Sag mal, liebst du mich eigentlich noch? - Ursula Nuber - E-Book

Sag mal, liebst du mich eigentlich noch? E-Book

Ursula Nuber

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Beschreibung

Wer wünscht sich das nicht – zu zweit bis zum Lebensende glücklich zu sein? Doch leider trennen sich heute viele Paare schnell wieder. Und selbst wenn Partner lange zusammenbleiben, leben sie nicht selten nebeneinanderher. Für eine dauerhaft erfüllte Beziehung müssen sich beide von unrealistischen Wunschvorstellungen verabschieden. Die erfahrene Paartherapeutin Ursula Nuber zeigt, wie Paare die typischen Konflikte in langen Partnerschaften lösen, eine gemeinsame Perspektive für die Zukunft entwickeln und so den Grundstein für eine glückliche Fortsetzung ihrer Beziehung legen.

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Mehr über unsere Autoren und Bücher:

www.piper.de

© Piper Verlag GmbH, München 2023

© 2023 Ursula Nuber

Words and Music by Van Morrison

Copyright © 1979 Barrule (US) LP

All Rights Administered by BMG Rights Management (US) LLC

All Rights Reserved Used by Permission of Hal Leonard Europe Limited

Covergestaltung: zero-media.net, München

Covermotiv: FinePic®, München

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken. Die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ist ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.

Inhalte fremder Webseiten, auf die in diesem Buch (etwa durch Links) hingewiesen wird, macht sich der Verlag nicht zu eigen. Eine Haftung dafür übernimmt der Verlag nicht.

Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

MOTTO

Nennen wir es noch Liebe?

Wenn die Liebe älter wird

Was passiert da mit uns?

Was tun?

Warum dieses Buch?

WIE KONNTE ES SO WEIT KOMMEN?

Was zermürbt eine lange Beziehung?

In welchen Mustern verstricken sich Langzeitpaare?

Und warum passiert das alles gerade jetzt?

Der Prozess des Entliebens

Was ist mit der Liebe passiert?

Der »hausgemachte« Stress ist entscheidend

Schleichende Veränderungen

Versickerte Liebe: Das Muster »Hänsel und Gretel«

Unerfüllte Wünsche: Das Muster »Der Fischer und seine Frau«

Zerplatzte Hoffnungen: Das Muster »Froschkönig«

Warum passiert das gerade jetzt?

Warum jetzt?

Das soll jetzt alles gewesen sein?

Ihre Krise, seine Krise

Die Krise und ihre Botschaft

Du stehst im Weg!

Den Nachmittag des Lebens gestalten

Die Fassade einreißen

WAS DIE LANGE LIEBE BRAUCHT

Wer sollte sich ändern, damit es besser weitergeht?

Was tun, wenn die emotionale Bindung schwächelt?

Miteinander reden, aber richtig!

Und was ist mit Sex?

Für Wunder ist man selbst zuständig

Wer fängt an?

Warum ich?

Damit es mir mit dir besser geht

Das Herz des anderen wärmen

Handlungen der Liebe: Was die erwachsene Liebe braucht

Erste Handlung der Liebe: Wertschätzung – Warum ich dich liebe

Zweite Handlung der Liebe: Achtsamkeit und Aufmerksamkeit – Erzähl mal!

Zwischen Tür und Angel

Dritte Handlung der Liebe: Unterstützung – Ich sehe deine Stärken!

Der Manhattan-Effekt: Das unterstütze ich nicht!

Vierte Handlung der Liebe: Solidarität – Du kannst mir vertrauen

Das hat sehr wehgetan

Fünfte Handlung der Liebe: Empathie – Ich weiß, was du jetzt fühlst

Enttäuschte Beziehungsbedürfnisse: Die Folgen

Lass uns reden!

Was ist alles zu tun?

Wer bist du eigentlich?

Wenn aus Enttäuschung Wut wird

Wie wird man wesentlich?

Wir konnten schon mal anders

Wesentlich reden – die Regeln

Ein Jour fixe für die Liebe

So nicht! Wie dann?

Kaum ein Paar bleibt verschont

Warum ist die Lust verschwunden?

Der Lust eine Chance geben

Gute Beziehung, guter Sex

Lustlosigkeit als Signal: So nicht!

Wozu Sex gut ist

AUCH DAS IST LIEBE

Abstand finden: Damit es nicht zu nah wird

Frieden schließen: Wunden können heilen

Einsicht: Man kann nicht immer lieben

Sinn: Wichtiger als Glück

Einander fremd bleiben

Wir zwei sind eins, oder?

Das Bild abhängen!

Ein Paar, zwei Menschen

Frieden schließen

Warum kann man die Vergangenheit nicht ruhen lassen?

Schädliche Denkmuster halten die Vergangenheit lebendig

Vergebung, ein Geschenk an sich selbst

Resignation zulassen

Ist das Problem lösbar?

Aber was ist mit der Liebe?

Ambivalente Gefühle gehören zur langen Liebe

Glück ist nicht alles

Es ist nicht sinnvoll, nach dem Glück zu suchen

Glück ist nicht nur rosarot

Erwachsene Liebe

Und schließlich: hin und wieder ein wenig Glück

WOHIN GEHT DIE REISE?

Die quälende Ambivalenz: bleiben oder gehen?

Wie kann man sich trennen nach all den Jahren?

Gute Gründe fürs Weitermachen: Ausdauer lohnt sich

Bleiben oder gehen?

Wollen wir uns wirklich trennen?

Wie war das früher?

Es geht wirklich nicht mehr

Viele Wege führen ins Aus

Der Schmerz ist gnadenlos

Die schwierige emotionale Trennung

Wer will ich sein?

Die wichtigsten Schritte bewusster Trennung

Achtung für das »innere Wir«

Weitermachen!

Erinnerungen – der Halt der langen Liebe

Was lange währt …

Die lange Liebe – eine reife Leistung

Literatur

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Literaturverzeichnis

And we’ll walk down the avenue again

And we’ll sing all the songs from way back when, yeah

And we’ll walk down the avenue again and the healing has begun

And we’ll walk down the avenue in style

And we’ll walk down the avenue and we’ll smile

And we’ll say:

»Baby, ain’t it all worthwhile when the healing has begun?«

aus And the Healing Has Begun von Van Morrison

(Und wir gehen wieder die Allee entlang

Und wir werden alle Lieder von damals singen, ja

Und wir gehen wieder die Allee hinunter, und die Heilung hat begonnen

Und wir werden die Allee mit Stil hinuntergehen

Und wir gehen die Allee entlang und lächeln

Und wir werden sagen:

»Baby, ist es nicht alles wert, wenn die Heilung begonnen hat?«)

Nennen wir es noch Liebe?

Stimmen aus Langzeitbeziehungen

»Ich weiß nicht, was ich für meinen Partner noch empfinde. Er hat sich so verändert, er ist nicht mehr der, in den ich mich verliebt habe.«

»Ich hasse es, wenn sie mir vor Freunden in den Rücken fällt. Dann könnte ich aufstehen und rauslaufen.«

»Ich kann ihn nicht respektieren, wenn er sich zu Hause immer gehen lässt. Sein Jähzorn stößt mich ab.«

»Ich bin für sie selbstverständlich. Sie sieht nicht, was ich alles für uns tue.«

»Ich schäme mich, wenn er in der Öffentlichkeit seine berüchtigten Monologe hält.«

»Ich weiß schon lange nicht mehr, was in ihm vorgeht.«

»Ich vermisse unsere guten Gespräche. Ich möchte gerne die Frau zurückhaben, mit der ich nächtelang in Kneipen saß und über Gott und die Welt diskutieren konnte.«

»Ist es nicht seltsam, dass ich froh bin, wenn er mal weg ist und ich die Wohnung für mich alleine habe?«

»Wenn ich meine Frau heute anschaue, kann ich oft gar nicht glauben, dass sie dieselbe Frau ist, mit der ich vor vielen Jahren jedes Wochenende klettern war und nachts im Zelt viel Freude hatte. Wo ist der gute Kumpel von damals geblieben?«

»Die Erinnerungen an den guten Sex mit ihm tun mir manchmal richtig weh. Wir hatten es so schön miteinander, das war etwas ganz Besonderes. Und jetzt darf ich ihn noch nicht einmal mehr spontan umarmen. Warum? Ich verstehe es nicht.«

»Ich habe mich weiterentwickelt, er nicht. Er ist stehen geblieben.«

»Wir leben wie Geschwister. Ist das normal? Sie scheint das nicht zu stören, mich aber schon.«

»Mit seiner Affäre hat er mein Vertrauen zerstört, mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Wie soll ich ihm je wieder vertrauen können?«

»Wir reden kaum noch miteinander. Klären nur noch Alltagsdinge. Was wir essen wollen, wen wir anrufen müssen, wer die Handwerker bestellt. Mehr nicht.«

»Sie lässt kein gutes Haar mehr an mir. Was ich auch tue, es ist nicht gut genug. Ich fühle mich wie ein Versager. Andere Männer machen alles richtig, aber ich, ich höre die falsche Musik, bringe ihr die falschen Blumen mit und habe auch noch zwei linke Hände. Ich weiß nicht, ob sie überhaupt noch etwas für mich empfindet.«

»Wir sind jetzt 18 Jahre verheiratet, und ich frage mich, ob wir überhaupt noch eine Zukunft haben. Wann haben wir zuletzt gemeinsam gelacht oder einen entspannten Abend zusammen verbracht? Warum halten wir eigentlich aneinander fest? Wegen der Kinder? Um die Freunde nicht zu verlieren? Reicht das aus? Ich stelle mir immer öfter vor, wie es wohl wäre, allein zu leben.«

»Dieses Jahr haben wir 20. Hochzeitstag. Aber ich weiß gar nicht, was wir da feiern sollten. Dass wir ein gutes Team sind? Ein gutes Team habe ich im Job, zu Hause wünsche ich mir mehr.«

Wenn die Liebe älter wird

Das (fast) unausweichliche Schicksal langer Beziehungen

In den letzten Jahren sehe ich sie in meiner Praxis immer häufiger: heterosexuelle oder gleichgeschlechtliche Paare, aber auch einzelne Männer und Frauen, die seit langer Zeit – verheiratet oder unverheiratet – ihr Leben mit einem anderen Menschen teilen und deren Beziehung nun in einer heftigen Krise steckt. Lange lief alles gut, doch nun fragen sie sich, ob ihre Liebe noch eine Zukunft hat. Die meisten dieser Langzeitliebenden sind keineswegs nur »ältere Semester«, sondern häufig im besten Alter. Manche Menschen haben schon in jungen Jahren den Mann, die Frau fürs Leben gefunden und können nun mit 40 oder 50 Jahren auf 10, 15, 20 oder noch mehr Beziehungsjahre blicken.

Diese langen Partnerschaften sind ohne Zweifel etwas Besonderes. Zwei Menschen, die schon viele Jahre miteinander durchs Leben gehen, haben einiges miteinander gestemmt und so manche Herausforderung gemeistert: einen Hausstand gegründet, Kinder großgezogen, viel Energie und Zeit in ihre Berufe investiert, finanzielle Schwierigkeiten gelöst und sicher auch den ein oder anderen Schicksalsschlag bewältigt. Langzeitpaare haben eine eindrucksvolle Bilanz vorzuweisen. Wenn sie anderen erzählen, wie lange sie schon zusammen sind, stoßen sie meist auf lebhaftes Interesse. Manche sind voller Bewunderung (»Toll, dass ihr das geschafft habt!«), andere staunen ungläubig (»Was, ihr kennt euch schon seit der Grundschule?!«), und wieder andere wollen vom Langzeitpaar Tipps für die eigene Beziehung (»Wie schafft man es, so lange zusammenzubleiben, habt ihr ein Geheimnis?«).

Doch die bloße Tatsache, dass zwei Menschen es über viele Jahre hinweg miteinander aushalten, ist noch kein Grund zur Bewunderung oder Idealisierung. Langjährige Zweisamkeit bedeutet nicht automatisch, dass das Paar ein harmonisches Leben führt. Denn Langzeitbeziehungen sind nicht nur etwas Besonderes, sie bringen auch besondere Prüfungen mit sich, welche das Paar in erhebliche Schwierigkeiten stürzen können. Diese Prüfungen tauchen unvermeidlich in jeder Langzeitbeziehung auf. Kein Paar ist davor geschützt und kann ohne schwerwiegende Folgen die Augen davor verschließen. Das weitere Schicksal einer Langzeitbeziehung hängt davon ab, ob das Paar die besonderen Herausforderungen erkennt und die Hürden nimmt, die sich der langen Liebe in den Weg stellen. Das aber ist nicht einfach. Gerät eine Langzeitbeziehung in die Krise, wissen die meisten Paare nicht, wie sie das, was mit ihnen geschieht, einordnen sollen.

Was passiert da mit uns?

Liebende hoffen immer, dass ihre Beziehung von Dauer sein wird, dass sie sich miteinander weiterentwickeln, gemeinsam durch Höhen und Tiefen gehen, sich niemals im Stich lassen. Sie gehen nicht davon aus, dass sich ihre Gefühle füreinander dramatisch verändern könnten, dass sie eines Tages, nach vielen gemeinsamen Jahren, nicht mehr wissen, ob ihre Liebe noch eine Zukunft hat. Das wollen und können sich frisch verliebte Paare nicht vorstellen. Und doch ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass genau das passiert. Und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem die meisten Schlachten geschlagen sind und das Paar weder auf berufliche noch auf familiäre Anforderungen groß Rücksicht nehmen muss. Jetzt könnten die Partner bislang zu kurz gekommene Wünsche realisieren und sich mehr Zweisamkeit gönnen, sie könnten all die Reisen unternehmen, von denen sie immer träumten, sie könnten häufiger auf Konzerte und ins Theater gehen, endlich das gemeinsame Leben ungestört genießen. Sie könnten all das tun – wäre ihre Liebe nach all den vielen Jahren noch in einem guten Zustand. Das aber ist nicht der Fall.

Stattdessen sind da auf einmal quälende Fragen: Warum langweilt man sich mit dem Partner, der Partnerin? Woher kommt diese Ungeduld mit dem oder der anderen, warum ist man so wütend auf ihn oder sie? Und warum ist man sich überhaupt nicht mehr sicher, ob man die Beziehung noch einmal 10, 20 Jahre weiterführen möchte? Wie die Paare, deren Stimmen dieses Buch einleiten, verspüren auch viele andere Langzeitpaare wenig Freude an der Gegenwart des Partners, der Partnerin – und sie verspüren auch keine Freude auf eine weitere Zukunft mit dem Menschen an ihrer Seite. Nach vielen gemeinsamen Jahren ist da erstaunlich wenig Lust auf intensiveren Austausch mit dem Partner oder der Partnerin. Zu häufig und zu intensiv sind die Konflikte, zu sehr ist das gemeinsame Leben mehr ein Neben- statt ein Miteinander, zu dominant sind die kritischen Gefühle und zu stark die Zweifel, die sich über die Zeit hinweg eingeschlichen haben. Viele Langzeitpaare kommen irgendwann auf ihrer langen gemeinsamen Reise an einen Punkt, an dem sie vergeblich die Liebe suchen, die sie einst verbunden hat.

Oft sind es äußere Anlässe, welche die mühsam aufrechterhaltene Fassade ins Wanken oder zum Einsturz bringen – ein runder Geburtstag, die Kinder verlassen das Elternhaus, die Berufstätigkeit endet, man begegnet einem faszinierenden Menschen, mit dem ein spannendes Leben möglich scheint, eine medizinische Diagnose wirkt wie ein Weckruf, ein berührender Film, ein aufrüttelnder Roman konfrontieren einen mit verschütteten Sehnsüchten, in einer Psychotherapie stellt man sich den eigenen, bislang nicht gelebten Seiten. All das kann dazu führen, dass man sich der Erkenntnis nicht mehr länger verschließen kann: So geht es nicht mehr weiter!

Wenn Langzeitliebende zu dieser Erkenntnis kommen, haben sie in der Regel bereits einen weiten, mühsamen Weg hinter sich. Lange Zeit wollten sie die quälenden Zweifel an der Beziehung, am Partner, an der Partnerin und die beängstigenden Veränderungen ihrer Gefühle nicht wahrhaben. »Alles halb so wild, wird schon wieder werden, so schlecht ist die Beziehung gar nicht«, redeten sie sich ein, oder sie lenkten sich mit diversen Aktivitäten ab. Langzeitpaare sind oftmals sehr gut darin, ihre Zeit mit dem Beruf, dem Hobby, den Kindern, den Freunden und den Verwandten so vollzustopfen, dass kein Raum mehr für die Beziehung bleibt. Beunruhigende Gedanken können auf diese Weise lange ignoriert werden, was zur Folge hat, dass Klärungen ausbleiben und sich die Beziehungsprobleme immer mehr verfestigen. Aus Angst, den anderen oder sich selbst zu verletzen, aus Angst, den Kindern zu viel zuzumuten, aus Angst vor dem Alleinsein oder aus Angst, sich zu irren, verdrängen Langzeitliebende ihre nagenden Zweifel und wollen nicht wahrhaben, in welchem Zustand sich ihre Beziehung befindet. Auf diese Weise funktionieren diese Partnerschaften, selbst wenn sie schon deutliche Risse zeigen, oftmals noch sehr lange. Gerade weil die Beziehung schon so »alt« ist, will man nicht wahrhaben, was passiert. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Das, was so lange gut gegangen ist, kann doch unmöglich auf einmal nicht mehr richtig sein.

Was tun?

Wenn sich die Beziehung nach vielen Jahren verändert und die quälenden Fragen auftauchen: »War das jetzt schon alles? Will ich mit ihm/ihr weiterleben?«, dann hat das Paar drei Möglichkeiten, auf die Herausforderung zu reagieren:

Es kann sich trennen. Wenn die Vorstellung, mit dem anderen noch viele weitere Jahre das Leben zu teilen, erschreckend ist, dann liegt es nahe, in der Trennung die einzige Lösung zu sehen. Tatsächlich entscheiden sich Langzeitpaare zunehmend für diesen Weg.

Es kann resigniert zusammenbleiben und verdrängen, dass es der Beziehung schon länger nicht gut geht. Es hält dann aneinander fest – aus Angst vor Einsamkeit, aus Bequemlichkeit, aus Ratlosigkeit. Oder weil die Vertrautheit und die Rahmenbedingungen der Beziehung (Kinder, Familie, Freunde, das Haus, der Garten) nach wie vor einen gewissen Wert haben. Im besten Fall wird sich dann voraussichtlich nichts an dem gegenwärtigen Zustand der Beziehung ändern, man lebt dann mehr oder weniger unglücklich weiter nebeneinanderher. Im schlimmsten Fall entwickelt sich die Situation mit der Zeit immer negativer: Die Einsamkeit zu zweit wird zunehmend unerträglich, die Passivität kann die Partner so sehr belasten, dass psychische oder auch körperliche Symptome die Folge sind.

Und dann gibt es noch diese Möglichkeit: Die Partner können sich gemeinsam auf den Weg machen und herausfinden, woher die Veränderungen in der Beziehung kommen und was sie für die Partnerschaft, aber auch für jeden Einzelnen bedeuten. Sie können prüfen, ob sie die Herausforderungen, die mit den Veränderungen verbunden sind, annehmen und die Weichen für das weitere Zusammenleben neu stellen wollen.

Es liegt auf der Hand, dass die ersten beiden Reaktionen – Trennung oder Resignation – nicht die besten sind. Natürlich: Manchmal sind Langzeitbeziehungen tatsächlich an ihrem Ende angelangt, und die Partner müssen sich eingestehen, dass es für ihre eigene Entwicklung förderlicher ist, in Zukunft einen eigenen Weg zu gehen – ohne den Menschen, der so lange an ihrer Seite war. Doch in vielen Fällen ist die Liebe durchaus noch da, wenn auch manchmal tief verschüttet.

Ein Indiz dafür, dass sich die Liebe noch nicht endgültig verabschiedet hat, sind die Gefühle, die Langzeitpaare oft quälen: Zweifel, ob das lange gemeinsame Leben wirklich zu Ende ist (Vielleicht irren wir uns?), Unverständnis (Was ist da mit uns passiert, und warum ist es passiert?), tiefe Trauer über das Verlorene (Was ist aus dem Paar geworden, das wir waren?) und eine leise Hoffnung (Vielleicht ist ja noch was zu retten?).

Solche ambivalenten Gefühle sind typisch für Langzeitpaare in der Krise. Und sie sind ein wichtiges Signal dafür, dass die Betroffenen gründlich prüfen sollten, welcher Weg aus der Liebeskrise für sie der beste ist. Es steht nicht weniger auf dem Spiel als ein langes gemeinsames Leben mit vielen wertvollen Erlebnissen und Erfahrungen. Ehe ein Paar also eine endgültige Entscheidung fällt, sollte es nach Antworten auf seine offenen Fragen suchen und alle Zweifel ernst nehmen.

Warum dieses Buch?

Mit diesem Buch will ich ein größeres Verständnis für die besonderen Herausforderungen der langen Liebe vermitteln. Dabei sind mir vor allem zwei Punkte wichtig: Zum einen sind Langzeitpaare in der Regel nicht auf die Veränderungen vorbereitet, die in jeder langen Partnerschaft zwangsläufig auftreten. Zum anderen wissen nur die wenigsten, was zu tun ist, wenn die Liebe sich wandelt. Zwei Menschen, die über Jahre und Jahrzehnte hinweg tagtäglich miteinander zu tun haben, die sich permanent aufeinander einstellen müssen und dabei sich selbst nicht verlieren dürfen, sind oftmals überzeugt davon, dass sie auf festem Boden stehen. Sie bemerken meist nicht, dass dieser Boden mit den Jahren nicht unbedingt stabiler, sondern eher instabiler wird. Kriselt es dann in der Beziehung, werden sie von dieser Entwicklung kalt erwischt. Wüssten Langzeitpaare, dass mit den gemeinsamen Jahren auch die Gefahren wachsen, und wüssten sie zudem, dass die Krise der langen Liebe nicht so individuell ist, wie sie meinen, könnten sie angemessener auf die anstehenden Aufgaben reagieren.

Und noch ein Gedanke ist wichtig: Eine lange Beziehung ist wertvoll, und man sollte sie würdig behandeln, wenn sie in Schwierigkeiten ist. Die vielen gemeinsam gelebten Jahre sind ein Schatz an schönen, spannenden und herausfordernden Erlebnissen, Erfahrungen und Erinnerungen. Dieser Schatz sollte nicht unbedacht verspielt werden. Wenn man fürchtet, dass die eigene Beziehung ein Auslaufmodell sein könnte, wenn man sich fragt, was aus der Liebe zum Partner, zur Partnerin geworden ist, wenn das gemeinsame Leben in Routine erstarrt ist, wenn man sich in einen anderen Menschen verliebt hat und nicht weiß, ob man für die neue Liebe die alte Liebe aufgeben soll, ist eines dennoch sicher: Es ist die Mühe auf jeden Fall wert, eine langjährige Beziehung gründlich zu prüfen, ehe man sie verlässt. Um entscheiden zu können, ob man kämpfen möchte und ob sich dieser Einsatz lohnt, muss man natürlich mehr über das Wesen von Langzeitbeziehungen wissen. Dieses Wissen wollen die folgenden vier Teile des Buches näherbringen:

Was passiert mit uns? Wie konnten wir in diese Situation geraten? Für viele Langzeitpaare sind die Veränderungen ihrer Beziehung irritierend und beängstigend. Sie suchen nach Erklärungen: Wer ist schuld? Was haben wir falsch gemacht? Der erste Teil

Wie konnte es so weit kommen?

greift diese Themen auf und zeigt, in welcher speziellen Situation sich Langzeitpartnerschaften befinden.

Der zweite Teil

Was die lange Liebe braucht

geht der Frage nach, welche Bedürfnisse Langzeitpartner haben. Geht es besser weiter, wenn ein Paar lernt, einander anders zu lieben? Was genau bedeutet »anders«? Was sollte sich ändern, wer sollte sich ändern, wie kann sich etwas ändern? Gelingt es einem Paar, sich von eingeschliffenen Verhaltensweisen, blockierenden Mustern, negativen Gedanken und früheren Verletzungen zu befreien? Ist ein neuer, besserer Umgang miteinander möglich?

Schließlich geht es im dritten Teil

Auch das ist Liebe

um einen Perspektivenwechsel. Die »ältere« Liebe ist eine andere Liebe als die »junge«. Langzeitpaare sollten ihre Erwartungen an die Liebe überdenken und die Charakteristika der langen Liebe kennenlernen. Sie brauchen einen anderen Blick auf das Gefühl, das sie gut zu kennen glauben.

Mit der schwierigen Frage

Wohin geht die Reise?

beschäftigt sich der vierte Teil des Buches. Lohnt es sich für das Paar, gemeinsam weiterzumachen, oder wäre eine Trennung besser? Auch diese Überlegung gehört zur Langzeitliebe. Aber natürlich stirbt die Hoffnung zuletzt. Entscheidet sich ein Langzeitpaar gegen die Trennung, findet es im letzten Kapitel gute Argumente fürs Weitermachen.

Dieses Buch basiert auf meiner Arbeit mit Menschen, die mir ihre Erfahrungen und Probleme mit ihrer langen Liebe anvertraut haben. Die hier erzählten Geschichten sind anonymisiert, sie setzen sich aus den verschiedenen Erfahrungen vieler Männer und Frauen zusammen. So unterschiedlich die Liebesgeschichten dieser Menschen auch sein mögen, eines ist allen gemein: Sie sind davon überzeugt, dass anderen Paaren die Liebe besser gelingt. Sie glauben, dass sie beziehungsweise ihre Partner bindungsunfähig oder auf andere Weise liebesuntüchtig sind, und sie hadern oftmals lange mit sich oder dem jeweiligen Lebensmenschen, wenn ihre lange Liebe strauchelt oder zu Ende geht.

Es ist mir wichtig, diesen Paaren und auch den Leserinnen und Lesern dieses Buches zu vermitteln, dass solche Selbstanklagen in die Irre führen. Paarbeziehungen sind niemals einfach. Das gilt vor allem für die lange Liebe. Sie steht, wie in den Kapiteln dieses Buches deutlich wird, vor ganz besonderen Herausforderungen. Diese muss ein Paar kennen, um einordnen zu können, was mit seiner Liebe passiert, wenn sie älter wird. Verstehen die Partner, wodurch die Krise der langen Liebe ausgelöst wird, haben sie gute Chancen, die Frage »Sag mal, liebst du mich eigentlich noch?« positiv zu beantworten.

Ladenburg, im Winter 2022

WIE KONNTE ES SO WEIT KOMMEN?

Was zermürbt eine lange Beziehung?

In welchen Mustern verstricken sich Langzeitpaare?

Und warum passiert das alles gerade jetzt?

Der Prozess des Entliebens

Was eine Beziehung auf Dauer zermürbt

»Wenn du lange mit jemandem zusammengelebt hast, wirst du ständig hören: ›Was ist denn bloß los?!‹ So toll wie früher ist es auch nicht mehr, aber das ist ja natürlich. Der erste Blütenstaub ist hin.«

(aus Mein Essen mit André)