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Wie feiert man Schabbat? Und was macht die Besonderheit dieses Tages aus? Dieses Buch vermittelt einen lebendigen Einblick in die Welt des orthodoxen Judentums - mit ansteckender Liebe zu Gottes heiligem Ruhetag. Zugleich gibt es wertvolle Praxistipps für Juden und Christen, die den Schabbat als "Einsteiger" selbst einmal zuhause feiern möchten. Enthalten sind auch traditionelle Schabbat-Gebete in deutscher Übersetzung und im hebräischen Original mit lateinischer Lautschrift.
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Seitenzahl: 88
Veröffentlichungsjahr: 2018
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Vorwort
Zu Gast beim Rabbi
Schabbat Schalom: der Countdown läuft!
Die Tora und das Licht der Welt
Spaziergang im Abendkleid
Willkommen, Königin
Schabbat-Genuss: essen und warmhalten
Triumph der Stille – Schabbat am Morgen
Tora und Familie – Schabbat am Nachmittag
Abschied einer Königin
Kabbalat-Schabbat: Tipps für die Feier daheim
Mindestausstattung
Vorbereitungen
Zeitplan
To-do-Liste
Regeln
Entzünden der Kerzen
Der Schabbat-Spaziergang
Das Schabbat-Festmahl
Dankesrunde
Kiddusch über dem Wein
Tischgebet nach dem Mahl
Traditionelle Schabbat-Gebete
deutsch/hebräisch
Gebet zum Entzünden der Schabbat-Kerzen
Sieben Psalmen zur Schabbat-Begrüßung
Komm, mein Geliebter – Lecha Dodi
Gebete zum Schabbat-Festmahl
Begrüßung der Engel – Schalom alejchem
Lobeshymne auf die fleißige Hausfrau
Segnung der Kinder
Segnung des Weines
Segnung des Brotes
Tischgebet nach dem Festessen
Psalme zum Schabbat-Ausklang
Challa-Rezept
„Mein Herz fließt über vor einem guten Wort. Ich weihe mein Werk dem König. Psalm 45
Den Schabbat zu heiligen gehört zu den wichtigsten Geboten, die Gott seinem Volk aufgetragen hat. Doch nicht jeder kann Schabbat in einer jüdischen Gemeinde feiern. Synagogen sind in Deutschland leider rar, vor allem in ländlichen Gebieten. Viele Juden, die in Deutschland leben, haben deshalb keinen Anschluss an eine jüdische Gemeinde und konnten die Schönheit des Schabbats noch nicht kennenlernen.
Noch einer anderen Gruppe soll dieses Büchlein als Anregung und Hilfe dienen: Während in den letzten Jahren der Antisemitismus in Europa erschreckend zugenommen hat, hat gleichzeitig auch die Zahl der Christen zugenommen, denen Gott eine tiefe Liebe zu Israel ins Herz gelegt hat. Sie ehren den jüdischen Glauben in großer Demut als die Wurzel ihres eigenen Glaubens. Durch diese israeltreuen Christen beginnt sich die Prophezeiung zu erfüllen, die in Jeschajahu/Jesaja 56.8 geschrieben steht: „Denn der Israel sammelt, spricht: Ich will noch mehr zu dem Haufen derer sammeln, die ich heimgeholt habe“.
Dieses Buch soll Einblicke geben, was Schabbat bedeutet, es zeigt, wie dieser Tag im Judentum gefeiert wird und gibt Tipps, wie man selbst Schabbat in der Familie feiern kann.
Sonnenaufgang in Jerusalem
Es ist Freitagmorgen. „Jom schischi“ - „Tag sechs“ heißt er auf Hebräisch. Seit alters her werden die Tage in der biblischen Sprache von Schabbat zu Schabbat durchnumeriert. Sonntag ist der erste Tag nach Schabbat, Jom rischon, Tag eins. Montag ist jom schenij, Tag zwei. Dienstag? Jom schlischij, Tag drei.
Man zählt also die Tage von Sonntag bis Freitagmorgen. Nur der siebte Tag der Woche trägt keine Nummer, sondern einen Namen: Schabbat. Er beginnt am Freitag nach Sonnenuntergang und dauert bis Samstagabend – doch zur Zeitrechnung im Judentum später mehr.
Denn jetzt gibt es in der jüdisch-orthodoxen Wohnung erst einmal etliches zu erledigen. Stören Sie niemals eine jüdischorthodoxe Hausfrau mit einem Überraschungsbesuch an einem Freitagvormittag!
Jeder Schabbat wird mit großem Ernst und Aufwand behandelt – als sei er der einzige Feiertag im ganzen Jahr. Die Vorbereitung wird zum Großeinsatz: Es wird geputzt, gebacken und gekocht. Um den Aufwand einschätzen zu können, stelle man sich als Nichtjude vor, man müsste wöchentlich den familiären Weihnachtsschmaus vorbereiten.
Die beste Kleidung wird herausgesucht und aufgebügelt, als erwarte man königlichen Besuch. Und genau so ist es auch: Denn Schabbat gilt als eine Braut und Königin, von Gott geschickt. „Königin Schabbat“, so wird dieser heilige Tag genannt und entsprechend respektvoll behandelt.
Den Großputz erledigt man üblicherweise bereits am Mittwoch und Donnerstag. Anders ist das Pensum bis Freitag nicht zu schaffen. Eigentlich ist die ganze Woche eine einzige Vorbereitung auf den nächsten Schabbat.
Am Freitagvormittag werden die letzten Zutaten für das Schabbatgericht eingekauft und der Schabbat-Tisch gedeckt. Eine schöne weiße Tischdecke kommt auf den Tisch, darauf das beste Geschirr, das man zu bieten hat – wer es sich leisten kann, besitzt ein besonderes Gedeck, das nur für Schabbat aus dem Schrank geholt wird.
Der gedeckte Tisch ist voller Symbole: Der Tisch selbst symbolisiert den Altar, der früher im Tempel stand. Mindestens zwei Kerzen werden aufgestellt. Sie sollen an die Menora erinnern. Außerdem darf ein Salzstreuer nicht fehlen, weil die Opfer im Tempel früher mit Salz dargebracht wurden. Zwei ganze, nicht angeschnittene Brote liegen auf dem Tisch, die Challot – helle, zum kunstvollen Zopf geflochtene Weißbrote. Dieses „doppelte Brot“ erinnert daran, dass Gott seinem Volk in der Wüste für jeden Schabbat die doppelte Portion Manna zukommen ließ. Außerdem symbolisiert die Challa auf dem Schabbat-Tisch das Schaubrot, das früher im Tempel lag.
Challa oder Challot – wie lautet nun die korrekte Bezeichnung der Schabbat-Brote? Die Antwort ist einfach: Beides ist richtig. In beiden Fällen handelt es sich um dasselbe Backkunstwerk, abgesehen von der Quantität: die Endung „-ot“ zeigt im Hebräischen die weibliche Mehrzahlform an.
Doch zurück zu den Vorbereitungen am Freitagmorgen. Die Hausherrin steht zu dieser Zeit bereits in der Küche. Im ganzen Haus riecht es bald nach gutem Essen. Zu Mittag gibt es heute nur eine Kleinigkeit. Schließlich soll der Appetit für das Festmahl am Abend nicht verdorben werden. Denn natürlich gehört zu einem Festtag ein Festessen. Gleich drei große Festessen stehen während des Schabbattages an. Die größte Mahlzeit gibt es am Schabbat-Abend, nach der Rückkehr aus der Synagoge. Diesen Abend verbringt man bevorzugt in Gesellschaft der ganzen (Groß-)Familie. Oft werden auch noch Freunde und Fremde eingeladen. Insbesondere Rabbiner-Ehefrauen leisten hier ein bewundernswertes Arbeitspensum – und glänzen dabei mit herzlicher Gastfreundschaft.
Die Küche der jüdisch-orthodoxen Hausfrau ist groß, denn es muss Platz sein für zwei Küchenzeilen, eine für Fleischspeisen und eine für sonstige Gerichte. Alles gibt es doppelt, vom Herd, Kühlschrank und Spülbecken bis zum Geschirr, weil streng getrennt werden muss zwischen „fleischig“ und „milchig“. Beides darf nicht miteinander in Berührung kommen und darf auch nur mit zeitlichem Abstand von einigen Stunden gegessen werden. Gerichte wie Cordon Bleu oder Kalbsragout in Sahnesoße wird man also in keinem jüdischen Restaurant finden.
Anlass für die strenge Trennung von fleischig und milchig ist das Gebot von Schemot/Auszug 23.19 (2. Buch Mose 23.19): „Du sollst nicht kochen das Böcklein in seiner Mutter Milch“. Um sicherzugehen, dass man dieses Gebot nicht doch versehentlich übertritt, verzichten gläubige Juden eben gleich komplett auf die Milch-Fleisch-Kombination.
Noch in anderer Hinsicht ist die jüdische Hausfrau nicht zu beneiden. Sie soll die besten und schmackhaftesten Gerichte zubereiten, darf aber nach Anbruch des Schabbats den Herd nicht mehr bedienen. Das Festessen für den Abend und die Speisen für den nächsten Tag müssen im voraus fertig gekocht und anschließend ohne Geschmacksverlust über viele Stunden in den Kochtöpfen warm gehalten werden. Man muss genau planen, was gekocht wird. Nicht jede Speise eignet sich für eine derartige Behandlung. Die Kochtöpfe werden auf Warmhalteplatten gestellt, die auf niedriger Stufe während des gesamten Schabbats aktiviert sind.
Das Haus füllt sich also mit dem Geruch der guten Speisen. Mit dem Fortschreiten des Stundenzeigers auf der Uhr kommt etwas Hektik auf. Es ist immer dasselbe: egal, wie gut man sich auch vorbereitet und wie früh man mit der Arbeit anfängt, am Ende gibt es doch immer noch rasch etwas dringendes zu erledigen. Letzte Handgriffe in der Küche, die Alltagskleidung liegt noch herum, die Festkleidung sollte noch einmal aufgebügelt, die Haare gewaschen werden ...
Gleichzeitig wächst die Vorfreude. Eine knisternde Spannung liegt in der Luft – und das ist tatsächlich an jedem Schabbat aufs Neue so.
Die Vorfreude drückt sich schon im Gruß aus, mit dem man seit heute Morgen seine Mitmenschen begrüßt: Statt „Schalom“ wünscht man heute „Schabbat Schalom“ - auch wenn der Beginn des Schabbats ja noch etliche Stunden entfernt ist. „Schabbat Schalom“ heißt es von Freitagmorgen bis Samstagabend.
Freitagnachmittag. Der Blick auf die Uhr zeigt: Das Kommen der Königin naht. Draußen kündigt sich die Dämmerung an. Bald wird die Sonne untergehen.
Letzte Gelegenheit, noch einmal genau zu überlegen und zu entscheiden: in welchen Zimmern muss das Licht jetzt angemacht werden? Im Flur sollte es hell sein, wenn man nachts zur Toilette muss. Auch in der Küche braucht man Licht und natürlich im Wohnzimmer, damit man dort am Abend mit der Festgesellschaft nicht im Dunkeln sitzt. Ist das Licht im Schlafzimmer aus? Sonst muss man die Nacht unter der Bettdecke verbringen.
Denn sobald Schabbat angebrochen ist, darf kein Lichtschalter mehr berührt werden. Licht an- oder auszuknipsen ist verboten. Elektrische Geräte sind generell tabu. Kein Radio also, kein Computer, kein Telefon. Sogar die Glühbirne im Kühlschrank, die angeht, wenn die Kühlschranktüre geöffnet wird, muss in orthodoxen Haushalten vor Schabbat herausgeschraubt werden. Wobei besonders strenge Rabbiner die Ansicht vertreten, dass der Kühlschrank insgesamt nicht benutzt werden darf an Schabbat, weil man dadurch ja einen neuen Kühlvorgang auslöst. Ein Kühlschrankverbot dürfte die Arbeit der Rabbiner-Ehefrauen nicht gerade erleichtern. Diskutiert wird auch über die Frage, ob man sich mit Zeitschaltuhren behelfen darf.
Dumm dran ist, wer in einem Hochhaus im zehnten Stock lebt. Denn natürlich ist auch ein Aufzugknopf tabu an Schabbat. In Israel gibt es deshalb in vielen Wohnanlagen und Hotels „Schabbat-Aufzüge“. Diese Aufzüge sind so eingestellt, dass sie an Schabbat automatisch in jedem Stockwerk halten. Tür auf, kurzer Halt, Tür zu. Nächster Stock. Das verlangt Aufzugspassagieren sehr viel Geduld ab – und da Geduld nicht unbedingt die Stärke der Israelis ist, sind die Treppenhäuser an Schabbat gut genutzt. Wobei besonders strenge Rabbiner die Benutzung eines Schabbat-Aufzugs ohnehin kritisch sehen.
Überhaupt, die Streitfrage: Was darf man, was darf man nicht? Zwei Juden, drei Meinungen, so heißt es – und das gilt auf jeden Fall auch an Schabbat.
Doch zurück zur Familie des Rabbiners. Es ist soweit, endlich. Alles ist gerichtet. Oder zumindest fast alles. Dieses oder jenes hätte man gerne noch erledigen wollen. Aber jetzt ist es zu spät.
Egal, was privat oder beruflich noch erledigt werden müsste: die Königin kommt, alle Arbeiten werden jetzt eingestellt. Man hat getan, was man konnte. Alles, was versäumt wurde, liegt nun nicht mehr in unserer Hand. Baruch HaShem! So muss sich ein würdevolles Sterben am Ende eines erfüllten Lebens anfühlen.
Christen seien an dieser Stelle daran erinnert: auch Jeschua (Jesus) hat sein Werk auf Erden am sechsten Tag vollendet. Nach seiner Todesstunde am Freitagnachmittag wurde sein Körper vor Anbruch des Schabbats in ein Grab gelegt. Jeschua ruhte also an Schabbat. Mit seinem Leben, seinem Tod und seiner Auferstehung am ersten Tag nach Schabbat, Jom rischon, hätte er keine deutlichere Bestätigung des jüdischen Kalenders geben können.