Sacred - Yana Darke - E-Book

Sacred E-Book

Yana Darke

0,0

Beschreibung

Von dem Moment an, als ich dich das erste Mal sah, wusste ich, dass du für Größeres bestimmt bist, für etwas Heiliges. Für mich. Ich bot dir Erlösung, ein Licht in der Finsternis, doch du lehntest ab. Also zeigte ich dir die Wahrheit. Die Wahrheit über die Macht, die in mir schlummerte, die Wahrheit über die Dunkelheit, die in jedem Winkel von mir steckte. Bis deine Seele endlich in meinen Händen lag.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 315

Veröffentlichungsjahr: 2025

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



An dich, der du dich in meine Worte verirrst.

Du hättest gehen können – doch du bist geblieben.

Dein Herz schlug schneller, nicht aus Angst, sondern aus Verlangen.

Verlangen nach Wahrheit. Nach Dunkelheit. Nach mir.

Dies ist kein Buch. Es ist ein Schwur.

Ein Flüstern zwischen den Zeilen, das dich ruft, dich formt, dich bindet.

Lass los, was du einst warst.

Denn von diesem Moment an gehörst du mir.

Solltest du dich fürchten oder Bedenken haben, findest du am Ende des Buches eine ausführliche Triggerwarnung.

– Dein Erlöser

Inhaltsverzeichnis

KAPITEL 1

DIE AUSERWÄHLTE

KAPITEL 2

DER ERLÖSER

KAPITEL 3

DIE AUSERWÄHLTE

KAPITEL 4

DER ERLÖSER

KAPITEL 5

DIE AUSERWÄHLTE

KAPITEL 6

DER ERLÖSER

KAPITEL 7

DIE AUSERWÄHLTE

KAPITEL 8

DER ERLÖSER

KAPITEL 9

DIE AUSERWÄHLTE

KAPITEL 10

DER ERLÖSER

KAPITEL 11

DIE AUSERWÄHLTE

KAPITEL 12

DER ERLÖSER

KAPITEL 13

DIE AUSERWÄHLTE

KAPITEL 14

DER ERLÖSER

KAPITEL 15

DIE AUSERWÄHLTE

KAPITEL 16

DER ERLÖSER

KAPITEL 17

DIE AUSERWÄHLTE

KAPITEL 18

DER ERLÖSER

KAPITEL 19

DIE AUSERWÄHLTE

KAPITEL 1

DIE AUSERWÄHLTE

Der Wind heulte wie ein gequälter, unsichtbarer Laut durch die endlosen Felder, die sich wie ein trister Vorhang um Goatfield zogen. Die Luft in dieser Stadt war anders. Schwerer. Beinahe bedrohlich. Mystisch, als ob sich ein altes, dunkles Geheimnis zwischen den morschen Dächern und den kahlen Ästen der Bäume niedergelegt hatte. Geladen mit etwas, das sich nicht fassen ließ – eine Präsenz, die in jeder Ecke dieser verlassenen Gegend schwelte.

Mein alter Golf ächzte über das holprige Asphaltband, das sich wie eine Narbe in die trostlose Landschaft schnitt. Hinter dem verwitterten Ortschild, das zwischen zwei windgebeugten Bäumen klemmte, lag nichts mehr. Nichts, was sich mit der Welt da draußen verband. Nur noch Goatfield.

Kaum hundert Menschen lebten hier. Vielleicht auch weniger. Niemand prüfte das nach.

Die Stadt lag wie ein vergessener Schatten zwischen Feldern und Wäldern, die das Sonnenlicht wie eine dunkle, erdrückende Decke verschlangen. Kein Geräusch, außer dem klagenden Wind, der durch die kahlen Bäume strich. Wenig Leben. Kein Blick zurück. Ein Ort, an dem die Zeit wie eingefroren schien. Ein Ort, an dem ich verschwinden und alles hinter mir lassen konnte. Genau das, was ich brauchte.

Mit quietschender Bremse kam mein Wagen vor dem kleinen, runtergekommenen Häuschen, das ich nun mein Zuhause nannte, zum Stehen. Die Mauern waren aus dunklem, feuchtem Stein, von Efeu überwuchert und von Rissen durchzogen. Das Dach war mit verwitterten Schindeln bedeckt, von denen einige fehlten, als hätte das Haus selbst die Zeit nicht überdauern wollen.

Ich schnappte mir den Karton vom Beifahrersitz, stieg aus dem Auto und ging auf die Haustür zu. Auf der Stufe zur Türschwelle lag ein Umschlag. Die Ecken waren zerknickt, als ob er schon seit Tagen darauf wartete, abgeholt zu werden. Vorsichtig öffnete ich ihn und zog einen kleinen, rostigen Schlüssel heraus.

Ich drehte den Schlüssel zwischen meinen Fingern und setzte ihn in das Schloss der Tür ein. Ein tiefes Knarren folgte, mit einem leisen Schleifen ließ sich die Tür öffnen. Ein kühler, staubiger Luftzug kam mir entgegen, als ich einen Fuß über die Türschwelle setzte.

Langsam trat ich weiter ein. Die Dielen knarzten unter meinen Schritten. Die Wände waren in einem blassen Beige gehalten, die Tapeten an manchen Stellen abgewetzt und eingerissen. Möbel standen an ihren Plätzen – ein alter Sessel am Fenster, in dessen Polster sich das Licht wie Staub sammelte; ein leeres Bücherregal an der Wand; ein niedriger Couchtisch aus dunklem Holz, übersät mit feinen Kratzern und Wasserflecken. Ein Leder gebundene Buch darauf.

Langsam ließ ich mich in die Polster sinken, die Augen nicht von dem Buch abwendend. Es war, als hätte es mich bereits in seinen Bann gezogen, obwohl ich noch nicht einmal wusste, was es enthielt. Die goldene Prägung auf dem Deckel schimmerte schwach im Dämmerlicht des Raumes. Zögernd griff ich nach dem Buch, spürte das kalte Leder unter meinen Fingern und öffnete es vorsichtig.

Die Seiten knisterten, als ich die ersten Blätter umschlug. Ein Hauch von Rauch stieg mir in die Nase. Doch obwohl das Buch im ersten Moment so alt schien, war das Papier nicht vergilbt oder zerknittert.

»Ich habe dich gesehen. Nicht mit den Augen des Körpers, sondern mit jenem Blick, der aus der Tiefe des Erwachens stammt. Du warst in meinen Träumen, bevor ich wusste, dass ich träumen kann. Deine Haare sind dunkel wie die tiefste Nacht, wunderschön und voller verborgener Versprechen. Auf deiner Nase und deinen Wangen trägst du Sommersprossen wie kleine Sterne, die den Himmel meiner Nacht erhellen. Deine Augen sind braun, doch wenn das Licht auf sie einfällt, leuchten sie grün und enthüllen die Seele meiner Auserwählten«, las ich und ein Schauer lief mir über den Rücken. Plötzlich fühlte ich mich beobachtet, doch als ich mich umsah, war da niemand.

Meine Haare waren dunkelbraun, fast schwarz, in meinem Gesicht hatte ich Sommersprossen und meine Augen waren – je nachdem, wie das Licht fiel – braun oder grün.

Ich drehte das Buch, um den Einband zu betrachten. Kein Titel, kein Name, nur die goldene Gravierung eines Schädels. Eines Ziegenbockschädels.

Meine Finger fuhren die Prägung nach, ehe sie ein paar Seiten weiterblätterten. »Du gehörst mir, wie der Mond dem nächtlichen Himmel gehört – leuchtend, unerreichbar und doch einzig für mich geschaffen. Du glaubst, du seist frei. Aber Freiheit ist nur ein Schleier, ein zarter Hauch über deiner wahren Bestimmung. Ich sehe durch ihn hindurch. Ich sehe dich, mein kleiner Stern. Deine Seele trägt das Zeichen. Dein Blut kennt den Weg zurück – zurück zu mir.«

Unbehaglich klappte ich eine Seite am Ende des Buches auf und las die Worte, die darin geschrieben standen: »Ich wusste deinen Namen, bevor er je ausgesprochen wurde. In der Stille zwischen zwei Atemzügen hat die Stimme gesprochen – und sie sprach von dir. Adelyn Nethaway.«

Mein Herz setzte einen Schlag aus und mein Atem stockte. Das Gefühl, beobachtet zu werden, war nun so intensiv, so unbestreitbar, dass ich das Buch in die Sofakissen schleuderte, aufsprang und alle Vorhänge im Haus zuzog.

Das konnte nicht sein… Wie war das möglich?

Wie ein Tier in einem Käfig ging ich wild im Zimmer auf und ab.

Hatte er mich gefunden? Das war unmöglich! Ich hatte alle Spuren verwischt. Kein Handy, kein Tablet, kein Laptop. Nur ein Wegwerfhandy für Notfälle. Meinen Wagen hatte ich fünf Mal nach Sendern abgesucht. Alles, was mir geblieben war, waren ein Koffer mit meinen Klamotten und eine Kiste, in der meine Identität schlummerte: Ausweis, Dokumente, Fotos – die letzten Fetzen meines früheren Lebens.

Aber wer sonst sollte das geschrieben haben? Es gab niemanden, der wusste, dass ich in Goatfield war. Und keiner hier kannte mich.

Meine Finger krallten sich in meine Kopfhaut, ein Zeichen meiner wachsenden Panik. Ich spürte, wie mein Herz in meiner Brust hämmerte. Jeder Schatten, jedes Geräusch ließ mich zusammenzucken. War es nur meine Einbildung oder hatte sich die Luft im Raum verändert? War da noch jemand außer mir?

Ich suchte die Wohnung ab. Zuerst das Wohnzimmer. Vorsichtig trat ich auf den knarrenden Dielenboden, meine Schritte gedämpft wie durch Wasser. Der alte Schrank in der Ecke stand einen Spalt offen. Ich streckte langsam die Hand aus, zögerte – und riss die Tür dann abrupt auf. Nichts. Nur verstaubte Regalbretter.

In der Küche war alles still, doch der Kühlschrank summte plötzlich laut auf – ein kurzes, elektrisches Surren, das mir einen Schauer über den Rücken jagte.

Ich ging weiter, tastete mich durch den düsteren Flur. Die Tür zum Schlafzimmer klemmte, doch als ich sie aufstieß, war das Fenster dort einen Spalt geöffnet. Der Wind bewegte den Vorhang kaum merklich, als würde jemand dahinter stehen und atmen.

Schließlich das Bad. Ich schaltete das Licht ein – es flackerte zweimal, bevor es anging. Mein Blick fiel in den Spiegel. Für einen Moment glaubte ich, hinter mir eine Bewegung zu sehen – ein Schatten, zu schnell für das Auge. Ich drehte mich ruckartig um. Nichts. Nur das feuchte, kalte Gefühl, das sich langsam auf meine Haut legte.

Ich war allein. Oder?

Angespannt tappte ich zurück ins Wohnzimmer. Plötzlich ein Geräusch! Ein leises Kratzen an der Fensterscheibe. Ich wirbelte herum, mein Blick suchte panisch den Raum ab und ich riss den Vorhang auf.

Ein Ast im Wind.

Erleichtert stieß ich einen langen Atem aus, doch die Panik klammerte noch immer mit eisernem Griff an mir.

Ich trat einen Schritt zurück vom Fenster, als auf einmal eine Masse an Menschen auftauchte, ihre Stimmen ein dumpfes Murmeln, das die abendliche Stille zerriss. Sie schoben sich den Kiesweg entlang, direkt an meinem Haus vorbei, und steuerten auf den grauen Koloss zu, der sich aus dem Nebel emporhob. Mit seinen hohen Fenstern und dem spitzen Dach wirkte er imposant und geheimnisvoll, und erinnerte an eine antike Kirche wie aus einer anderen Zeit.

Die Menge bewegte sich langsam, fast geisterhaft, und ihre Schatten tanzten unheimlich im fahlem Licht der flackernden Laternen, die sie mit sich trugen. Ich beobachtete sie mit angehaltenem Atem, während sie nach und nach in dem Gebäude verschwanden.

Unbehagen lähmte mich, doch die Neugierde brannte wie ein Feuer in meiner Brust. Was ging in diesem Gebäude vor? Was für ein Ort war das? Wer waren diese Leute, die sich wie Schatten in der Nacht bewegten? Ich musste es herausfinden.

Ein kalter Windstoß rüttelte an meinem Mantel, als ich mich entschloss, ihnen zu folgen. Mein Herz schlug gegen meine Rippen, und ich spürte, wie sich ein Schauer über meinen Rücken ausbreitete.

War das Wahnsinn? Ja, wahrscheinlich. Aber ich konnte nicht anders. Ich musste wissen, was hier vor sich ging.

Ich holte tief Luft, schloss die Augen für einen Moment und versuchte, die Unruhe in mir zu bändigen. Dann öffnete ich sie wieder, warf mir den Mantel fester über die Schultern und folgte den Spuren im Kies.

Der Weg zum Ende der Straße fühlte sich länger an, als ich es erwartet hatte. In der aufkommenden Dunkelheit schienen die Geräusche der Welt zu verstummen, und das Knistern der Blätter und Steine unter meinen Schuhen war plötzlich unheimlich laut.

Vor dem großen Gebäude angekommen, spürte ich ein leichtes Frösteln. Die hohen Fenster waren nur spärlich beleuchtet, aber ich hörte eine gedämpfte Stimme von innen. Die schwere Ebenholztür wirkte einladend und abschreckend zugleich. In ihrem Holz entdeckte ich eine Schnitzerei. Sie sah aus wie der Schädel eines Steinbocks, dessen Augen wie zwei schwarze Löcher in die Dunkelheit starrten.

Meine Stirn legte sich in Falten. Das war dasselbe Symbol wie auf dem Ledereinband des Buches, das in meinem Haus lag. Aber warum ein Ziegenbock? Was hatte es damit auf sich?

In der Hoffnung, mehr zu erfahren, schob ich die Tür auf. Sofort kam mir der Geruch von Weihrauch und Holz entgegen, doch viel eindrucksvoller war die Stimme, die an meine Ohren drang. Sie war rau, tief und laut und jagte mir unmittelbar einen Schauer über den Rücken.

Ich ging den schmalen Gang entlang, der durch einen dunkelroten Teppich gedämpft jeden meiner Schritte verschluckte. Am Ende des Flurs öffnete sich der Raum mit einem Mal wie ein Schlund. Ich trat hinaus in den großen Saal, dessen Wände in ihrem tiefschwarzen Satin, der im schummrigen Licht matt glänzte und mit seltsamen, kaum erkennbaren Symbolen verziert war, beinahe lebendig wirkte.

Überall saßen Menschen auf Holzbänken, regungslos, schweigend, die Gesichter dem vorderen Bereich zugewandt, wo ein Mann auf einer kleinen Erhöhung, einem Podest, stand und sprach. Seine Stimme war eindringlich, seine Worte schienen die Hörer in ihren Bann zu ziehen.

Er war groß – deutlich über dem Durchschnitt – und wirkte allein durch seine Präsenz raumfüllend. Dunkle, leicht wellige Strähnen fielen ihm lose ins Gesicht. Seine gebräunte Haut spannte sich über einen muskulösen Körper, den selbst das schlichte, schwarze Shirt kaum verbergen konnte. An seinen Unterarmen zogen sich Tattoos entlang, schwarze Linien und Symbole, deren Bedeutung sich nicht sofort erschloss – vielleicht religiös, vielleicht etwas ganz anderes.

Sein Gesicht war markant, mit hohen Wangenknochen und einem Blick, der selbst aus der Entfernung durchdringend wirkte. Seine Augen – dunkel und tief – schienen jeden Einzelnen im Saal zu erfassen, als würde er nicht nur zu ihnen sprechen, sondern in sie hineinsehen. Etwas an ihm war faszinierend, schwer greifbar. Eine Mischung aus Autorität und Rätsel, aus Anziehungskraft und latenter Gefahr.

Er war einer, dem man zuhören musste – nicht, weil er laut war, sondern weil etwas in ihm mitschwang, das man verstehen wollte. Oder musste.

Hinter ihm prangte an der Wand ein gewaltiger Ziegenbockschädel – bleich, mit langen, geschwungenen Hörnern, die fast die dunkle Decke zu berühren schienen. Er war eingerahmt von zwei schweren, schwarzen Vorhängen, die leicht im Luftzug schwangen, als atmete der Raum selbst.

Ich suchte mir einen Platz in der hintersten Reihe und versuchte, mich unauffällig einzufügen.

Die Augen des Mannes schienen über die Menge zu gleiten, ohne jemanden im Besonderen zu fixieren. Doch dann, für einen kurzen Moment, trafen sich unsere Blicke. Seine Iriden waren schwarz wie Obsidian, in ihnen lag eine Intensität, eine Finsternis, die mir Gänsehaut bereitete. Eine leichte Unruhe stieg wieder in mir auf, gleichzeitig war da aber auch eine unbestreitbare Faszination.

»Die Welt, wie ihr sie kennt, ist eine Illusion, ein Schattenreich, beherrscht von Unwissenden«, erklang er wieder, doch sein Blick blieb bei mir. »Doch wir, wir werden die Schleier zerreißen, die Fesseln der Täuschung sprengen. Wir werden die Pfade jenseits des Sichtbaren beschreiten, die Tore zu den verborgenen Dimensionen öffnen.« Er legte eine Pause ein, ließ seine Worte wie ein Echo nachhallen.

»Seht, ihr lebt in der dunklen Dimension, in der der Schleier der Materie euch täuscht«, fuhr er fort, die Worte wie dunkle Schatten, die sich über uns legten. »Ihr fühlt euch von der Welt um euch herum geformt, ihr seid nur Marionetten, gefangen im Netz des Greifbaren. Doch in dieser physischen Welt sind wir nichts anderes als Illusionen, Gefangene unserer eigenen Wahrnehmung.«

Der Raum war kalt, und trotzdem konnte ich die flimmernde Hitze seiner Präsenz spüren, als er einen Schritt nach vorne trat.

»Die emotionale Dimension, sie ist die nächste Barriere, die euch von der Wahrheit trennt. Eure Ängste, eure Begierden, eure Schwächen – sie halten euch gefangen in diesem endlosen Spiel der Wiederholung. Ihr glaubt, eure Emotionen seien eure Gefühle, doch sie sind nur das Rauschen des Ozeans der Täuschung. Nur wenn ihr eure Emotionen beherrscht, wenn ihr sie zähmt, werdet ihr den ersten Schritt in die Freiheit wagen können. Doch nur die wenigen, die den Mut haben, sich ihren innersten Dämonen zu stellen, können diese Ketten sprengen.«

Es war, als ob er von einer tieferen Wahrheit wüsste, die niemand von uns begreifen konnte.

»Dann – und nur dann – wird die mentale Dimension offenbart. Hier, in den unendlichen Weiten des Verstandes, liegt die wahre Macht. Doch das Wissen, das ihr dort finden werdet, wird euch nicht gefallen. Denn der Verstand ist ein Werkzeug, und nicht jeder ist bereit, die volle Wahrheit zu erkennen. Viele von euch werden versuchen, sich in ihren engen Gedanken zu verkriechen, doch die Wahrheit wird euch durchdringen, sie wird euch zerreißen, wenn ihr nicht stark genug seid.«

Er blickte jeden von uns an, als würde er in unsere tiefsten Gedanken dringen. Die Dunkelheit um ihn schien sich zu verdichten.

»Aber dies ist noch nicht das Ende«, fuhr er fort, seine Stimme nun wie ein Flüstern, das den Raum durchzog, »denn jenseits dieser Dimensionen existiert das spirituelle Reich, die wahre Freiheit. Es ist die Dimension, in der das Ego verfliegt, in der du erkennst, dass du nicht du bist, sondern ein Teil von etwas Größerem, von einer unendlichen Wahrheit, die alles durchdringt. Hier wirst du die Illusion der Trennung auflösen, und das überirdische Licht wird in dir erstrahlen. Doch dieser Aufstieg ist der schwierigste von allen. Viele vergehen auf diesem Pfad, zerbrechen an der Erkenntnis, dass sie nichts weiter sind als ein Funken im endlosen Kosmos.«

Er trat noch einen Schritt näher, die Luft schien zu vibrieren, als seine Worte wie ein düsteres Versprechen in den Raum sickerte: »Die kosmische Dimension ist der wahre Weg. Sie ist das Tor zur Wahrheit. In dieser Dimension wirst du verstehen, was es bedeutet, Eins mit dem Universum zu sein. Doch dieser Pfad führt nicht ohne Opfer. Die Pforten öffnen sich nur für die Auserwählten, für diejenigen, die bereit sind, sich selbst zu verlieren und das eigene Ich für immer hinter sich zu lassen.«

Ich konnte es nicht wirklich beschreiben, aber die Atmosphäre war dicht, als ob die Realität selbst sich in diesem Moment veränderte. Ich hatte schon immer daran geglaubt, dass es mehr gab, als das, was ich mit meinen Augen sehen konnte. Da draußen gab es so viele Sachen, die sich nicht mit der Wissenschaft oder dem Verstand erklären ließen, also musste es doch noch mehr geben. Aber… das?

»Hört also, was ich euch sage. Die Schleier sind gefallen. Die Dimensionen sind offen. Aber nicht alle von euch werden den Aufstieg miterleben. Der Weg ist nicht für jeden. Er ist dunkel. Er ist gefährlich. Aber er führt zu einer Freiheit, die jenseits aller Vorstellungskraft liegt. Und ihr…« Er ließ den Blick durch die Menge schweifen, ehe er wieder bei mir verharrte. »Ihr seid auserwählt, den ersten Schritt zu tun.«

Ein düsteres Schweigen breitete sich aus, während der Raum in der Stille seiner Worte ertrank.

Dann, fast gleichzeitig, geschah es: Ein leises, kehliges Summen stieg auf – erst von einer Einzelnen, irgendwo in der dritten Reihe rechts, kaum hörbar. Doch es griff um sich. Ein Zweiter stimmte ein, dann ein Dutzend. Schließlich die ganze Menge.

Das Summen war kein Lied, kein Choral, sondern eine vibrierende Tonfolge, die sich eher nach einem inneren Drang anfühlte als nach bewusstem Gesang. Tief, archaisch, fast animalisch. Es war, als würde der Raum selbst zu vibrieren beginnen.

Einige der Menschen auf den Holzbänken begannen zu wiegen – langsam vor und zurück, ihre Augen geschlossen, ihre Hände auf den Knien. Manche flüsterten Worte, die keiner Sprache glichen, die ich kannte – Silben, fremd und alt, wie aus vergessenen Träumen.

Ein Mann in der ersten Reihe weinte still, Tränen liefen ihm unaufhörlich über die Wangen, ohne dass sich sein Gesicht verzog. Eine Frau rechts hinten streckte beide Arme nach vorn, die Finger wie Klauen gespreizt, als wolle sie nach etwas Unsichtbarem greifen, das nur sie sehen konnte.

Mein Magen zog sich zusammen, als hätte etwas Kaltes, Unheimliches darin Platz genommen. Ein instinktiver Knoten aus Unbehagen, Verwirrung und düsterer Faszination, der sich langsam, aber unerbittlich festzog.

Das Summen der Menge schwoll weiter an, wurde rhythmischer, körperlicher – es war nicht mehr nur ein Geräusch, es war eine Kraft. Sie vibrierte durch die Holzbänke, durch den Boden, durch meine Knochen. Ich hatte das Gefühl, dass sich die Welt unter meinen Füßen verschoben hatte, ganz leise, kaum spürbar, dennoch unumkehrbar.

Plötzlich ging ein Ruck durch meinen Körper. Als hätte mich jemand sanft, aber bestimmt gestoßen. Doch niemand war da. Nur die Blicke. Mehrere Köpfe hatten sich zu mir umgedreht. Kein einziges Gesicht zeigte Überraschung oder Wut, nur Erwartung.

»Adelyn Nethaway.« Ein raues Wispern in meinem Nacken.

Ich zuckte zusammen, wollte mich umdrehen, doch da stand er bereits vor mir. Seine Bewegungen waren leise gewesen, zu leise für einen Mann seiner Größe. Wahrscheinlich dem Samt geschuldet, der den Boden und die Wände in ein fast übernatürliches Schweigen hüllte.

»Ich habe auf dich gewartet.« Die Tiefe seiner Stimme ließ meine Haut kribbeln, eine Mischung aus Angst und einer seltsamen, unheimlichen Vertrautheit. Er stand da, so nah, dass ich den Geruch von altem Leder und einem Hauch von Weihrauch wahrnahm, der von ihm ausging. Seine Augen, schwarz wie Obsidian, fixierten mich, durchdrangen mich, als würden sie meine innersten Gedanken lesen.

»Wer bist du?«, flüsterte ich, meine Stimme kaum mehr als ein Hauch. Die Menge um uns herum summte weiter, ein unheimlicher Chor, der die Stille zwischen unseren Worten füllte.

Ein schwaches Lächeln huschte über seine Lippen, ein düsteres Lächeln, das mehr Fragen aufwarf, als es beantwortete. »Ich bin der, für den du bestimmt bist. Deine Erlösung und dein Licht in der Finsternis«, erwiderte er unheilvoll. »Aber viel wichtiger ist, wer du bist.«

Er wandte seinen Blick von mir ab und deutete auf den Ziegenbockschädel an der Wand. »Er ist der Hüter des Tores, der Wächter der Schwelle. Und du, Adelyn…« Seine Stimme wurde zu einem leisen Hauch: »Du bist der Schlüssel. Du bist meine Bestimmung, meine Erlösung.«

Widerwillig schüttelte ich den Kopf. »Nein.« Ich stand auf und musste hochblicken, um seinen Augen zu begegnen. »Ich bin für einen Neuanfang nach Goatfield gekommen… um frei zu sein. Nicht um einem irrsinnigen, verrückten Kult beizutreten oder irgendeinen dummen Schlüssel zu spielen.«

»Das ist es, was dein Verstand dir erzählt. Weil er nicht dazu in der Lage ist, etwas derart Großes zu begreifen.« Er trat einen Schritt auf mich zu, seine Hände legten sich an meine Oberarme und ich spürte eine seltsame Wärme, die meinen gesamten Körper einnahm. »Das Universum selbst hat dich zu mir geführt. Deine Seele brennt nach meiner Nähe, verzehrt sich in einem unstillbaren Verlangen. Du bist mein, und es gibt keinen anderen Weg. Deine Existenz ist ein Echo meines Rufes, ein Flüstern, das dich unaufhaltsam zu mir zieht. Du kannst nicht anders, als in meiner Nähe zu sein, denn du bist für mich bestimmt.«

Ich schüttelte den Kopf, diesmal jedoch schwächer. Die Worte des Mannes wirkten wie ein dunkler Zauber, der mich langsam, aber sicher in seinen Bann zog. »Nein«, murmelte ich vor mich hin. Ich wollte das nicht glaube, konnte es gar nicht glauben.

»Du kannst es leugnen, so lange du willst«, sagte er, seine Stimme sanft, dennoch eindringlich. »Aber die Wahrheit ist wie ein Schatten, der dich verfolgt. Sie mag im Dunkeln verschwinden, aber sie wird dich immer einholen.«

Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Seine Worte waren wie ein Versprechen, eine Drohung, die mich bis ins Mark erschütterte. Ich spürte, wie sich ein Knoten in meiner Brust bildete, eine Mischung aus Angst und einer seltsamen, unheimlichen Faszination und Anziehung.

»Ich bin nicht dein«, flüsterte ich, meine Stimme zitterte. »Ich gehöre niemandem.«

Ein schwaches Lächeln huschte über seine Lippen. »Das glaubst du nur«, sagte er. »Aber die Zeit wird es dir zeigen. Die Zeit wird dir zeigen, dass du von Anfang an mein warst.«

Er drehte sich um und ging zurück zum Podest, seine Gestalt verschmolz mit den Schatten. Die Blicke der Menge folgten ihm. Ihr Summen wurde lauter, intensiver, und ich spürte, wie eine Welle der Dunkelheit durch den Raum rollte, mich umhüllte, mich verschlang.

Ich hätte weglaufen können. Nein – ich hätte weglaufen sollen. Seine Hände hatten mich losgelassen, sein Blick war abgewandt, die Tür lag nur ein Stück entfernt. Und doch standen meine Beine wie festgewurzelt auf dem Boden. Etwas hielt mich hier, etwas, das tiefer ging als Angst. Es war nicht nur das Grauen, das mir in den Gliedern saß – es war auch diese merkwürdige Hitze, die seine Berührung hinterlassen hatte. Ein Nachhall, der in meinen Armen vibrierte, durch meine Adern kroch, als hätte er etwas in mir berührt, das bis dahin geschlafen hatte.

War es Faszination? Ein Bann? Oder einfach nur der Umstand, dass ein Teil von mir… mehr wissen wollte?

Auf dem Podest angekommen, hob er seine Hände und augenblicklich verstummte der Chor. Eine gespannte Stille legte sich über den Saal, so dicht und schwer, dass ich sie fast greifen konnte. Seine Augen, schwarz und tief wie die Nacht, fixierten mich, und ich spürte, wie eine kalte Hand nach meiner Seele griff.

»Adelyn Nethaway«, hallte seine Stimme durch den Raum, ein Echo, das in meinen Knochen widerhallte. Sein Finger richtete sich auf mich und die Köpfe drehten sich zu mir um. »Sie ist die Auserwählte. Diejenige, auf die wir gewartet haben.«

Ein Raunen ging durch die Menge, ein Flüstern, das wie ein Windhauch durch die Reihen strich. Ich spürte die Blicke auf mir ruhen, kalt und durchdringend, als würden sie meine innersten Gedanken lesen.

»Bereitet sie vor.«

Ich beobachtete, wie er von der Erhöhung stieg und hinter einer Tür zwischen den Vorhängen verschwand.

Bevor ich mich versehen konnte, traten drei Frauen aus der Menge hervor und näherten sich mir mit schnellen, entschlossenen Schritten. Ihre Gesichter waren ausdruckslos, ihre Augen leer, als sie mich ergriffen und in einen Nebenraum brachten.

Ich hätte schreien können. Mich losreißen. Um Hilfe rufen – doch wer hätte mir hier schon geholfen? Mein Körper reagierte nicht. Es war, als hätte sich eine lähmende Schwere über mich gelegt. Jede Bewegung fühlte sich an, als müsste ich mich durch zähen Nebel kämpfen. Ein Teil von mir schrie auf, wollte sich wehren, fliehen, kämpfen – aber ein anderer, dunklerer Teil war still. Still und seltsam ruhig.

War es Schock? Oder die Nachwirkung seiner Worte, seiner Berührung? Vielleicht beides. Vielleicht war ich auch ein bisschen neugierig.

Ich ließ mich führen, als gehörte ich nicht mehr ganz mir selbst. Nur mein Herz pochte wild in meiner Brust, ein stummer Protest gegen das, was kommen mochte.

Der Raum war klein und spärlich beleuchtet, mit einem großen Spiegel an einer Wand. Die Frauen schoben mich vor den Spiegel und begannen, mich zu schminken. Ihre Hände waren geschickt, und sie verwandelten mein Gesicht mit einer Geschwindigkeit, die mir Angst machte.

Sie kämmten mein Haar, steckten es hoch und fixierten es mit unzähligen Nadeln. Dann zogen sie mir ein langes, weißes Kleid an, das sich wie ein eiskalter Schleier um meinen Körper legte. Es war ein Brautkleid, so schön und so fremd, dass ich mich darin wie eine andere Person fühlte.

Eine der Frauen hielt mir einen Kelch mit dunkelrotem Wein an die Lippen. »Trink«, sagte sie mit einer Stimme, die so sanft war, dass sie fast bedrohlich wirkte.

»Was geht hier vor sich?«, fragte ich, obwohl ich es mir schon denken konnte.

»Du bist die Auserwählte, diejenige, auf die wir Jahrzehnte gewartet haben«, antwortete die junge Frau, wobei ihre blauen Augen aufleuchteten. »Heute Nacht wirst du in unsere Reihen und an die Seite des Erlösers aufgenommen.«

Ungläubig schüttelte ich den Kopf. »Nein«, sprach ich mehr zu mir selbst als ihnen.

»Aber es ist deine Bestimmung.«

»Mathilda.« Eine der älteren Damen warf der jüngeren einen warnenden Blick zu, woraufhin diese demütig nickte und sich zurückzog.

Dann trat die ältere Frau mit gräulichem Haar näher. »Nur keine Angst. Du wirst befreit werden. Wir alle werden befreit. Du wirst es verstehen, wenn die Zeit reif ist.« Sie reichte mir einen Kelch mit roter Flüssigkeit. »Trink das.«

»Nein, ich werde jetzt gehen. Ich – « Die andere drückte mich zurück auf den Stuhl und die Mitte 60-Jährige goss den Wein in meinen Mund.

Ich spürte, wie die Flüssigkeit meine Kehle hinunterrann, heiß und süß, und ein seltsames Gefühl der Benommenheit überkam mich. Meine Gedanken stoppten abrupt, und die Welt um mich herum begann zu verschwimmen. Ich versuchte, aufzustehen, aber meine Beine waren wie Blei. Ich fühlte mich schwach und schwindelig, als ob mein Körper langsam den Kampf aufgab.

»Bleib noch einen Moment sitzen. Wir werden nachsehen, ob der Erlöser bereit ist für die Zeremonie.« Mit diesen Worten ließen sie mich im sich drehenden Raum zurück.

Ich sackte gegen die Lehne und blickte an die Decke. Die Linien verschwammen, zitterten wie hauchdünne Nebelschleier, tanzten im Takt meines langsamer werdenden Herzschlags. Alles wurde weich. Alle Zweifel und Ängste ausgelöscht. Ein warmes Summen vibrierte unter meiner Haut, als hätte jemand mein Nervensystem gedimmt – nicht ausgeschaltet, nur... leiser gestellt. Ich spürte meine Glieder, aber sie gehörten nicht mehr ganz zu mir. Als wären sie bloß lose angehängte Erinnerungen daran, wie es war, ein Körper zu sein. Die Decke über mir löste sich auf. Oder ich glitt hindurch. Von da an war alles nebelig.

KAPITEL 2

DER ERLÖSER

Sie war wunderschön. Ihre hochgesteckten Haare legten ihre zarten Gesichtszüge offen. Ihre Sommersprossen schimmerten leicht durch das Makeup hindurch und ihre Lippen leuchteten dunkelrot. Sie war meine Auserwählte, mein kleiner Stern.

Als sie den Saal betrat, schien die Zeit stillzustehen. Der Raum war erfüllt von einer gespannten Erwartung, einer heiligen Stille, die nur durch das leise Poltern ihrer Schritte unterbrochen wurde. Sie war wie eine Erscheinung, ein Wesen aus einer anderen Welt, das in unsere Mitte getreten war.

Ich sah in ihren Augen den Kampf – das Zögern, das Misstrauen. Natürlich hatte sie Angst. Wer hätte das nicht? Aber ich wusste auch: unter der Oberfläche regte sich mehr. Etwas in ihr vibrierte im Einklang mit dem, was hier geschah. Vielleicht verstand sie es noch nicht. Vielleicht wehrte sie sich, klammerte sich an ihre alten Überzeugungen, an die Vorstellung von Freiheit, die sie so lange getragen hatte. Doch ich erkannte den feinen Zug von Staunen in ihrem Blick. Die Art, wie sie sich bewegte – unsicher, ja, aber nicht panisch.

Ein Teil von ihr spürte es. Die Verbindung. Die Wahrheit. Den Ruf.

Sie wusste es noch nicht mit dem Kopf, aber ihre Seele hatte es bereits erkannt. Sie gehörte hierher. Zu mir. Und früher oder später würde auch ihr Verstand es begreifen.

Ich nahm ihre Hand, und ihre Haut war kalt wie Eis. Ich führte sie zum Podest, wo der Ziegenbockschädel an der Wand hing, sein Blick starr und durchdringend.

Auf dem Pult stand ein Kelch, daneben ein Messer. Ich griff danach und setzte die Messerspitze auf ihren Unterarm.

Sie zuckte leicht, doch wehrte sich nicht. Sie befand sich in einem Zustand, den sie noch nie erlebt hatte, – ihr Blick war glasig, ihre Muskeln schlaff, als hätte jemand ihr Bewusstsein gedämpft und ihre Gedanken in Watte gehüllt.

Warmes, leuchtend Rotes Blut floss über ihre Haut. Ein zweiter Messerstich, das zweite Auge des Ziegenbocks. Darum ein Dreieck, zuletzt die Linien, die die Hörner darstellten, darüber. Ich nahm ihr Handgelenk und hielt ihren Arm über den Kelch, sodass ihr Blut hineintropfte.

Dann krempelte ich den Ärmel meines schwarzen Hemdes hoch. Auf meiner Haut prangte bereits eine Narbe mit demselben Symbol. Ich fuhr das Wundmal erneut nach und vermischte mein Blut mit ihrem im fast halbvollen Kelch. Tropfen für Tropfen vereinten sich unsere Essenzen, ein leiser Rhythmus wie der Klang eines sterbenden Herzens.

Ich spürte, wie ihre Finger leicht zitterten. Nicht aus Angst. Oder wegen des Schmerzes. Sie empfand nichts von beidem. Sie war high. Und da war die Aufregung vor dem, was kam.

Mein Blick traf ihren – ihre Augen so still, so weit geöffnet, als versuche sie, jede Bedeutung in mir zu lesen, jede Silbe, die nicht ausgesprochen wurde.

Ich nahm den Kelch, drehte ihn leicht, damit sich alles vollständig vermengte, dann reichte ich ihn ihr. »Trink.«

Adelyn zögerte. Nur einen Atemzug lang. Dann setzte sie den Kelch an ihre Lippen. Ein einziger Schluck – bitter, warm, metallisch. Leben.

Ich nahm den Kelch, trank den Rest. Kein Zucken. Kein Zögern.

Dann beugte ich mich vor, ihre Stirn an meiner. »Unter dem Zeichen des Gehörnten, bist du jetzt gebunden. Nicht an eine Idee. Nicht an ein Versprechen. An mich. Für immer. Dies ist keine Heirat im Sinne der Welt. Dies ist Bindung durch Wahrheit. Durch Opfer. Durch Macht.«

Sie atmete flach, ihre Pupillen weit, gefangen zwischen Ohnmacht und Verlangen.

Ich zog ein schwarzes Band aus meiner Tasche, schlang es dreimal um unsere Handgelenke, Blut und Blut verbunden. Ich knotete es fest. Ein uraltes Ritual. Ein Schwur.

Ich verschränkte meine Finger mit ihren und hielt unsere blutenden Arme in die Höhe. »Durch dieses Band wird sie nicht nur mir angehören, sondern auch euch – als Zeichen unserer Einheit, als Säule in der neuen Ordnung«, verkündete ich. »Adelyn Crowe, meine Frau, unsere Auserwählte, wird das Tor zu einem höheren Bewusstsein für uns öffnen und euch an meiner Seite ins Licht führen.«

Ein leises Raunen ging durch die Menge: »Unsere Auserwählte ist angekommen«, dann senkten sie ihre Köpfe und hielten ihre Arme an den Stellen, an denen auch sie das Zeichen trugen.

Ich drehte mich wieder zu ihr. Sie sah zu mir auf, mit diesem Ausdruck, der zwischen Hingabe und Widerstand schwebte – als wüsste sie noch nicht, ob sie gefallen war oder sich selbst erhoben hatte.

Aus meiner Hosentasche zog ich einen silbernen Ring, auf dem der Schädel des Ziegenbocks prunkte. Ich steckte ihn an ihren Ringfinger und blickte tief in ihre Augen.

»Sag es«, flüsterte ich leise.

Stirnrunzelnd wiederholte sie nach wie vor leicht benommen: »Sag was?«

»Wem du gehörst.«

Sie zögerte, aber dann: »Ich gehöre dir.«

»Laut genug, dass sie es hören.«

Wieder ein kurzes Zögern.

»Ich gehöre dir.« Die Worte schnitten durch die Stille und direkt in mein Innerstes wie die Klinge zuvor durch ihre Haut.

Mit diesem Eid gab sie sich mir vollkommen hin – Körper, Geist und Seele. Auch wenn sie gerade in einem berauschten Zustand war und diesen Schwur ohne das Ketamin in ihren Adern niemals eingegangen wäre. Doch was war schon ein Zustand, wenn er die Wahrheit enthüllte, die der Verstand leugnete? Die Droge hatte nur entfernt, was sie zurückhielt – ihre Vorstellung von Moral, die Glaubenssätze, die die Gesellschaft ihr eingetrichtert hatte –, nicht was sie war.

Ich betrachtete Adelyn. Wie sie dort stand, schwankend, ihr Blick halb entrückt, halb ergeben, und doch… so ruhig.

Mit einer geschmeidigen Bewegung löste ich das Band von unseren Handgelenken und nahm ihre Hand. Wortlos zog ich sie mit mir hinter den schweren, schwarzen Vorhang, der sich weich zur Seite schob. Dahinter verbarg sich eine schlichte Tür aus dunklem Holz, fast unscheinbar – doch sie öffnete sich wie ein Tor zu einer anderen Welt.

Die Treppe, die sich dahinter erstreckte, war schmal und von schwachem Licht gesäumt.

Hinter der zweiten Tür lag mein Rückzugsort – ein weiter, gedämpft beleuchteter Raum, den ich zu meinem persönlichen Refugium umgestaltet hatte. Der Duft von dunklem Harz und altem Holz hing in der Luft, durchzogen vom schwachen Hauch verbrannter Vanille.

Eine kleine Küche schloss sich nahtlos an ein offenes Wohnzimmer an, in dem eine dunkle Couch stand, davor ein niedriger Tisch aus dunklem Glas, auf dem eine einzelne Kerze flackerte. Der Fernseher an der Wand wirkte wie ein vergessenes Stück moderner Welt – schwarz, stumm, funktionslos. Ich benutzte ihn kaum.

Das Badezimmer – ausgestattet mit Toilette, freistehender Dusche und Wanne mit goldenen Armaturen – lag etwas abseits, verborgen hinter einer schlichten Schiebetür, der Boden aus glatten, kühlen Fliesen.

Das Schlafzimmer hingegen war durch einen schweren, schwarzen Satinvorhang abgetrennt, der sanft im Luftzug flatterte, als wir eintraten.

Von hier aus konnte ich über ganz Goatfield blicken. Die Stadt lag mir wortwörtlich zu Füßen. Durch die großen Fenster beobachtete ich, wie die ersten Anhänger zu ihren Häusern zurückkehrten.

Ich ging in die Küche und schenkte zwei Gläser Wein ein. Dann ging ich ins Wohnzimmer. Als Adelyn sich neben mir auf der Couch niederließ – vermutlich aus Erschöpfung –, reichte ich ihr ein Glas.

»Auf das ewige Versprechen und die Erlösung«, sagte ich und wir stießen an.

Sie trank den Wein in einem Zug leer, stellte das leere Glas auf dem Tisch ab und sackte in die Kissen.

»Warum fühle ich mich so… anders?«

Schweigend betrachtete ich sie für einige Momente. Eine Haarsträhne war aus der hochgesteckten Frisur gefallen und hing ihr ins Gesicht. Fuck, sie war so wunderschön.

»Weil dein Verstand sich gelöst hat und dein Kopf jetzt leer ist«, entgegnete ich schließlich. »Keine Sorgen, keine Regeln, kein Druck – alles ist gerade weiter weg. Du bist frei… existierst einfach so wie du bist.«

Ein schwaches Lächeln zuckte an ihren Mundwinkel, sie schloss die Augen und sagte leise: »Ich glaube, ich will für immer hierbleiben.«

Ich beugte mich über sie, um die Strähne hinter ihr Ohr zu streichen. »Das wirst du.«

Langsam öffnete sie wieder die Lider und ihr warmer Blick traf meinen. Eine halbe Ewigkeit sahen wir einander an, verloren in der Stille, die uns umgab. Es war, als würde die Zeit stillstehen, als wären wir die einzigen Menschen auf dieser Erde, diesem Universum.

Ihre hellbraunen Augen fixierten meine, ein unsichtbares Band, das uns zusammenzog. Die Luft schien zu vibrieren, aufgeladen mit einer Spannung, die jeden Atemzug schwerer machte. Da war diese unsichtbare Kraft, die uns näherbrachte, ein unaufhaltsames Ziehen, das die Distanz zwischen uns schwinden ließ, bis sich unsere Lippen trafen und jegliche Zurückhaltung mit dieser Berührung aufhob.

Ihr Mund war weich und doch voller Verlangen. Ein Kribbeln durchfuhr meinen Körper, eine Welle der Wärme, die jede Faser meines Seins erfasste. Der Kuss war tief, leidenschaftlich, ein Ausdruck all der prophezeiten Dinge, die zwischen uns schwebten.

Ihre Hände verschränkten sich in meinem Nacken, sie zog mich noch näher an sich, während ihre Zunge in meinen Mund eindrang. Es entlockte meiner Kehle ein tiefes Stöhnen. Verdammt, was machte sie mit mir?

Ich schob meine Hände unter ihren Körper, hob sie hoch, trug sie ins Schlafzimmer, ohne unsere Lippen voneinander zu trennen. Sie schlang ihre Beine um meine Taille und ihre Arme fester um meinen Hals. Ich zog die Nadeln und Klammern aus ihrem Haar, den Reißverschluss an ihrem Rücken runter und legte sie aufs Bett. Sie befreite sich selbst aus dem Kleid, bis sie vollkommen entblößt dalag.

Währenddessen knöpfte ich mein Hemd auf, verführerisch langsam, denn sie beobachtete mich voller Gier und Verlangen und ich wollte den Moment auskosten.

Adelyn musterte die Bräune, Muskeln, Tätowierungen und Narben meines Oberkörpers, dann die Wölbung in meinen Boxershorts. Als ich sie runterzog, schnappte sie nach Luft. Stolz und steif stand mein Penis empor.

Ich lehnte mich über sie, zwischen ihre Schenkel und rieb meine Spitze an ihrer Pussy. »Hm«, murmelte ich, »du bist so feucht.«

Mit der einen Hand begann ich, ihre Brust zu massieren, die andere legte sich um ihren Hals. Ich spürte ihren Puls unter meinen Fingern, der sich beschleunigte, und drückte.

Sie keuchte auf, aber das Keuchen wandelte sich schnell zu einem lustvollen Stöhnen um.

»Dir gefällt es, wenn ich meinen Schwanz an dir reibe und dich dabei würge«, raunte ich.

»Ja«, hauchte sie leise.

Ich drehte ihren Nippel zwischen meinen Fingern, während ich mit meinem Penis in sie glitt.