines der beiden Geschäfte. Ich besuchte eine Franchise-Schulung in Burbank – ich nannte es „Eisbecher-Schule“ – und kehrte nach zwei Wochen mit einem Zertifikat zurück, das mir bescheinigte, ein geschulter Tortenverzierer zu sein.

Ich war Dad dankbar, dass er mir diese Chance gegeben hatte. Er brachte mir einen gewaltigen Vertrauensvorschuss entgegen, und ich wollte ihn nicht enttäuschen. Das Ganze lief eine Zeit lang gut, doch dann spürte ich aus Gründen, die ich nicht verstand, wie sich der Druck in mir wieder aufbaute, dieses nagende Verlangen. Einige Wochen lang schaffte ich es, mich zu beherrschen und dieses Verlangen niederzuringen, doch dann fing ich wieder an, loszuziehen und über die Stränge zu schlagen. Um meine Drogengelüste zu befriedigen, nahm ich 300 Dollar aus der Kasse meiner Baskin-Robbins-Eisdiele, kaufte dafür Kokain und verkaufte so viel, dass ich das Geld, das ich entwendet hatte, wieder in der Tasche hatte. Das, was von dem Koks übrig blieb, zog ich mir selber rein, feierte die ganze Nacht durch und war am nächsten Morgen rechtzeitig wieder im Laden, um aufzumachen und die 300 Dollar wieder in die Kasse zu legen. Es dauerte nicht lange, bis ich den Part, in dem ich das Geld zurücklegte, ausließ. Ich wusste, dass mein Verhalten niederträchtig war, aber das war mir egal.

Eines Morgens kam mein Vater in den Laden marschiert. Ich war in dem hinteren Raum, zählte Geld, erledigte Papierkram und bereitete alles vor, um aufzumachen.

„Guten Morgen“, sagte ich, als er in das Büro kam.

„Ich weiß, was du getan hast.“

Ich sah auf.

Sein Mund war fest zusammengekniffen. „Ich hatte gehofft, du würdest dich zusammenreißen, aber da habe ich mich offenbar geirrt.“

„Was hast du denn? Ich bin doch hier, oder? Pünktlich, um aufzumachen.“

„Es ist immer das Gleiche mit dir. Du kannst nichts vernünftig machen, oder?“ Er starrte mich finster an.

„Nein.“ Ich blickte betreten hinab auf meine Hände. „Vermutlich kann ich das nicht. Tut mir leid.“

Ich stapfte an ihm vorbei, legte meine Schlüssel und mein Namensschild auf die Eistheke und ging aus der Tür.

Ich floh nach Chapel Hill, um mich mit einigen meiner Kumpels zu treffen, die es irgendwie geschafft hatten, an der Uni zu bleiben, allerdings brauchten sie sechs Jahre für ihr Studium. Eines Abends lernte ich auf einer Verbindungsparty zu später Stunde Pam Smith kennen. Ich war gerade von meinem Gang zurück, um den Biervorrat aufzufüllen. Egal wie fertig ich auch war, ich schaffte es beinahe immer rechtzeitig zum Happy Store, um noch mal einen Zwölferpack zu holen, bevor der Laden zumachte. Pam kam schüchtern zu mir und lächelte mich in einer Weise an, als ob sie ein Geheimnis über mich wüsste. Sie bat um ein Bier, und ich gab ihr gerne eins ab. Sie war schlank, hatte schulterlanges braunes Haar und leuchtende, klare Augen – sogar noch um zwei Uhr nachts. Ihre Shorts enthüllten sonnengebräunte, athletische Beine. Ich riss die Lasche einer kalten Dose Bier auf und reichte sie ihr. Als sie das Bier entgegennahm, stieg mir ein blumiger Duft in die Nase, der angenehm war, aber nicht zu intensiv.

Sie erzählte mir, dass sie gerade dabei sei, an der Uni von North Carolina ihren Abschluss in Biologie zu machen, nachdem sie sich eine einjährige Auszeit genommen hatte, um zur Finanzierung ihres Studiums Geld zu verdienen. Ich erzählte ihr, dass ich in Kalifornien lebe und gerade etwas Zeit zwischen zwei Jobs habe. Sie war in der San Francisco Bay Area geboren, doch noch als Baby mit ihrer Familie nach North Carolina gezogen, und sie war in der Gewissheit groß geworden, einmal auf die University von North Carolina at Chapel Hill zu gehen. In den folgenden Tagen verbrachten wir viel Zeit miteinander. Ich fand es super, dass sie genauso viel von North Carolina und seinen Bewohnern hielt wie ich, und sie lachte über meine Witze. Pams Großmutter lebte in der San Francisco Bay Area, und Pam erzählte mir, dass sie sie hin und wieder besuche. Ich lud sie ein, doch mal bei mir vorbeizuschauen, wenn sie je in den Westen käme.

Eine Woche nach meiner Rückkehr nach Kalifornien rief sie mich an. Sie hatte sich gerade ein Flugticket gekauft und wollte mich besuchen. Ich war überrascht, aber auch aufgeregt.

Pam wohnte bei mir in meinem winzigen Einzimmerapartment in Carmel. Eines Abends führte ich sie ins Jack London’s aus, eine Kneipe in der City, in der ich Stammgast war und deren Barkeeper gut genug mit mir befreundet war, um für sich zu behalten, dass ich mehr Zeit auf den Barhockern verbrachte, als gut für mich war. Wir saßen an der Theke, aßen Fish and Chips und tranken Chardonnay aus dem Monterey County. Ich hätte zwar gerne mehr Wein getrunken, riss mich aber zusammen. Nach dem Essen spazierten wir barfuß und Händchen haltend über den kalten Sand des Carmel Beach. Wir bewunderten die großen, prachtvollen Häuser, von denen aus man die Felsen und das Meer überblickte, und redeten darüber, wie es wohl sein musste, jeden Morgen mit so einem Blick aufzuwachen. Es schien alles so normal, so unerschütterlich, und das waren Dinge, mit denen ich wenig Erfahrung hatte. Mein Leben fühlte sich immer so fragil an, als ob es an einem seidenen Faden hinge. Dass es einen normalen Menschen gab, der sich für mich interessierte, gab mir ein gutes Gefühl.

Irgendwie vermittelte Pam mir im Laufe dieser Woche auch das Gefühl, dass ich aller Gegenbeweise zum Trotz liebenswert war. Ich liebte sie – vermutlich vor allem deshalb, weil sie mich liebte, was im Rückblick eine wacklige Grundlage für eine Beziehung war. Doch das war mir damals nicht bewusst. Ich wollte einfach nur mit jemandem zusammen sein, der mich mochte.

Nachdem wir zehn Tage miteinander verbracht hatten, beschlossen wir, nach Atlanta zu ziehen. Meine Mutter lud uns ein, bei ihr zu wohnen, bis wir uns eine eigene Bleibe leisten konnten. Sie hatte sich inzwischen von Coke getrennt und lebte mit ihrer Partnerin Julie zusammen. Ich war keineswegs geschockt, als sie mir anvertraute, dass sie lesbisch sei. Ich hatte gespürt, dass eine oder zwei der Frauen, die in all den Jahren bei uns zu Hause ein- und ausgegangen waren, mehr als nur Freundinnen gewesen waren. Und so lange ich mich zurückerinnern konnte, hatte meine Mutter Stücke über die Schwulenszene geschrieben. Warren, das von ihrem engen Freund Warren Johnston handelte, der 1984 an AIDS starb, war eines der ersten Stücke weltweit gewesen, das sich dieser Krankheit widmete.

Pam fand einen Job in der Forschungsabteilung für Genetik an der Emory University, und ich warb Mitglieder für die Fitnessstudios von Bally Total Fitness.