Salomo und die Königin von Saba - Siegfried Obermeier - E-Book + Hörbuch

Salomo und die Königin von Saba Hörbuch

Siegfried Obermeier

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Beschreibung

Es gibt nur einen, der ihr ebenbürtig ist: Das historische Epos »Salomo und die Königin von Saba« von Siegfried Obermeier als eBook bei dotbooks. Zwei Schicksale, die unaufhaltsam aufeinander zustreben … Das Königreich von Saba im 10. Jahrhundert vor Christus: Mit Klugheit und Weitsicht regiert Bilkis ihr sonnenvergoldetes Reich. So hat sie das Herz ihres Volkes gewonnen – und dennoch schwelt im Schatten das Feuer der Rebellion, denn Bilkis ist Herrscherin in einer Welt, in der bisher ausschließlich Männer das Rad der Geschichte in Bewegung halten durften. Um ihren Machtanspruch zu verteidigen, braucht sie einen Regenten an ihrer Seite. Bilkis weiß, dass nur ein Mann ihrer würdig ist: König Salomo, der berühmte Friedensfürst, dessen Weisheit weit über die Grenzen von Israel hinaus gerühmt wird. Gegen alle Widrigkeiten macht Bilkis sich auf die lange, beschwerliche Reise nach Jerusalem. Aber wird es ihr wirklich gelingen, zwei so unterschiedliche Königreiche zu vereinen? »Neben präziser Recherche zeichnet den Roman die große Sensibilität aus, mit der sich der Autor den historischen Gestalten nähert.« Hanauer Anzeiger Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der prachtvolle historische Roman »Salomo und die Königin von Saba« von Siegfried Obermeier - ein Lesevergnügen für alle Fans von Daphne Niko und des Bestsellers »Das Buch Ana«. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Zeit:13 Std. 19 min

Sprecher:Katrein Wolf

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Über dieses Buch:

Es gibt nur einen, der ihr ebenbürtig ist: Das historische Epos »Salomo und die Königin von Saba« von Siegfried Obermeier als eBook bei dotbooks.

Zwei Schicksale, die unaufhaltsam aufeinander zustreben … Das Königreich von Saba im 10. Jahrhundert vor Christus: Mit Klugheit und Weitsicht regiert Bilkis ihr sonnenvergoldetes Reich. So hat sie das Herz ihres Volkes gewonnen – und dennoch schwelt im Schatten das Feuer der Rebellion, denn Bilkis ist Herrscherin in einer Welt, in der bisher ausschließlich Männer das Rad der Geschichte in Bewegung halten durften. Um ihren Machtanspruch zu verteidigen, braucht sie einen Regenten an ihrer Seite. Bilkis weiß, dass nur ein Mann ihrer würdig ist: König Salomo, der berühmte Friedensfürst, dessen Weisheit weit über die Grenzen von Israel hinaus gerühmt wird. Gegen alle Widrigkeiten macht Bilkis sich auf die lange, beschwerliche Reise nach Jerusalem. Aber wird es ihr wirklich gelingen, zwei so unterschiedliche Königreiche zu vereinen?

»Neben präziser Recherche zeichnet den Roman die große Sensibilität aus, mit der sich der Autor den historischen Gestalten nähert.« Hanauer Anzeiger

Über den Autor:

Siegfried Obermeier (1936–2011) war ein preisgekrönter Roman- und Sachbuchautor, der über Jahrzehnte zu den erfolgreichsten deutschen Autoren historischer Romane zählte. Seine Bücher wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.

Bei dotbooks veröffentlichte Siegfried Obermeier die historischen Romane »Der Baumeister des Pharaos«, »Die freien Söhne Roms«, »Der Botschafter des Kaisers«, »Blut und Gloria: Das spanische Jahrhundert«, »Die Kaiserin von Rom« und »Das Spiel der Kurtisanen« sowie die großen Romanbiographien »Sappho, Dichterin einer neuen Zeit« und »Mozart, Komponist des Himmels«. Weitere Titel sind in Vorbereitung.

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eBook-Neuausgabe November 2021

Copyright © der Originalausgabe 2004 nymphenburger in der F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München

Copyright © der Neuausgabe 2021 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung eines Gemäldes von Edward Poynter

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (fb)

ISBN 978-3-96655-715-3

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Siegfried Obermeier

Salomo und die Königin von Saba

Historischer Roman

dotbooks.

Buch I

Kapitel 1

Ihre Schreie durchdrangen die dünnen Wände des Königspalastes von Maryab in immer kürzeren Abständen und sie wurden immer schwächer. Zuletzt klang es nur noch wie das verschlafene Piepsen eines Vogels, kurz nach Einbruch der Nacht.

Hadad, der Priesterkönig von Saba, hatte in einem Nebenzimmer gelauscht, gewartet, gehofft und gebetet. Seine Gemahlin Zabibe stammte aus dem Königsgeschlecht von Kataban, dem im Süden angrenzenden Nachbarland. Durch Vetternheiraten über viele Geschlechter war sie ein wenig zart und dünnblütig geraten ‒ ein liebenswertes Mädchen, das immer etwas verschreckt dreinschaute, nicht viel redete und sich aus dem Harimsklatsch heraushielt. Nun war sie mit ihrem ersten Kind schwanger und die Wehen wollten nicht enden, zogen sich schon über dreißig Stunden hin.

Ptahmose, der ägyptische Leibarzt, trat leise herein ‒ angewiesen, in diesen schweren Stunden nicht anklopfen zu müssen, kommen und gehen zu dürfen, wie es die Lage der Dinge erforderte. Er verbeugte sich, nicht allzu tief, wie es seine Art war.

»Majestät, deine Gemahlin Zabibe hat dir einen Sohn geboren.«

Hadad sprang auf, was er sonst nicht tat, denn er war es von Jugend an gewohnt, sich mit königlicher Würde zu bewegen. »Lebt er, ist er gesund?«

Der kahlköpfige Arzt, der als Priester der Sachmet alle Körperhaare entfernt hatte, hob beide Hände und drehte sie in zweifelnder Geste hin und her.

»Ja, Majestät, er lebt, aber …« Er räusperte sich und suchte nach Worten.

Der König drängte. »Aber …«

»Ihn zum Leben zu bringen war nicht leicht. Als er zur Welt kam, atmete er nicht, doch ich hatte zum Glück eine Essenz vorbereitet, von in alkul gelöster Aloe, dazu Weihrauch der Sorten taron und ledanon …«

»Du sollst mir keine Lehrvorträge halten, Hakim. Also weiter!«

Der Arzt verneigte sich. »Gut ‒ die Schärfe der Essenz ‒ in die Nasenlöcher und auf die Zunge gestrichen ‒ brachte den Jungen zum Leben. Mit Weihrauch zum Leben erweckt, da sehe ich eine gewisse Vorbedeutung …«

»Dass ihr Priester doch immer zum Spintisieren und Prophezeien neigt. Wie geht es Zabibe?«

Ptahmose senkte die Augen. »Nicht so gut, Majestät. Die Blutungen wollten nicht aufhören …«

»Was heißt das?«

»Die ehrenwerte Königin hat sich mit den Göttern vereinigt, ist zur Sonne aufgestiegen.«

Hadad stand auf. »Sie war ein liebenswerter Mensch …«

Der König ging ins Geburtszimmer, küsste die still und bleich daliegende Zabibe auf die Stirn und ließ sich seinen Sohn reichen. Er blickte in das blaurote verschrumpelte Gesicht, sah, dass die verquollenen Lider sich öffneten; der unstete Blick der dunklen Augen schien im Raum etwas zu suchen. Dann verzog sich das Greisengesichtchen, der zahnlose Mund öffnete sich und ließ ein hohes dünnes Quäken hören.

Hadad hob das Kind hoch.

»Hört, hört! Dies ist der von mir gezeugte Sohn meiner Gemahlin Zabibe, die sich mit den Göttern vereinigt hat. Ich werde ihn Menelik nennen und ihm, wenn es dem großen Almaka gefällt, den Königsthron von Saba hinterlassen.«

Der am Fenster hockende Schreiber hatte diese Worte notiert und die anwesenden Zeugen setzten ihre Namen darunter. Dies waren Udwan, der Wesir, Nabat, der Hohe Priester, und Ptahmose, der ägyptische Arzt.

In diesen feierlichen, von Trauer und Freude geprägten Augenblick platzte die helle fröhliche Stimme der fünfjährigen Bilkis: »Ist es so weit? Habe ich nun ein Schwesterchen oder …«

Der König legte seiner Tochter mit einer zarten Geste seine Hand auf den Mund. »Leiser, mein Liebes, leiser! Zabibe ist bei der Geburt gestorben, vielleicht weilt ihre Seele noch im Raum, um Abschied zu nehmen. Du hast nun einen kleinen Bruder, den ich Menelik nenne und mit dem du spielen kannst, wenn er ein wenig größer geworden ist.«

Bilkis blickte zu Boden und sagte traurig: »Die anderen sind es nicht geworden …«

Der Vater verstand sofort, was sie meinte. Die Frauen seines Harims hatten sich als durchaus fruchtbar erwiesen, doch nur in wenigen Fällen waren die Kinder über das dritte Jahr hinausgelangt. Die es überlebt hatten, waren durchwegs Sprösslinge bedeutungsloser Nebenfrauen gewesen ‒ Tribute von Nomadenscheichs, die lieber ein paar Töchter verschenkten als ein Schaf, ein Pferd oder gar ein Kamel.

So war ihm bis jetzt nur Bilkis geblieben, die Tochter Shamsyas, einer Prinzessin von Hadramaut, dem östlichen Nachbarland. Shamsya war das genaue Gegenteil von Zabibe: stark, kraftvoll, etwas träge, ein kräftiges Muttertier. Bilkis hatte sich so mächtig ans Licht gedrängt, dass sie nach kurzen Wehen aus dem Mutterleib schoss wie ein Pfeil. Sie war niemals krank gewesen und ‒ wie sich jetzt mehr und mehr zeigte ‒ ein richtiges Vaterkind geworden. Hadads schmales edles Gesicht mit der kräftig vorstoßenden Nase, den dunklen Falkenaugen und der hohen Stirn war auch das ihrige, nur ins Weibliche verwandelt. Ihre Nase war kleiner und feiner geraten, die Stirn etwas niedriger, die Augen etwas schmäler, aber mit dem scharfen, raschen Blick des Vaters.

Der Mukarrib, der Priesterkönig, hatte mit den Jahren großen Gefallen an dieser Tochter gefunden und ihr gestattet, was sonst nur den Prinzen zukam. Sie erhielt einen Lehrer und war gerade dabei, in die Geheimnisse der Schrift einzudringen, was ihr jedoch nur mäßige Freude bereitete. Lieber begleitete sie den Vater bei seinen Jagdausflügen, saß dabei zu Pferd wie ein Junge und hatte schon reiten gelernt, fast noch ehe sie reden konnte. Das Reiten auf Pferden war der königlichen Familie Vorbehalten, während die Nomaden das Kamel und die Bauern den Esel benutzten.

Bilkis bemühte sich um das Erlernen der sabäischen Schrift, die von den Phoinikern übernommen, doch leicht verändert war und neunundzwanzig Buchstaben zählte. Ptahmose, der ägyptische Arzt und Priester, redete ihr gut zu.

»Bedenke, Prinzessin, dass die ägyptische Schrift über siebenhundert Zeichen kennt und daher ungleich schwieriger zu erlernen ist als die eurige. Wer bei uns den ehrenwerten Beruf eines Schreibers ergreifen will, muss sich sechs oder acht Jahre damit abmühen, aber dann stehen ihm alle Türen offen. Er kann Arzt werden oder Priester, Baumeister oder Staatsbeamter, manchmal alles zugleich.«

Neugierig wie stets fragte ihn Bilkis: »Warum bist du auch Priester geworden?«

Ptahmose strich sich lächelnd über sein kahl geschorenes Haupt. »Das ist in Ägypten kaum zu trennen. Sachmet, die löwenköpfige Gemahlin des Schöpfergottes Ptah, dessen Namen ich trage, ist nicht nur Herrin des Krieges, der Seuchen und Vernichtung, sondern auch Patronin der Ärzte, denn sie ist ebenso für Arzneien, Gesundheit und Genesung zuständig. Wer ihr Priester ist, muss zugleich Arzt sein.«

Dass es mit Ptahmose eine eigene Bewandtnis hatte, erfuhr Bilkis erst später, als sie schon schreiben und lesen konnte und in großen Zügen mit der sabäischen Geschichte und der seiner Nachbarländer vertraut war. Ägypten spielte dabei eine beherrschende Rolle, da sowohl die Stadtstaaten am Grünen Meer wie auch Phoinikien und das Land der Pelistim trotz zeitweiliger Auflehnung unter dem Einfluss des Pharaonenreiches standen.

Anders war es mit den von König David beherrschten Ländern Israel und Juda, weil es ihm sogar gelang, die benachbarten Kleinstaaten Ammon, Aram, Edom und Moab tributpflichtig zu machen. Dieser kluge, weithin bekannte und geachtete König verhielt sich Ägypten gegenüber betont neutral und vermied alles, was das Großreich gegen sein Land hätte aufbringen können.

In jener Zeit amtierte Ptahmose als Leibarzt des schwächlichen und häufig kranken Pharaos Osorchon, der für viele als Usurpator galt, weil er mit List und Tücke und durch Heirat einer Prinzessin aus königlichem Stamm zur Herrschaft gelangt war. Siamun, der legitime Thronfolger, sammelte Anhänger um sich, doch es war nahezu unmöglich, sich dem schlauen und übervorsichtigen Osorchon mit einer Waffe zu nähern. So musste der Leibarzt des Pharao gewonnen werden, was nicht allzu schwer war, weil Osorchon, der Gottkönig, seine Umgebung mit spöttischer Herablassung behandelte und zudem krankhaft geizig war. In einem Gespräch unter vier Augen versuchte Siamun dem Arzt seine Strategie zu erläutern.

»Es darf nicht der Hauch eines Verdachts auf mich fallen, denn für den Mörder seines Vorgängers kann der Thron zur Fallgrube werden. Alle wissen, dass Osorchon ständig krank ist, und ich glaube kaum, dass jemand an seinem natürlichen Tod zweifelt, wenn du ihm eine Arznei verabreichst, die in höherer Menge eine tödliche Wirkung hat. So etwas gibt es doch?«

Ptahmose nickte. »Fast alle Heilmittel entfalten in mehrfacher Dosierung eine schädliche Wirkung und einige führen mit Sicherheit zum Tod.« Dann fügte er leise hinzu: »Umsonst tue ich es nicht.«

»Nichts ist umsonst, sogar der Tod kostet Geld. Nach meiner Thronübernahme erhebe ich dich zum Hohen Priester des Ptah-Tempels von Tanis. Dass ich dich als Leibarzt nicht weiter beschäftigen kann, liegt auf der Hand.«

Ptahmose, ehrenamtlich ohnehin schon Priester der Sachmet, erklärte sich einverstanden. Dass dann alles anders kam, war weder seine noch die Schuld des neuen Königs. Zwar starb Osorchon an der verabreichten Überdosis, doch sein Herz war stark, wehrte sich gegen das Gift und so trat der Tod nicht, wie erwartet, nach wenigen Augenblicken ein, sondern erst nach Stunden. In dieser Zeit kam der Pharao immer wieder zu kurzem Bewusstsein und äußerte dabei mehrmals die Überzeugung, sein Leibarzt habe ihn vergiftet. Leider hörten das viele ‒ allzu viele. Als Osorchon endlich starb, machten seine Leibwächter Anstalten, Ptahmose festzunehmen.

Gerade noch gelang ihm die Flucht zu Siamun, der bedauernd den Kopf schüttelte.

»Du musst für die nächsten Jahre verschwinden, nicht einmal ich kann dich hier halten, doch ich gebe dir Gold, so viel du tragen kannst.«

Ptahmose war einverstanden, schnallte sich den breiten Gürtel mit zwanzig Deben Gold um den Leib und erreichte nach monatelanger mühseliger Reise ‒ unterwegs musste er sich häufig verstecken ‒ das einzige ihm bekannte Gebiet außerhalb der Einflusssphäre von Ägypten: die Weihrauchländer im Süden der Arabischen Halbinsel. Dass Saba dort das mächtigste Land und Maryab eine bedeutende Residenz- und Handelsstadt war, wusste man sogar im fernen Ägypten.

Ptahmose bat um Audienz beim Priesterkönig und Hadad empfing ihn sogleich. Bedingt durch den Weihrauchhandel gab es in Maryab eine Reihe von Ausländerkolonien und bald war ein Ägypter gefunden, der beide Sprachen beherrschte.

Ptahmose wies sein Empfehlungsschreiben vor, das Siamun ihm ausgestellt hatte und das wortreich erklärte, der königliche Leibarzt sei auf Reisen gegangen, um sein Fachwissen zu erweitern, und könne als vorzüglicher Arzt jedermann empfohlen werden.

Hadad nickte. »Du bist hier willkommen, Hakim. Bleibe, solange es dir gefällt, erwarte jedoch von unseren Ärzten nicht allzu viel. Ich fürchte, sie werden eher von dir lernen können …«

Da gab Ptahmose sich einen Ruck. »In dem königlichen Schreiben steht nicht die ganze Wahrheit. Da ich dein Gastrecht nicht mit einer Lüge erkaufen will, sollst du wissen, dass es mir nicht gelungen ist, die Krankheit des Pharaos Osorchon zu besiegen. In meiner Heimat wird das einem Arzt sehr übel genommen und so machte ich mich ‒ natürlich mit Einverständnis des neuen Königs ‒ hierher auf den Weg.«

Das war nun wieder nicht die ganze Wahrheit, aber mehr brauchte der Mukarrib nicht zu wissen.

Als Ptahmose in der folgenden Zeit einige Aufsehen erregende Heilungen gelangen, wurde er an den Königshof berufen und seine von Zeugen bestätigte Rettung des quasi tot geborenen Kronprinzen Menelik tat das Übrige, um ihn berühmt und angesehen zu machen. Er setzte seinen Ehrgeiz daran, den kleinen zarten Sproß nicht sterben zu lassen, und entwickelte fast so etwas wie eine Sehergabe, die ihn ahnen ließ, welche Krankheit das Kind treffen könnte. Dazu sagte er: »Das ist die Kunst eines guten Arztes, der Krankheit immer einen Schritt voraus zu sein, sich nicht von ihr überraschen zu lassen, sondern sie schon im Keim zu ersticken.«

Da gab es für ihn genug zu tun. Als etwa Dreijähriger deutete Menelik auf seinen Hals und sagte mit kläglicher Stimme: »Wehweh.« Ptahmose stellte eine Rötung im Rachenraum fest und rechnete sogleich mit jenen Halskrankheiten, die häufig kleine Kinder befallen und bei nicht wenigen durch Ersticken zum Tod führen. Er experimentierte mit einer Mischung aus Salz, Natron, Alaun und Aloe, erprobte sie an anderen und als er glaubte, die richtige Mischung gefunden zu haben, behandelte er den Kronprinzen damit, sodass die Krankheit sehr milde verlief.

Von den bei den ägyptischen Ärzten gerne benutzten Zauberritualen hielt Ptahmose wenig. Sie machten den Osirismörder Seth für alles Böse verantwortlich, vor allem für Krankheiten, die sich einer natürlichen Begründung entzogen, und dementsprechend wurde Isis in ihrer Eigenschaft als »große Zauberin« durch Anrufung, magische Sprüche und Auflegung ihrer Abbilder bemüht. Ptahmose ließ es hingehen, wenn der Arzt daneben auch innerlich und äußerlich die geeigneten Arzneien anwandte.

Bilkis verfolgte Ptahmoses Eifer mit Neugier und ihr Vater ließ es zu, dass der kluge und rührige Arzt für sie zu einer Art Lehrer wurde.

Hadad hatte seine Tochter manchmal scherzhaft sein »Kronprinzchen« genannt, als sie jedoch in ein verständiges Alter kam und die Bedeutung dieses Wortes erfasste, vermied der König diesen Kosenamen. Dennoch stand Bilkis seinem Herzen weit näher als der kränkliche Thronfolger und manchmal ertappte er sich dabei, dass er gar nicht ernsthaft damit rechnete, in Menelik einen Nachfolger zu sehen, auch wenn Ptahmose den Jungen wie ein Adlerweibchen behütete, Tag und Nacht über ihn wachte und wie ein Spürhund versuchte, den sich tückisch nähernden Feind ‒ eine Krankheit ‒ zu erschnuppern und unschädlich zu machen. Zwar vermied der Mukarrib von nun an den verräterischen Kosenamen, doch er behandelte Bilkis, als sei sie eine Kronprinzessin. Er hielt sie in kurzen, für sie verständlichen Worten über die politischen Ereignisse auf dem Laufenden und ließ sie sogar ‒ unter deutlicher Missbilligung der anderen ‒ an den regelmäßigen Beratungen als stumme Zuhörerin teilnehmen, was Bilkis stolz und etwas eigensüchtig werden ließ.

Alljährlich fand dreißig Tage nach den sommerlichen Regenfällen, wenn das Wasser abgelaufen und die Fluren wieder trocken waren, die rituelle Steinbockjagd des Priesterkönigs statt. Sie geschah zu Ehren des Staatsgottes Almaka und je reicher die Beute ausfiel, umso gnädiger ließ sich der Gott stimmen. Als Jäger kamen nur der König und sein Thronfolger infrage, wobei es alter Brauch war, den Jungen mit etwa zwölf Jahren durch die Mitwirkung an der heiligen Jagd für mündig zu erklären. Der Mukarrib wollte diesem Brauch folgen, machte allerdings Meneliks Teilnahme von der Zustimmung seines Leibarztes abhängig. Der König hatte kaum zu reden begonnen, da schüttelte Ptahmose schon heftig seinen kahlen Schädel.

»Nein, mein König, wenn du erlaubst, nein! Diese ungewohnte Anstrengung würde sein Leben aufs Äußerste gefährden; außerdem hat er bis jetzt keinerlei Übung im Waffengebrauch oder im Reiten. Auch die nächsten Jahre würde ich davon abraten. Vielleicht wird er mit achtzehn kräftig genug sein, um …«

Der Mukarrib hatte diese Auskunft zwar erwartet, doch so ohne weiteres hinnehmen wollte er sie nicht.

»Weißt du, was du mir da zumutest? Das Volk schaut mit Respekt, aber auch mit Neugier und Kritik auf die Königsfamilie und beredet jeden Schritt, den sie tut oder auch nicht tut. Kannst du überhaupt ermessen, wie wichtig …«

Ptahmose straffte sich, in seine klugen Augen trat der ganze Stolz des Ägypters auf die älteste Kultur der Menschheit.

»Verzeih, wenn ich dich unterbreche. Ich weiß, wie ungehörig das ist, doch meine Zunge lässt sich nicht mehr im Zaum halten. Gerade mein Volk ist so vernarrt in seine uralten Traditionen und pflegt mit Hingabe jahrtausendealte Bräuche, deren Sinn man nicht mehr kennt und die dadurch sinnlos geworden sind. Schaue dir nur unsere Schrift an! Darüber habe ich kürzlich mit deiner Tochter Bilkis gesprochen. Mit ihren über siebenhundert Zeichen ist es mühselig und zeitraubend, sie zu erlernen, umso mehr, als diese Silbenschrift ohne weiteres durch eine Buchstabenschrift ‒ etwa der euren gleich ‒ zu ersetzen wäre. Doch man schreibt seit zweitausend Jahren so und wird es wohl auch die nächsten zweitausend Jahre tun. Ebenfalls seit zweitausend Jahren sind die südlichen und nördlichen Landesteile Ägyptens zu einem Reich vereinigt und trotzdem nennt sich der Pharao beharrlich neb taui, Herr beider Länder, und trägt zwei Kronen übereinander. Beispiele dieser Art gäbe es noch viele Dutzende, aber sie sollen dir zeigen, wie teuer uns alte Bräuche sind und wie gut ich dich verstehe. Lass einfach verkünden, der Kronprinz sei gesundheitlich verhindert, und lege dich zeitlich nicht fest.«

Hadad lachte, aber es klang nicht froh. »Etwas anderes bleibt mir kaum übrig.«

Niemand fand etwas dabei, dass er Bilkis mitnahm, da sie den König schon oft auf die Jagd begleitet hatte. Als Mitglied der Königsfamilie wäre ihr die rituelle Steinbockjagd sogar erlaubt gewesen, es gab jedoch kein Beispiel aus der Landeschronik, dass jemals eine Frau daran teilgenommen hätte. Sie wusste inzwischen mit dem Bogen recht gut umzugehen, hatte auch so manches Wild erlegt, nur diesmal war sie so klug, darauf zu verzichten.

Später dachte Bilkis oft darüber nach, in welchem Alter sie die Erkenntnis getroffen hatte, dass sie dem minderrangigen Geschlecht angehörte, dass es ausschließlich Männer waren, die nach außen wirkten und das Rad der Geschichte in Bewegung hielten. Waren es die Worte ihrer klugen alten Amme, die sie anlässlich des ersten Blutflusses ihrer Milchtochter sprach?

»Du bist nun eine Frau, mein Täubchen, kannst Kinder gebären und nähren. Wenn ich deinem Vater davon Kenntnis gebe, so wird er für dich einen Bräutigam suchen und dann ist es Glückssache, ob du namenlos im Schweigen eines Harims versinkst oder dein Gatte dich im Rahmen von Brauch und Sitte an manchen Ereignissen teilnehmen lässt. Einen solchen Mann wirst du niemals finden, denn so, wie der König dich behandelt und erzogen hat, ist er weit über Landesbrauch hinausgegangen. Was ich dir zu sagen hatte, mag in deinen Ohren nicht schön klingen ‒ erscheint dir fremd, sogar unfassbar, aber die Zukunft wird meine Worte bestätigen.«

Doch ihr Verhältnis zum Vater war so eng und vertraut, dass Bilkis ihm von diesem Gespräch berichtete, um seine, wie sie hoffte, völlig unterschiedliche Meinung darüber zu hören. Doch sie wurde enttäuscht. Hadad betrachtete liebevoll die ihm so ähnliche Tochter und wählte seine Worte mit Bedacht.

»In großen Zügen hat deine Amme natürlich Recht. Wenn auch die Frauen hierzulande nicht gleichrangig angesehen werden, so sind sie doch für jeden vernünftigen Mann gleichwertig. Mann und Frau haben von den Göttern unterschiedliche Leibesfunktionen und damit unterschiedliche Aufgaben zugewiesen bekommen. Niemand, selbst der mächtigste Gottkönig, kann etwas daran ändern, dass Frauen die Kinder gebären und nähren, Männer sie jedoch zeugen. Das ist vergnüglich und schnell geschehen, aber die Aufgabe der Frauen ist weit wichtiger, voll Mühe und Verantwortung, denn sie sind es, die den Nachwuchs in ihrem Körper bergen und austragen, ihm zum Leben verhelfen, ihn hegen und pflegen, bis er ein selbstständiger Mensch geworden ist. Leider gibt es viele Männer, die dies als Nebensache ansehen, was dazu führt, die Frau als notwendige Gebärerin und damit Mehrerin des Stammes den Tieren gleichzusetzen ‒ ja, sie manchmal sogar nach Rindern und Kamelen als drittrangig zu betrachten. Dieses nomadische Denken lehnen wir Sesshaften ab, es ist anmaßend, unkultiviert und wird den Frauen nicht gerecht. Du bist jetzt auch eine Frau, also blicke zurück und entscheide, ob ich dich jemals benachteiligt oder als zweitrangig angesehen habe.«

Bilkis lächelte ihren Vater liebevoll an. »Nein, gewiss nicht …«

Hadad nickte. »Oder habe ich mein Verhalten geändert, als Menelik zur Welt kam?«

»Kaum ‒ vielleicht davon abgesehen, dass du mich nicht mehr dein Kronprinzchen genannt hast.«

»Das ist dir also nicht entgangen, bist eben meine kluge Tochter und vielleicht sogar das einzige weibliche Wesen im königlichen Palast, das schreiben und lesen kann.«

»Weil du es mir erlaubt hast.«

»Und weil du es wolltest. Aber nun zu etwas anderem, das dir zeigen soll, dass auch Frauen nach außen wirken und den Lauf der Geschichte beeinflussen können.

Du wirst schon von dem Land gehört haben, das viele Tagesreisen im Norden liegt, sich Israel nennt und seit einigen Jahren von dem jungen König Salomo beherrscht wird. Der Machtwechsel verlief blutig, denn der rechtmäßige Thronfolger hieß Adonia und wurde von König David mit seiner Gemahlin Haggit gezeugt. Dass dann doch Salomo den Thron gewann, hat eine Frau bewirkt und du sollst wissen, wie und warum es ihr gelang.«

Kapitel 2

Wenn David an sein Leben zurückdachte, dann gab es Ereignisse, die damals von überragender Wichtigkeit, jetzt im Rückblick jedoch bedeutungslos geworden waren. So waren seine Erinnerungen an die Frauen, die er aus politischen Gründen heiratete, um die Nomadenstämme in der judäischen Wüste für sich zu gewinnen, zu undeutlichen Schatten geworden ‒ ja, er hätte nicht einmal mehr sagen können, durch welche Eigenschaften oder körperlichen Merkmale sich Ahinoam, Abigail und andere voneinander unterschieden hatten. Von Michal, der Tochter Sauls, wusste er nur noch, dass sie kinderlos geblieben war; nach Auslegung der Priester als Strafe für ihre Verachtung, weil David in heiliger Ekstase vor der Bundeslade getanzt hatte. Nun war auch sie gestorben, wie alle seine Frauen aus jener frühen Zeit.

Nur an Goliat, jenen langen Kraftkerl der Pelistim, konnte er sich mühelos erinnern, denn sein Sieg über diesen gewaltigen Krieger hatte ihm nicht zuletzt die Königskrone eingebracht. Gewaltig freilich nur in Bezug auf seinen Körper, denn der Kopf war klein und die niedrige Stirn stets von heftigem Nachdenken gefurcht, das allerdings ‒ David lächelte in sich hinein ‒ damals zu nichts geführt hatte. Was heute in den Schreibschulen als beispielhafte Großtat und geschichtliches Ereignis gelehrt und gefeiert wurde, erschien David im Rückblick fast lächerlich und bestenfalls einer kurzen Erwähnung wert. War es Zufall oder eine besondere Vorliebe gewesen, dass der zu jener Zeit gerade sechzehnjährige David seine Hirtentätigkeit langweilig fand und unablässig mit der Schleuder übte? Sie war aus Schafshaut billig herzustellen und Steine gab es im Überfluss. Zu einer Übung mit herkömmlichen Waffen ‒ Schwert, Lanze oder Keule ‒ fehlten ihm das Rüstzeug und ein geeigneter Partner. So brachte er es im Steinschleudern zu einer solchen Fertigkeit, dass es ihm nicht selten gelungen war, einen Vogel im Flug zu treffen. Diese Erfolge freuten ihn vor allem wegen der Abwechslung, die eine gebratene Schnepfe in seine eintönige Nahrung aus Käse, Brotfladen und Zwiebeln brachte. Sich deshalb als ernst zu nehmenden Krieger zu sehen lag ihm fern. Er hütete die Schafherden seines Vaters, während seine älteren Brüder im Heer des Königs Saul dienten. So war es der Brauch und David wäre es nicht im Traum eingefallen, sich dagegen aufzulehnen. Und trotzdem war da etwas, was ihn machtvoll ergriff, als er davon hörte, dass der riesige Goliat, ein berühmt-berüchtigter Krieger der Pelistim, im Tal von Elah schon seit Tagen jeden Morgen vor die Krieger Israels trat und in höhnischen Worten einen Zweikampf zwischen ihm und einem der ihren vorschlug.

»Warum stellt ihr euch zur Schlacht auf? Ich kämpfe für die Pelistim und ihr für euren König Saul. Wählt einen von euch aus, der mit mir kämpfen soll. Besiegt er mich, so geben wir uns geschlagen und werden euch dienen. Wenn ich siege, werdet ihr unsere Sklaven sein.«

Dieser Mensch war an die sechs Ellen groß, trat gepanzert auf von Kopf bis Fuß und seine Lanze hatte die Größe eines Fahnenmasts. Allein sein Anblick versetzte alle in Furcht und Schrecken und so wagte es keiner, seiner Aufforderung nachzukommen.

Als David von seinem Vater mit Proviant für die Brüder ins Feldlager geschickt wurde, wurde er Zeuge von Goliats anmaßender Rede und das verächtlich hingespuckte Wort »Sklave« war es dann, das wie ein kalter Guss seine aufglimmende Furcht zum Erlöschen brachte und in siedenden Zorn verwandelte. Sklave der Pelistim, dieser unbeschnittenen Götzenanbeter! Das war es, was ihn vor den Riesen treten ließ, doch sein Entschluss wurde von den anderen verlacht und kam Saul zu Ohren. So wurde David vor den König gebracht, der ihn lächelnd musterte.

»Du bist fast noch ein Kind und willst mit einem Mann kämpfen, der von Jugend an mit Waffen umging und die Kraft von drei Kriegern besitzt? Dein Mut ist zu bewundern, aber schlage dir das aus dem Kopf!«

Jetzt, nach über fünfzig Jahren konnte sich David noch genau an seine Antwort erinnern. »Als Schafhirte habe ich mit meiner Schleuder so manchen Löwen oder Bären vertrieben, einige sogar damit getötet. Bei Goliat wird es nicht anders sein.«

Als er gegen den Riesen antrat, mühte er sich, seine ganze Lebens- und Körperkraft im rechten Arm zu konzentrieren. Nicht ich denke, mein Arm denkt, nicht ich führe die Schleuder, mein Arm führt sie, nicht meine Augen nehmen Goliats Kopf zum Ziel, es ist mein Arm, der dies tut. Er hatte einen scharfkantigen dunklen Stein von besonderer Härte in die Schlaufe gelegt und als Goliat Hohn lachend auf ihn zutrat, schwang er mit aller Kraft die Schleuder und traf den Riesen am Kopf. Wie ein gefällter Baum stürzte der Koloss zu Boden, zuckte noch ein wenig und lag dann still und stumm. Der Stein hatte zwischen Stirn und Schläfe die Schädeldecke eingedrückt. David zog das gewaltige Schwert seines toten Gegners aus der Scheide und hieb ihm den Kopf ab. Daraufhin flohen die Pelistim in schierem Entsetzen, denn nur der mächtige Gott des Volkes Israel konnte diesem Jungen die Hand geführt haben.

Saul war dankbar und zog David an den Hof, wo David sich mit dem Königssohn Jonatan anfreundete. Nicht nur der Sieg über die Pelistim hatte David für Saul so unentbehrlich werden lassen, es war auch sein Harfenspiel. Wie viele Hirten hatte David so manche lähmende Stunde mit Musikklängen überbrückt, doch hatte er nicht ‒ wie fast alle anderen ‒ die Flöte gewählt, sondern baute sich aus einem natürlich gekrümmten Holz und Lämmerdärmen eine kleine Harfe. Die Melodien kamen von selbst, er setzte nur um, was um ihn her an Geräuschen auf sein Ohr eindrang: das Spielen des Windes in den Blättern, der Vogelsang, das Grillengezirp, das Klingen des Wassers, wenn es über die Steine sprang.

Saul hatte schnell bemerkt, dass Davids Spiel geeignet war, seine Anfälle von Schwermut zu zerstreuen. Wenn diese ‒ was manchmal geschah ‒ in Tobsucht ausarteten, wähnte Saul sich von Gott verlassen und das Harfenspiel verlor seine Wirkung. Sauls Dankbarkeit wandelte sich allerdings in eifersüchtigen Zorn, als die Frauen in den Städten den Sieger umtanzten und sangen:

Tausend Feinde hat Saul erschlagen, doch

Zehntausende waren es, die David erschlug.

Eine pure Übertreibung, doch auf diese Weise wuchs Davids Ruhm und nach Sauls Tod erhob ihn das Volk in Hebron zum König von Juda und später von Israel.

Abischag trat auf ihre stille Weise ein und fragte nach seinem Befinden. Man hatte das hübsche Mädchen aus der Ortschaft Schunem zu Davids Pflegerin bestellt und sie erfüllte auf vorbildliche Art ihre Pflicht, ging sogar so weit, den immer Frierenden mit ihrem Körper zu wärmen. Der fast Siebzigjährige ließ es geschehen, aber er berührte sie nicht ‒ sein immer so lebhaftes Begehren nach Frauen war längst erloschen. Doch es hatte Zeiten gegeben, da keine vor ihm sicher gewesen war, da er jede Nacht einen Frauenkörper umfangen und genossen hatte. Ja, er hatte es genossen, aber geliebt hatte er nur eine ‒ so sehr, dass er für sie gegen Gottes Gebot gehandelt und schwere Sünde auf sich genommen hatte. Das war in der Zeit des Krieges gegen die störrischen Ammoniter gewesen, die sich mit ihrer Tributpflicht gegen Israel einfach nicht abfinden wollten. So war sein Heerführer Joab nach Rabba gezogen und hatte die ammonitische Hauptstadt belagert.

Der Frühling war gekommen, die Sonne gewann mehr und mehr an Kraft und David hatte sich auf dem Dach seines Palastes ein Zelt errichten lassen, wo er ungestört seine Mittagsruhe halten konnte. Als er um die zehnte Tagesstunde erwachte, neigte sich die funkelnde Goldscheibe dem Westen zu und vom Norden, aus dem Jordantal, kam eine frische Brise. David reckte sich, gähnte herzhaft, trat aus dem Zelt und blinzelte, weil ihn das Tageslicht schmerzhaft in die Augen stach. Zwei Diener eilten herbei, einer trug den leichten Mantel, der andere ein Bronzebecken mit Quellwasser. David erfrischte sich, warf den Mantel über und bemerkte das verhaltene Feixen seines langjährigen Leibdieners.

»Was bringt dich zum Lachen ‒ sprich’s ruhig aus.«

Da führte ihn der Diener an den Rand des Daches und deutete hinunter. Man hatte beim Bau des Palastes zu wenig darauf geachtet, der königlichen Residenz mehr Luft zu verschaffen, sodass sie von einem engen Kranz privater Häuser umgeben war. Da drüben badete eine Frau, rieb langsam und hingebungsvoll ihren Körper mit einem großen Schwamm ab. Gegen Blicke von draußen schützte sie die Hofmauer, doch die Sicht nach oben ‒ um die Sonne nicht auszusperren ‒ war frei. David besaß damals noch wahre Falkenaugen und die zierliche Gestalt mit dem schmalen Kopf, den aufgesteckten Haaren und dem runden, einer Melone gleichenden Gesäß nahm ihn sofort gefangen.

Warum gerade sie? Das fragte er sich später oft. Was war denn so Besonderes an ihr? Gab es nicht dutzende und aberdutzende von Frauen, die ihr glichen ‒ ihre Schönheit sogar übertrafen?

Unaufgefordert berichtete der Diener: »Das ist Batseba, die Frau des Hauptmannes Uria, ein hetitischer Söldner in deinen Diensten.«

Nach Einbruch der Nacht ließ David sie in seinen Palast holen und bewirtete sie mit Wein, Kuchen, Dörrfrüchten und Nüssen. Sie sprach nicht viel, mied seinen Blick. David meinte scherzend: »Dein Name bedeutet ja die Üppige, aber den haben deine Eltern falsch gewählt, denn es ist etwas Feines, Zierliches aus dir geworden, ein rechtes Schmuckstück, wie von einem Kunstschmied gefertigt.«

Ihr Gemahl nahm an dem Feldzug gegen die Ammoniter teil und so lebte sie schon seit längerer Zeit allein, denn Kinder hatte ihr die kurze Ehe noch nicht beschert. Ob sie das bedauerte, war ihr nicht anzumerken.

»Vielleicht verweigert euch Gott den Nachwuchs, weil du einen Götzendiener geheiratet hast.«

Batseba blickte auf und schüttelte kaum merklich den Kopf. »Er achtet unseren Glauben …«

»Das ist nicht genug.«

Dann schwiegen sie lange, doch David ließ nicht den Blick von ihr, sog das liebliche Bild ihrer Gestalt, ihres Gesichtes ein wie ein Verdurstender den kühlen Trank und dann war etwas in ihm, das ihm aufzustehen befahl, das seinen Mund auf den ihren pressen, seine eine Hand ihre Brüste umfassen, die andere unter ihr Kleid schlüpfen und ihren Schoß streicheln ließ. Er fühlte, wie ihr Körper weich und gefügig wurde, und wie ein Blitz leuchteten in feuriger Schrift die Mose von Gott gegebenen Gebote vor ihm auf. ›Du sollst nicht ehebrechen! Lass dich nicht gelüsten nach der Frau eines anderen !‹ Später, als seine Lust gestillt war, beruhigte er sich mit dem Einwand, diese Gesetze habe Gott für Sein Volk, die Kinder Israels, gemacht, nicht jedoch für Götzendiener, wie dieser Hetiter einer war.

Die feurige Schrift verblasste schnell und David fand sich auf seinem fellbezogenen Lager wieder, wo er mit Hingabe Batsebas Körper erforschte und sich dabei benahm wie ein unwissender Halbwüchsiger mit der ersten Frau seines Lebens.

»Du gehörst jetzt mir, Batseba, mir allein! Noch niemals habe ich eine Frau gehabt wie dich, du bist etwas Besonderes ‒ Gott selbst hat uns zusammengeführt!«

»Ich nenne es Ehebruch«, sagte sie leise und vorwurfsvoll.

»Du hättest keinen Hetiter heiraten sollen! Wir müssen unser Volk rein erhalten, schon unserem Bund mit Gott zuliebe.«

»Hast du das immer getan? Wie viele Frauen in deinem Harim stammen aus nichtjüdischen Ländern, sind Götzenanbeterinnen?«

»Einige, gewiss, doch ich bin der König, muss politische Rücksichten nehmen, zum Wohle unseres Volkes, unseres Landes. Gott wird das verstehen!«

Am Morgen ging Batseba in ihr Haus zurück und etwas hielt David davon ab, sie wieder rufen zu lassen, obwohl er unablässig an sie dachte. Ihr liebliches Bild hatte sich ihm wie ein Brandmal eingeprägt.

Haggit aus Hebron, die als Mutter des Thronfolgers Adonia ein offenes Wort führen durfte, beklagte sich über seine Missachtung. Zuerst wurde er zornig, dann befahl er Haggit zu sich, aber sein Körper verweigerte die Ehepflichten. Das war noch nie geschehen und Haggit murmelte: »Gott hat dich kraftlos gemacht, du wirst schon wissen, warum …«

Noch ehe David seinem drängenden Wunsch einer Wiederbegegnung nachgeben konnte, sandte Batseba die Botschaft, sie sei schwanger geworden.

Da reifte in David der Entschluss, dieses trübe Verhältnis zu bereinigen. Unter einem Vorwand ließ er Uria aus dem Feld holen und erkundigte sich ausführlich nach dem Stand der Belagerung. Uria war ein knorriger Mann mit dem kantigen Gesicht eines Berufskriegers, gab sich wortkarg, fast mürrisch und David wusste nicht, ob ihm schon ein Gerücht zu Ohren gekommen war.

Uria ging nach der Besprechung jedoch nicht nach Hause, sondern ‒ wie David am nächsten Tag erfuhr ‒ übernachtete bei der Torwache des Palastes. Der König stellte ihn zur Rede.

»Soll ich nach Hause gehen, dort üppig essen und trinken und mit meiner Frau im weichen Bett schlafen, wenn meine Kameraden bei ihrer Belagerung Mangel leiden und mit dem blanken Boden vorlieb nehmen müssen?«

»Das ist rechtschaffen gedacht, hilft aber deinen Freunden im Feld nicht weiter. Ich werde dich heute Abend an die Hoftafel laden und am nächsten Morgen gehst du zu deinen Leuten zurück.«

Beim Nachtmahl gab Uria sich noch mürrischer und verschlossener, als es sonst seine Art war. Er brütete vor sich hin, trank Becher um Becher und schien nicht auf die munteren Gespräche zu achten, die ihn umbrandeten.

David beobachtete ihn genau und glaubte zu erkennen, dass Uria von den Gerüchten gehört hatte. Als man ihm berichtete, der Hetiter habe wieder bei der Palastwache geschlafen, wurde es für den König zur Gewissheit. Uria mied sein Haus, weil er mit einer Ehebrecherin nicht unter einem Dach schlafen wollte.

Die halbe Nacht grübelte David nach einer Lösung ‒ erwog dies, erwog jenes. Mit einem Geldgeschenk könnte er Uria veranlassen, seine Frau zu verstoßen. Dann würde das Volk jedoch hämisch raunen: Schau an, der König hat aus purer Geilheit dem Uria die Frau abgekauft. Ihn heimlich umbringen und in der Wüste verscharren lassen? Nein! Und nochmals nein! Das wäre eine offene Sünde gegen Gott. Jetzt, im Alter und bei der Rückschau auf sein Leben, hatte David häufig darüber nachgedacht, warum der Mensch so oft und immer wieder gegen die Gebote Gottes verstieß. Jeder Erwachsene kannte die sieben Hauptsünden: Geiz, Stolz, Trägheit, Unmaß, Unkeuschheit, Neid und Zorn ‒ jeder verachtete sie und beging sie dennoch von neuem. Es war ja nicht so, dass der Mensch sündigte, um Gott zu beleidigen, um seinen Zorn zu erregen, um frech gegen den Ewigen und Allmächtigen zu trotzen. Nein, man dachte einfach nicht an Gott und seine Strafen, wenn man einer Eingebung, einer Lust, einer Lockung nachging. Man wusste es vorher und wusste es nachher, im Augenblick der sündhaften Tat hielten einen jedoch böse Dämonen umklammert und es geschah, was geschehen musste.

So war es damals auch gewesen, als er den Gedanken an Urias Meuchelmord empört von sich wies. Doch eine Lösung musste gefunden werden. Warum sie nicht Gott überlassen?

Also schrieb König David einen Brief an Joab und trug Uria auf, ihn dem Feldherrn nur persönlich auszuhändigen. Darin stand:

Uria ist einer unserer besten und mutigsten Krieger.

Stelle ihn stets dahin, wo der Kampf am härtesten ist,

und mit Gottes Hilfe wird der Sieg bald unser sein.

Was David nicht geschrieben, aber gedacht hatte, war dies: Gott, der in die Herzen der Menschen schaut und ihre Gedanken kennt, weiß, dass ich Uria loswerden will. Er kann es verhindern, um mir eine Lehre zu erteilen. Sollte Er Uria im Kampf beschützen und ihn gesund zu seiner Frau heimkehren lassen, dann müsste ich mich seinem Willen beugen und auf Batseba verzichten. Wenn Uria fiel, so konnte dies nicht ohne Gottes Einverständnis geschehen. Oder doch? Ein Ungläubiger und Unbeschnittener, ein der Götzenverehrung Frönender stand vielleicht außerhalb Gottes Fürsorge ‒ ihm geschah weder Gutes noch Böses, der Herr überließ ihn dem blinden Schicksal. David hätte den Hohen Priester Zadok um Rat fragen können, doch davor scheute er zurück. War er als König von Israel nicht selbst ein Hoher Priester, berechtigt, das Allerheiligste im Tempel zu betreten? Nein, das Beste war es, Gott die Entscheidung zu überlassen. Doch der Herr schwieg und überließ Uria seinem Schicksal. Einige Tage später kam der Hauptmann bei einem Ausfall der Ammoniter ums Leben und Joab sandte einen Boten nach Jerusalem. Wie Joab es ihm aufgetragen hatte, berichtete der Bote: »Es war nur ein kleines Scharmützel, doch der Feind zeigte sich überlegen, machte einen Ausfall und griff uns auf offenem Feld an. Als wir den Gegner an das Stadttor zurückdrängten, begannen die Bogenschützen von der Mauer auf uns zu schießen. Einige wurden tödlich getroffen, auch Hauptmann Uria.«

David ließ sich die Freude nicht anmerken, gab sich männlich gefasst. »Das Schwert trifft einmal diesen, dann jenen. Nur Mut! Kämpft weiter, bis die Stadt gefallen ist.«

Batseba hielt dem Herkommen nach die übliche Trauerzeit ein, danach holte David sie in den Palast und nahm sie zur Frau. Obwohl es den Brauch, eine der Frauen zur Hauptgemahlin zu erheben und sie zu krönen ‒ wie die Ägypter dies taten ‒, in Israel nicht gab, so zeichnete doch David die einzig Geliebte vor allen anderen aus. Sie erhielt einen Teil des Palastes zur alleinigen Wohnung mit Dienerschaft und eigener Leibwache.

Ein bitterer Tropfen fiel in den Kelch von Davids Glück, als der Prophet Natan aus seiner selbst gewählten Bergeinsamkeit unangemeldet in den Palast kam und ihn mit Vorwürfen überhäufte. Er galt als heiliger Mann und niemand hätte gewagt, ihn zurückzuweisen oder zu maßregeln, auch der König nicht.

»Du hast Uria auf dem Gewissen, ihm seine Frau weggenommen. Gott wird deine Nachkommen verfluchen, dir deine Frauen wegnehmen, deine Söhne gegen dich aufbringen. Blut! Blut! Du wirst in Gram und Blut ersticken!«

David zeigte sich nicht nur zerknirscht, er war es auch. Er beugte das Haupt und sagte mit brüchiger Stimme: »Ich bekenne mich schuldig vor dem Herrn.«

Natan nickte feierlich. »Da du es bereust, wird der Herr dir deine Schuld vergeben, doch als Sühneopfer deinen ersten Sohn fordern.«

Und so kam es dann auch. Der Sohn, den Batseba gebar, starb nach einer Woche. David nahm die Strafe gefasst hin und versuchte Batseba zu trösten.

»Du bist jung, kannst mir noch viele Kinder schenken.«

Er zeigte sich so liebevoll und besorgt, so zärtlich und verständnisvoll, dass Batsebas Gehorsam und Verehrung für den König sich zur Liebe für den Mann David wandelte. Mit Genugtuung und Wohlgefallen spürte sie ihre Macht über ihn und als sie ihren zweiten Sohn gebar, den sie Salomo, das heißt »der Friedenliebende«, nannten, rang sie dem Hocherfreuten ein Zugeständnis ab und David ging nach kurzem Zögern darauf ein. Er schwor in Gegenwart des Hohen Priesters Zadok und des Propheten Natan, Batsebas Zweitgeborenen zum Nachfolger zu ernennen, und rief Gott den Herrn zum Zeugen an. Batseba opferte und stiftete einen Teil ihres Besitzes dem Tempelschatz, um Gott ihrem Sohn gnädig zu stimmen und ihm Leben und Gesundheit zu schenken.

Nun war es allerdings so, dass dem König auch von anderen Frauen Söhne geboren wurden, von denen einige das Erwachsenenalter erreichten. Der Älteste von ihnen war Adonia, der Sohn Haggits, ein stattlicher Mann, beliebt beim Volk und mit viel Anhang. David hatte ihn stets mit Nachsicht behandelt, um ihn nicht durch Strenge und Zurückweisung zum Thronraub anzustacheln, denn der Aufruhr, den vor Jahren sein Sohn Abschalom verursacht und das Land an den Rand des Bürgerkrieges gebracht hatte, war ihm eine bittere Lehre gewesen. So hinderte niemand Adonia daran, dass er auftrat wie ein regierender Fürst, auf dem Kriegswagen vorfuhr, umgeben von einer fünfzig Mann starken Leibwache. Das erweckte im Volk den Glaubet), er sei der vom Vater erwählte Nachfolger, sodass sich auch der Heerführer Joab und einige andere Große dieser Meinung anschlossen. Nur Zadok, der Hohe Priester, und Natan, der Prophet, hielten sich zurück, um die Stellungnahme des Königs abzuwarten.

So sah Adonia sich von Schmeichlern umgeben, hörte offen von seiner Thronfolge reden und beschloss, für seine Freunde und Anhänger ein großes Opferfest zu veranstalten. Als Ort wählte er die Rogelquelle südöstlich von Jerusalem an der Grenze zu Juda, um damit symbolisch seinen Anspruch auch auf dieses Land zu bekunden. Der Prophet Natan war nicht dazu geladen, wohl auch deshalb, weil Adonia wusste, dass dieser heilige Mann Salomo zuneigte und der Aufforderung nicht gefolgt wäre. Doch Natan hörte von dem Fest, suchte Batseba auf und mahnte sie daran, den König an seinen Eid zu erinnern.

»Sage ihm ruhig, Adonia sei bereits als sein Nachfolger aufgetreten, das bringt Unruhe ins Land und am Ende steht ein blutiger Machtkampf, den wir ‒ Gott sei’s geklagt ‒ schon einmal hatten.«

Batseba folgte dem Rat und als der König hörte, wie weit die Sache schon gediehen war und er fürchten musste, vom Thron gestoßen zu werden und seinen geliebten Sohn Salomo zu verlieren, fiel die Altersschwäche wie durch Zauber von ihm ab. Er ließ Natan und den Hohen Priester Zadok rufen, dazu Benaja, den Obersten der Leibwache, einen treuen und verlässlichen Mann.

»Weder habe ich Adonia zum Nachfolger bestimmt noch ihn zu dem Fest aufgefordert. Ich stehe fest zu meinem Eid, dass Salomo und kein anderer nach mir König sein soll.«

Dann befahl er mit ruhiger, fester Stimme, Salomo unter ausreichender Bedeckung hinab zur Gihonquelle zu begleiten und ihn dort im Angesicht des Volkes von Jerusalem zum König über Israel und Juda zu salben.

So geschah es dann unter dem dumpfen Klang der Hörner und den Jubelrufen des Volkes. Als David den Krönungszug in seinem Palast empfing, küsste er Salomo auf beide Wangen, tat einen tiefen Seufzer und stürzte nieder. Es war, als hätten diese Ereignisse die ohnehin schwache Lebenskraft des alten Königs vollends aufgezehrt.

Adonia, der um sein Leben gefürchtet und im Tempel Schutz gesucht hatte, wurde von Salomo ‒ unter Zustimmung Davids ‒ begnadigt und aus der Stadt verbannt.

Wenig später fühlte David sein Ende nahen und bat Salomo zu sich. Er schickte seine Pflegerin Abischag vor die Tür. »Lass jetzt keinen herein, wer immer es ist.«

Sie nickte, blickte Salomo respektvoll an und verschwand.

David richtete sich auf. »Auch wenn du viel sagend lächelst, so schwöre ich dir beim Leben deiner Mutter, die allein ich geliebt habe, dass die schöne Abischag nur der Trost meiner letzten Tage war; und wenn sie mich berührt hat, dann allein, um mich zu wärmen.«

»Du brauchst dich vor mir nicht zu rechtfertigen, Vater.«

»Nein, das brauche ich nicht. Aber jetzt höre mir gut zu. Wenn du so lebst und handelst, wie der Herr, unser Gott, es mit seinen durch Moses überlieferten Gesetzen geboten hat, dann hält Er Seine Hand über dich und du wirst in allem erfolgreich sein.«

Fünf Tage später starb König David, der vierzig Jahre über die Länder Juda und Israel geherrscht hatte. Adonia, der seine Niederlage niemals vergessen und Salomo die Nachfolge niemals verzeihen konnte, hatte in seiner Verbannung nur auf diesen Augenblick gewartet. Das Bewusstsein, als der Ältere ein göttliches Anrecht auf den Thron zu besitzen, hatte ihn keinen Augenblick verlassen und sein erster Schritt zu diesem Ziel war ein Gespräch mit Batseba, die als von allen hochverehrte Königinmutter nach wie vor in ihrem Teil des Palastes lebte, weil Salomo sich geweigert hatte, ihr den üblichen Witwensitz zuzuweisen.

»Du warst die einzige Frau, die mein Vater wirklich geliebt hat, und meine Liebe als Sohn zu seiner Mutter ist nicht minder stark. Ich möchte dich nicht entbehren.«

So empfing Batseba ‒ mit Wissen und Einverständnis ihres Sohnes ‒ Adonia im Königspalast.

»Er will etwas Bestimmtes«, hatte Salomo gesagt, »und wir werden ihm Gelegenheit geben, sich frei zu äußern.«

Adonia bemühte sich, der Königinmutter frei in die Augen zu blicken, aber das gelang ihm so schlecht, dass es ihr auffiel.

»Deine Augen flackern, du bist erregt und ich hoffe, du verlangst nichts Unziemliches von mir.«

»O nein ‒ o nein! Es ist nur, dass ich Abischag nicht vergessen kann, die in den letzten Monaten um meinen Vater war. Sie ist so schön, so lieblich und ich möchte mich mit ihr verbinden. Lege beim König ein Wort für mich ein, dass er mir diese Ehe gestattet.«

Batseba, sonst durchaus verständig und mit guter Menschenkenntnis ausgestattet, war es nicht gegeben, seine Absichten zu durchschauen. Salomo aber wusste sofort, welch übler Plan dahinter stand.

»Mutter, verstehst du denn nicht? Mein Bruder hält Abischag für Davids letzte Frau und wenn er sie heiratet, glaubt er, damit einen Anspruch auf meinen Thron zu besitzen. Er muss sterben!«

Batseba schwieg, weil sie einsah, dass Salomo Recht hatte und es seine Pflicht war, einen blutigen Thronstreit zu verhindern. Benaja, jetzt auch der Oberste von Salomos Leibwache, fühlte sich dazu aufgerufen, drang in Adonias Haus ein und stach ihn nieder. Salomo, der seinem Namen gerecht werden wollte und sich schwor, es nach Möglichkeit niemals zu inneren und äußeren Kriegen kommen zu lassen, erkannte die bittere Notwendigkeit, einige der Geschwüre, die auf Dauer den ganzen Leib vergiften konnten, auszuschneiden. Mit Adonia war der Anfang gemacht, doch da gab es noch den Heerführer Joab, der kein Hehl daraus machte, dass er noch immer Adonia anhing. Als dieser nun tot war, fürchtete Joab für sein Leben und nahm im Tempel Zuflucht, ergriff Schutz suchend die Hörnerzierde des Opferaltars, wie es alter Brauch der Asylsuchenden war.

Salomo ließ Benaja kommen. »Befiehl dem Verräter, den heiligen Ort zu verlassen, und töte ihn dann.«

»Er fürchtet deine Rache und wird es nicht tun.«

»Dann töte ihn an Ort und Stelle.«

»Das wird Gott erzürnen.«

»Ich nehme die Schuld auf mich, du bist nur mein Werkzeug.«

Benaja führte den Befehl aus und wurde anstelle Joabs zum Obersten Heerführer ernannt.

Noch einige mussten fallen, bis Salomo seiner Herrschaft sicher war. Einen ernsthaften Gegner gab es nicht mehr und wenn ihn jemand ‒ aus welchen Gründen auch immer ‒ hasste oder verachtete, ihn für ungeeignet oder seine Nachfolge für unrechtmäßig hielt, so behielt er es für sich.

Kapitel 3

Bilkis schaute ihren Vater nachdenklich an. »Und Salomo regiert bis heute unangefochten?«

Hadad lachte. »So viel ich weiß, schon. Zumindest gibt es keine Nachricht von seinem Sturz, sondern der Ruf seiner Weisheit und Gerechtigkeit verbreitet sich mit Windeseile in allen Ländern. Inzwischen hat er in Jerusalem einen prächtigen Tempel erbaut. Ich habe erfahren, dass sie dort nur einen Gott verehren.«

»Im Grunde tun wir das ja auch, denn Almaka …«

»… ist unser Haupt- und Staatsgott, aber wir beten auch zu Shams, Rub und Attar, dann gibt es noch die kleinen Stammesgottheiten, dazu die fremdländischen Götter Baal, Astarte und den ägyptischen Amun-Ra. Das Volk Israel lehnt diese jedoch alle ab ‒ ja, es hält ihre Verehrung für schwere Sünde gegen ihren einzigen Gott, den sie nicht benennen und von dem es kein Abbild gibt. Keine Statue, kein Bildnis, keine Weihegabe, die ihn darstellt, nichts. So jedenfalls haben es uns Händler aus Juda und Israel berichtet.«

Nicht nur das ließ Bilkis neugierig werden auf das Land Israel und seinen König. Da sie diesen Mann nicht selbst gesehen hatte, machte sie sich ein Bild von ihm, das sie bis in ihre Träume verfolgte. Seltsamerweise glich ihr dieser Salomo wie ein Zwillingsbruder, war nur etwas größer, kräftiger und seine Haut war heller. Er hatte auch ihre etwas schrägen dunklen Augen und teilte ihre Vorlieben für das Herumstreifen in der freien Natur, für scharfe Ritte, für Jagd mit Pfeil und Bogen. Plötzlich kam Bilkis zu Bewusstsein, dass dies der Wesensart ihres Vaters glich. Ich träume mir das Aussehen meines Vaters in das Bildnis des Salomo hinein, dachte sie nüchtern.

Daraufhin änderten sich ihre Träume und der ferne König wurde ins Nebelhafte entrückt und eher statisch. Sie sah ihn wie durch einen hauchdünnen Schleier auf einem von sieben Löwen bewachten Thron sitzen, erlebte ihn als Hohen Priester in seinem Tempel, als gerechten Richter vor seinem Volk, doch immer unbeweglich wie eine Statue ‒ feierlich und heilig.

Dann kam eine neue Sicht in ihre Träume und Salomo wurde zu dem ihr vom Vater erwählten Bräutigam. Das erfreute und erschreckte sie zugleich, doch eine ungewohnte Scheu hielt sie davor zurück, ihren Vater zu fragen, ob er diese Verbindung erwogen hatte. Seit ihrem vierzehnten Lebensjahr war die Rede davon gewesen, für sie einen passenden Bräutigam zu finden, doch ihr Vater zögerte so sehr, dies zu tun, dass seine Freunde und Berater es für ihre Pflicht hielten, ihn daran zu erinnern.

Besonders Udwan, dem Wesir, schien dieses Thema am Herzen zu liegen und der König konnte sich auch denken, warum. Sein erstgeborener Sohn Manheb nämlich hätte sich ‒ aus altadeliger Familie stammend ‒ als Bräutigam vorzüglich geeignet. Leider war er einige Jahre jünger als Bilkis und noch keineswegs in einem Alter, da die Heranwachsenden sich zunehmend mit dem Gedanken an Frauen befassen. Doch schon in wenigen Jahren würde dies der Fall sein und was konnte Hadad gegen diese Verbindung ein wenden? In Menelik hatte er einen Nachfolger gefunden und eine mannbar gewordene Tochter gehörte verheiratet. Nicht anders hatten es die Väter und Großväter gehalten und die vor ihnen, solange man denken konnte.

Natürlich hatte der König gute Gründe, die Sache hinauszuzögern, sie waren allerdings von einer Art, die er als Mukarrib von Saba eigentlich nicht gutheißen konnte. Nüchtern betrachtet war es so, dass Bilkis alles an sich hatte, seine Nachfolge anzutreten. Sie war besser gebildet als so mancher junge Mann, kannte die politische Lage und konnte mit Vernunft und Bedacht darüber urteilen. Hadad zog es neuerdings vor, bei strittigen Entscheidungen zuerst seine Tochter um ihre Meinung zu fragen und danach die Ratgeber zu hören. Das machte böses Blut und Udwan, dem Wesir, drängten sich Fragen auf die Lippen, die er nicht unterdrücken konnte und die ihm ‒ als erstem Mann nach dem König ‒ auch zustanden.

So nutzte er das Nachtmahl, an dem er regelmäßig teilnahm, um dann, wenn die anderen gegangen waren, gelegentlich mit dem König heikle Angelegenheiten zu besprechen. Sie saßen am Fenster und ließen sich vom auffrischenden Abendwind die vom Speisen erhitzten Gesichter kühlen.

»Mukarrib, hoher Herr, ich bin in Sorge ‒ wir alle sorgen uns um das Weiterbestehen des Landes Saba. Dein Sohn Menelik steht kurz vor seiner Mündigkeit und sollte längst in die Kunst des Herrschens eingewiesen werden. Deine Tochter Bilkis ist mit fast achtzehn Jahren noch immer ohne Ehemann. Das gehört sich nicht, so ist es bei uns nicht der Brauch. Du bist der Mukarrib, frei in deinen Entscheidungen und nur Almaka und deinem Gewissen verantwortlich. Dennoch sollst du dich wie deine Vorväter in gewisse Vorgehens- und Verhaltensweisen fügen, die das Volk mit Recht von dir erwartet.«

Hadad nickte. »Du bist der Wesir, du darfst mich das fragen und ich werde mich bemühen, dir zu antworten. Was nun Menelik betrifft, so hätte ich ihn längst in die Aufgaben eines künftigen Königs eingeführt, doch er sperrt sich dagegen, will, wenn ich ihn recht verstanden habe, nur Priester, aber nicht König werden. Dass ihn der Arzt Ptahmose damals erst mit einer Weihrauchessenz zum Leben brachte, muss ihn wohl nachhaltig geprägt haben.«

Udwans schlaue, misstrauische Augen öffneten sich vor Erstaunen weit und er setzte zum Reden an, fand jedoch erst beim dritten Versuch zusammenhängende Worte.

»Aber … aber … so geht es nicht, nein, hoher Herr, das kannst du nicht dulden, das ist nicht üblich … Du musst geeignete Maßnahmen finden, deinen Sohn auf seine Verantwortung hinzuweisen, ihm vor Augen zu führen, dass der Erstgeborene des Königs gewisse Pflichten zu erfüllen hat, die ihm notfalls ein jüngerer Bruder, in seinem Fall aber niemand abnehmen kann.«

»Es gibt Bilkis«, sagte Hadad mit leiser Stimme und ließ dabei Udwan nicht aus den Augen.

Der Wesir tat jedoch, als verstünde er nicht. »Es gibt Bilkis, gewiss, aber sie ist eine Frau und kein jüngerer Bruder.«

»Siehst du da ein Hindernis?«

»Ein Hindernis? Wofür?«

»Dass sie mir auf dem Thron nachfolgt.«

Udwan blickte den König verwirrt an. »Ohne Gemahl? Da sehe ich bestenfalls die Möglichkeit, dass sie jemand aus einer der ersten Familien heiratet, der ‒ nach Zustimmung des Kronrats ‒ zum König bestimmt wird. Bilkis kann nur die Frau des Königs sein, niemals Königin selbst.«

Hadad lächelte leise. »Wer sagt das? Wo steht das?«

Udwan knetete seine Finger, als wolle er sie verbiegen oder brechen, und ein deutliches Knacken war zu vernehmen.

»Das … das steht nirgends, es ist ungeschriebenes Gesetz von alters her …«

Hadad schüttelte leicht seinen Kopf. »Das stimmt nicht, ich habe mich bei unserem Hofchronisten erkundigt, habe auch einige weise Männer befragt. Zwar wurde kein Fall einer früheren Herrscherin von Saba gefunden, was jedoch nicht heißen soll, dass es keine gegeben hat. Ehe wir von den Phoinikern die Schrift übernahmen, gab es keine Chroniken und da mag manches in Vergessenheit geraten sein. Aber in Hadramaut, Himyar, Kataban, Main und auch in kleineren Ländern oder Stammesverbänden hat es Herrscherinnen gegeben, die der Chronist auf dieser Liste aufgeführt hat.«

Hadad streckte dem Wesir das Schriftstück hin, doch der zögerte. Der König blieb geduldig und lächelte. »Der Papyrus ist nicht giftig und enthält nur einige Frauennamen.«

So griff Udwan zu, rollte das Blatt zusammen und steckte es in seinen Gürtel. »Wenn du gestattest, werde ich mich später damit befassen.«

Der König erhob sich. »Ich gestatte es.«

Udwan, der etwa gleich alt war wie der Mukarrib, war noch vom Vater des Königs kurz vor seinem Tod zum Wesir ernannt worden, mit den Worten: »Wenn ich es tue, hat es mehr Gewicht und du brauchst dich nicht mit alten Männern herumzuschlagen, die alles besser wissen.«

Udwan war seinem Amt durchaus gewachsen, wenn er auch manchmal Entscheidungen traf, die eigentlich dem König zugestanden hätten. Hadad hatte es hingenommen, denn manchmal zog er es vor, eine Reihe von Tagen, nur von wenigen Freunden begleitet, reitend und jagend durch sein Land zu ziehen, in Zelten oder unter dem freien Himmel zu nächtigen und mit den Gefährten über alles zu sprechen, nur nicht über Politik. Da hatte Udwan, der dann das Staatssiegel führen durfte, sein Haupt hochgereckt und als Stellvertreter des Königs so manchen seine Macht spüren lassen. Doch nach Hadads Rückkehr war er sofort wieder in die zweite Reihe getreten, sodass der König wusste, dass auf Udwan Verlass ist trotz mancher kleiner Übergriffe.

Nun, da sie beide standen und Udwan entlassen war, hob er schnell die Hand.

»Noch etwas, mein König. Auch wenn Prinz Menelik es offenbar vorzieht, Priester und nicht zugleich König zu werden, sollten wir ihm noch einige Zeit zur Besinnung geben. Ich kenne die schwierigen Umstände seiner Geburt und denke mir, dass sie seine geistige und körperliche Reife etwas verzögert haben. Wenn du einverstanden bist, warten wir sein achtzehntes Lebensjahr ab und dann mag er seine endgültige Entscheidung treffen.«

»Ich glaube nicht, dass Menelik seine Meinung ändern wird.«

»Vielleicht doch …«

»Wir werden sehen.«

Udwan, der sich vorgenommen hatte, bei dieser Unterredung seinen Sohn Manheb als möglichen Bräutigam für Bilkis ins Gespräch zu bringen, hatte es einer blitzschnellen Eingebung zufolge unterlassen. Wenn nämlich, so war es ihm durch den Kopf gegangen, Bilkis tatsächlich zur Thronfolge bestimmt wird, dann würde der Kronrat umso eher einer Verbindung mit Manheb zustimmen. Er hatte dann die Möglichkeit, an ihrer Seite König zu werden. Sie müssten ihn dann als Mukarrib anerkennen und Bilkis war die Frau des Königs und so hätte man die alte Ordnung wiederhergestellt.

Hadad verschwieg seiner Tochter die Bedenken des Wesirs nicht, spann jedoch den Faden weiter. »Wie ich diesen schlauen Ehrgeizling einschätze, gehen seine Zukunftsgedanken in zwei Richtungen. Zum einen wird er sich sagen, wenn Menelik sich doch zur Übernahme des Königsamtes bereit erklärt, dann kann ich ‒ falls er mich überlebt ‒ unter einem schwachen König den starken Wesir spielen. Geschieht dies nicht und er muss dich als Königin anerkennen, so wird er alles darauf richten, seinen Sohn Manheb mit dir zu verheiraten.«

Bilkis’ schönes schmales Gesicht hob sich dem Vater entgegen, als biete sie ihm einen Spiegel dar. Hadad verstand es auch so. Das bin ich, dachte er, Fleisch von meinem Fleisch, Geist von meinem Geist. Nur ihr kann ich den Thron hinterlassen, nur sie wird in meinem Sinn weiterherrschen.

»Hast du dich endgültig für meine Nachfolge entschieden? Was ist, wenn Menelik seine Meinung ändert?«

»Das wird er nicht tun und wenn doch, werde ich bei meinem Entschluss bleiben.«

»Das wird einen Aufruhr geben …«

»Nein, Bilkis, dazu wird es nicht kommen.«

Almaka, der Staatsgott von Saba, verfolgte genau die Wünsche und Träume der Menschen und da sie einander entgegengerichtet waren, weil dieser jenes und andere etwas anderes erwarteten, begann er auf göttliche Weise den Fluss der Dinge umzulenken.

Menelik stand im sechzehnten und Bilkis im einundzwanzigsten Lebensjahr, als die im Frühjahr stattfindende rituelle Jagd des Mukarrib von Saba mit einer Tragödie endete. Die Beute an Steinböcken war bisher gering gewesen; es war, als ahnten diese Tiere die drohende Gefahr, und sie zogen sich in unzugängliche Schlupfwinkel zurück. Es dämmerte schon und Hadads Diener suchten einen Lagerplatz für die Nacht, als der Leibjäger lautlos an ihn herantrat und etwas in sein Ohr flüsterte. Bilkis, gerade dabei, das Aufstellen ihres Zeltes zu überwachen ‒ sie schlief aus Schicklichkeit niemals unter dem freien Himmel ‒, hatte den Vorgang beobachtet und schaute den Vater fragend an. Er winkte sie herbei und flüsterte: »Hinter der Felsnase da drüben ist ein kleiner Wassertümpel und mein Jäger hat dort einen Wildstier beobachtet. Meinen letzten habe ich vor sechs Jahren erlegt …«

Bilkis legte ihm warnend eine Hand auf den Arm. »Vater, es dämmert schon und diese Tiere sind höchst gefährlich. Setze einfach ein paar Tage mehr an und du wirst noch einiges erbeuten.«

»Nein, Bilkis! Ich werde wenigstens den Versuch machen.«

»Ich komme mit.«

»Nein, das ist nichts für dich. Kümmere dich besser darum, dass das Lager steht, wenn ich zurück bin.«

Auf der Jagd duldete der Mukarrib keine Widerrede und Bilkis wusste das. Sie warf dem Leibjäger einen warnenden Blick zu, doch der Mann reagierte nicht. Die beiden füllten ihre Köcher mit den besonders schweren Pfeilen, die für große Tiere auf kurze Entfernung gedacht waren.