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Matt Coyne

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Beschreibung

Elternratgeber lügen. Dieser hier nicht. Er steckt voller irrwitziger Tipps und Geschichten für verunsicherte frischgebackene Väter – und jene, die auf dem Weg dahin sind. Noch nie wurden die Qualen der Geburt für Männer nachvollziehbarer beschrieben. Oder die Auswirkungen von Schlafentzug. Matt Coyne nimmt kein Blatt vor den Mund und zeigt gleichzeitig, dass Kinder tatsächlich ein einziges Glück sind. Das hat ihn zum Facebook-Star gemacht, dem Tausende Menschen begeistert folgen.
Wenn Sie wissen wollen, wie die ideale Geburt, die ideale Entwicklung Ihres Kindes und die ideale Erziehung aussehen, lesen Sie ein anderes Buch. Wenn Sie aber die ungeschönte, dreckige Wahrheit über das Kinderkriegen und das Elterndasein hören möchten, lesen Sie dieses. Es ist schonungslos ehrlich und macht Sie mit der harten Realität vertraut, aber es zeigt Ihnen auch, dass Sie kein überambitonierter Helikoptervater sein müssen, um die absurdesten und nervenaufreibendsten Situationen meistern zu können. Denn das, was es immer wieder braucht, um durch diese verrückte, schlafraubende und seltsam wunderbare Zeit zu kommen, die Ihr ganzes Leben komplett auf den Kopf stellt, ist ein gesunder Sinn für Humor.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 351

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Matt Coyne

Schief gewickelt

Papa werden ohne Plan

Aus dem Englischen vonLisa Kögeböhn

Suhrkamp

Für Steve

Kleiner Scherz …Für Charlie und seine Mum

Vorwort

Als wir festgestellt hatten, dass wir ein Baby »erwarteten«, kaufte uns jemand einen Kühlschrankmagneten. Darauf stand: »Ein Baby zu bekommen ist, als lade man einen Engel zu sich ein.«

Das mag stimmen.

Aber manchmal, nur manchmal, ist es, als hätte man sich einen Mitbewohner eingeladen. Einen wütenden, schlafraubenden, emotional instabilen, inkontinenten und brustfixierten Mini-Mitbewohner. Der nicht mehr und auch nicht weniger als deine ungeteilte Aufmerksamkeit verlangt, von heute an bis zu dem Tag, an dem du stirbst.

Aber das passt vermutlich auf keinen Kühlschrankmagneten.

Einleitung

Drei Monate nach der Geburt unseres Sohnes Charlie schrieb ich einen Post auf Facebook.

Den hier.

Matt Coyne, 17. Dezember 2015, 19:38

Ich musste mir heute mal selbst auf die Schulter klopfen, weil ich die Kunst des Windelwechselns perfektioniert habe. Ich bin quasi wie eine Boxenmannschaft bei der Formel 1 – im Prinzip bin ich sogar noch besser, denn während du die Reifen von Lewis Hamiltons Auto wechselst, ist es eher unwahrscheinlich, dass er dir in die Augen pinkelt und dich mit Kacke beschießt.

Und das habe ich bisher sonst noch gelernt:

Die Geburt

Ich habe die Verschwörungstheorie, die Mondlandung wäre ein großer Schwindel, immer für totalen Schwachsinn gehalten, einfach weil dafür unglaublich viele Leute hätten dichthalten müssen. Inzwischen halte ich das durchaus für möglich, wenn man bedenkt, wie verschwörerisch über die Grausamkeit der Wehen geschwiegen wird. Der Kreißsaal ist das reinste Vietnam. Eine Geburt hat rein gar nichts mit den Darstellungen in Sitcoms oder Filmen gemein, es sei denn, es geht um Saw IV oder die Szene in Alien, als das Monster aus dem Brustkorb von Kane hervorbricht. Also, an die, die mir erzählt haben, die Geburt wäre ein magisches Erlebnis … ihr seid verlogene Scheißkerle. Wehen sind wie Magie … aber nur, weil es in beiden Fällen am besten ist, wenn man keine Ahnung hat, wie es funktioniert.

(In Wirklichkeit ist das Schlimmste an den Wehen, jemanden, den man liebt, so unfassbar leiden zu sehen. Andererseits hat Lyns mich mal gezwungen, eine Folge Downton Abbey mit ihr zu gucken … das kommt ungefähr aufs selbe raus …)

Die erste Woche

Ich wusste das auch nicht, aber Babys atmen in einer Art synkopischem Jazz-Rhythmus. Ihre Atmung folgt keinerlei vorgegebenem Muster und setzt etwa alle vierzig Sekunden ganz aus, gerade so lange, dass du glaubst, sie wären tot. Von allen Arschlochmoves, die dein Baby so draufhat, ist dieses Totstellen mit Abstand der fieseste, und sie tun das ständig.

Babyweinen ist schon etwas Merkwürdiges. Tagsüber hört man es sich an und findet es liebenswert und süß … Um drei Uhr nachts ist es, als würde ein wütender Wikinger die Innenseite deines Schädels mit Schleifpapier bearbeiten.

Babypisse im Auge ist echt nur beim ersten Mal witzig, und Babykacke kommt grundsätzlich zum falschen Zeitpunkt. Das Schlimmste ist, wenn sie einen »Lock-Schiss« machen, warten, bis du ihnen die Windel abnimmst, und dann erst zum richtigen Donnerschiss ansetzen. Wie Terroristen, die ihre richtigen Bomben erst hochgehen lassen, wenn die Rettungskräfte eintreffen.

Jedes einzelne Kleidungsstück wird von scheiß Druckknöpfen zusammengehalten. Und zwar immer von drei bis vier Druckknöpfen mehr als nötig, damit du wie ein Vollidiot vor deinem Kind dastehst, das seine Missbilligung ausdrückt, indem es seelenruhig einen auf Windmühle macht. Windmühlenbabys anzuziehen ist, als würde man versuchen, ein Kaninchen in einen Luftballon zu stopfen. Wenn du ihnen sagst, sie sollen stillhalten, ignorieren sie dich oder zerkratzen sich das Gesicht. Total geisteskrank.

(Ich plane, eine Babymode-Linie nur mit Klettverschlüssen rauszubringen, nach dem Vorbild von Stripperhosen. Damit wäre man in der Lage, das Baby mit der einen und dessen Klamotten mit der anderen Hand festzuhalten und beides mit einem befriedigenden Ruck voneinander zu trennen.)

In diesem Alter sehen Babys niemandem ähnlich. Aber alle sitzen teetrinkend rum und sagen, ach, er sieht genauso aus wie du, oder er sieht genauso aus wie sein Grandad, oder wer auch immer … In Wirklichkeit sehen alle Babys aus wie glatzköpfige Männer. (Und manchmal wie hässliche glatzköpfige Männer.)

Der erste Monat

Im Laufe meines Erwachsenenlebens habe ich versucht, etwa ein Buch pro Woche zu lesen. Ich bin nicht naiv, ich wusste, dass ich nach der Geburt nicht mehr so viel Zeit haben würde, also habe ich mir vorgenommen, ein Buch pro Monat zu lesen. Inzwischen sind ein paar Monate vergangen, und das Einzige, was ich gelesen habe, war eine Milchpumpen-Broschüre. (Und die habe ich immer noch nicht durch – beim Absatz über »Saugverwirrung« schlafe ich regelmäßig ein.)

Es ist möglich, so wenig Schlaf zu bekommen, dass dir die Eier wehtun.

Erinnert sich noch jemand an die Sendung Touch the Truck mit Dale Winton (bevor er sein Gesicht hat generalüberholen lassen)? Die lief auf Channel 5 und bestand im Großen und Ganzen darin, dass acht Kandidaten ihre Hände auf ein Auto legten, und der Letzte, der noch wach war und seine Hand dran hatte, hat das Ding gewonnen. Ein Baby zu haben ist wie bei Touch the Truck mitzumachen. Mit dem einzigen Unterschied, dass die Kandidaten bei Touch the Truck alle drei Stunden aufs Klo und was essen durften – und am Ende ein Auto gewonnen haben.

Ob es Lyns gefällt oder nicht – das nackte Baby hochzuhalten und »Circle of Life« zu singen, ist lustig.

Erst wenn du dein Baby zum Schlafen gebracht hast, merkst du, wie laut deine Wohnung ist. Ich fand unser Haus immer ziemlich leise, bis sich herausstellte, dass der Wasserhahn im Badezimmer klingt, als würde Godzilla einen Panzer ficken.

Der Supermarkteinkauf dauert auf einmal ewig, weil alte Frauen totaaaal auf Babys stehen und sich mit der Zielsicherheit und Beharrlichkeit einer Predator-Drohne deinem Kinderwagen nähern. Ihnen auszuweichen ist wie Frogger spielen. Sie sind gerissen: Wenn es mehr als eine ist, bist du gearscht, denn dann teilen sie sich auf und jagen in Rudeln wie Raptoren.

Nach drei Monaten … jetzt

Die wichtigste Lektion bisher war die, dass Charlie unwahrscheinliches Glück hat, Lyns als Mum zu haben. Sie ist stark, schlau, lustig und voller Liebe – und sie wird dafür sorgen, dass ich es nicht allzu sehr verkacke. Und hoffentlich schlägt ihre DNA meine genetische Veranlagung zu großen Nasenlöchern und Männertitten.

Er ist absolut vorbehaltlos das Beste, was uns beiden je passiert ist. (Besser, als das Panini-Album zur Weltmeisterschaft vollzukriegen, was ich sowohl 86 als auch 90 geschafft habe.) Er hat meinen Zynismus bereits so weit eingedämmt, dass ich diesen Absatz einfüge, und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich es ganz gut hinkriegen werde. Denn so scheiße, unorganisiert und gnadenlos unfähig ich auch bin, es ist mir wichtiger als alles andere auf der Welt, dass Charlie nichts zustößt. Und das ist – glaube ich zumindest – schon mal ein guter Anfang.

Diesen Text habe ich eines Dienstagabends in übermüdetem Zustand geschrieben, als unser kleiner Sohn Charlie beschlossen hatte, seine Augen ein paar Stunden lang zu schließen – gefühlt zum ersten Mal, seit er sie drei Monate zuvor geöffnet hatte. Meine Eier taten weh, und ich hatte tiefe Ringe unter meinen von Babypisse rot unterlaufenen Augen. Ich saß, ich tippte, ich fühlte mich etwas besser. Und als er wieder wach wurde, klickte ich auf den »Posten«-Button und schickte meinen Text in die Social-Media-Arena, damit er von einer Horde erschrocken dreinblickender Katzen, Schwanzbildern und Fotos von Tante Pats Abendessen niedergetrampelt werden konnte.

Am nächsten Tag loggte ich mich wieder ein und stellte fest, dass das Posting hundertmal geteilt worden war. Ein paar Stunden später tausendmal und Ende der Woche schon mehrere zehntausendmal. Es wurde von Bloggern, Vloggern und sogar von Filmstars wie Ashton Kutcher geteilt. Unfassbar, ich bekam auf einmal Interviewanfragen von Zeitungen, TV und Radio. Und alle stellten dieselbe Frage: Wieso traf dieses zusammenhangslose, dahergeschwafelte »Status-Update« einen Nerv bei Eltern, werdenden Eltern und dem langhaarigen Typen aus Ey Mann, wo is’ mein Auto?.

Ich wusste es nicht.

Also setzte ich mich hin und dachte nach. Dann fing ich an, die E-Mails von Eltern zu lesen, die sich die Zeit genommen hatten, mit mir Kontakt aufzunehmen. Die Antwort war offensichtlich. Glasklar. Es gab einen Grund, weshalb genau dieser Text so ein Echo bekam, warum so viele Menschen sich und ihre eigenen Erfahrungen zwischen schmerzenden Eiern und Saugverwirrung wiederfinden konnten, und dieser Grund war so aussagekräftig wie offenkundig:

Die meisten frischgebackenen Eltern haben nicht den blassesten Schimmer, was sie tun.

Klar, es gibt auch Super-Eltern, stinklangweilige Routiniers, perfekte Arschlöcher, die ihren Nullachtfuffzehn-Nachwuchs mit Belohnungssystemen und der »Hochnehmen/Hinlegen«-Methode – was auch immer das sein soll – erziehen.

Aber so sind wir nicht.

Wir sind die Verkacker, die Improvisierer, die Drauf-ankommen-Lasser, die Unfähigen, die Ängstlichen, die Unorganisierten, die Unreifen und Ahnungslosen. Wir haben Kotze an der Schulter und gelbe Kacke unter den Fingernägeln und … Gott, sind wir müde!? … Aber wir sind in der Überzahl.

Und unsere Kinder sind später die Kinder, mit denen andere Kinder spielen wollen. Sie werden die Erwachsenen, mit denen andere Erwachsene Bier trinken wollen. Sie werden die Schlauen, die Kreativen, sie werden die Welt ändern oder sie wenigstens in winzigen Schritten verbessern. Denn so untauglich und unfassbar scheiße wir auch sind, unsere Kinder werden das Beste an uns sein.

Weil wir alles dafür geben.

1

Geburt

Das Baby kommt. Scheiße.

Wir fahren ins Krankenhaus, und im Vorbeigehen erhasche ich einen flüchtigen Blick auf mein Spiegelbild. Diesen Gesichtsausdruck habe ich erst einmal gesehen … und zwar bei Hans Gruber am Ende von Stirb langsam, im freien Fall, nachdem er von Bruce Willis vom Nakatomi Plaza gestoßen wurde.

Kaum hatten wir einen Fuß in die Geburtshilfestation gesetzt, war sonnenklar, dass man uns angelogen hatte. In jedem Ratgeber, im Geburtsvorbereitungskurs – überall wurde ein photogeshoptes Bild gezeichnet. Uns war weisgemacht worden, eine Frau mit Wehen wäre wie ein zartes Pflänzchen mit einem schwachen Asthma-Anfall, leicht schwitzend vor Anstrengung, während der natürliche Schmerz dafür sorgt, dass sie den Atem anhalten muss. Als wir ankamen, befand sich ein Stück den Flur hinunter gerade eine Frau in den letzten Zügen der Geburt. Und sie hörte sich nicht im Geringsten wie ein zartes Pflänzchen an. Sie hörte sich an wie ein amoklaufender Brian Blessed, Anführer der Falkenmänner in Flash Gordon.

Ich war darauf nicht vorbereitet. Niemand ist das.

Verlogene Scheißkerle

Film und Fernsehen

Es gibt zwei Arten von werdenden Eltern: die Wissbegierigen, die über jede grausame Einzelheit des Geburtsvorgangs Bescheid wissen wollen. Und den Rest, uns, die neun Monate lang die unvermeidliche Wahrheit verdrängen und lieber unwissend bleiben. Es ist ganz leicht herauszufinden, zu welcher Gruppe werdender Eltern du gehörst, da diese beiden Gruppen sich zuverlässig in diejenigen aufteilen lassen, die Fernsehsendungen wie One Born Every Minute gucken, und in diejenigen, die Fernsehsendungen wie One Born Every Minute absichtlich meiden. Ich habe versucht, mir eine Folge anzuschauen, aber ich habe keine zwanzig Sekunden geschafft. Ein einziges Bild hat sich in mein Hirn eingebrannt: das einer vornübergebeugten Frau, die aussieht, als würde sie innerlich kochen, und die sich so anstrengt, dass ihre Stirn aussieht wie der Hodensack eines Klingonen. Ich musste umschalten und Homes under the Hammer schauen.

Abgesehen von ein paar Reality-Shows sind die meisten Geburtsdarstellungen in Film und Fernsehen totaler Schwachsinn und der Grund dafür, dass wir mit einem völlig verzerrten Bild dessen, was uns dort erwartet, in den Kreißsaal stolpern.

Nehmen wir zum Beispiel so etwas Simples wie die Geburtsposition: In jedem Film und jeder Serie, die ich je gesehen habe, lag die Frau während der Wehen auf dem Rücken, Beine breit, als wollte sie das Baby aus ihrer schussbereiten Vagina-Kanone feuern. Doch anscheinend ist es wesentlich angenehmer, zwischendurch die Position zu wechseln.

Auch Kreißsäle sind nicht annähernd so, wie sie dargestellt werden: Sie bestehen nicht nur aus einem Krankenhausbett und piepsenden Maschinen. Die meisten verfügen über Sitzsäcke und Gymnastikbälle, und in manchen gibt es sogar Badewannen und Seile, die von der Decke hängen. Sie sehen gar nicht aus wie ein Krankenhauszimmer, sondern ähneln eher einem Hindernisparcours oder den schrottigen Spielbereichen in Familienpubs für die Kinder der Besoffskis.

Im Gegensatz zu dem schlichten, klinischen Umfeld, das wir vor Augen haben, gibt es in modernen Kreißsälen dimmbares Licht, CD-Player, bunte Bilder an den Wänden, eine Dusche und eine Ecke, in der du dir Tee kochen kannst. Wenn du das Geschrei aus dem Nebenzimmer und das schlechte WLAN dazunimmst, fühlst du dich fast wie in einer Billighotelkette. Die einzigen Unterschiede sind die fehlende Minibar und die Tatsache, dass der vorherige Gast sich nicht mit den Handtüchern den Arsch abgewischt hat.

Selbst die Darstellungen, wie sich die Geburt bei Frauen ankündigt, sind meilenweit entfernt von der Realität: In Film und Fernsehen platzt immer erst einmal ohne Vorwarnung die Fruchtblase. Ein derart heftiger Sturzbach ergießt sich, dass alle Umstehenden sowie Autos und Brücken in der Nähe einfach mitgerissen werden, und häufig werden Babys auf der Fahrt ins Krankenhaus geboren. In Wirklichkeit platzt längst nicht jedes Mal die Fruchtblase, und die Wehen dauern normalerweise Ewigkeiten. Vermutlich bist du versucht, eine Polizeieskorte zu bestellen oder ins Krankenhaus zu rasen, als würdest du bei Auf dem Highway ist die Hölle los mitspielen, aber wenn du nicht schon einen Kopf oder einen Fuß siehst, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ihr mindestens einen Tag im Krankenhaus hockt. (Während das zweite oder dritte Kind tendenziell eher schnell kommt, fühlt es sich beim ersten so an, als müsste es schon laufen können und stünde kurz vorm Abitur, wenn es sich endlich rausbequemt.)

Bücher

Es ist natürlich bescheuert zu glauben, Filme würden Geburten lebensecht darstellen. Kein Mensch geht ins IMAX, um sich ein zwölfstündiges Geburts-Epos anzuschauen, wovon sieben Stunden davon handeln, dass eine Frau abwechselnd an einem Gasschlauch saugt und sich mit ihrem Partner darüber unterhält, dass die Wehen ihre Hämorrhoiden schlimmer machen. Also greifen die meisten von uns auf eine traditionellere, verlässlichere Quelle zurück: Bücher.

Es gibt ungefähr dreißigtausend Bücher auf dem Markt, die sich mit Schwangerschaft und Geburt beschäftigen, und ich kann nur für uns sprechen, aber wir haben sie alle gekauft. Als Lyndsays Fruchtblase geplatzt ist, habe ich mir dann allmählich gewünscht, ich hätte wenigstens eins davon gelesen.

Erstaunlicherweise hatte Lyns die Bücher gelesen und war trotzdem ähnlich unvorbereitet. In keinem dieser Bücher wurde auch nur ansatzweise deutlich, was für ein Kampf eine Geburt wirklich ist. Ja, ich habe versucht, die Wahrheit zu verdrängen, aber was Bücher angeht, tun das vom Experten zum Idioten durch die Bank alle anderen auch.

Nehmen wir mal dieses Beispiel aus The Good Housekeeping Guide to Parenting. Dort heißt es, eine Geburt fühle sich an, als versuche man, »ein großes Stück Obst herauszupressen, während man unter Verstopfung leidet«. Und dass eine Frau in der zweiten Phase der Geburt »gereizt« sei. Es liegt mir natürlich fern, irgendwelche Ungereimtheiten in einem Good Housekeeping Guide aufzuzeigen, aber ich bin gereizt, wenn ich den Bus verpasse; ich kann mir kaum vorstellen, dass ich das gleiche Gefühl hätte, wenn ich eine Melone auskacken müsste.

Aus diesem Buch stammt außerdem der Vorschlag, Frauen sollten ihre Mundwinkel mit den Zeigefingern auseinanderziehen, um »ein Gefühl dafür zu bekommen, wie sehr es brennt«. Eine drei Tage dauernde Geburt »brennt« nicht. Brennnesseln brennen. Bienenstiche brennen. Drei Tage Wehen zu haben sticht nicht, brennt nicht und zieht auch nicht. Es tut saumäßig weh, und jede Frau, die das durchsteht, ist eine Kriegerin … Jede Frau, die das mehr als einmal schafft, ist Dschingis Khan.

Es gibt dünne, praktische Ratgeber mit Tipps, wie man am besten ein- und ausatmet. Und dicke, fette Geburtsvorbereitungshandbücher, die mit ihren siebenhundert Seiten solche Backsteine sind, dass man jemanden damit k. o. schlagen könnte (als würde dir das Lesen von siebenhundert Seiten über »Geburtsvorbereitung« nicht ohnehin schon das Bewusstsein rauben).

Doch leider Gottes sind diese ganzen Bücher wertlos, sogar die sorgfältig und gut recherchierten, schlauen Bücher. Denn mal ganz vom Inhalt abgesehen, was glaubst du bitte, was du machst, wenn das Baby unterwegs ist? Bestimmt keine Bücher lesen – nicht mal dieses hier.

Geburtsvorbereitungskurse

Fernsehen ist also furchteinflößend, Filme sind Schwachsinn und Bücher verwirrend und viel zu zeitaufwendig. Für immer mehr Leute sind Geburtsvorbereitungskurse der Ort, an dem die Geheimnisse der Geburt gelüftet werden: eine Art Förderunterricht für werdende Eltern.

Kennst du das noch aus der Schule? Förderunterricht – wo Kinder hingeschickt werden, die nicht klatschen können und Klebestifte essen. Diese Kurse sind fast genauso: Dort werden Wörter wie »Kacka« und »Pipi« benutzt, und alles wird anhand von Puppen und Clipart-Lernkarten in Comic Sans erklärt. Man hat die ganze Zeit das Gefühl, in eine Reha-Gruppe für Leute geraten zu sein, die sich gerade von einer schweren Kopfverletzung erholen.

Eigentlich wird man in Geburtsvorbereitungskursen wie ein Idiot behandelt. Aber das ist schon okay, denn wenn es darum geht, sich um ein Baby zu kümmern, bist du ein Idiot, und die Kurse sind in der hehren Absicht konzipiert worden, euch beizubringen, als frischgebackene Eltern nicht komplett zu versagen. Für manches sind diese Kurse echt gut; als Vorbereitung auf die Geburt sind sie quasi überflüssig.

Aus nachvollziehbaren Gründen werden die Schmerzen einer Geburt und das daraus resultierende Trauma dort heruntergespielt, was gut ist, aber das geschieht auf eine Art und Weise, die einen völlig verwirrt. Teil des Problems ist, dass sie meist von so New-Age-Urmüttern angeboten werden (unsere hieß Barbara – knochentrockene Haare, Flatterkleid, ökomäßig angehaucht mit Tendenz zum Scheißelabern). Deshalb wird statt der Wehen auch eher das »Geburtserlebnis« besprochen, das mit seltsamen mystischen Begriffen beschrieben wird. Ganz wichtig dabei: »Spiritualität« und eine besondere »Verbindung« – was euch den Eindruck vermittelt, ihr würdet hier das letzte Einhorn gebären.

Das Thema Schmerzen komplett umschiffend, konzentrieren sich die Ratschläge für Geburtsqualen auf Meditation, Duftkerzen und beruhigende Musik. Lasst euch gesagt sein, ihr werdet sehr schnell feststellen, wie nützlich diese Ratschläge wirklich sind, wenn ihr am Tag der Abrechnung mit einem Gefühl, als müsstet ihr bei den Tributen von Panem antreten, im Kreißsaal ankommt, bewaffnet mit nichts als einer »Seaside Escapes«-Yankee Candle und einer Snow-Patrol-CD.

Als Lyndsay und ich also eines Freitags in aller Herrgottsfrühe an der Anmeldungstheke unseres Krankenhauses standen, fühlten wir uns schlecht ausgestattet. Und während wir darauf warteten, in den Kreißsaal geführt zu werden, war ich lächerlich nervös, und Lyns hatte verständlicherweise richtige Angst. Wir hielten einander im Arm und versuchten, von unserem Wissen zu zehren, das wir aus der ganzen Bibliothek von Büchern und Ratgebern, die sich zu Hause stapelten, und aus Film, Fernsehen und dem Geburtsvorbereitungskurs zusammengetragen hatten. Doch da war nichts. Nichts als Angst, wir beide – und die Schreie von Brian Blessed, der die Welt entzweireißt.

Welches Wissen hätten wir uns im Rückblick also gewünscht?

Medikamente sind cool

Während der Vorbereitung auf die Geburt haben wir sehr viel über Atemtechniken, stimmungsvolles Licht, Meditation und die richtige Atmosphäre gehört und gelesen. Die Frage nach harten Drogen wurde immer nur gestreift, was seltsam ist, da neunzig Prozent der Frauen sich irgendwann während der Wehen einfach nur noch wünschen, sie hätten mit dem ganzen Scheiß nichts mehr zu tun.

Also mal Tacheles: In Wirklichkeit gibt es außer dem Stuss von wegen »Stell dir den Schmerz wie eine Tür vor« vier verbreitete schmerzstillende Maßnahmen.

1. TENS-Gerät: Als ich von diesen Dingern gehört habe, ist mir klargeworden, wie schmerzhaft Wehen wirklich sein müssen. Ich meine, wie sehr muss etwas wehtun, wenn du es als schmerzstillend empfindest, dir selbst Elektroschocks zu verpassen? Denn genau das tut dieses Ding. Die werdende Mutter bekommt Pads aufgeklebt, durch die das Gerät ihr Stromstöße verabreicht. Ich hab’s ausprobiert. Ist genau dieselbe Technologie wie diese Slendertone-Bauchmuskeltrainer, die sich faule Leute kaufen und in der Hoffnung auf einen Waschbrettbauch um ihre 140-Zentimeter-Taillen schnallen. Funktioniert meiner Erfahrung nach beides nicht.

2. Lachgas: Verwendet wird ein Gasgemisch aus Sauerstoff und Distickstoffmonoxid, auch Lachgas genannt. Auch das habe ich probiert. Bewirkt ein ganz angenehmes Benommenheitsgefühl. Anfangs scheint es tatsächlich zu wirken. Die gebärende Frau hält sich den Schlauch mit Atemmaske vor den Mund und atmet das Gas ein, was definitiv einen lindernden Effekt hat. Sobald die Wehen allerdings im Abstand von wenigen Sekunden kommen, ist es genau wie die letzte Bong in Amsterdam. Der Benutzer benimmt sich wie ein Klebstoffschnüffler, der versucht, die letzten Reste aus der Tube zu bekommen. Ich glaube, man kann durchaus sagen, dass die Wirkung abnimmt, je weiter das Ganze voranschreitet.

3. Diamorphin[1]: Im Prinzip dasselbe wie Heroin. Besser bekannt als »Dope«, »Schnee«, »Horse« oder »H«. Aber das gute Zeug. Ich hab’s nicht ausprobiert, weil es im Kreißsaal vermutlich nicht so gut angekommen wäre, wenn ich mir als Dad in spe eine Spritze geschnappt und mir einen Schuss medizinisch reines Opiat gesetzt hätte.

Also weiß ich nicht genau, wie es sich anfühlt, Diamorphin zu nehmen. Laut der Internetseite Babycentre.co.uk wird es als Spritze in den Oberschenkel verabreicht und dämpft, sobald die Wirkung einsetzt, Schmerzen und entspannt die Frau während der Wehen. Der Nachteil ist, dass es dich anscheinend ziemlich ausknockt und häufig Übelkeit und Verwirrtheit auslöst.

Ich schätze mal, es ist wie betrunken zu sein, nur anerkannter, als wenn die Frau während der Geburt auf einmal eine Plastiktüte voll Starkbier auspackt.

Übrigens, diese einmalige Injektion macht nicht abhängig. Diese Befürchtung wurde in unserem Geburtsvorbereitungskurs geäußert, aber keine Sorge, trotz allem, was uns während der »Just-say-No«-Kampagne in den Achtzigern beigebracht wurde, wird eine Ladung von diesem Stoff nicht dazu führen, dass dir der Arsch abfällt oder du eine lebenslange Karriere als Ladendieb im Elektromarkt vor dir hast. Vermutlich.

4. Periduralanästhesie:PDA, der Daddy aller Schmerzmittel. Das ist quasi ein Schlauch mit Jägermeister ins Rückenmark und sorgt dafür, dass du unterhalb der Hüfte rein gar nichts spürst. Anscheinend kann es ziemlich schmerzhaft sein, den Schlauch zu setzen und wieder zu ziehen. Aber deswegen auf eine PDA zu verzichten wäre, als würdest du darauf verzichten, dir einen Schraubenzieher aus dem Schädel ziehen zu lassen, weil es deine Frisur zerstören könnte. In diesem Fall ist der Spruch »Schmerz ist relativ« vermutlich wirklich zutreffend.

Ob Crackpfeife, Crystal Meth oder Musik von Neil Diamond, für welche Art von Schmerzlinderung auch immer sich eine Frau entscheidet, es gibt immer einige, die von den Experten – den Gurus – als »gut«, und einige, die als »schlecht« angesehen werden. Ein Problem an den ganzen Büchern und Kursen ist, dass immer so auf der »natürlichen« Geburt herumgeritten wird: eine nicht hinterfragte Meinung, dass alles besser war, als Frauen noch in Höhlen im Schein des Feuers Babys bekommen haben.

Es gibt ein Problem an dieser Meinung … Sie ist Bockmist. Tatsache ist, dass es sowohl für Mütter als auch für Babys oft einen ziemlich finsteren Ausgang hatte, als sich die Menschheit noch komplett auf die Natur verlassen musste. Die Verbreitung dieses Mythos der »Natürlichkeit« führt bloß dazu, dass Mütter in spe ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie auch nur darüber nachdenken, die eigenen Schmerzen medikamentös minimal zu halten.

Und nicht nur die »Natürlich-ist-am-besten«-Mafia vertritt die Ablehnung von Medikamenten. Eine Hebammenmeinung lautet ernsthaft: »Schmerzstillende Medikamente wirken der Geburt als Übergangsritus entgegen und schwächen die Mutter-Kind-Bindung.« Der Name dieser Hebamme ist Dr. Denis Walsh. Natürlich ein Kerl.

Ich möchte Dr. Walshs Expertise in dieser Sache gar nicht in Frage stellen, aber für einen Mann ist es ziemlich einfach, den Wert von Medikamenten für Frauen unter der Geburt in Frage zu stellen. In unserem Geburtsvorbereitungskurs wurde uns gesagt, für einen Mann wäre das Äquivalent einer Geburt, eine Walnuss durch seinen Penis zu pressen. Wenn das auch nur annähernd der Wahrheit entspräche, wäre die Erdbevölkerung längst auf ungefähr sieben geschrumpft – und die meisten Männer (einschließlich Doc Walsh) würden bereits auf dem Krankenhausparkplatz eine PDA verlangen.

Geburtsplan vs. Realität

In einer Hinsicht sind sich alle Experten einig: Dass die Erwägung schmerzlindernder Mittel in den »Geburtsplan« gehört. Es ist seltsam, darüber nachzudenken. Zu planen, wie du auf diese Schmerzen reagieren wirst, ist ungefähr so, als würdest du planen, wie du reagieren würdest, wenn dir ein Clown ins Auto scheißt: Du kannst es unmöglich wissen, bis du dich in der Situation befindest. Jedenfalls betrachtet man einen »Geburtsplan« am besten wie Neujahrsvorsätze oder eine Unterhaltung in besoffenem Zustand. Die Chancen, dass es auf etwas Konkretes hinausläuft, gehen gegen null. Wenn du ihn schreibst, mag es dir vernünftig erscheinen, aber im Endeffekt ist völlig wurscht, was draufsteht. Also schreib, was du willst. Verlang ruhig, dass dir während der kompletten Geburt ein Baby-Minotaurus die Füße ableckt, es ist eh egal.

Als wir in unseren Kreißsaal geführt wurden, haben wir unseren »Geburtsplan« noch mit Ehrfurcht behandelt, als wäre er die Magna Carta. »Dieses Blatt Papier wird schon alles richten«, dachten wir mit dem blinden Optimismus eines Neville Chamberlain bei seiner Rückkehr aus Deutschland im Jahr 1938. Als Lyns schließlich auf Lachgas war, klebte der Plan unter der Schuhsohle eines Pflegehelfers.

Die meisten Geburtspläne sehen ungefähr so aus:

vorhernachher

Das mag vielleicht etwas übertrieben sein, aber es ist erstaunlich, wie wenig vom Geburtsplan am Ende umgesetzt wird. Ein Grundpfeiler des Plans ist meist, welche Hebamme man möchte. Aber wenn du kein Mitglied der Königsfamilie oder ein ausgesprochener Glückspilz bist, wird dir normalerweise vor Ort willkürlich eine Hebamme zugewiesen. Vermutlich sogar mehrere.

Ich bin immer davon ausgegangen, wir bekämen bereits in dem Augenblick, in dem Urin auf Plastikstäbchen trifft, eine Hebamme zugewiesen, die dann neun Monate lang unsere beste Freundin wäre. Sie hieße Pamela. Wir würden ihre Kinder kennenlernen, Michael und Tess (Michael studiert Geschichte, und Tess will was mit Theater machen). Sie wäre wie ein Familienmitglied, immer da, vor und während der Geburt. Wir würden unser Kind Pamela nennen, selbst wenn es ein Junge wäre, weil Pamela so toll war …

Aber so läuft es nicht. Wir hatten drei Hebammen, die rein- und rausschwebten wie Geister. Geist Nummer eins war effizient, strahlte jedoch gleichzeitig Ruhe aus (Claire). Geist Nummer zwei (Sarah) war total fröhlich und enthusiastisch. Und der dritte Geist (Annie) war schrecklich und hatte ein Gesicht wie ein Katzenarsch, der auf dem Scheiterhaufen verbrannt wird. Welche Hebamme du bekommst, ist eine große Sache, wenn du deinem Geburtsplan in den letzten paar Schwangerschaftswochen den Feinschliff verleihst. Aber im Endeffekt ist es egal. Solange die Person, die für die Gesundheit von Mutter und Kind verantwortlich ist, einigermaßen nüchtern ist und nicht Charlie-Sheen-mäßig irre, kümmert es kein Schwein, und am allerwenigsten die Frau, die gerade Wehen hat.

Warten, warten, warten

Der Grund, wieso man meist mehr als eine Hebamme hat, wird dir auf eierquälende Weise sonnenklar. Ein Baby zu bekommen, vor allem das erste, dauert Ewigkeiten. Zeit ist relativ, aber das Einzige, was länger dauert, ist vermutlich die Wartezeit vorm Toaster im Frühstücksraum eines Hotels. Geburten bestehen zu neunzig Prozent aus Warten.

Und noch mehr Warten …

Doch seltsamerweise ist es völlig anders als alles Warten, was du bisher kanntest: Es ist anstrengend, weil einer von euch Schmerzen hat und ihr beide gelangweilt und gleichzeitig voller Adrenalin seid. Es ist, als würde man in einem abstürzenden Flugzeug einen Kostümfilm schauen. Stundenlang.

Für den Mann besteht die meiste Zeit im Kreißsaal darin, eine Ein-Mann-Cheerleader-Truppe für seine Partnerin zu spielen.

Innerhalb von einer Stunde fallen den meisten Männern keine aufmunternden Sprüche wie »Das machst du super« mehr ein, und sie langweilen und nerven sich und ihre bessere Hälfte längst zu Tode mit dem Scheiß. (Du kannst zu deiner gebärenden Frau nicht unbegrenzt oft »Atmen« sagen, ohne dass sie dir irgendwann »Atme doch selber, du Volltrottel!« an den Kopf wirft.)

Deshalb hier eine Idee, wie man sich die Zeit vertreiben kann, und zwar unter Einbeziehung der einen entscheidenden Begleiterscheinung einer jeden Geburt – fluchen, was das Zeug hält.

Schimpfwort-Bingo

Die Regeln: Eine Frau mit Wehen flucht durchschnittlich siebzehn Mal pro Stunde, teilweise extrem kreativ.

Kreuze einfach den Stern in der Mitte ab, wenn dein Partner ein Schimpfwort erfindet, das du noch nie zuvor gehört hast.

Ich habe es geschafft, den Stern mit dem Wort »Ficktrompete« abzuhaken.

Lyns war in ihrem Fluchverhalten eigentlich ziemlich moderat, ihr ist nur gelegentlich das F-Wort, das mit W und ein einziges Mal ganz leise, aber bedrohlich das Wort mit N rausgerutscht. Aber bei einem Ausflug zum Süßigkeitenautomaten konnte ich laut und deutlich hören, wie eine Frau immer wieder das Wort »Nutte« rief, und eine andere Frau, die ihren Mann anbrüllte, er solle »seinen verfickten Kopf ficken«, was völlig sinnfrei ist, aber mit solcher Inbrunst herausgeschmettert wurde, dass der arme Teufel es garantiert trotzdem versucht hat.

Ich habe diese Frau, die Frau im Zimmer »Eichel«, nie zu Gesicht bekommen. Aber ich bin auf dem Parkplatz ihrem Mann über den Weg gelaufen, und er sah aus wie jemand, der Dinge gesehen hat, die er lieber nicht gesehen hätte. Als er wieder zurück ins Zimmer ging, meinte ich einen Blick auf eine Frau erhascht zu haben, die aufrecht im Bett saß. Ihr Kopf drehte sich um dreihundertsechzig Grad, und die Hebammen hielten sie fest, während ein alter Priester sie mit Wasser besprenkelte und rief: »Die Kraft Jesu Christi bezwingt dich.«

Unserer Hebamme zufolge lag die arme Frau schon seit vier Tagen in den Wehen, was, um ehrlich zu sein, relativ ungewöhnlich ist. Doch bei der Geburt des ersten Kindes dauern die Wehen durchschnittlich achtzehn Stunden. Ich kann es nicht oft genug sagen: So eine Geburt dauert Ewigkeiten. Nach dreizehn Stunden kam ich mir allmählich ein bisschen blöd vor, weil ich auf dem Weg ins Krankenhaus so gerast und mindestens über eine rote Ampel gefahren bin. (Mann, ich hätte Lyns die knapp zwanzig Kilometer bis zum Krankenhaus in einem Einkaufswagen schieben können und hätte trotzdem noch Zeit gehabt, auf dem Weg einen Zwischenstopp für einen Egg McMuffin einzulegen.) Im Nachhinein wirkt es lächerlich, aber die meisten von uns machen sich um diese »Höllenfahrt« den größten Kopf. In den Wochen vor unserem errechneten Termin habe ich die allermeiste Zeit damit verbracht, mir auszumalen, wie ich im Falle eines Staus eine Polizeieskorte organisieren würde.

Das Ding ist, dass wir alle die Videos und Nachrichtenmeldungen von Babys kennen, die auf dem Weg ins Krankenhaus geboren wurden oder gerade eben noch aufgefangen werden konnten, nachdem sie aus ihrem Neun-Monats-Nest geplumpst sind, kaum dass ihre Eltern den Anmeldungsbereich des Krankenhauses erreicht hatten. Aber als Lyns schon den zweiten Tag Wehen hatte, kam es uns vor, als würde Charlie so lange brauchen, dass er, wenn er denn endlich herauskäme, direkt nach seinem ersten Paar richtiger Schuhe fragen würde. Wie die meisten Anfänger-Eltern fragten wir uns allmählich, ob dieses neue Menschlein je das Licht der Welt erblicken würde, und irgendwann teilten sogar Hebamme und Arzt unsere Sorge.

Einleitung

Das ist ungefähr der Zeitpunkt, an dem alle plötzlich vom Einleiten sprechen. Ich hatte zwar schon davon gehört, wusste aber nicht genau, was alles dazugehörte. Ich bin kein Volltrottel: Ich wusste, dass nicht zu einer solchen Starthilfe fürs Baby gehört, vor dem Ausgang zu lauern und mit einer Tüte Haribo zu wedeln. Aber ich wusste auch nicht, dass es eine chemische Angelegenheit ist und der Arzt der Mutter ein Medikament verabreicht, um die Wehen anzuregen. (Ich bin mir nicht sicher, wie die New-Age-Cops zu dieser Art von Medikamenten stehen oder was das natürliche Äquivalent dazu wäre. Womöglich irgendein schamanischer Gesang, bis das Baby den Kopf herausstreckt und sich über den Lärm beschwert, den die Hippiespacken da draußen machen.)

Bei Charlie wurde während der Wehen eingeleitet, aber offensichtlich geht man genau so auch vor, wenn ein Baby überfällig ist und keine Anstalten macht, herauszukommen. In diesem Fall entscheiden die Ärzte, dass es Zeit für Junior/Juniorine ist, in Erscheinung zu treten, und geben den werdenden Eltern einen Termin, an dem sie ins Krankenhaus kommen sollen. Quasi ein Räumungsbescheid für das Baby.

Jedenfalls funktioniert es. Sobald das Zeug wirkt, packt das Baby seine Plazenta ein und macht sich auf die Reise.

Die Bürde des Mannes

Die nächsten paar Stunden sind ehrlich gesagt etwas verschwommen, beziehungsweise habe ich meine Erinnerungen daran im hintersten Winkel meines Hirns in einer Kiste mit der Aufschrift »Nicht öffnen!« verstaut. Ich kann es jedes Mal wieder kaum fassen, wenn Männer sagen, bei der Geburt dabei zu sein wäre die tollste Erfahrung ihres ganzen Lebens gewesen. Sind diese Freaks nie Jetski gefahren? Haben die nie Minigolf gespielt? Oder Buckaroo? Die nackte Wahrheit ist, dass der Mann die meiste Zeit im Kreißsaal höchstwahrscheinlich damit verbringt, der Frau, die er liebt, dabei zuzusehen, wie es ihr extrem schlecht geht. Und klar, was am Ende dabei herauskommt, ist lebensbejahend, unglaublich und ehrfurchtgebietend, aber der Teil davor ist echt kacke. Ich würde lieber einem Bauarbeiter beim Scheißen zugucken als stundenlang in dieser Lage zu sein. Geschweige denn, mit einem Popcorneimer bewaffnet und einem fetten Grinsen im Gesicht meiner Frau beim Leiden zuzusehen und das Ganze auch noch als »tollste Erfahrung meines Lebens« zu bezeichnen.

Nach all dem Gerede über Medikamente, Atemtechniken, Flüche und Kerzen muss ich zugeben, dass Lyns ihre Schmerzen hauptsächlich ausgehalten hat, indem sie meine Hand hielt. Und wenn ich sage, sie hat meine Hand gehalten, dann meine ich, sie hat versucht, mir den Arm aus dem Schultergelenk zu reißen. Doch das spürst du nicht, weil du nur die Fingernägel spürst: Händchenhalten mit einer Frau in der letzten Phase der Geburt ist nur geringfügig erstrebenswerter als Händchenhalten mit einem Jaguar während der Kastration. An dieser Stelle ein ganz einfacher Ratschlag an alle Männer, die das hier lesen: Jetzt ist kein guter Zeitpunkt zu erwähnen, wie sehr es wehtut. Tu es nicht. Der letzte Mann, der sich nicht an diesen Rat gehalten hat, ist an einem toxischen Schock gestorben, nachdem ihm ein Pilates-Ball in den Arsch geschoben wurde.

In den letzten Zügen der Geburt rücken die meisten Männer ihre Stühle vom Ort des Geschehens weg. Wenn deine Versuche im Stühlerücken richtig erfolgreich waren, sitzt du plötzlich mit deinem Plastikstuhl auf dem Parkplatz und blätterst in einem Magazin. Aber die meisten von uns schaffen es gerade einmal bis ans äußerste Kopfende des Betts. Mir ist klar, wie jämmerlich das in den Ohren einer Frau klingen muss, die bereits eine Geburt erlebt hat oder kurz davor steht. Es ist ja nicht so, als wollten wir die Geburt an sich nicht miterleben, aber wir sind eben zimperlich und schwach, und irgendwann können wir eine gedehnte Vagina nicht mehr von einer Sonnenfinsternis unterscheiden und glauben, dass wir blind werden, wenn wir direkt hineinschauen. Außerdem haben unsere kinderlosen Kumpels uns erzählt, dass es uns jegliche Lust auf Sex verderben wird, wenn wir uns die Geburt anschauen. (Das ist übrigens Schwachsinn: Zu diesem Zeitpunkt haben die meisten Männer schon so lange keinen Sex mehr gehabt, dass nicht einmal eine Frau mit Haizähnen untenrum sie abschrecken könnte.)

Eigentlich unglaublich, dass laut Babycentre.co.uk achtzig Prozent der Männer Angst vor der Geburt haben, obwohl ihr größtes Problem darin besteht, sich immer wieder hinauszustehlen, um mehr Kleingeld in den Parkautomaten zu werfen.

Laut Mumsnet.com sind die vier größten Männerängste folgende:

1. Ohnmächtig werden

Offensichtlich eine weitverbreitete Angst, ein Sitcom-Klassiker, eine Reaktion, die man nie wieder loswird. Ehrlich gesagt hatte ich auch Angst davor. Obwohl ich noch nie in meinem Leben bewusstlos war. Mir ist zwar einmal ein bisschen schwummrig geworden, als ich Carol Decker, die Frontfrau der Eighties-Chartbreaker T’Pau, getroffen habe, aber in Ohnmacht gefallen bin ich noch nie. Also ist es eigentlich seltsam, dass sich diese Angst in meinem Hirn breitmachen konnte. Allerdings gehen die Chancen, ohnmächtig zu werden, für einen werdenden Vater mit dieser Angst gegen null. Die Angst geht im Adrenalinrausch und der Aufregung einfach unter. Wenn du dich nicht in der labilen Verfassung einer Dame aus dem neunzehnten Jahrhundert befindest, die plötzlich »der Hysterie« anheimfällt, oder du eine von diesen Ziegen mit Herzfehler bist, wirst du höchstwahrscheinlich nicht umkippen. Sei keine Memme.

2. Sich übergeben

Anscheinend eine weitere verbreitete Angst. Aber auch das ist extrem unwahrscheinlich. Keiner von euch beiden wird seit sechzehn Stunden etwas anderes gegessen haben als zähen Krankenhaustoast, der schlimmstenfalls zu einem trockenen Würgen führen könnte. Selbst wenn du es schaffen solltest zu kotzen, wirst du längst nicht gegen die vielen Körperflüssigkeiten, die sich bereits in diesem Raum befinden, anstinken können. Niemand wird es bemerken.

3. Es nicht gebacken kriegen, die Nabelschnur durchzuschneiden

Okay, meine Herren, wenn euch der Arzt eine Schere und das merkwürdige, alienmäßige Seilding in die Hand drückt, ist es völlig in Ordnung zu sagen: »Wissen Sie was? Sie haben sieben Jahre Medizin studiert, machen Sie mal, während ich versuche, die Chips bei mir zu behalten, die ich vor dreizehn Stunden gegessen habe.« Vor allem, wenn du so ein Honk bist, dass du glaubst, du könntest dabei etwas falsch machen. Wenn du der Aufgabe nicht gewachsen bist, lass es. Stell dir bloß einmal vor, wie du die Nabelschnur durchschneidest und der Arzt den Kopf schüttelt und sagt: »Scheiße, Dad, du hattest genau eine Aufgabe …«

4. Der Anblick der Plazenta

Okay, stimmt schon. Das Teil ist ziemlich eklig.

Und was ist der gleichen Umfrage zufolge wohl die größte Angst der Frauen vor der Geburt? »Gesundheitliche Komplikationen«. Und ich glaube, spätestens jetzt wissen wir auch, wieso die Natur den Frauen die Aufgabe übertragen hat, Kinder zu bekommen.

Nur noch einmal pressen

Nach einer gefühlten Ewigkeit sind also alle erschöpft. Die Mutter ist von den Schmerzen und vom Pressen erschöpft, und der Vater ist erschöpft, weil es ihm vorkommt, als hätte er die letzten zig Stunden mit dem Versuch verbracht, Predator zu baden. (Männer, erneut gilt: Erwähnt um Himmels willen nicht, wie müde ihr seid. Egal wie groß eure Müdigkeit ist, nehmt sie mal zehn und ihr wisst, wie müde eure Partnerin gestern war. Wenn ihr in dieser Phase der Geburt auch nur irgendeinen Hauch von Unbehagen eurerseits durchscheinen lasst, wird sie ihr letztes Fitzelchen Energie darauf verwenden, euch den Penis abzureißen, und euch zwingen, ihn als Krawatte zu tragen. Die Hebamme wird ihr dabei helfen.)

Und dann heißt es nur noch einmal pressen. Ein einziger Ausbruch purer, tierischer Verzweiflung. Ein urtümlicher, kehliger Schmerzensschrei, millionenfach gehört und unverändert, seit wir als Neandertaler in Höhlen bei Feuerschein unsere Babys geboren und die Höhlenmenschen-Väter versucht haben, ihre Felsbrocken weg vom Ort des Geschehens auf den Höhlenparkplatz zu rollen.

Ich schwöre, dass ein Augenblick absoluter Stille folgte, ehe ich Charlies ersten Schrei hörte.

Und es fühlte sich an, als wären mein Herz und mein Hirn herausgenommen, neu geordnet, verbessert und wieder hineingestopft worden. Ich bin kein sonderlich spiritueller Mensch. Ich würde nie ein Oprah-Winfrey-Zitat als Profilbild benutzen. Aber in dem Augenblick war alles reiner, alles war klarer. Ich war sofort weniger zynisch, und in diesen Augenblicken konnte ich endlich die Gefühle nachvollziehen, von denen ich in den Monaten zuvor nervtötend oft gehört hatte: wie sehr diese ganze Sache dein Leben verändert.

Ich hatte Fotos von Neugeborenen gesehen, die über und über mit der Schmiere und dem Schleim aus dem Mutterleib bedeckt sind, als wären sie im Abfluss einer Schlachterei herumgeschwommen, und ich hätte erwartet, davon abgestoßen zu sein. War ich nicht, ich war wie gebannt. Und als Charlie auf Lyns’ Brust gelegt wurde, wusste ich, dass die beiden Menschen vor mir die perfekten Wesen waren, die ich lieben und beschützen würde, bis meine Wirbelsäule zu Staub zerfiele.

Wir beglückwünschten uns, als die Nabelschnur zu unserem alten Leben durchgeschnitten wurde, und ich tröstete mich mit dem Wissen, dass der schwierigste Teil geschafft sei.

Was für ein Vollidiot ich war …

2

Zu Hause

»Am schönsten ist es zu Hause …«

Das Zuhause von frischgebackenen Eltern ist wie Dorothys Haus in Der Zauberer von Oz: Es wird plötzlich von einem Tornado in die Luft gerissen und in schwindelerregendem Tempo durcheinandergewirbelt. Total unheimlich.

Doch nach ein paar Wochen flaut der Tornado ab, und das Haus landet wieder, wenn auch nicht in Kansas. Frag mich nicht, wie, aber es landet unversehrt in einer weniger grauen Welt. Und deine Angst ist nicht weg, aber sie wurde so doll zerquetscht, dass nur noch ihre bestrumpften Füße zu sehen sind.

Aber scheiße, wir befinden uns nicht mehr in Kansas.

Ich habe nie verstanden, wieso es Frauen gibt, die sich für eine Hausgeburt entscheiden. Als uns davon erzählt wurde und die Möglichkeit im Raum stand, dachte ich: Hmmm, Entscheidungen über Entscheidungen.

Wollen wir unser Baby in einem Gebäude bekommen, das bis unters Dach voll ist mit medizinischem Fachpersonal – Ärzten, Anästhesisten, Pharmakologen – und der ausgeklügeltsten Überwachungstechnik, die die Menschheit zu bieten hat? Oder möchte Lyns lieber eine Geburt auf unserem Wohnzimmerboden, in einem Planschbecken, das langsam Luft verliert, während irgendein Quatsch in der Glotze läuft?

Ich kann das Argument nachvollziehen, dass manche Frauen sich zu Hause am wohlsten fühlen, aber vermutlich kapiere ich nicht, worum es dabei wirklich geht. Ich fühle mich am wohlsten, wenn ich bei meinem Freund Don bin und Xbox spiele, aber meine Prostata-Untersuchung soll trotzdem nicht bei ihm auf dem Sofa stattfinden. »Scheiß aufs Krankenhaus, Donald, hier fühle ich mich doch am wohlsten.«

Ich hielt die ganze Idee für verrückt. Tue ich immer noch.

Doch bei der Entlassung aus dem Krankenhaus wurde mir der entscheidende Vorteil einer Hausgeburt klar: Wenn dir dein Nachwuchs zum ersten Mal in die Arme gelegt wird, bist du bereits zu Hause.

Du musst dich nicht mit der Angst auseinandersetzen, das Krankenhaus zu verlassen, um dorthin zu gelangen.

Und ich hatte einen Riesenschiss davor, nach Hause zu fahren. Schiss, die Sicherheit des Krankenhauses und der Menschen, die wissen, was sie tun, hinter uns zu lassen. Ich weiß, das Thema hatten wir schon, aber ich war einfach noch nicht bereit. Ich hatte geglaubt, dass Frauen nach der Geburt eine Weile im Krankenhaus bleiben. (Wieder hatte ich mich von Filmdarstellungen und den Geschichten früherer Generationen über wochenlange Krankenhausaufenthalte zur Genesung täuschen lassen.) In Wirklichkeit sind Geburten inzwischen reine Routine, und sobald Junior den Bauch verlassen hat und zwinkernd den Daumen hebt, wird dir der Mantel gereicht und erwartet, dass du endlich abhaust.

Ich habe versucht, mich von dieser Vorgehensweise ermutigen zu lassen. Klar hätten wir es vorgezogen, eine Woche im Krankenhaus zu bleiben, um das Ganze zu verarbeiten und uns aneinander zu gewöhnen. Aber Wochenstationen sind quasi Fließbänder der Menschheit, und wir waren nur ein Elternpaar von Tausenden an diesem Tag, das schließlich vom Ende des Fließbands ins echte Leben plumpst.

Uns Charlie zu übergeben und sich darauf zu verlassen, dass wir wissen, wo oben und unten ist, war ein Vertrauensbeweis des Krankenhauses. Jetzt hieß es, Zähne zusammenbeißen. Bereit oder nicht.