Sag mir nicht,  was ich längst weiß - Patricia Vandenberg - E-Book

Sag mir nicht, was ich längst weiß E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Nun gibt es eine Sonderausgabe – Dr. Norden Gold Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Auf sie kann er sich immer verlassen, wenn es darum geht zu helfen. »Sieh dir das an!« lachte Fee Norden erheitert am Frühstückstisch. Sie hatte die Tageszeitung aufgeschlagen und deutete auf eine auffällige Anzeige. »Leben Sie partnerschaftlich in einer Beziehung, beteiligen Sie sich an Haus- und Familienarbeit und sind ein guter Vater? Unterstützen Sie Ihre Partnerinnen in ihrer Berufstätigkeit, lehnen Sie Gewalt als Mittel der Konfliktlösung ab? Vergessen Sie aber darüber trotzdem Ihre eigenen Bedürfnisse nicht? Dann haben Sie es bereits geschafft. Womöglich gehören Sie aber zu dem Teil der ratlosen Män-nerbevölkerung, die Probleme mit genau diesen neuen Herausforderungen haben. Dann sind Sie genau richtig bei uns. Wir haben die Lösung für all Ihre Probleme und helfen Ihnen, ein Neuer Mann zu werden. Erleben Sie das Glück und die Selbstbestätigung, die in dieser Chance stecken! Steigern Sie Ihr Selbstwertgefühl! Finden und halten Sie die Frau Ihrer Träume! Rufen Sie uns an!« Staunend und schweigend hatte die gesamte Familie Norden der Stimme von Felicitas gelauscht. Als sie geendet hatte, fingen alle gleichzeitig an zu reden. »Was soll denn das sein, ein neuer Mann?« fragte die kleine Dési irritiert. »Ist doch total normal, daß ein Mann im Haushalt hilft«, fügte ihr Zwillingsbruder Janni verächtlich hinzu.

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Dr. Norden Gold – 61 –

Sag mir nicht, was ich längst weiß

Unveröffentlichter Roman

Patricia Vandenberg

»Sieh dir das an!« lachte Fee Norden erheitert am Frühstückstisch. Sie hatte die Tageszeitung aufgeschlagen und deutete auf eine auffällige Anzeige.

»Leben Sie partnerschaftlich in einer Beziehung, beteiligen Sie sich an Haus- und Familienarbeit und sind ein guter Vater? Unterstützen Sie Ihre Partnerinnen in ihrer Berufstätigkeit, lehnen Sie Gewalt als Mittel der Konfliktlösung ab? Vergessen Sie aber darüber trotzdem Ihre eigenen Bedürfnisse nicht? Dann haben Sie es bereits geschafft. Womöglich gehören Sie aber zu dem Teil der ratlosen Män-nerbevölkerung, die Probleme mit genau diesen neuen Herausforderungen haben. Dann sind Sie genau richtig bei uns. Wir haben die Lösung für all Ihre Probleme und helfen Ihnen, ein Neuer Mann zu werden. Erleben Sie das Glück und die Selbstbestätigung, die in dieser Chance stecken! Steigern Sie Ihr Selbstwertgefühl! Finden und halten Sie die Frau Ihrer Träume! Rufen Sie uns an!«

Staunend und schweigend hatte die gesamte Familie Norden der Stimme von Felicitas gelauscht. Als sie geendet hatte, fingen alle gleichzeitig an zu reden.

»Was soll denn das sein, ein neuer Mann?« fragte die kleine Dési irritiert.

»Ist doch total normal, daß ein Mann im Haushalt hilft«, fügte ihr Zwillingsbruder Janni verächtlich hinzu. Wie um diese Tatsache zu demonstrieren, stand er auf und stellte Teller und Tassen zusammen. »Seit wann muß man das in einem Kurs lernen?«

Sein großer Bruder Felix lachte schallend.

»Als ob du deiner Frau später mal eine große Hilfe sein wirst.«

»Ich heirate nicht!« wehrte sich Jan energisch. »Ich mach mal alles selber.«

»Kinderkriegen auch?« fragte seine ältere Schwester Anneka belustigt nach.

»Nee«, drehte Janni ihr beleidigt eine Nase. »Die adoptier ich mir im Kinderheim.«

»Na, die werden sich freuen, in einem Männerhaushalt zu leben«, rümpfte Dési die Nase. »Ich bin jedenfalls froh, daß wir Mami und Papi haben. Und ich will mal heiraten und eine ganze Menge Kinder bekommen. Am liebsten mit einem Mann wie Papi«, erklärte sie überzeugt und schenkte ihrem Vater das süßeste Lächeln, das sie nur für ihn reserviert hatte.

Erwartungsgemäß schmolz Daniel dahin wie Eis in der Sonne, und Felicitas lächelte.

»Euer Vater mußte auch nicht lernen, was es heißt, ein sogenannter Neuer Mann zu sein. Für ihn war es von Anfang an ganz selbstverständlich, mich zu unterstützen, wo er nur konnte. Und ich habe dasselbe für ihn getan.«

»Ich bin eben ein Naturtalent«, bemerkte Daniel augenzwinkernd.

»Du hilfst Papa ja heute auch noch, weil du die Abrechnung für die Krankenkassen für ihn machst«, bemerkte Anneka mit sichtlichem Stolz auf ihre fleißige Mutter.

»Eure Mutter tut weitaus mehr für mich als nur das«, fügte Daniel bereitwillig hinzu. »Sie bietet mir moralische Unterstützung, gibt mir Halt und Kraft, wenn ich mal nicht mehr weiter weiß.«

»Und dafür streichst du die Wände im Haus neu, egal, in welcher Farbe«, unterbrach Felix frech grinsend die Ausführungen seines Vaters. Die leuchtend orangefarbene Wand hinter ihm unterstrich seine Worte, die Daniel ihm nicht übelnahm.

»Werde du erst einmal so alt und weise wie ich. Führe du erst einmal eine so glückliche Ehe wie deine Mutter und ich es tun. Dann unterhalten wir uns weiter.« Die Augen des Arztes lachten, als er das sagte, und er faltete die Serviette zusammen und erhob sich.

»Du mußt schon gehen?« fragte Fee ein wenig enttäuscht. Sie schätzte die gemeinsamen, aber selten gewordenen Mahlzeiten. Immerzu fehlte mindestens ein Familienmitglied, und voller Trauer dachte sie an die bevorstehenden Zeiten, wenn sie nur noch mit ihrem Mann alleine hier sitzen und von vergangenen Zeiten sprechen würde.

Daniel, der die Gedanken seiner Frau spielerisch lesen konnte, legte ihr tröstend den Arm um die Schultern.

»Nicht traurig sein, meine Liebste. Noch ist es nicht soweit. Und wenn Gott und unsere Kinder es wollen, wird es nie dazu kommen, daß wir ein ödes Dasein fristen und uns miteinander langweilen werden.«

»Das glaube ich auch nicht. Ich habe mich in all den Jahren noch keine Sekunde mit dir gelangweilt«, erwiderte Fee mit vor Liebe samtiger Stimme.

»Und ich werde dafür sorgen, daß es so bleibt. Nichts liegt mir so sehr am Herzen wie dein Glück und deine Zufriedenheit«, versprach Daniel Norden feierlich. Er küßte Fee so leidenschaftlich, daß ihr ganz schwach wurde.

Auch die Kinder, die sich gerne mal lustig machten über die Gefühle der Erwachsenen, schwiegen ausnahmsweise einmal ehrfurchtsvoll. Es war einer der heiligen Momente, in denen ihnen aufging, daß es im Leben vor allem darum ging, eine glückliche Beziehung zu führen. Durch die Kraft der Liebe konnten Berge versetzt und alle Schwierigkeiten überwunden werden. Das war ein Wert, der nur vorgelebt werden konnte. Keine Erziehungsarbeit der Welt konnte solche Erkenntnisse vermitteln.

*

Als die Stimme des Zugführers die nächste Haltestelle ankündigte, machte sich Peter Behrling mit wachsender Ungeduld bereit, auszusteigen. Er raffte die Zeitschriften zusammen, mit denen er sich abgelenkt hatte und schob sie in die Vordertasche des Koffers, den er zuvor von der Gepäckablage gehievt hatte. Dann stellte er sich schon Minuten vor der Ankunft an die Tür, um sofort aussteigen zu können, wenn der Zug seinen Zielbahnhof erreicht hatte. Als die Bremsen griffen, quietschten die Räder schrill und Behrlings Blicke glitten suchend über den Bahnsteig. Doch zu seiner Verwunderung war es nicht seine über alles geliebte Freundin Stella, die ihn auf dem dort erwartete. Statt dessen wurde er von ihrer Mutter Nicole in Empfang genommen. Als sie Peter in der Menge entdeckte, kam sie gemessenen Schrittes und mit deprimierter Miene auf sie zu.

»Peter, da bist du ja!«

Ihre Grabesstimme und dieser bedrückte Gesichtsausdruck waren es, die Peter in Alarmbereitschaft versetzten.

»Nicole, wo ist Stella?« fragte er deshalb angespannt.

»Bleib ganz ruhig, mein Junge. Bitte reg dich nicht auf«, wollte sie ihn beschwichtigen und griff nach seinem Arm.

Peters Kehle wurde trocken vor Aufregung.

»Was ist passiert? Sag es mir sofort. Hatte Stella einen Unfall? Liegt sie in der Klinik? Ist sie gar...?« Diesen letzten schrecklichen Gedanken konnte Peter nicht aussprechen. Ihn schwindelte, und er starrte Nicole angstvoll an.

Doch die schüttelte den Kopf.

»Nichts von alledem. Zumindest in dieser Beziehung kannst du beruhigt sein. Trotzdem mußt du jetzt sehr stark sein. Stella hat dich verlassen. Sie bat mich, dir diesen Brief zu überreichen.« Mit diesen Worten zog Nicole einen Umschlag aus ihrer Handtasche und reichte ihn Peter.

Der wußte nicht, wie ihm ge-schah. Er fühlte sich wie von einem Keulenschlag getroffen. Wie in Trance nahm er den Brief.

»Aber das kann nicht sein. Das ist vollkommen unmöglich. Du mußt dich irren«, stammelte er mit rauher Stimme und starrte ungläubig auf den Umschlag in seinen Händen.

Nicole seufzte mitfühlend.

»Ich weiß, wie dir zumute ist. Ich habe ihr gesagt, daß sie den Verstand verloren hat. Aber sie wollte einfach nicht auf mich hören. So wie Kinder nun einmal sind. Ihre Erfahrungen müssen sie selbst machen.«

»Aber Stella ist kein Kind mehr«, gab Peter heiser zurück. »Wieso? Sag mir nur, warum?«

»Es steht in dem Brief. Sie ist überzeugt, ihre große Liebe gefunden zu haben. Er ist irgendein Trainer oder Coach oder wie diese neumodischen Berufe heißen. Stella ist mit ihm nach München gegangen«, erklärte Nicole mit tränenerstickter Stimme. Sie betupfte ihre schmalen Wangen, die unter dem frisch gefärbtem schwarzen Kurzhaar noch blasser aussahen als sonst, mit einem blütenweißen Taschentuch.

Peter meinte, nicht richtig zu hören.

»Sie ist schon fort? Dabei war ich nur eine Woche weg. Als wir uns verabschiedeten, versprach sie mir, nie aufzuhören, mich zu lieben. Was ist seitdem passiert? Und wann? Wann hat sie den anderen Kerl kennengelernt? Betrügt sie mich etwa schon länger?« rief er voller Zorn und packte die Mutter seiner Freundin zornig am Mantelkragen.

Nicole schrie auf.

»Willst du wohl aufhören damit! Laß mich sofort los! Ich kann doch nichts dafür.« Als Peter ihrer Bitte nachkam, atmete Nicole erleichtert auf und strich sich den Kragen glatt. Sie bedachte den aufgebrachten Mann vor sich mit einem unwilligen Kopfschütteln. »Also Peter, daß du handgreiflich wirst, hätte ich nicht von dir gedacht. Wenn das öfter vorkommt, kann ich Stella verstehen.«

Peter, der sich wieder in der Gewalt hatte, seufzte bedrückt.

»Aber nein, entschuldige. Es tut mir wirklich leid. Ich schwöre es dir, ich habe Stella noch nie auch nur ein Härchen gekrümmt. Nicht ein einziges! Jetzt sag mir nur: hat sie mich betrogen?«

Nicole dachte einen Moment lang nach. Dann schüttelte sie entschieden den Kopf.

»Nein, gewiß nicht. Sie hat diesen Stefan bei einem Vortrag kennengelernt. Beide haben sich in die Augen geschaut und waren sofort Feuer und Flamme füreinander. Die Liebe scheint sie wie ein Blitz getroffen zu haben. Noch am selben Abend hat sie ein gemeinsames Horoskop erstellt.«

»Und festgestellt, daß sie für diesen Typen geboren wurde«, vervollständigte Peter grimmig Nicoles Satz.

Die sah ihn ungläubig an.

»Woher weißt du das?«

»Stell dir vor, das hat sie auch aus unserer Sternenkonstellation herausgelesen.«

»Dann hat sie sich vielleicht geirrt«, suchte Nicole hilflos eine Entschuldigung für das Verhalten ihrer Tochter.

»All die gemeinsamen Jahre sollen eine Lüge, ein Irrtum, eine Illusion gewesen sein?« brach die Wut erneut aus Peter heraus. Ärgerlich trat er nach einem Abfalleimer, der ihm im Weg stand, und erntete damit unverständliches Kopfschütteln von vorübereilenden Passanten.

Nicole konnte sich über diese unbeherrschten Reaktionen nur wundern.

»Benimm dich wie ein Mann, Peter!« tadelte sie streng. »Stella hat ihre Entscheidung getroffen, und du wirst es nicht ändern.«

»Das werden wir ja sehen«, erwiderte er kalt und beschleunigte seinen Schritt, so daß er Nicole bald hinter sich gelassen hatte. Er war schon am Ende des Bahnsteigs angelangt, als er noch einmal umkehrte und erst anhielt, als seine Nasenspitze beinahe auf die von Nicole traf. »Wie heißt der Kerl, hast du gesagt?«

»Stefan Sandmann«, stammelte die verwirrt und ängstlich.

Peter nickte zufrieden. Ein Feuer loderte in seinen grauen Augen und sein unrasiertes Kinn ließ ihn gefährlich erscheinen.

»Ein hübscher Name«, knurrte er. Dann drehte er sich auf dem Absatz um, um diesmal wirklich zu verschwinden.

Ängstlich sah Nicole dem wütenden Mann nach. Obwohl sie ihn schon mehrere Jahre kannte, hatte sie Peter noch nie so außer sich erlebt, und ein Schauer rann ihr über den Rücken.

*

Gedankenverloren saß Eva Meisenberg in ihrem bequemen Sessel und blickte an der ihr gegenübersitzenden Frau vorbei aus dem Fenster. Eigentlich war es die Patientin der Kollegin. Doch aus einem Anfall von Mitgefühl heraus hatte sich Eva bereit erklärt, die Urlaubsvertretung zu übernehmen. Diesen Entschluß bereute sie in diesen Momenten bitter. Es gelang ihr einfach nicht, sich auf die Worte der Ratsuchenden zu konzentrieren.

»Ja, und deshalb denke ich jetzt darüber nach, ob ich für ihn interessanter werde, wenn ich mich zurückziehe. Was meinen Sie, was ist die richtige Strategie?« fragte Anja Feldkorn in die Gedanken der Psychologin hinein.

Eva, die spürte, daß eine Antwort von ihr erwartet wurde, räusperte sich verlegen und kehrte gedanklich nur widerwillig in die Praxisräume zurück.

»Das Fragen sollten Sie besser mir überlassen«, antwortete sie wenig beherrscht. »Warum wollen Sie sich denn unbedingt interessant machen?«

Anja Feldkorn betrachtete die Psychologin verwirrt.

»Aber das habe ich Ihnen doch eben erklärt. Ich liebe ihn, obwohl er mit einer anderen ein Kind bekommt. Deshalb bin ich hier. Ich möchte wissen, was ich falsch gemacht habe, das ändern und ihn zurückgewinnen.«

Eva Meisenberg machte sich Notizen und schüttelte ungläubig den Kopf. Statt wie sonst feinfühlig auf die Probleme der Patientin einzugehen und sinnvolle, psychologische Fragen zu stellen, warf sie ihr einen tadelnden Blick zu.

»Sie sollten lieber mal nicht so egoistisch sein und sich zwischen den Mann und die schwangere Frau stellen. Manchmal ist es besser, einzusehen, daß es keinen Sinn hat. Daß man einfach nicht zusammenpaßt«, erklärte sie hart.

Mit diesem rüden Umgangston konnte Anja Feldkorn nicht umgehen.

»Was verlangen Sie da von mir? Ich soll mich nicht zwischen diese Frau und meinen Freund stellen? Aber wir haben doch selbst zwei Kinder unter drei Jahren zusammen. Sie hat sich zwischen uns gestellt und ich will um ihn kämpfen. Haben Sie denn meine Akte nicht gelesen?« fragte sie unter Tränen.

Diese unschuldige Erklärung brachte Eva endgültig wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Zutiefst bestürzt sah sie die Patientin an, während sie verwirrt in der Akte herumblätterte.

»Ja, sind Sie nicht Frau Held, die versucht hat, sich in eine bestehende Ehe einzumischen?« stammelte sie hilflos.

»Was? Sie spinnen doch! Wie kann meine Therapeutin mir nur so eine Katastrophe zumuten? Ich werde mich beschweren!« rief Anja Feldkorn über die Maßen verletzt und enttäuscht und sprang auf, um aus dem Zimmer zu stürzen.

Eva machte nur einen halbherzigen Versuch, sie zurückzuhalten.

»Bitte, entschuldigen Sie. Ich hole die richtige Akte und wir beginnen...«, schickte sie der Flüchtenden nach, doch noch ehe sie ausgeredet hatte, fiel die Tür krachend ins Schloß. Eine Weile blieb Eva Meisenberg wie versteinert in ihrem Sessel sitzen. Dann erhob sie sich schließlich resigniert und trat ans Fenster. Nichts als düsteres Grau war draußen zu sehen und entsprach damit ganz den Farben in Evas Seele. »Sie sagt, sie will um die Liebe dieses Mannes kämpfen. Dabei hat er sie betrogen und bekommt mit einer anderen ein Kind«, wiederholte sie leise das eben Gehörte. »Sogar ändern würde sie sich für ihn. Und ich? Was mache ich? Ich stehe da, sehe zu, wie Stefan mich wegen einer anderen verläßt und mache noch nicht einmal einen einzigen Versuch, ihn zurückzuhalten, ihn davon zu überzeugen, daß ich ihn liebe.« Wieder fühlte Eva, wie der Schmerz sie zu überwältigen drohte. »Dabei haben wir vier gemeinsame, wunderbare Jahre verlebt. Das kann doch nicht alles einfach so vorbei sein«, schluchzte sie immer noch vor dem Fenster stehend und suchte in ihrer Cardiganjacke nach einem Taschentuch. Schließlich hatte sie es gefunden und preßte es vor den Mund, um nicht laut aufzuweinen. »Wer weiß, vielleicht wartet er nur darauf, daß ich zu ihm komme und um ihn kämpfe. Womöglich habe ich zuwenig für ihn getan, obwohl er immer sagte, ich solle ihn nicht so bemuttern.«