Sarggeschichten - Sarah Benz - E-Book

Sarggeschichten E-Book

Sarah Benz

0,0
15,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
  • Herausgeber: Mosaik
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

Wie wollen wir Abschied nehmen?

Wenn ein für uns wichtiger Mensch stirbt, sind wir oft nicht darauf vorbereitet. Dabei ist es sicher, dass wir alle im Laufe unseres Lebens nahe Menschen an den Tod verlieren werden. Doch kann man sich überhaupt auf den Tod vorbereiten? Sarah Benz und Katrin Trommler sagen: Ja, man kann! Die beiden Frauen sind die Macherinnen des bekannten YouTube-Kanals »Sarggeschichten – Kurzfilme, die erklären, was man alles tun und gestalten kann, wenn der Tod ins Leben tritt«. Katrin hat in ihrem Leben viele wichtige Menschen verloren, darunter ihre Eltern, ihren Bruder und ihre Tochter. Sarah ist Bestatterin, Trauerbegleiterin und Notfallseelsorgerin. Sie stellen sich allen wichtigen Fragen rund ums Sterben und Abschiednehmen:

• Wie versorgt man einen verstorbenen Menschen?

• Darf ich einen Toten zu Hause aufbahren?

• Was kann ich sagen, wenn jemand gestorben ist?

• Was brauchen trauernde Kinder?

• Was kostet eine Bestattung?

Mit zahlreichen Abbildungen, wichtigen Informationen und klaren Handlungsanweisungen zeigen die Autorinnen auf einfühlsame Weise, was alles möglich ist, wenn ein Mensch stirbt und bestattet wird.

Kann man einen Sarg auch von innen schmücken? Braucht man eine Urne? Wie kann man sich aus der Ferne verabschieden? Wie gibt man verstorbenen Menschen einen Platz im Leben? Auf diese und viele weitere Fragen gibt das Buch eine Antwort.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 397

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Buch

Wenn ein für uns wichtiger Mensch stirbt, sind wir oft nicht darauf vorbereitet. Dabei ist es sicher, dass wir alle im Laufe unseres Lebens nahe Menschen an den Tod verlieren werden. Doch kann man sich überhaupt auf den Tod vorbereiten? Sarah Benz und Katrin Trommler sagen: Ja, man kann! Die beiden Frauen sind die Macherinnen des bekannten YouTube-Kanals »Sarggeschichten – Kurzfilme, die erklären, was man alles tun und gestalten kann, wenn der Tod ins Leben tritt«. Katrin hat in ihrem Leben viele wichtige Menschen verloren, darunter ihre Eltern, ihren Bruder und ihre Tochter. Sarah ist Bestatterin, Trauerbegleiterin und Notfallseelsorgerin. Sie stellen sich allen wichtigen Fragen rund ums Sterben und Abschiednehmen.

Autorinnen

Sarah Benz arbeitet als Bestatterin, Trauerbegleiterin, Notfallseelsorgerin und Dozentin. Sie wurde früh mit dem Tod konfrontiert und erlebte dabei, wie hilfreich es sein kann, Abschiedsprozesse selbst zu gestalten. Sie gründete 2015 das Filmprojekt »Sarggeschichten« und setzt sich für mehr Selbstbestimmung in der Abschieds- und Trauerkultur ein.

Katrin Trommler arbeitet als Gewandmeisterin am Theater. Seit dem Verlust ihres Vaters 1997, der nur der erste war in einer langen Reihe von Verstorbenen, setzt sie sich mit dem Tod auseinander. Um einen offenen Umgang mit diesem Thema voranzutreiben, beginnt sie 2016 beim Filmprojekt »Sarggeschichten« über ihre Verluste zu sprechen und ihre Erfahrungen zu teilen.

Sarah Benz Katrin Trommler

Sarggeschichten

Warum selbstbestimmtes Abschiednehmen so wichtig ist

Was wir über Trauer und Bestattung wissen sollten

Wir haben uns bemüht, alle Rechteinhaber ausfindig zu machen, verlagsüblich zu nennen und zu honorieren. Sollte uns dies im Einzelfall aufgrund der schlechten Quellenlage bedauerlicherweise einmal nicht möglich gewesen sein, werden wir begründete Ansprüche selbstverständlich erfüllen.Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Originalausgabe November 2023

Copyright © 2023: Mosaik Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlag: Sabine Kwauka

Umschlagmotiv: © Tara Wolff

Redaktion: Nina Schnackenbeck

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

KF/JE ∙ IH/ast

ISBN 978-3-641-31120-9V002

www.mosaik-verlag.de

INHALT

VORNEWEG

WOWIRSTEHEN

WASWIRWOLLEN

Wie die »Sarggeschichten« entstanden

SARAH, KATRINUNDDERTOD

WORTWAHLUNDFARBWAHL

Ansprache

Wer sind Zugehörige?

Farbige Überschriften, Zitate und Icons

1. BEVOREINMENSCHIMSTERBENLIEGT

WASKOSTETEINEBESTATTUNG?

Welche Posten kann es bei einer Bestattung geben?

Was sind Paketpreise?

Was ist eine Bestattungsvorsorge?

Wusstet ihr schon?

Warum ist das wichtig?

WARUMBRAUCHEICHEINEVORSORGEVOLLMACHT?

Was ist eine Patientenverfügung?

Wusstet ihr schon?

Warum ist das wichtig?

2. WENNEINMENSCHIMSTERBENLIEGT

WIEKANNMANSTERBENDEUNDZUGEHÖRIGEUNTERSTÜTZEN?

Praktische Hilfe und Tipps

Wusstet ihr schon?

Warum ist das wichtig?

SARAH: ÜBER DEN TOD HINAUS

WIEKANNMANSTERBENDEIMKRANKENHAUSBEGLEITEN?

Informationen teilen

Persönliches mitbringen

Abschied

Wusstet ihr schon?

Warum ist das wichtig?

WASISTEINHOSPIZ?

Wusstet ihr schon?

Warum ist das wichtig?

SARAH: KANNST DU DEN HIMMEL SEHEN?

3. NACHDEMEINMENSCHGESTORBENIST

WASPASSIERT, WENNDERTODEINTRITT?

Was geschieht mit dem Körper nach dem Tod?

Nähe zum Körper

Der Weg der Toten

Wusstet ihr schon?

Warum ist das wichtig?

SARAH: ZEIG MAL DEINE KLEINE ZEHE

WIEVERSORGTMANEINENVERSTORBENENMENSCHEN?

Die einzelnen Schritte der Totenfürsorge

Was tun bei Verletzungen?

Was bedeutet Versorgung im Bestattungsinstitut?

Was ist eine Einbalsamierung?

Wusstet ihr schon?

Warum ist das wichtig?

KATRIN: MIT WINZIGEN SCHRITTEN

WASISTEINEABSCHIEDNAHME?

Was könnt ihr bei einer Abschiednahme machen?

Abschiedsrituale

Abschiednahmen und Rituale in der Vergangenheit und heute

Wusstet ihr schon?

Warum ist das wichtig?

SARAH: SEIN ORANGEFARBENES LIEBLINGSHEMD

WASKANNICHSAGEN, WENNJEMANDGESTORBENIST?

Welche Worte trösten denn nun?

Überbringung einer Todesnachricht

Wenn man Trauer messen könnte

Wenn Betroffenheit belastet

Wusstet ihr schon?

Warum ist das wichtig?

KATRIN: WIE EINE LÄSTIGE MÜCKE

WASPASSIERTNACHEINEMPLÖTZLICHENTOD?

Was tun bei Verletzungen?

Abschiednahme bei verletzten Verstorbenen

Wusstet ihr schon?

Warum ist das wichtig?

SARAH: EIN STÖRRISCHER KLEINER WIRBEL

4. ABSCHIEDGESTALTEN

WASKÖNNTIHRBEIEINERFEUERBESTATTUNGMACHEN?

Fragen an die Leiterin eines Krematoriums

Wusstet ihr schon?

Warum ist das wichtig?

SARAH: DIE BRILLE AUF

WIEMACHEICHEINETOLLETRAUERFEIER?

Rituale individuell gestalten

Wusstet ihr schon?

Warum ist das wichtig?

SARAH: EINE FRAU, FÜNF KINDER UND ZWEI HUNDE

WIEGEHTEINABSCHIEDAUSDERFERNE?

Abschied mit Kontaktbeschränkung

Was, wenn es keinen Körper gibt?

Wusstet ihr schon?

Warum ist das wichtig?

SARAH: SIE KÜSSTE MEINE HÄNDE

FÜRWENISTSELBSTBESTIMMUNGBESONDERSWICHTIG?

Queere Menschen

Wusstet ihr schon?

Warum ist das wichtig?

WASKANNICHTUN, WENNEINBABYSTIRBT?

Was ist wichtig bei Totgeburten und bei Schwangerschaftsabbrüchen?

Wusstet ihr schon?

Warum ist das wichtig?

SARAH: KLEINER FUCHS

5. MITDERTRAUERLEBEN

WASBRAUCHENTRAUERNDEKINDER?

Das Verständnis vom Tod in verschiedenen Altersstufen

Was ist wichtig im Umgang mit trauernden Kindern?

Wusstet ihr schon?

Warum ist das wichtig?

KATRIN: AUCH DIE FÜSSE

WIEGIBTMANVERSTORBENENEINENPLATZIMLEBEN?

Was ist, wenn der Platz zu groß wird?

Wusstet ihr schon?

Warum ist das wichtig?

SARAH: GETROCKNETE ROSEN

WIELANGEDAUERTTRAUER?

Was ist Trauer eigentlich?

Trauer bei Suizid

Wusstet ihr schon?

Warum ist das wichtig?

KATRIN: MEIN LEBEN GING EINFACH WEITER

HINTENDRAN

Dank

In Gedenken an

Literaturverzeichnis

Weiterführende Links

Bildnachweis

Register

für Ralf

VORNEWEG

WO WIR STEHEN

Sterben. Tod. Trauer. »Damit beschäftigt man sich ja eigentlich nicht«, sagte letztens ein Journalist in einem Interview halb entschuldigend zu Sarah. Ja, so ist es meistens, man beschäftigt sich nicht damit, man beschäftigt sich nicht damit, man beschäf… – und dann stirbt jemand, und niemand weiß so genau, was zu tun ist, was man darf oder was man sich eigentlich wirklich für so einen Abschied wünscht.

Meistens geht alles sehr schnell: zu einem Bestatter gehen, Sarg aussuchen, sich zwischen Erde und Feuer entscheiden, eine Rednerin oder den Geistlichen bestellen. Und dann sitzt man nach der Bestattung da und fragt sich, ob das alles war.

Aber es geht auch anders. Eine Vorbereitung auf den Tod ist möglich. Nicht auf die Gefühle, die wir dann durchleben – die werden kommen, und wir werden ihnen ähnlich ausgeliefert sein wie dem Tod selbst. Aber auf das, was es zu gestalten gibt, darauf können wir uns vorbereiten.

Der Tod gehört zum Leben. So zumindest sagt man es immer. Und ja, Menschen sterben. Im Durchschnitt werden wir in unserer Lebenszeit zwei bis zehn nahestehende Personen verlieren und betrauern. Großeltern, Eltern, Geschwister, Partnerpersonen, Kinder, befreundete Menschen und Personen, mit denen wir arbeiten. In manchen Familien- oder Freundeskreisen gibt es mehr Todesfälle als Geburten, werden mehr Trauerfeiern veranstaltet als Hochzeiten gefeiert.

Abschiede ziehen sich durch unser Leben, aber wie wir damit gut umgehen können, dazu gibt es keine Anleitung. Und wir haben Angst davor. Mit dem Tod fühlen wir uns oft allein. Dabei betrifft er uns doch alle. Wäre es da nicht wichtig, zu wissen, was möglich ist? Wie der Abschied gestaltet werden kann? Denn wir haben oft mehr Angst vor Dingen, die wir nicht kennen, und fühlen uns hilflos, wenn wir nichts tun können. Aber dieser Angst können wir begegnen und lernen, mit ihr umzugehen.

Die Gefühle, die mit einem Verlust einhergehen, benötigen viel Energie. Dann im Moment des Abschieds das erste Mal davon zu hören, dass man einen Verstorbenen eine Zeit lang auch zu Hause behalten kann, spontan entscheiden zu müssen, ob man die Mutter selbst anziehen will oder sie im Sarg noch einmal zu ihrem Lieblingswald gefahren werden soll – das kann eine große Überforderung sein. Es kann dazu führen, dass Dinge nicht geschehen, die eigentlich schön wären. Besonders dann, wenn es keine Begleitenden an der Seite gibt, die Möglichkeiten aufzeigen und Raum und Zeit dafür geben.

WAS WIR WOLLEN

Wir sind Sarah Benz und Katrin Trommler. Gemeinsam machen wir das Kurzfilmprojekt »Sarggeschichten«. Wir wollen euch in diesem Buch erklären, was wir alles gestalten können, wenn ein uns wichtiger Mensch stirbt und beerdigt werden muss. In achtzehn Kapiteln erhaltet ihr Einsicht in verschiedene Stationen des Abschieds, vom Sterbebett über die Abschiednahme bis hin zur Trauerfeier und der Erinnerung an die Verstorbenen. Es werden Fachleute zu Wort kommen, und wir haben Menschen gebeten, von ihren persönlichen Erfahrungen zu berichten. Ihr werdet auch unsere Geschichten erfahren und was uns dazu gebracht hat, dieses Buch zu schreiben.

Als die »Sarggeschichten« in die Welt gingen, bekamen wir häufig Feedback wie: »Oh, das hätte ich alles tun können, als mein Vater starb? Hätte ich das doch schon eher gewusst.« Das hat uns darin bestärkt, weiterzumachen, zu informieren und zu ermutigen, Abschiede von nahen Menschen selbstbestimmt zu gestalten. Manchmal schreiben uns nun Leute, dass sie sich getraut haben, die Urne ihres Opas zu tragen oder dass sie ihre Mutter nach dem Tod gewaschen haben, weil sie es in unseren Filmen so gesehen haben. Familien reden darüber, was sich jeder für seinen Tod wünscht. Dabei entstehen verbindende Gespräche. Das sind für uns die schönsten Momente, deshalb machen wir die »Sarggeschichten«, und deshalb schreiben wir darüber.

Wie die »Sarggeschichten« entstanden

Sarah

»Vor ungefähr neun Jahren entstand die Idee zu den ›Sarggeschichten‹. 2014 arbeitete ich in einem Stadtteilzentrum. Ich bot Veranstaltungen zum Thema ›Sterben und Trauer‹ an und lernte dabei Jan Möllers kennen, Bestatter bei memento Bestattungen. Uns verband der Wunsch, die Themen Sterben, Tod und Trauer näher an die Menschen heranzubringen. Im Sommer 2015 hatte ich die Idee, kleine Kurzfilme zu drehen und damit einen YouTube-Kanal zu starten. Jan war sofort dabei, und bei unserem ersten Ideensammeln hatten wir schnell über zwanzig Themen zusammen, zu denen wir gerne arbeiten wollten. Das Problem: Wir hatten kein Geld und auch nur wenig Ahnung vom Filmen.

Filmdreh bei den »Sarggeschichten«

© Archiv der Autorinnen

Der Zufall kam uns zu Hilfe. Eine Bekannte, der ich von der Filmidee erzählt hatte, traf Dr. Thomas Sitte, Vorsitzender der Deutschen PalliativStiftung, der ebenfalls nach Möglichkeiten suchte, die Themen Sterben und Tod den Menschen näherzubringen. Sie sprach ihn an, erzählte von unserer Idee und stellte den Kontakt her. Die PalliativStiftung bot uns eine Anschubfinanzierung an, mit der wir neun Filme drehen konnten. Die ›Sarggeschichten‹ waren geboren.

Vor allem wollten wir den Menschen zeigen, welche Gestaltungsmöglichkeiten sie haben, wenn jemand stirbt. Außerdem war es uns wichtig, eine neue Bildsprache zu kreieren. Wir wollten etwas anderes zeigen als bedrückende Alleen, Blumen auf Gräbern, düstere, gedeckte Farben und getragene Musik. Es sollte bunt werden und lebendig. Der rote Sarg, auf dem ich moderiere, wurde zum Symbol des Projektes. Rot sagt ›Achtung, das ist wichtig!‹ Rot ist auch die Farbe der Liebe und ein guter Kontrast zu Schwarz und Grau.

Kurze Zeit später kam Karen Admiraal dazu und erweiterte für einige Jahre das Team. Heute arbeitet sie als Bestatterin in den Niederlanden.

Viele Menschen unterstützen die ›Sarggeschichten‹, indem sie ihre Geschichten teilen, beim Organisieren der Filmproduktion helfen, Equipment zu den Drehorten tragen, Veranstaltungen vorbereiten, die Webseite bauen und uns inhaltlich beraten. Ebenso teilen viele die ›Sarggeschichten‹ und tragen sie so in die Welt. Zu unserer großen Freude werden sie auch in der Fort- und Weiterbildung eingesetzt, zum Beispiel in der Pflege, Seelsorge, der Hospizarbeit und im Bestattungswesen. All diesen wunderbaren Menschen, die uns unterstützen und unterstützt haben, sind wir sehr dankbar für ihre gute Energie!

Sarah, Jan und Karen beim Filmdreh einer »Sarggeschichte«

© Archiv der Autorinnen

Katrin stand von Anfang an als Protagonistin zur Verfügung und teilte ihre Erfahrungen um den Tod ihres Bruders und den ihrer Tochter.

Als die Stiftung das Projekt nicht länger finanzieren konnte, gründeten Jan und ich 2017 den Verein Sarggeschichten e. V. Katrin wurde die Dritte im Vorstand.

Ab dem Zeitpunkt waren die ›Sarggeschichten‹ auf Spenden angewiesen. Erst war unsicher, ob das Projekt würde allein überleben können – aber es funktionierte, und so konnten weitere Filme entstehen, die durch unseren YouTube-Kanal und unsere Webseite allen Menschen zugänglich sind.

Katrin und unsere Filmerin Katinka Zeuner beim Filmdreh

© Archiv der Autorinnen

An alle Personen, die uns mit ihrer Spende unterstützt haben und weiterhin unterstützen, geht unser großer Dank!

Die vielen Kommentare und Fragen, die wir über unsere Social-Media-Seiten bekommen, besonders über den von mir geführten Twitterkanal @sarggeschichten, zeigen, wie wichtig es ist, offen über die Themen Sterben, Tod und Trauer zu sprechen. Es gibt viel Unwissen, Hilflosigkeit und viele Ängste, und dabei ist es so einfach, etwas dagegen zu tun. Informationen geben Sicherheit, und dann können Menschen Entscheidungen treffen und handlungsfähig werden.«

Das wichtigste Anliegen der »Sarggeschichten« ist es, Menschen Mut zu machen, Dinge zu gestalten, wenn der Tod ins Leben tritt. Deshalb sind wir so glücklich, dass es dieses Buch gibt. Ein Mutmachbuch für eine Zeit im Leben, in der Menschen geschwächt und verletzlich sind; für eine Zeit, in der es hilfreich sein kann, wenn man vorher schon einmal darüber nachgedacht hat, was geschehen soll, wenn jemand Wichtiges stirbt und verabschiedet werden muss.

SARAH, KATRIN UND DER TOD

Uns beide verbindet eine lange Geschichte. In unserem Leben sind viele wichtige Menschen gestorben. Die Art, wie wir Abschied genommen haben, hat sich über die Jahre sehr verändert. Wir haben viel gemeinsam gelernt und sind daran gewachsen. Nicht zuletzt aus diesen Erfahrungen entstand die Motivation für dieses Buch.

Wir waren neun Jahre alt, als wir uns kennenlernten. Sarah kam damals neu in die Klasse. Wir freundeten uns an und verbrachten viele Nachmittage zusammen. Oft spielten wir zu dritt mit Katrins großem Bruder Ralf. Später, als wir schon aufs Gymnasium gingen, zog Katrin ans andere Ende von Berlin und wechselte die Schule. Wir besuchten uns regelmäßig. Der Kontakt zwischen Sarah und Ralf wurde intensiver. Die beiden wurden ein Paar.

Zur gleichen Zeit erkrankte Katrins Vater schwer. Sie war gerade siebzehn.

Katrin

»Ich erinnere mich an die ersten Symptome. Er wurde schwach, war verwirrt und unzurechnungsfähig. Mein kluger, starker Papa sackte förmlich in sich zusammen. Er vermischte Traum und Realität, Vergangenheit und Gegenwart.

Als sich der körperliche und geistige Verfall dramatisch beschleunigte, erfuhren meine Mutter, mein Bruder und ich von der unheilbaren Erbkrankheit, die sich seit Generationen unbemerkt durch unsere Familie zog, eine Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit. Vom Auftreten der ersten Symptome bis zum sicheren Tod bleiben sieben bis höchstens vierundzwanzig Monate.

Meinem Papa ging es immer schlechter, und er musste ins Krankenhaus eingewiesen werden. Als ich ihn dort das erste Mal besuchte, war ich völlig unvorbereitet. Nur mühsam erkannte ich ihn hinter dem blassen, ausgemergelten Schatten, der dort im Bett lag.

Ich wusste nicht, wohin mit meinen Gefühlen, meinen Zweifeln und meinen Ängsten. Ich wollte einfach nicht wahrhaben, dass er sterben würde. Meine Mutter versuchte, uns Kinder zu schützen, und riet uns, unseren Vater nicht mehr im Krankenhaus zu besuchen. Wir sollten ihn so in Erinnerung behalten, wie er einmal war. Diesen Rat nahmen wir an und sahen ihn nie wieder.

Wochen vergingen, mein sterbender Vater existierte nur als surrealer, angstvoller Gedanke. Ich habe ihn verschwiegen, verdrängt, und er starb schließlich, ohne dass ich mich von ihm verabschiedet hatte, in der Klinik. Ich war nicht bei ihm, als er starb, habe nicht seinen toten Körper berührt. Auch nach seinem Tod fragte niemand, ob wir ihn noch mal sehen wollten.

Das alles nicht erlebt zu haben, tut weh. Bis heute fehlt mir der Abschied von meinem Papa sehr. Er hatte sich für mich wie in Luft aufgelöst und war plötzlich einfach nicht mehr da. Ich fühlte mich von ihm verlassen. Es hatte kein ›Lebe wohl‹ oder ›Ich liebe dich‹ gegeben. Ich konnte seinen Tod nicht begreifen.

Bei der Trauerfeier sah ich dann seine Urne neben dem Rednerpult stehen, aber eine Verbindung zu meinem Vater spürte ich nicht. Ich saß neben meiner Mutter, daneben Sarah und mein Bruder Ralf. Wir saßen alle eng nebeneinander, aber es entstand keine Nähe. Alle fühlten sich allein. Ich war wie benebelt und habe nur schemenhafte Erinnerungen an diesen Tag. Alles war verschwommen und die Geräusche verzerrt. Ich fühlte mich unfähig, etwas zu fühlen, alles war wie eingefroren.«

Der Trauerredner erzählte etwas vom Erbe des Vaters an die Kinder. Sarah wurde übel. Sie hielt Ralf an der Hand und musste die ganze Zeit an die Krankheit denken. In Katrins Familie wurde selten über Gefühle gesprochen. Dadurch herrschte eine große Verkrampfung, und alle waren sehr unsicher. Aus Angst, das Falsche zu sagen, breitete sich bleiernes Schweigen aus.

Die Zeit verging, und der Alltag überdeckte die Hilflosigkeit, machte das Schweigen aushaltbarer.

Ein halbes Jahr später trennten sich Sarah und Ralf, blieben aber durch eine Freundschaft verbunden. Der Gedanke an die Erbkrankheit ließ Ralf nicht los. Er machte einen Gentest. Er war positiv. Auch er würde irgendwann in der Mitte seines Lebens, vielleicht mit fünfzig, vielleicht später, an dieser Erkrankung sterben. Bis dahin wollte er bewusst leben. Er verliebte sich neu, es ging ihm gut. Mit seiner Freundin reiste er nach Australien, ein lang gehegter Traum.

Ralf war dreiundzwanzig, als die ersten Ausfälle begannen. Er klagte über Erschöpfung, Gedächtnislücken und ging zu verschiedenen Ärzten. Langsam kam ein Verdacht auf, den sich keiner traute auszusprechen. Eine Untersuchung in einer Spezialklinik bestätigte die böse Ahnung: Die Krankheit war ausgebrochen. Viel zu früh. Katrin fuhr zu Sarah, um ihr die Nachricht zu überbringen.

Sarah

»Wir versuchten, uns mit einer Flasche Rosé zu betrinken, saßen auf dem Teppich und weinten. Noch war uns nicht klar, was uns erwartete, aber wir wussten, es würde mit Ralfs Tod enden.

Ich kann nicht sagen, ob es durch die Gewissheit seines Todes einfacher war, aber ich habe nie gehadert oder gehofft, er würde nicht sterben, weil es einfach so klar war. Es gab nur eine Richtung, in die es ging. Ich habe nur dafür gebetet, dass wir alles schaffen, was auf uns zukommen würde.

Anfangs blieb Ralf noch in der WG wohnen, in die er mit Katrin gezogen war. Seine Mutter, seine Freundin, Katrin und ich waren fast immer da. Eine Pflegekraft kam zur Unterstützung. Wir alle erlebten den rapiden Verlauf der Krankheit, die unerbittlich fortschritt. Ralf hatte geistige Aussetzer, er verlor Erinnerungen und Worte. Auch körperlich baute er ab, konnte bald nicht mehr laufen und erlebte große Unruhezustände. Die Pflege zu Hause wurde unmöglich.

Ein Hospizplatz wurde frei. Das war eine große Entlastung für uns und doch so schmerzlich aufgrund der Endgültigkeit. Von da an wechselten wir uns an Ralfs Bett ab. Wir gingen über unsere Grenzen, aber es ist erstaunlich, was der Körper schafft, wenn er muss.

Wir waren alle bei ihm, als Ralf starb.

Nach Ralfs Tod, dem Abschied und der Trauerfeier kam die große Erschöpfung. Jede von uns kämpfte auf eigene Weise mit ihrem Verlust.«

Katrin

»Ich trauerte leise und flüchtete vor dem Schmerz in Aktivität. Ich suchte das Leben, ging auf Partys, feierte, versuchte mich zu spüren und bemühte mich um Normalität. Mir war es unangenehm, meine Trauer zu zeigen. Ich wünschte mir Anerkennung für meinen Verlust, hatte aber gleichzeitig Angst vor dem Mitleid der anderen. Ich beneidete Sarah, weil sie frei ihre Gefühle zeigen konnte.«

Sarah

»Ich lebte meine Trauer offen und intensiv. Diese Erfahrung hatte so viel mit mir gemacht, dass es für eine gewisse Zeit fest zu meiner Identität gehörte, Ralfs Sterben zu erwähnen. Ich musste darüber reden. Ich musste mich wieder in die Normalität zurückreden. Ich brauchte Raum für mich und meine Trauer. Ich wollte, dass sie gesehen wird. Die Welt musste doch wissen, dass sie einen wunderbaren Menschen verloren hatte.

Die Erfahrungen bei Ralfs Sterben machten mich mutiger, Dinge zu gestalten. Als meine Omi wenig später starb, haben meine Mama und ich sie gewaschen und angezogen, weil ich gelernt hatte, dass man das machen kann.

Meine Großmutter starb in einem Pflegeheim. Die Pflegekraft, die uns an dem Tag begleitete, war erst verblüfft und sagte, in den letzten fünfzehn Jahren hätte sie es nie erlebt, dass Zugehörige ihre Verstorbenen selbst versorgen wollten. Aber sie freute sich über meine Bitte. Es war so schön, meine Omi noch einmal anzufassen und mich von ihrem Körper zu verabschieden. Es war auch verbindend für mich und meine Mutter, das gemeinsam zu tun. Wir zogen ihr ihr liebstes Nachthemd an und legten ihr ein Kreuz in die Hände. Das wäre ihr wichtig gewesen.

Im Laufe des Tages trafen die Geschwister meiner Mutter ein. Dann gab es eine Aussegnung, zu der auch viele Pflegende und Betreuungskräfte kamen, die meine Omi in den letzten Jahren begleitet hatten. Wir sangen, und es wurde ein Psalm aus der Bibel gelesen. Danach gab es Kaffee und Kuchen bei meiner Omi im Zimmer. Wir redeten, weinten oder saßen einfach nur da und schauten sie an.

Ich beobachtete, wie sie immer weiter wegging von uns. Zu Beginn des Tages war sie noch warm und weich gewesen. Über die Stunden veränderte sich ihr Körper langsam, die Totenstarre trat ein, und ihre Haut wurde kühler. Deshalb zog ich ihr noch ihre dicken Wollsocken an, denn sie hatte oft kalte Füße gehabt und sollte auch jetzt nicht frieren.

Die Mitarbeiterin des Heimes sagte, wir könnten noch bleiben, bis der Bestatter meine Großmutter in den Sarg gelegt hätte, aber ich hatte Sorge, dass er nicht schön mit ihr umgehen würde, und wollte lieber nach Hause gehen. Die Vorstellung, dass eine fremde Person meine liebevoll gebettete Omi aus dem Bett hebt, fühlte sich unbehaglich an. Ich wollte mich lieber so an sie erinnern, wie sie da gerade lag.

Heute denke ich: Wie gern hätte ich sie selbst in ihren Sarg gebettet und sie bis zum Schluss begleitet. Aber ich habe zu wenig gewusst und den Bestatter nicht einmal gesehen. Er hat nur mit meiner Mutter gesprochen und auch nur über die Abläufe.

Zu der Zeit studierte ich Sozialpädagogik und verfolgte meinen Traum, Musik zu machen. Ich hatte mit dreizehn begonnen, Texte und Melodien zu schreiben und zu komponieren und spielte mich teils solo, teils mit Band durch Berlins Kleinkunstszene. Es hat mir nach Ralfs Tod geholfen, Lieder und Gedichte über meine Trauer zu schreiben. Als ich den Musiker Scott Brazieal kennenlernte, lud er mich in die USA ein, um meine Stücke aufzunehmen. Mein erstes Album entstand in Portland/Oregon und ist eins der größten Geschenke, die ich in meinem Leben bekommen habe. Bis heute hege ich den Traum, ein zweites Album aufzunehmen. Und obwohl ich lange traurig war, Musik nicht zum Mittelpunkt meiner Arbeit gemacht zu haben, bin ich nun froh darüber. Ich habe das Gefühl, meine Arbeit ist sinnvoll, und ich tue sie gern und mit Leidenschaft. In meinem Herzen ist die Musik aber immer da. Ich verfolgte meine musikalischen Projekte weiter und singe manchmal auch auf Trauerfeiern.

Obwohl er nicht deutlich sichtbar schien, zog sich der rote Faden der Themen Tod und Trauer schon durch mein damaliges Berufsleben. Im sozialpädagogischen Kontext versuchte ich immer, den Themen Raum zu geben, sei es durch verschiedene Kurse und Workshops, die ich anbot, oder die Gründung eines Trauercafés, welches ich für acht Jahre leitete.

Im gleichen Jahr, als meine Omi starb, begann ich, mich in der Notfallseelsorge zu engagieren. Seitdem begleite ich ehrenamtlich Menschen in den ersten Stunden nach plötzlichen Todesfällen. Für einen Abschied bleibt da oft nur wenig Zeit. Ich erlebe, wie Verstorbene von der Gerichtsmedizin oder auch von Bestattungsunternehmen abgeholt werden, ohne dass die Zugehörigen genug Zeit haben, sich in Ruhe zu verabschieden.

Einmal starb ein junger Mann unerwartet, der seine schwangere Frau hinterließ. Als ich eintraf, hieß es, der Bestatter sei schon unterwegs, um den Verstorbenen abzuholen. Die junge Frau wollte sich aber noch von ihrem Mann verabschieden. Ich nahm an, dass der Bestatter nicht lange bleiben würde, und überlegte, wie ich mehr Zeit für die Trauernde gewinnen könnte. Dann kam ein ruhiger, gemütlicher Mann durch die Tür. Er dirigierte die Fahrer, die schon darauf warteten, den Toten ins Auto zu laden, in die Küche und erklärte, wir bräuchten erst einmal Zeit.

Gemeinsam betteten wir den Verstorbenen auf die Trage, da ein Sarg nicht durch das Treppenhaus passte. Die Ehefrau bat mich, ein Foto von ihrem Mann zu machen. Sie holte eine Kamera und drückte sie mir in die Hand. Ich fotografierte erst zögerlich, dann mutiger. Die Ehefrau streichelte ihrem Mann über das Gesicht. Sie wünschte sich ein Lied. Gemeinsam sangen wir ›Der Mond ist aufgegangen‹.

Ich hatte einen Kloß im Hals, denn ich mag dieses Lied sehr. Es wich auf einmal alle Hektik aus der Situation, tiefe Ruhe breitete sich aus. Die Frau hielt ihren Mann im Arm. Als sie bereit war, zog sie am Ende sogar den Reißverschluss der Trage zu.

Erst dann gebot der Bestatter den beiden Fahrern, wieder ins Zimmer zu kommen, und sie trugen den Toten hinaus.

So etwas hatte ich noch nie erlebt. Ich wollte wissen, wer dieser Mensch war, der sich so gegen alle gängigen Abläufe stemmte. Es war drei Uhr nachts, und ich bat den Bestatter, mich heimzufahren. Uller Gscheidel hatte eigentlich einen anderen Weg, aber er tat es trotzdem – und wurde mein erster Kontakt in mein späteres Arbeitsfeld als Bestatterin. Über ihn lernte ich ein ganzes Netzwerk von Menschen kennen, die sich alle dafür engagieren, die Trauerkultur in Deutschland zu reformieren. Er ist heute ein sehr geschätzter Kollege.«

Katrin

»Während dieser Zeit studierte ich in Dresden an der Kunsthochschule Kostümgestaltung. Durch meine Schneiderlehre an der Berliner Staatsoper hatte ich eine große Leidenschaft fürs Theater entwickelt. Mich fasziniert es, wie ich mit historischen Gewändern Kunstgeschichte fühlbar machen kann, und ich liebe es, Menschen durch fantasievolle Kostüme in eine andere Welt zu entführen.

Mit den eigenen Händen etwas erschaffen zu können, ist für mich besonders wichtig. Das kreative Arbeiten mit Stoffen und ganz unterschiedlichen Materialien hat für mich etwas sehr Lebendiges. Ich kann es anfassen, fühlen und mit allen Sinnen wahrnehmen.

Mein Studium war für mich wie ein Rausch, eine tiefe Freude, etwas über Themen zu lernen, die mich wirklich interessierten. Die Auseinandersetzung mit Kunst, Kultur und wie man gesellschaftliche Themen auf der Bühne sichtbar und fühlbar machen kann, fasziniert mich. Auch neben dem Studium durchlebte ich eine intensive Zeit, in der mein Leben pulsierte.

Ich wurde Gewandmeisterin und begann in der Kostümabteilung an verschiedenen Theatern zu arbeiten.

Durch unsere unterschiedlichen Studienorte hatten mein späterer Mann und ich über Jahre eine Fernbeziehung geführt. Nun wünschten wir uns mehr Nähe und wollten wissen, ob wir auch zusammenleben konnten. Wir zogen gemeinsam zurück nach Berlin. Unser Leben war bunt. Ich arbeitete freiberuflich für verschiedene Theater und gab Kurse an der Volkshochschule. Nach zehn Jahren Beziehung beschlossen wir zu heiraten, und nach einiger Zeit wurde ich schwanger.

Schon vor ihrer Geburt wurde bei unserer Tochter Clara ein Herzfehler diagnostiziert, der spätestens sechs Monate nach der Geburt operiert werden musste. Aus medizinischer Sicht ein Routineeingriff, so wurde es uns versichert.

Als sie auf die Welt kam, winzig klein und zart, schien alles schaffbar. Es gab so viele wundervolle Momente mit unserer hibbeligen, rothaarigen Tochter, die sich prima entwickelte. Mein Mann und ich haben es genossen, Eltern zu sein.

Aber da war auch immer die Angst vor der Herzoperation, die ja gemacht werden musste und die immer näher rückte. Ich werde nie ihre großen, blauen Augen vergessen, ihren Blick, mit dem sie uns ansah, als sie von uns weg in den Operationssaal gefahren wurde. So, als wollte sie fragen, warum das sein muss.

Clara überlebte die Operation nur um dreiundzwanzig Tage. Ihr Kreislauf brach mehrfach zusammen. Sie wurde erneut operiert, mehrmals, immer ohne Erfolg. Irgendwann war es aussichtslos, dass sie mit ihrem kranken Herzen weiterleben konnte.«

Sarah

»Wir haben telefoniert an dem Abend, als klar war, dass Clara sterben würde. Ich wollte Katrin ein paar Dinge an die Hand geben, die sie und ihr Mann nach ihrem Tod tun konnten. Ich sagte ihr: ›Du musst jetzt nicht entscheiden, ob du das machst, du sollst es einfach nur hören.‹ Dann erzählte ich davon, dass sie Clara anziehen und auf den Arm nehmen könnten und dass es auch möglich sei, noch ein Foto von ihr zu machen.«

Katrin

»Mein Mann und ich waren bei ihr, als die lebenserhaltenden Maschinen abgestellt wurden. Wir hielten ihre Händchen, als sie starb.

Später zogen wir ihr ein rotes Kleidchen an, in dem wir sie gerne gesehen hatten, und hielten sie auf dem Arm. Es wurde ein sehr inniger Abschied, an den ich mich mein Leben lang erinnern werde.

Als Sarah mir gesagt hatte, wir könnten Fotos von Clara nach ihrem Tod machen, hatten wir die Idee absurd gefunden. Ich war froh, dass sie uns diesen Gedanken mitgegeben hatte, denn als wir Clara im Arm hielten, entschieden wir uns anders. Die Bilder, die damals entstanden, sind mir heute sehr wichtig.

Später betteten wir zusammen mit der Bestatterin Clara in ihren Sarg, begleiteten ihre Kremation und gestalteten die Trauerfeier ganz nach unseren Vorstellungen. Ich wünschte mir von Sarah, dass sie mein liebstes Kinderlied singt.

Wenn ich unter Menschen bin, kann ich belastende Gefühle nicht gut zeigen. Diesmal wollte ich aber weinen und dem Schmerz um meine Tochter Raum geben. Zu Sarahs Musik liefen Bilder von Clara auf einer Leinwand. Ihr ganzes kleines Leben fächerte sich vor uns auf. Ich fühlte große Dankbarkeit für dieses ihr Leben und gleichzeitig unendliche Traurigkeit, dass sie nun fort war.

Clara hatte uns gezeigt, wie es ist, Eltern zu sein. Den Traum von einer Familie wollten mein Mann und ich nicht aufgeben, und wir wünschten uns ein zweites Kind.

Eineinhalb Jahre nach Claras Tod kam unser erster Sohn zur Welt. Ich habe mich erst nicht getraut, ihn zu lieben, weil ich Angst hatte, auch ihn zu verlieren. Es brauchte Zeit, bis ich dem Leben wieder vertrauen konnte. Unser Sohn war gesund. Ein fröhliches Baby. Langsam stellte sich wieder ein Alltag ein.«

Sarah

»Ein Jahr später wurde mein bester Freund Thomas immer öfter krank und schien sich nicht mehr zu erholen. Er war für meine Familie wie ein Ziehkind, und wir waren besorgt. Thomas erfuhr, dass er HIV-positiv war.

Ich habe geweint, als er es mir sagte. Ich nahm an, ich würde also auch ihn begraben, aber ich glaubte, das würde vielleicht in zwanzig oder dreißig Jahren sein. Leider irrte ich mich. Sein Zustand verschlechterte sich zusehends. Im engsten Freundeskreis wechselten wir uns mit seiner Betreuung ab.

Wir haben ihn angefleht zu essen, aber er wurde immer dünner und schwächer. Schließlich brachten wir ihn ins Krankenhaus in der Hoffnung, dass ihm geholfen würde. Aber auch dort war man hilflos, und keine Therapie schlug an. Er starb unerwartet schnell.

Alle kamen nach seinem Tod, standen um sein Bett herum und verabschiedeten sich. Wir haben geweint, ihn gestreichelt und gemeinsam gesungen. Er hat das Singen so geliebt.

Ich rief die Bestatterin an, die Clara beerdigt hat. Sie sorgte dafür, dass wir alles machen konnten, was wir brauchten. Ich konnte ihn mit ihr aus dem Krankenhaus abholen, ihn gemeinsam mit ihr waschen und anziehen. Die Trauerfeier gestalteten der Freundeskreis und die Familie gemeinsam, es gab Reden und Musik, und ich trug die Urne, auf die wir vorher bunte Ringe gemalt hatten, zum Grab. Gemeinsam mit Thomas’ Mutter, seinem besten Freund und seiner besten Freundin senkten wir die Urne ins Grab.

Es war anstrengend, aber wir waren alle froh, dass wir so viel tun konnten.

All das ging, weil ich wusste und immer wieder erzählte, was möglich ist, weil wir alle miteinander redeten und Ideen teilten.

Thomas starb im selben Jahr, in dem die ›Sarggeschichten‹ ihren Anfang nahmen. Es hat mich sehr gestärkt, dass ich bei seinem Abschied schon so genau wusste, was wir alles machen konnten. Und ich wollte, dass viel mehr Menschen von ihren Möglichkeiten erfahren und ermutigt werden, ihre Abschiede selbst zu gestalten.«

Katrin

»Ich war stolz, das dritte Gründungsmitglied für den gemeinnützigen Verein Sarggeschichten e. V. sein zu dürfen. Meine Geschichten in den Kurzfilmen zu erzählen, gab mir Kraft. Ich hatte das Gefühl, anderen Menschen damit Hoffnung und Trost spenden zu können. Der Tod meiner nahen Menschen gewann dadurch an Bedeutung. Es fühlte sich an, als könnte ich meinen Verlusten auf diese Weise einen Sinn geben, als wären meine nahen Menschen nicht umsonst gestorben.

Meine Erlebnisse sind ein Teil von mir und machen mich zu dem Menschen, der ich heute bin. Durch das Teilen meiner Erfahrungen mit anderen Menschen fiel es mir leichter, das anzunehmen, es zu akzeptieren und daran zu wachsen.

Meine Mutter war die Einzige aus meiner Familie, die mir geblieben war. Wir verbrachten viel Zeit zusammen, und sie war mir eine große Unterstützung mit den Kindern. Inzwischen war mein zweiter Sohn geboren, und sie war mit Leib und Seele Großmutter. Ich stellte mir vor, wie ich sie im hohen Alter vielleicht einmal pflegen würde, und es war ein schöner Gedanke für mich. Leider wird es dazu nicht kommen.

Als die ›Sarggeschichten‹ bekannter wurden und erstmals mediale Aufmerksamkeit auf sich zogen, erkrankte meine Mutter an Krebs.

Das aggressive Wachstum der Tumore wurde erst spät erkannt. Nur wenige Monate nach der Diagnose lag sie bereits im Sterben. Sarah war an meiner Seite und half mir bei der Suche nach einem Hospizplatz. Aber ihr Tod kam schneller als erwartet. In der letzten Nacht saßen wir zusammen am Bett meiner Mutter im Krankenhaus und lauschten ihren letzten schweren Atemzügen.

Es schien, als könnte sie in unserer Gegenwart nicht sterben. Erst als wir gingen, um selbst ein paar Stunden Schlaf zu finden, war es so weit. Sie starb in den frühen Morgenstunden.

Ich versorgte meine Mutter gemeinsam mit Sarah. Wir zogen sie an und nahmen mit der ganzen Familie von ihr Abschied. Am Ende des Tages kam Jan dazu, den ich gebeten hatte, meine Mutter zu bestatten.

Zusammen mit Sarah bettete er sie in einem separaten Raum in den Sarg. Ich war noch im Krankenzimmer und holte die Blumen, die ich dazulegen wollte. Eine Pflegerin sprach mich an und fragte: ›Wo ist denn deine Schwester? Ist sie schon im Raum bei eurer Mutter?‹ Eine Sekunde lang habe ich gestutzt, dann aber sofort gewusst, dass sie Sarah meinte. Ich musste lachen und gleichzeitig weinen. Schluchzend habe ich genickt und gesagt: ›Ja, meine Schwester ist schon in dem anderen Raum.‹

Meine ganze Herkunftsfamilie war jetzt tot, mein Vater, mein Bruder, meine Mutter, auch alle Großeltern, sogar meine Tochter. Aber ich hatte von diesem Moment an eine Herzens-Schwester.«

Sarah

»Katrin war die erste Person, die ich bei einer Totenfürsorge begleitet und unterstützt habe. Im Vorfeld hatte ich viel von Jan gelernt und auch bei anderen Bestattenden hospitiert und assistiert. Julian, der damals bei memento Bestattungen ein Praktikum absolvierte, fragte mich 2018, ob ich ihn bei Totenfürsorgen oder Trauerfeiern unterstützen wolle. So begannen wir, zusammen zu arbeiten, und bald darauf bot er mir an, eigene Begleitungen zu übernehmen. Zu dieser Zeit arbeitete ich als Dozentin für Kommunikation ohne Worte®, einem Trainingsprogramm für nonverbale Kommunikation mit sterbenden und demenzkranken Menschen. Ich liebe es, anderen Menschen neue Perspektiven aufzuzeigen, und unterrichte leidenschaftlich gern. Die praktische Arbeit erfüllte mich auf einer anderen Ebene, und ich merkte schnell, dass sie meine Arbeit als Dozentin sehr bereicherte. Mittlerweile unterrichte ich auch verschiedene Trauer- und Bestattungsthemen, was wiederum zu einer verstärkten Reflexion meiner praktischen Arbeit führt.

Ich begreife es als große Ehre, als Bestatterin den Menschen in einer Situation beizustehen, in der sie so verletzlich sind. Sie in die Lage zu versetzen, selbstbestimmt ihre Entscheidungen zu treffen und ihren Abschiedsprozess zu gestalten, gibt mir ein Gefühl tiefer Zufriedenheit.

An meine erste Begleitung kann ich mich noch gut erinnern. Der Mann war plötzlich gestorben, und seine Frau hat ihn mit uns angezogen und ihm die Haare gekämmt und ihn rasiert. Sie hat die ganze Zeit geweint, mit ihm geredet und ihn gestreichelt. Da war so viel Wärme und Liebe im Raum, das hat mich sehr bewegt. Beim Anziehen fiel ihr plötzlich auf, dass sie seine Socken vergessen hatte. Da hat sie einfach ihre eigenen ausgezogen und ihm angezogen.

Ich denke an den Sohn, der eine ganz schlechte Beziehung zu seinem Vater gehabt hatte. Aber er wollte ihn nach seinem Tod unbedingt selbst versorgen und in den Sarg legen. Dabei sagte er ihm alles, was ihn belastet hat. Danach breitete sich eine ganz große Ruhe in ihm aus, und er konnte sich plötzlich liebevoll dem Vater zuwenden, auf den er doch eigentlich eine große Wut gehabt hatte.

Das sind Momente, in denen ich merke, wie viel es in Menschen bewegen kann, wenn sie die Möglichkeit bekommen, so Abschied zu nehmen, wie sie es gerne möchten. Wenn ich dafür einen Raum geben kann, macht mich das sehr froh.«

Unsere Beziehung ist durch unsere Verluste und die Auseinandersetzung mit ihnen über die Jahre tiefer geworden. Bei jedem Abschied haben wir etwas dazugelernt. Die Möglichkeit zu haben, unsere Verstorbenen anzusehen, zu versorgen, zu streicheln, ihnen etwas vorzusingen oder etwas in den Sarg mitzugeben, war für uns hilfreich, um zu verstehen, dass sie tot sind. Begreifen hat etwas mit Anfassen zu tun. Fürsorglich mit den Verstorbenen umzugehen, ist auch eine Möglichkeit zu spüren, dass sie wichtig sind und wichtig bleiben – auch, wenn sie tot sind. So kann man fühlen, dass eine Verbindung da ist, die über den Tod hinausgeht.

Wichtig ist, selbst entscheiden zu können, ob und auf welche Weise wir unseren Verstorbenen begegnen. Für die allermeisten Menschen ist es hilfreich, ihre Verstorbenen noch einmal zu sehen und zu berühren, aber es gibt auch jene, für die es keine Rolle spielt oder die sich bewusst dagegen entscheiden. Jeder Mensch spürt seine Bedürfnisse selbst am besten.

Wichtig ist, dass wir alle eine Wahl haben. Und eine Wahl gibt es nur dann, wenn uns die unterschiedlichen Möglichkeiten bekannt sind.

Wenn Menschen sich auf einen Todesfall vorbereiten, plötzlich mit einem Abschied konfrontiert sind oder einfach mehr über das Thema wissen möchten, werden sie in diesem Buch Informationen, Anregungen und Hilfe finden.

WORTWAHL UND FARBWAHL

Ansprache

Es ist uns wichtig, mit diesem Buch alle Menschen anzusprechen. Darum versuchen wir vorwiegend neutrale Bezeichnungen für Personengruppen zu finden und verwenden verschiedene Geschlechtsbezeichnungen im Wechsel. Das heißt, in diesem Buch treten zum Beispiel sowohl Bestatter auf als auch Bestatterinnen als auch bestattende Personen. In der Mehrzahl sprechen wir von Bestattenden. Wenn wir von verstorbenen Menschen oder Personen sprechen, von Freundinnen oder Kollegen, sind stets alle Geschlechter gemeint, auch nicht binäre Menschen. Wir verzichten für eine bessere Lesbarkeit auf Sternchen und Doppelpunkte.

Wer sind Zugehörige?

Wir sprechen in den »Sarggeschichten«-Filmen und in diesem Buch von »Zugehörigen«. Manchmal wundern sich Leute über dieses Wort. Die meisten Menschen kennen den Ausdruck »Angehörige«, wenn von Familienmitgliedern einer kranken oder sterbenden Person gesprochen wird. Aber wer genau ist eigentlich damit gemeint?

Im Strafgesetzbuch zählen zu den Angehörigen nur Personen, die in gerader Linie verwandt oder verschwägert sind. Das sind: Eltern, Kinder, Pflegeeltern und Pflegekinder, Geschwister, Verheiratete, Verlobte und Verschwägerte.

Unser Verständnis von Partnerschaften, Freundschaften und Beziehungen ist aber mittlerweile deutlich vielfältiger. Wir leben in tiefer Verbundenheit mit einem oder mehreren Menschen ganz ohne rechtlichen Rahmen, in Lebenspartnerschaften, in offenen Beziehungen, als Geliebte, Freundinnen, Kollegen oder Bekannte. Manche Menschen stehen beispielsweise ihren Wahlfamilien und ihrem Freundeskreis näher als ihren Blutsverwandten.

Wir möchten also mit dem Wort »Zugehörige« alle Menschen ansprechen, die eine wichtige Verbindung zu einem anderen Menschen haben.

Farbige Überschriften, Zitate und Icons

Innerhalb der Kapitel werden wir über persönliche Erfahrungen zu den jeweiligen Themen sprechen, oder andere Menschen kommen zu Wort. Damit ihr erkennt, welche Person spricht, ist der Text von Sarah grün und der von Katrin blau. Beiträge von anderen Menschen sind beige unterlegt, und Interviews stehen auf grauem Hintergrund.

Zwischen den Sachkapiteln findet ihr Kapitel, in denen wir besondere Geschichten von uns und nahestehenden Personen mit euch teilen.

Das Symbol mit der Weltkugel dient als Hinweis, dass ihr zu einem bestimmten Thema weiterführende Links im Anhang findet.

1. BEVOR EIN MENSCH IM STERBEN LIEGT

WAS KOSTET EINE BESTATTUNG?

Viele Leute wollen wissen, wie viel eine Bestattung kostet, aber das lässt sich gar nicht so einfach sagen. Die Preisspanne bei Bestattungen ist riesig, und nach oben gibt es keine Grenzen. Es spielt eine Rolle, wie viel Begleitung ihr euch wünscht, was ihr selbst machen wollt und welche Produkte ihr auswählt. Die Höhe der Kosten ist nicht nur davon abhängig, wie aufwendig ihr die Beisetzung oder die Trauerfeier plant, auch Ämter und Urkunden müssen bezahlt werden. Dabei gibt es regionale Unterschiede. Je nachdem, wo in Deutschland ihr bestatten möchtet, kann es also teurer oder günstiger sein.

Über die Details der Kosten für eine Bestattung wird wenig gesprochen. Aber es ist hilfreich zu wissen, was alles zu einer Bestattung dazugehört und welche Posten konkret anfallen können. Da jedem einzelnen Kostenpunkt wieder unterschiedliche Preise zugrunde liegen, können wir keine genauen Zahlen nennen. Wir wollen jedoch zeigen, welche Kostenpunkte in jedem Fall auf euch zukommen, was für eine Bestattung unserer Meinung nach nicht zwingend nötig ist und was ihr selbst machen könnt.

Neben einem angemessenen Preis gibt es bei der Wahl des Bestattungsunternehmens aber auch noch andere Dinge, die ihr beachten solltet. Wir sprechen über die Fragen, die wirklich wichtig sind.

Welche Posten kann es bei einer Bestattung geben?

Es gibt bestimmte Dinge, die ihr bei einer Bestattung immer bezahlen müsst. Und es gibt Posten, bei denen ihr euch aussuchen könnt, ob ihr diese Leistung in Anspruch nehmen möchtet oder nicht.

Im Folgenden wollen wir die unterschiedlichen Posten genauer erklären.

1. Leichenschau

Wenn ein Mensch nicht im Krankenhaus gestorben ist, muss eine Ärztin oder ein Arzt gerufen werden, um die erste Leichenschau durchzuführen. Anschließend wird der Totenschein, manchmal auch Leichenschauschein genannt, ausgestellt. Die Kosten dafür trägt nicht die Krankenkasse, denn die ist nur zuständig, solange der Mensch am Leben ist. Die Kosten für Anfahrt und Arbeitszeit müssen also die Zugehörigen bezahlen. Oft ist das dem medizinischen Personal unangenehm, und sie geben die Rechnung an die Bestattungsunternehmen weiter. Der Preis für die erste Leichenschau erscheint deshalb oft als Kostenpunkt auf der Rechnung für die Bestattung, obwohl die Bestattenden damit gar nichts zu tun haben.

Bei einer Kremation erfolgt noch eine zweite Leichenschau, die über die Kremationskosten vom Krematorium verrechnet wird.

2. Transport

Wenn ein verstorbener Mensch transportiert wird, sind dafür nur Fahrzeuge mit einer besonderen Ausstattung zugelassen. Die Haltung des Fahrzeugs, Treibstoff und Fahrtzeiten zählen zu den Bestattungskosten.

Ein Transport erfolgt zum Beispiel vom Sterbeort in die Kühlräume eines Bestattungsunternehmens. Von dort gibt es eine weitere Überführung (so wird die Beförderung von Verstorbenen genannt) zum Friedhof oder ins Krematorium. Auch der Transport der Urne vom Krematorium zum Friedhof wird berechnet. Bei einer Überführung mit dem Flugzeug sind besondere Anforderungen und Anträge nötig.

Julian und Sarah im Thanatos-Bestattungsbus

© Archiv der Autorinnen

3. Totenfürsorge

Die Totenfürsorge ist die Pflege des verstorbenen Körpers. Einige Bestattende nennen es auch »hygienische Totenversorgung«. Hier gibt es große Unterschiede, was das bei den jeweiligen Bestattungsunternehmen bedeutet. Einige arbeiten sehr funktionell und sachlich. Bei anderen steht liebevolle Zuwendung im Vordergrund. Fragt nach, wenn ihr wissen wollt, was euer Bestattungsunternehmen genau mit eurem Verstorbenen oder eurer Verstorbenen macht. Gesetzlich vorgeschrieben ist eine Versorgung nicht.

Totenfürsorge

© Wolff, Tara

Am Schluss der Versorgung wird die verstorbene Person in den Sarg gebettet. Für das Versorgen und Einbetten sollten mindestens zwei Personen zur Verfügung stehen.

4. Sarg

Einen Sarg braucht ihr in jedem Fall. Für muslimische Beisetzungen gibt es extra Regelungen. Bei einer Feuerbestattung wird der Körper bis zur Kremation im Sarg aufbewahrt. Das Material des Sarges wird außerdem bei der Einäscherung als Brennstoff benötigt. Vom einfachen Kiefernsarg bis zum luxuriösen Eichensarg gibt es alles zu kaufen.

Einfacher Kiefernsarg

© Bade Hamburg Bestattungsbedarf

Sarg mit Beschlägen

© Bade Hamburg Bestattungsbedarf

Korbsarg

© Bade Hamburg Bestattungsbedarf

Auch umweltfreundliche Särge aus gepresster und veredelter Zellulose können für eine Feuerbestattung verwendet werden. In den Niederlanden gibt es einen Sarg für Erdbestattungen, der aus Pilzgeflechten besteht und Giftstoffe im Körper, zum Beispiel von einer Chemotherapie, neutralisieren kann.

Ihr könnt einen Sarg auch selbst bauen. Das ist nicht ganz einfach, da es einige Vorgaben gibt, die zu beachten sind, aber es ist möglich. Mehr Informationen dazu findet ihr im Internet. Eine Liste unserer Links findet ihr im Anhang.

5. Innenausstattung des Sarges und Kleidung

Die Innenausstattung des Sarges, Decken und Kissen, aber auch die Kleidung für den verstorbenen Menschen müsst ihr nicht vom Bestatter kaufen. Ihr könnt eigene Sachen nehmen. Manche Krematorien empfehlen Kleidung aus Baumwolle für eine schadstoffärmere Verbrennung. Das solltet ihr vorher mit eurem Bestattungsunternehmen besprechen. Grundsätzlich sind natürliche Materialien wie Wolle, Leinen, Seide, Hanf und Baumwolle umweltfreundlicher, da sie sich rückstandslos zersetzen und die Umwelt nicht belasten.

Sarg mit eigener Bettwäsche und Kleidung

© Archiv der Autorinnen

6. Kühlung

In der Zeit bis zur Bestattung oder Kremation muss der Körper der verstorbenen Person gekühlt werden. Er wird bei etwa sechs Grad in einer Kühlung gelagert. Das sind speziell dafür ausgerüstete Räume, in denen die Temperatur mit Kühlaggregaten rund um die Uhr stabil gehalten werden kann. Je nachdem, wie lange ein verstorbener Mensch bis zur Beisetzung in der Kühlung bleibt, fallen unterschiedlich hohe Kosten an.

Kühlraum für Särge (Filmstill)

© Filmstill Sarggeschichten e.V.

7. Abschiednahme

Einigen Zugehörigen ist es wichtig, noch Zeit mit dem verstorbenen Menschen zu verbringen. Zu Hause ist das, je nach Bundesland, 24 bis 48 Stunden möglich. In Bayern gibt es keine Frist. Stirbt ein Mensch im Krankenhaus oder Heim, können die Bestattenden ihn innerhalb dieser Frist nach Hause bringen.

Später ist eine Abschiednahme nur in geeigneten Räumlichkeiten wie in einer Kapelle oder in einem Abschiedsraum beim Bestattungsunternehmen erlaubt. Im Kapitel »WASISTEINEABSCHIEDNAHME?« gehen wir genauer darauf ein.

Es ist wichtig zu wissen, dass es euer Recht ist, auch schon bei der Versorgung und Einbettung eures verstorbenen Menschen dabei zu sein. Wenn ihr möchtet, könnt ihr es mit der Abschiednahme verbinden. Bittet dafür euer Bestattungsunternehmen um Unterstützung.

8. Papiere

Die Ausstellung der Sterbeurkunden und des Erbscheins kosten Geld.

Sterbeurkunden müssen beantragt werden. Dazu müssen der Totenschein, eine Sterbefallanzeige, die Geburtsurkunde und gegebenenfalls Ehe- und Scheidungsurkunde zum Standesamt gebracht werden. Eine Sterbeurkunde wird zum Krematorium und Friedhof weitergeleitet. Das könnt ihr selbst machen, oder das Bestattungsunternehmen übernimmt diese Wege für euch. Weitere Sterbeurkunden benötigt ihr zum Beispiel zum Beantragen eines Erbscheins.

Auch für eine Todesanzeige in der Zeitung oder für den Druck von Trauerkarten entstehen Kosten. Hierfür könnt ihr die Gestaltung selbst übernehmen oder sie in Auftrag geben.

9. Kremation

In einem Krematorium ruht der verstorbene Mensch bis zur Einäscherung im Sarg in einem Kühlraum. Darum kümmern sich die Mitarbeitenden vor Ort. Sie planen außerdem die Termine für die Einäscherungen, organisieren die zweite Leichenschau, transportieren den Sarg zur Trauerhalle oder zum Ofen, überwachen den Verbrennungsprozess und überprüfen und warten die notwendige Technik. Wenn ihr im Krematorium eine Feier machen möchtet oder die Einfahrt in den Ofen begleiten wollt, fallen eventuell zusätzliche Gebühren an.

Abschied im Krematorium (Filmstill)

© Filmstill Sarggeschichten e.V.

10. Urne

Im Krematorium wird die Asche in eine Kapsel gefüllt. Eine Urne ist nur die schmückende Hülle für diese Aschekapsel. Ihr müsst keine Urne haben, sondern könnt die Aschekapsel auch so auf dem Friedhof beisetzen. Wenn ihr eine Urne haben möchtet, könnt ihr sie kaufen, zum Beispiel im Internet, oder beim Bestattungsunternehmen bestellen. Ihr könnt eine Urne auch selbst basteln. Es gibt eine Vielzahl verschiedener Urnen. Schaut, was zu euch passt und wie viel ihr investieren wollt.

Verschiedene Urnen (Filmstill)

© Filmstill Sarggeschichten e.V.

11. Friedhof

Die Friedhofskosten kommen immer noch zu den Bestattungskosten dazu. Hier muss man die Grabstelle bezahlen sowie die Trauerhalle für die Trauerfeier und die Mitarbeitenden, die das Grab ausheben, und sich um die Feier kümmern. Manche Bestattenden nehmen die Friedhofskosten mit auf ihre Rechnung, andere verweisen auf den Friedhof.

12. Grab

Es gibt verschiedene Grabstellen, die ihr auswählen könnt. Auf den meisten Friedhöfen in Deutschland wird eine Grabstelle für zwanzig oder fünfundzwanzig Jahre gepachtet. Bei Wahlgräbern kann nach Ablauf dieser Liegezeit die Grabstelle immer wieder verlängert werden.

Für eine Erdbestattung, also wenn der Sarg in die Erde gelegt wird, gibt es Erdreihen- und Erdwahlgräber.

Ein Erdreihengrab