Scheitern – oder: mit sich selbst neu anfangen - Mirko Zwack - E-Book

Scheitern – oder: mit sich selbst neu anfangen E-Book

Mirko Zwack

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Beschreibung

Um den Ruf des Scheiterns war es bereits schlechter bestellt. Schließlich ist es eine, wenn nicht die Chance zu lernen und damit nicht selten die Grundlage für zukünftigen Erfolg. Folglich feiern Metropolen und Konzerne heute »Fuckup Nights«, wo geteilter Misserfolg mit Applaus belohnt wird. Doch wer sich selbst als gescheitert sieht, dem ist das ein schwacher Trost. Im Erleben beginnt Scheitern dort, wo »Versuch macht klug« und »Das passiert doch jedem mal« aufhören. Wir fühlen uns in den Grundfesten unseres Selbstbildes hinterfragt. Der Zweifel hält das, was von uns übrig geblieben ist, fest in seiner Hand. Auch wenn wir wissen, dass das »zum Leben dazugehört« und dass es »jedem mal passieren kann«, gelingt es uns nicht, es uns selbst zu erlauben. Gelungenes Scheitern bedeutet, sich selbst anzunehmen, wo man sich zuvor abgelehnt hat. Zwischen Ablehnung und Annahme vergeht meist Zeit. Das ist an sich trivial, die Bewältigung dieses Zeitraumes ist es für die Betroffenen meist nicht. Mirko Zwack inspiriert in diesem Buch mit Theorie, Fallillustrationen und konkreten Methoden, die allesamt dazu beitragen, Klientinnen und Klienten dabei zu unterstützen, ihren Weg von der Selbstablehnung zu der Annahme ihrer selbst zu finden.

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Leben.Lieben.Arbeiten   SYSTEMISCH BERATEN

Herausgegeben vonJochen Schweitzer undArist von Schlippe

Mirko Zwack

Scheitern –oder: mit sich selbstneu anfangen

Mit 7 Abbildungen

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.

© 2020, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG,Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.

Umschlagabbildung: CapturePB/shutterstock.com

Satz: SchwabScantechnik, GöttingenEPUB-Produktion: Lumina Datamatics, Griesheim

Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com

ISSN 2625-6088

ISBN 978-3-647-99926-5

»It’s not the note you play, that’s the wrong note –it’s the note you play afterwards that makes it right or wrong.«

Miles Davis

Inhalt

Zu dieser Buchreihe

Vorwort

Einleitendes

I Scheitern

1Was kann mit Scheitern gemeint sein?

1.1(Über-)Lebensregeln

1.2Sich selbst Zeit geben

2Wer scheitert eigentlich, wenn er scheitert?

2.1Identität als Vorausgesetztes

2.2Identität als narrativ Entstehendes

2.3Identität als Aktualisiertes

3Scheitern als Scheitern des Selbst

3.1Eine Gefühllandkarte zum Verständnis des Selbstsystems

3.2Mit der Regel gegen die Regel

3.3Der Selbstwertzirkel

3.4Scheitern vor anderen

3.5Selbstkritische Dialoge

4 Unumkehrbarkeit

II Erfolg

5 Volkskrankheit: Erfolgsabhängigkeit

5.1Nutzenorientierter Erfolg

5.2Ästhetischer Erfolg

5.3Ethischer Erfolg

5.4Erfolgsstrategien unter Revision

III Am Ende

Schluss

Literatur

Dank

Der Autor

Zu dieser Buchreihe

Die Reihe »Leben. Lieben. Arbeiten: systemisch beraten« befasst sich mit Herausforderungen menschlicher Existenz und deren Bewältigung. In ihr geht es um Themen, an denen Menschen wachsen oder zerbrechen, zueinanderfinden oder sich entzweien und bei denen Menschen sich gegenseitig unterstützen oder einander das Leben schwermachen können. Manche dieser Herausforderungen (Leben.) haben mit unserer biologischen Existenz, unserem gelebten Leben zu tun, mit Geburt und Tod, Krankheit und Gesundheit, Schicksal und Lebensführung. Andere (Lieben.) betreffen unsere intimen Beziehungen, deren Anfang und deren Ende, Liebe und Hass, Fürsorge und Vernachlässigung, Bindung und Freiheit. Wiederum andere Herausforderungen (Arbeiten.) behandeln planvolle Tätigkeiten, zumeist in Organisationen, wo es um Erwerbsarbeit und ehrenamtliche Arbeit geht, um Struktur und Chaos, um Aufstieg und Abstieg, um Freud und Leid menschlicher Zusammenarbeit in ihren vielen Facetten.

Die Bände dieser Reihe beleuchten anschaulich und kompakt derartige ausgewählte Kontexte, in denen systemische Praxis hilfreich ist. Sie richten sich an Personen, die in ihrer Beratungstätigkeit mit jeweils spezifischen Herausforderungen konfrontiert sind, können aber auch für Betroffene hilfreich sein. Sie bieten Mittel zum Verständnis von Kontexten und geben Werkzeuge zu deren Bearbeitung an die Hand. Sie sind knapp, klar und gut verständlich geschrieben, allgemeine Überlegungen werden mit konkreten Fallbeispielen veranschaulicht und mögliche Wege »vom Problem zu Lösungen« werden skizziert. Auf unter 100 Buchseiten, mit etwas Glück an einem langen Abend oder einem kurzen Wochenende zu lesen, bieten sie zu dem jeweiligen lebensweltlichen Thema einen schnellen Überblick.

Die Buchreihe schließt an unsere Lehrbücher der systemischen Therapie und Beratung an. Unsere Bücher zum systemischen Grundlagenwissen (1996/2012) und zum störungsspezifischen Wissen (2006) fanden und finden weiterhin einen großen Leserkreis. Die aktuelle Reihe erkundet nun das kontextspezifische Wissen der systemischen Beratung. Es passt zu der unendlichen Vielfalt möglicher Kontexte, in denen sich »Leben. Lieben. Arbeiten« vollzieht, dass hier praxisbezogene kritische Analysen gesellschaftlicher Rahmenbedingungen ebenso willkommen sind wie Anregungen für individuelle und für kollektive Lösungswege. Um klinisch relevante Störungen, um systemische Theoriekonzepte und um spezifische beraterische Techniken geht es in diesen Bänden (nur) insoweit, als sie zum Verständnis und zur Bearbeitung der jeweiligen Herausforderungen bedeutsam sind.

Wir laden Sie als Leserin und Leser ein, uns bei diesen Exkursionen zu begleiten.

Jochen Schweitzer und Arist von Schlippe

Vorwort

Der Titel dieses Buchs spricht mit dem Scheitern eine existenzielle Empfindung an, die wir alle zu kennen meinen. Ein Arbeitsergebnis ist missraten, ein Urlaub wurde zum Flop, ein Versöhnungsversuch ist misslungen, eine Liebesbeziehung oder Ehe ist auseinandergegangen. Mirko Zwack konzentriert sich in diesem Buch auf jene wirklich existenziellen Erlebnisse des Scheiterns, die unser Selbst erschüttern und ins Wanken bringen, und nach denen wir nicht mehr die- oder derselbe sein können. Ob einem einschneidenden kritischen Lebensergebnis dies gelingt, hängt nicht nur vom Lebensereignis ab, sondern auch davon, ob es besonders wichtige, langlebige, bewährte Prämissen (innere Grundregeln) infrage stellt, die unser Leben bis dahin geleitet haben.

Wie Mirko Zwack sich diesem Thema für uns annähert, ist in mehrfacher Hinsicht besonders. Es ist ein Buch mit anspruchsvollen theoretischen Grundlagen, die angenehm aufbereitet und praktisch illustriert recht leicht daherkommen. Das existenzielle Thema kommt dabei im Kern ohne Existenzialphilosophen aus. Stattdessen werden systemtheoretische Grundgedanken von Gregory Bateson über das Lernen und von Niklas Luhmann, Peter Fuchs und Werner Vogt über »Identität«, »Person« und »Selbst« genutzt, um zu erklären, wie eine als »Selbst« erlebte Identität aufgebaut, bekräftigt, irritiert, zum Scheitern gebracht und danach auch durch frische Erzählungen neu, aber anders aufgebaut werden kann.

Es ist ein anschauliches Buch für Praktiker, hochgradig relevant insbesondere für Einzeltherapeuten und Coaches, von der Psychiatrischen Klinik bis zur Führungskräfteberatung. Mirko Zwack arbeitet mit dem Kopf und den Gefühlen seiner Klienten, beides methodisch elegant. Die Fallbeispiele beschreiben, wie der Autor das narrative Interviewen und Externalisieren aus der systemisch-narrativen Therapie und eine symbolisch-handlungsorientierte Form des biografischen Interviews (Zeitlinienarbeit) über das Entstehen von Prämissen des Klienten verbindet mit den »Zwei-Stuhl-Dialogen« aus der Emotionsfokussierten Therapie. Besonders Letzteres wird auch für viele erfahrene Systemiker neu sein.

Es ist ein Mut machendes Buch. Mirko Zwack befragt sehr grundsätzlich, aber sehr freundlich seine Klienten nach dem, was ihnen wirklich wichtig ist, auf welche Weise ihnen dies so wichtig geworden ist, was ihnen künftig außerdem noch alles wichtig werden könnte und wie ein künftiges verändertes Selbst sich gut anfühlen wird und wie es zukünftig von anderen unterstützt und bestätigt werden kann.

Im letzten Teil über die »Volkskrankheit Erfolgsabhängigkeit« wird das Buch zeitkritisch. Dort beschreibt es den in unserer Gesellschaft allgegenwärtigen Wunsch nach Erfolgen als eine Art Abhängigkeit. Je mehr, dominanter und gar ausschließlicher der Erfolg gesucht wird, desto größer wird zugleich die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns. Umso tröstlicher ist es, dass der Autor mit dem »ästhetischen« und dem »ethischen« Erfolg zugleich zwei potente Gegenmittel gegen eine einseitige Konzentration auf den »Nutzen orientierten« Erfolg anbietet. (Ich habe diese Gegenmittel selbst vor einiger Zeit mit sehr gutem Ergebnis für mich angewandt.) Wer dies liest, findet Anregungen zur Vorbeugung, schon bevor ein Scheitern eine Identität zertrümmert hat.

Dieses kluge und anschauliche Buch wird vielen von uns als Scheiternden und als Scheiterns-Beratern in etlichen künftigen Situationen gute Dienste erweisen. Auch und gerade, falls wir bei seiner Lektüre oder bei der Umsetzung seiner vielen Anregungen scheitern sollten. Denn danach, so der Untertitel, kann man ja »neu mit sich selbst anfangen«.

Jochen Schweitzer

Einleitendes

Um den Ruf des Scheiterns war es bereits schlechter bestellt. Schließlich ist Scheitern eine, wenn nicht die Chance zu lernen und damit nicht selten die Grundlage für zukünftigen Erfolg. Folglich feiern Metropolen und Konzerne heute »Fuckup Nights«, wo geteilter Misserfolg mit Applaus belohnt wird. Doch wer sich selbst als gescheitert sieht, dem ist das ein schwacher Trost.

Im Erleben beginnt Scheitern dort, wo »Versuch macht klug« und »Das passiert doch jedem mal« aufhören. Wir fühlen uns in den Grundfesten unseres Selbstbildes hinterfragt. Der Zweifel hält das, was von uns übrig geblieben ist, fest in seiner Hand. Wir haben uns so noch nicht erlebt, finden uns selbst befremdlich und haben größte Schwierigkeiten, uns selbst so zu akzeptieren. Auch wenn wir wissen, dass das »zum Leben dazugehört« und dass es »jedem mal passieren kann«, gelingt es uns nicht, es uns selbst zu erlauben. Gelungenes Scheitern bedeutet, sich selbst anzunehmen, wo man sich zuvor abgelehnt hat. Zwischen Ablehnung und Annahme vergeht meist Zeit. Das ist an sich trivial, die Bewältigung dieses Zeitraumes ist es für die Betroffenen meist nicht.

Dieses Buch soll Beraterinnen und Beratern Ideen geben, wie sie ihre Klientinnen und Klienten1 dabei unterstützen können, sich selbst Zeit zu geben und ihren Weg von der Selbstablehnung zu der Annahme ihrer selbst zu finden. Selbstredend sind diese Wege so individuell wie die Gescheiterten selbst. Ich wünsche mir, dass das Buch inspiriert und dazu einlädt, an der einen oder anderen Stelle anders nachzufragen und Interventionsmöglichkeiten zu eröffnen. Mein Ansinnen ist es dabei, explizit nicht ein »Scheiternsverarbeitungsmanual« zu verfassen. Zum einen verbinde ich mit diesem kurzen Text keinerlei Vollständigkeitsanspruch. Es handelt sich vielmehr um eine Sammlung unterschiedlicher Ideen für die Beratungspraxis, die vor dem Hintergrund systemtheoretischer Überlegungen ausgewählt wurden. Ferner scheint mir, wo Selbsterlaubnis wiedergefunden werden soll, die Suggestion eines Manuals à la »Wenn Sie erfolgreich scheitern wollen, müssen Sie …« als widersinnig.

Hierfür wird folgender Weg eingeschlagen: Mit Gregory Batesons Theorie des Lernens erlangen wir zunächst ein Verständnis davon, was mit Scheitern gemeint sein könnte. Inwiefern unterscheidet es sich vom Fehlermachen oder von ausbleibendem Erfolg? Was ist die besondere Qualität der Lebensereignisse, die Betroffene sagen lässt

»Ich bin gescheitert«?

Dieses »Ich« betrachten wir in der Folge mit drei Unterscheidungen Niklas Luhmanns. Seine unterschiedlichen Möglichkeiten, Identität zu beobachten und zu konstruieren, zeigen uns unmittelbar, welche Selbstverständnisse Scheitern wahrscheinlicher werden lassen und welche Potenziale veränderte Blickwinkel für Gescheiterte bereithalten, mit sich selbst neu anzufangen. Dieses »Selbst« fassen wir dann im Sinne Peter Fuchs’ als System. Dadurch wird ein tieferes Verständnis für die Begleitung derartiger Veränderungsprozesse möglich. Warum ist es, obwohl begriffen, so schwer zu verändern? Weshalb weiß ich, was gut für mich wäre, es fühlt sich aber immer noch falsch an?

Abschließend wagen wir uns an die Kehrseite des Scheiterns: den Erfolg. Es ist kein Geheimnis, dass wer auf Erfolg aus ist, scheitern kann. Wir unterscheiden nutzenorientierten, ästhetischen und ethischen Erfolg und hinterfragen diese Formen auf ihre Chancen und Risiken für die danach Strebenden.

Klingt theoretisch? Ist es auch. Doch bevor Sie das Buch deshalb zur Seite legen, auf den Stapel der guten Vorsätze, lassen Sie mich Ihnen versichern: Dies ist ein Praxisbuch. Die Theorie bildet den Rahmen und kommt als (teils vereinfachte) Essenz auf den Tisch. Gefolgt von vielen Ideen für die Praxis, die den Hauptgang darstellen. Meine Hoffnung ist, dass die Leserin Hunger auf mehr Theorie bekommt und gleichzeitig praktisch satt wird. So oder so: Wohl bekomm’s, auch ohne Nachtisch!

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1Um nicht in Sachen Leseflussbegünstigung bereits auf der ersten Seite zu scheitern, wird im Folgenden zwischen weiblicher und männlicher Form beliebig gewechselt. Überall dort, wo das andere Geschlecht nicht mitgemeint ist, wird dies explizit erwähnt.

I

Scheitern

1Was kann mit Scheitern gemeint sein?