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Der Tod eines der Spitzenköche Wiens, Josef Preinschmidt, löst ausgehnte Recherchen aus, die in ein nahes Kloster, aber insbesondere zu ‚Sex and Crime’ der Wiener Society führen. Ist er ertrunken, oder ist dem doch nachgeholfen worden? Mitten in der Nacht wird die im eigenen Fischwasser schwimmende Leiche vom Freund des Toten, Dr.Richard Schubert gefunden. Der ausgelöste Polizeieinsatz bringt den ermittelnden Kommissar Schilling (oder wie er sich meist vorstellt, „Schilling, Doktor, Kommissar“) in eine freundschaftliche Beziehung zu Dr.Schubert. Und diese führt zu ungeahnten Verwicklungen. Als Basis für diesen Roman fungiert eine real erlebte Situation, in der ein Koch und Restaurantbesitzer in seinem eigenen Fischteich den Tod gefunden hatte. Die sich im Roman ergebenden Folgen sind aber Fiktion, wie auch das Ärzte-Ehepaar Dr.Schubert, deren Tätigkeit und Handeln aber doch einen realen Hintergrund haben.
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Seitenzahl: 181
Veröffentlichungsjahr: 2015
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Kapitel 1
Schilling, oder wie er sich gern bezeichnet, „Schilling, Doktor, Kommissar“, ist ein etwas skurriler Junggeselle, der den Anfechtungen durch die Damenwelt bisher erfolgreich widerstehen konnte. Seinen Vornamen kennen nur die wenigsten. Wahrscheinlich hätte kein weibliches Wesen mit ihm länger als ein paar Wochen ausgehalten, versucht haben es schon so manche in den Jahren, die er nun schon in Wien ist. Länger ausgehalten hat es nur eine Heldin, und dies fast ein halbes Jahr! Er, Schilling, 36, hat so manche Gewohnheit, die Frauen nicht gerade anziehen. Eines seiner Hauptlaster ist die Ungeduld, das zweite ist sein absolutes Unvermögen, Unfähigkeiten zu verstehen! Und Ungeduld ist etwas ganz perfides, wenn man mit seiner Holden in die Oper will, wenn man weiß, dass der abendliche Verkehr gerade heute sehr stark sein wird, wenn man weiß, dass schon wieder eine Demo auf der Ringstrasse abgehalten wird. Und sie, sie wird mit der Kriegsbemalung oder der Auswahl des richtigen Kostüms, des passenden Kleides nicht und nicht fertig! Schon im Mantel vom Vorzimmer ins Wohnzimmer und zurück, wieder ins Wohnzimmer, dann möglichst laut noch mit seiner Dienststelle telefonieren, dabei einen leidenden Ton anschlagen. Dass kann und kann nicht lange gut gehen. Dann noch alle 3 Minuten laut fragen, „Bist du jetzt endlich fertig? Ich fahr jetzt los!“
Schillings Spitzenleistungen in Sachen Unverständnis gegenüber der Damenwelt war ein Besuch in einem seiner Lieblingsrestaurants, beim „Preinschmidt“. Nachdem seine doch recht attraktive damalige „Haupt“-Begleiterin endlich von der freundlichen und geduldigen Empfangsdame beim Josef Preinschmidt richtig platziert worden war, sodass sie das Lokal gut überblicken konnte, oder war eher ihr Wunsch federführend, dass sie auch von überall gut gesehen werde, hatte sie in der Speisekarte gelesen. So wirklich gelang dies ja nie, wenn sie ihre Lesebrille nicht bei sich hatte. Aber nur nichts zugeben, hübsche, geschmackvoll gekleidete Damen brauchen keine Brille! Schon gar nicht, wenn das halbe Lokal nach ihrem primadonnahaftem Auftreten sie beobachtet. Dieser Zwicklage völlig verständnislos gegenüber stehend, beginnt Schilling, wie in einem monoton Singsang laut die Karte vorzulesen, und dies inklusive der Preisangaben! Diese Dame hatte er erfolgreich vergrämt, in seinen Worten klingt es anders, „Auch die habe ich erfolgreich abgewehrt!“
Den ganzen Tag dort, im Polizeipräsidium, in seinem Büro zu verbringen ist für ihn oftmals schon etwas deprimierend, die Kollegen seien so uneinsichtig, sehen ihre Fehler nicht, und sind schon eingeschnappt, wenn er, der Chef ihren Sonntagsfrieden stört! Überall lauert Unfähigkeit par excellence!
Trotz allem ist er bei seinen Mitarbeitern nicht gerade unbeliebt. Sie wissen, sie können sich auf ihn verlassen! Dienstzeiten legt er sehr elastisch aus, wenn er ruft, sind aber alle sofort hier. Und wenn der Zweck die Mittel heiligt, werden auch einmal die Dienstvorschriften sehr weit auslegt. So manche Aktion hat er bewilligt oder auch selbst durchgeführt, die am Grat zwischen Legalität und gewünschtem Ermittlungserfolg balanzierte. „Die Aufklärung eines Verbrechens steht im Vordergund, der Weg dorthin muss oft flexibel gehandhabt werden,“ meint er immer. Ein wenig schade finden sie, seine Mitarbeiter, es, dass trotz dem Vorbild fast aller Tatort- oder Soko-Ermittlerteams bisher keine weibliche Kollegin seinen Ansprüchen genügen konnte. Nicht dass sie sich eine Frau als Chefin vorstellen könnten, nein, das muss ja nicht gerade sein, aber so eine schicke Blondine wie bei Soko-Leipzig würden sie sich schon wünschen!
Auch diesen Dienstag spät abends ist er noch im Büro, sich der absolut sekkantesten Tätigkeit, der Aktenbearbeitung, widmend. Sein Privatleben war wieder einmal am absoluten Tiefststand angelangt, als das Telefon Sturm läutete, der Journaldiensthabende hebt ab, macht sich Notizen, und sagt: „Ok. Wir sind schon unterwegs!“
Kapitel 2
In der 2.Loge des ersten Ranges, links, wartet Richard am Sonntag Abend auf seinen Freund. „Josef ist auch heute nicht pünktlich, immer kommt er erst im letzten Augenblick“, moniert Richard über Josef, „ist er wieder so spät aus seiner Küche hinaus?“ Langsam wird es dunkel im Saal, die schon geschlossene Logentüre öffnet sich, Josef drückt sich an den weiter hinten Sitzenden vorbei und lässt sich auf den letzten freien Sessel der ersten Reihe mit einem leisen Seufzer nieder, schnauft noch etwas, und flüstert Richard „Ein alter Mann ist kein Schnellzug“ mit einem Begrüßungslächeln zu. Doch nun kommt schon der Dirigent herein, Applaus empfängt ihn, veranlasst die Orchestermusiker mit einer schwunghaften, alle umgreifenden Bewegung seines rechten Armes zum Aufstehen, völlige Stille macht sich im Saal breit. Nach Sekunden des Verharrens gibt er den Einsatz, Puccinis Klänge steigen in den Saal empor.
Josef kann sich rasch, durch seine geliebte Musik gefördert, wieder entschleunigen, wird von der Musik weggetragen. Trotzdem kommt ihm der Streit mit einem Gast von heute wieder in den Sinn, über den er sich so aufgeregt hatte. Aber Puccini behält die Oberhand, er und auch Richard neben ihm, lassen sich in die Klangwelten hineinfallen. Die Sänger sind heute wieder einmal doch Spitze, beide denken sich das, als echte Opernliebhaber sehr häufige Besucher, erfahrene Aficionados der Opernwelt. „Der ‚Calaf’ schwächelt aber heute!“, flüstert Richard zu Josef hin. Kaum ein Sänger, kaum ein Dirigent ist ihnen nicht vertraut!
Die Pause verbringen sie, wie meist, im Mahlersaal, bei einem Glas Wein begrüßen sie sich zuerst herzlichst, „Hat deine liebe Frau heute Nachtdienst, die Arme?“
„Ja, leider! Und ‚Turandot’ ist eine ihrer Lieblingsstücke überhaupt. Voriges Jahr in Graz haben wir eine Neuinszenierung gesehen, es war fast lustig gewesen, insbesondere wegen des Eisregens, der unser Eintreffen im Opernhaus fast vereitelt hätte!“
„Na, werde ich halt versuchen, sie würdig zu ersetzten!“
„Ersetzen kannt’s sie mir keinesfalls, aber wie immer gut vertreten“, lacht Richard, „freu mich, dass du es gerade noch geschafft hast, rechtzeitig hierher zu kommen. War so viel los heute, bei dir im Lokal?“
„Ja, mittags waren wir wieder einmal so voll, aber das ist ja Gott sei Dank meistens so, aber dann gab es mit einem Gast aus dem Osten großen Stunk. Hat die Michi angegangen, sie hätte ihn nicht an den Tisch gesetzt, den er wollte, das Essen wäre nur mittelprächtig gewesen, noch dazu lauwarm, wie auch der Weine gewesen sei, es passte ihm halt nichts. Die arme Michi war ganz aus dem Häuschen,“ dann lächelt er, „hab schon befürchtet, sie erleidet eine Frühgeburt, so echauffiert war sie! Du weißt ja, wie sehr sie sich mit dem Lokal identifizieren kann!“
„Ja, deine Michi ist schon eine ganz besondere, kannst glücklich sein, dass die bei dir ist, sie ist dir zugetan wie eine Tochter, sonst hätt sie den Job schon längst an den Nagel gehängt!“
„Glaub mir, bin schon so viele Jahre in diesem Geschäft, ein Haubenlokal ist immer schwieriger zu führen als ein normales Restaurant, die Gäste werden immer anspruchsvoller, bekritteln alles.“
„Hast recht, zuerst sich alles gut schmecken lassen, dann knapp vor der Rechnung passt auf einmal dies und das nicht mehr. Josef, glaub mir, bei uns ist das kaum wirklich anders!“
„Kann ich nur bestätigen! Ärzte als Gäste sind mir die angenehmsten, die verstehen vom gutem Essen mehr, auch kennen sie ja das ewige Herumnörgeln aus ihrer Praxis genügend. Ich kann mich nicht erinnern, dass einer sich wegen nichts und wieder nichts so aufgepudelt hatte, wie der ungute Kerl heute. Bin gleich hinein zu ihm, hab Michi hinausgeschoben, will nicht, dass sie sich recht aufregt! Hab einmal von einer alten Tant gehört, dass dann das Kind recht ‚schiach’ wird!“, lacht Josef mit glücklichen Augen.
„Wirst wohl ein toller Opa werden!“
„Leider nur ein nomineller Großvater, so eine wie die Michi hätt ich mir schon als Tochter gewünscht! Einmal hat mich ein Gast gefragt, ob meine junge Frau das erste Kind erwartet, da hab ich feuchte Augen bekommen, ich alter Depp!“
Das Läuten bricht die weitere Unterhaltung ab, beim Gang zu Loge kann Josef nur rasch noch sagen, dass er beim befreundeten Kollegen im Restaurant hinter der Oper einen Tisch für danach bestellt hat.
Erfreulicherweise geht auch das „Nessun Dorma“ ohne grössere stimmliche Komplikationen vorbei, wenn auch die Zwei dies schon schöner gehört haben, diesmal war es eher grenzwertig, was der Tenor produziert hat. Richard flüstert, „Da kann es doch der Brite Paul Potts bald besser, der das „Nessun“ singt, ohne singen zu können, aber Unsummen damit verdient!“
Nach dem letzten Vorhang gehen sie aus dem Opernhaus hinaus, leichter Regen fällt aufs Pflaster vor ihnen. Ohne Schirme laufen sie, Josef etwas langsamer, unter den Arkadengängen des Openhauses herum und in das Lokal, das Josefs Freund, dem Wolfgang Petzner gehört. Wolfgang begrüßt Josef Preinschmidt herzlich, auch Dr. Richard Schubert, und auch Richard ist ihm kein Unbekannter mehr, auch mit seiner Mimi war er schon nach der Oper hier.
Als der Aperitif, für beide in Form eines herrlich eingeschenkten Pils, mit einer kräftiger Schaumkrone versehen, gekommen und ihre Bestellung, inklusive des von Josef ausgesuchten, zum Essen passenden Weines, aufgegeben ist, zuerst noch ein großer Schluck, in der Oper ist so trockene Luft, setzt Josef seine schon in der Pause begonnene Erzählung über die nachmittägliche Ereignisse fort.
„Richard, da waren heute zwei so anmaßende Männer bei mir im Lokal, schreckliche Leute, die irgend eine mir unbekannte Sprache gesprochen haben, waren mit allem und jedem unzufrieden, haben so getan, wie wenn ihnen schon das Lokal gehören würde, einer sagte böse zu Michi ’Wenn Laden gehört uns, Kleine, du sofort fliegen hinaus!’ Michi war ganz verstört, als sie mich geholt hat!“
Petzner bringt bei diesen befreundeten Gourmets ausnahmsweise höchtpersönlich das Amuse-Gueule, zwei kleine Häppchen, ein so fein abgeschmecktes Beef tartare mit einem halben gekochten, noch lauwarmen Wachtelei, kombiniert mit einer Wildschwein-Pastete, schön in einem kleinen Schüsselchen auf einem Salatblatt angerichtet, mit ein paar Tropfen Cumberlandsauce, dazu eine leicht angetoastete Brioche-Scheibe. „Lasst es Euch gut schmecken! Werde mich heute abends besonders anstrengen müssen, so illustren Gästen mit exzellentem Geschmackssinn zu genügen!“
Da können die Beiden nicht widerstehen, vorsichtig prüfend versucht Josef zuerst von der Pastete, nimmt nur ein kleines Eckchen mit dem kleinen Löffelchen in den Mund und lässt es auf der Zunge zergehen, „gut,“ dann den Löffel mit der Cumberlandsauce benetzend, „noch besser, man spürt ganz leicht einen guten alten Portwein heraus! Hast das sicher selbst zubereitet, Wolfi?“
„Das ist aber schon eigenartig, Josef, versteh ich nicht, was meinte der?“
Dabei schneidet Richard ein kleines Stückchen vom warmen Wachtelei ab und belädt dieses mit etwas Beef, steckt es in den Mund und wartet auf das berauschende Geschmackserlebnis. Er braucht nur zustimmend Nicken, Wolfgang Petzner ist zufrieden, mit lächelndem Gesicht geht, nein er schreitet in seine Küche zurück.
„Richard, Du und Mimi ward schon so oft bei mir, das Lokal läuft sehr gut, auch oder gerade weil es ein wenig außerhalb liegt. Ich kann mir es nicht erklären. Naja, ist ja auch gleichgültig, bösartige Menschen gibt es überall, auch bei uns.“
„Hast Du gesehen, wie massiv es draußen regnet! Wie Sturzbäche kommt es runter!“ Versonnen blickt Josef durch die nasse Fensterscheibe hinaus auf die Strasse.
Das so zarte Vitello tonnato wird gerade serviert, beide machen den ersten Schluck vom prächtig temperierten Wein, „die Sauce ist eine echte Kunst, dass es so wird wie hier, so sämig, geschmackvoll gewürzt, dass der Thunfischgeschmack das Kalbfleisch nicht erschlägt! Das kann er, der Wolfgang! Ist manchmal recht gut, ein wenig bei Freunden zu spionieren“, lacht er, der Haubenkoch mit den berühmten Fischspezialitäten.
Dabei rollt er fast kunstvoll eine der dünnen, gerade richtig geschittenen Scheibchen des wohltemperierten Kalbfleisches so zusammen, dass eine passende Menge der Thunfischsauce sich innen befindet, riecht daran und steckt dies in den Mund, ein Lächeln überzieht sein Gesicht! „So ist es richtig!“
„Richard, wenn das Ganze nur nach Eiskasten schmeckt, kannst du den ganzen Wirten vergessen!“
„Na, der Petzner kann dir noch lange nicht das Wasser reichen, aber bin schon deiner Meinung, dies Vitello ist sehr fein!“
„Bin schon neugierig aufs Osso bucco!“
„Wird sicher sehr gutes Fleisch sein, bin eher gespannt auf den Geschmack des Safterl, das ist mir immer so wichtig, auch Mimi schätzt den Saft immer besonders! Bei meinen Freunden, du weißt, meinen „Ersatzeltern“ in Malcesine hat dieser einen ganz speziellen Geschmack, den kann nur die Maria-Louisa auf den Teller bringen!“
„Du und deine Mimi, ihr seid schon feine Leut’, hab eh so wenige echte Freunde, da wiegt jeder doppelt! Könnt ihr übermorgen kommen, ich hätt’ einen so schönen Waller für euch!“
„Gerne, morgen, Montag habe ich Nachtdienst, Dienstag abends ist dann super, bin überzeugt, Mimi freut sich auch.“
„Am Sonntag Abend und am Montag hab ich sowieso geschlossen, ein Ruhetag muss auch sein, das ist wichtig für das Personal!“
„Aber hab mir schon was ausgedacht: Die Vorspeise wird eine Überraschung, eine neue Kreation von mir, eine schmackhafte Kombination aus Fleisch und Krustentieren, mehr will ich dir nicht verraten! Auf meine alten Tage werde ich immer einfallsreicher! Michi hat mir versprochen, sie wird extra für euch kommen! Sie ist so eine Liebe, wie deine Mimi!“
„Als ein Gast sie als deine junge Frau bezeichnet hat, da wird dein Kamm riesig geschwollen sein!“
„Hab sie immer wie eine Tochter gesehen, und die beiden, Franz und sie, machen mir solche Freude! Insbesondere seitdem das Kleine unterwegs ist! Franz ist so tüchtig, hilft mir so viel, er hat die Betreuung des Fischwassers schon völlig übernommen! Was glaubst, was das Arbeit macht, wenn man alles richtig machen will!“
„Und wie ich dich kenne, willst du, dass alles wirklich sauber und bestens gewartet ist, so schmecken deine Fische ja auch.“
Das Osso bucco wird serviert, Richard kann es fast nicht erwarten, vom ‚Safterl’ zu kosten, „Mhum, sehr gut, fast, aber nur fast wie bei dir! Und anders als bei Maria-Louise, auch Mimi hat es nicht erforschen können, als wir letztes Mal in Malcesine waren. Vielleicht hat sei eine Kapern mehr oder auch weniger verwendet?“ Da müssen beide lachen.
„Weißt, ich will nicht, dass Markus einmal alles erben wird! Auf keinen Fall! Er ist zwar mein leiblicher Sohn, aber du kennst ihn ja, so wirklich zuverlässig ist er ja gerade nicht! Würde sich nie wirklich selbst engagieren im Geschäft, hat gleich gemeint, dass er es dann verpachten würde! Da hab ich mir gedacht, Ätsch!, du wirst es gar nicht bekommen, das Restaurant, das habe ich schon für Franz und Michi vorgesehen! Ich war deswegen vor einer Woche schon beim Notar, ist schon alles unter Dach und Fach, nur weiß es noch niemand, außer dir nun, dass die Umschreibung vom Markus auf die Michi schon erfolgt ist, soll auch keiner wissen, auch Michi erst, wenn das Kleine da ist und sie geheiratet haben! Nur das Wohnrecht in meinem Häuschen in Neuwaldegg möchte ich bis zu meinem Tod behalten! So hab ich mir das gedacht, schau, ich bin 63, werde auch nicht mehr jünger! Trotz deiner vielen Pillen!“
„Wirst schon noch ein gerüttelt Maß an Jahren bleiben, wie ich dich kenne, kannst ja gar nicht anders, dich wird man noch aus deiner Küche hinaustragen müssen!“
„Ein bisschen bleib ich sicher noch! Aber, ich hab noch ein Geheimnis, nur für dich: Vor einigen Wochen waren zwei Damen bei mir, die eine war etwa um die 50, schaut super aus und hat mir gleich so gefallen, hab, wie heute der Wolfgang, den Gruss aus der Küche auch selber serviert! Sie war dann noch zweimal seither im Lokal, aber allein! Ich glaube, da könnte was werden, ich will auf meine alten Tage nicht ganz allein sein! Gemeinsam mit dieser Frau könnte ich mir schon gut vorstellen, meinen Lebensabend zu verbringen, in meinem Häusl im Wald von Neuwaldegg. Wir haben uns schon ein wenig unterhalten, weißt ja wie das ist, keiner getraut sich aus sich herauszugehen, ich schon gar nicht!“
„Ja, deine Schüchternheit hat sich in den Jahren nicht verändert, bist nur weiser geworden! Dass du Markus den Betrieb nicht geben willst, versteh ich sehr gut, glaube auch nicht, dass dies gut gehen würde! Auch Mimi, die wirklich einen trefflichen Geschmack hat, ist von Markus nicht wirklich positiv überzeugt, und den guten Geschmack meiner Mimi kann man nicht anzweifeln, sie hat ja auch mich genommen!“, lacht Richard seinen Freund an.
„Ich bin nur froh, dass ich damals, als Markus unterwegs war, die Gretl, seine Mutter, nicht geheiratet habe! Dass wäre sowieso schief gegangen, die war nur aufs Geld aus!“
„Ich trink noch einen Café, du auch?“ hängt Josef noch an.
„Nein, lieber nicht, ich kann dann so schlecht einschlafen.“
Als die beiden das Lokal verlassen wollen, hat sich der Regen noch verstärkt, „der Himmel hat seine Pforten geöffnet, jetzt kommt die Sintflut!“ lachte Richard, obwohl sie keinen Schirm dabei haben. Da kommt aber der Petzner ihnen nach und versorgt sie mit Schirmen, doch ein sehr gutes Lokal, „Das Petzner“!
Noch Josef bis zu seinen Auto begleitend, sagt er zu Richard, „das ist für mein Fischwasser nicht gut, wenn es so plötzlich so extrem und massiv regnet! Und Franz ist nicht da, er musste nach Kärnten.“
Ein schöner Opernbesuch am Sonntag Abend geht zu Ende.
Kapitel 3
„Wie geht es dir, was macht das Kleine?“, überfällt Mimi die Michi. Die sieht in Mimi so eine nur wenig ältere Schwester, beide mögen sich sehr, auch Mimi hat schon einmal gemeint, wäre schön eine Schwester wie Michi zu haben! Michi kann die Neuigkeit nicht bei sich behalten, „War gestern beim Ultraschall: Es wird ein Bub! Hab ihn gleich angerufen in Villach, Franz und ich sind so glücklich!“
Mimi und Richard sind schon sehr früh gekommen, kaum schon Gäste hier, damit sie mit Michi noch etwas tratschen können. Die ist eine ganz tüchtige junge Frau, steht mit beiden Beinen im Leben, eine rund um hübsche junge Frau, die eigentlich halbtags einen Schreibtisch-Job in der Wirtschaftskammer ausübt, der ihr aber kaum Spaß macht. Viel lieber ist sie beim Josef, den sie wie einen Vater sieht, nachdem ihr eigener schon in ihrer Kindheit verstorben war. Beim Josef hat sie schon im Jahr vor ihrer Matura gejobbt, im Sommer besonders, dann auch an den Wochenenden. Seit sie schwanger ist, ist sie nicht mehr im Service, Josef hat sie zur „Empfangsdame und Managerin des Service“ gekürt, was sie sehr gut ausfüllt und körperlich nicht so belastet.
Ihren Franz hat sie im Lokal kennen gelernt, der zur Finanzierung seines Studiums so alles macht, was Josef ihm aufgeträgt, vom Helfen in der Küche über Einspringen im Service bis zur Versorgung des Fischteiches. Franz studiert an der Bodenkultur-Universität, wo er sich besonders mit der Lebensmittelkunde beschäftigt und sollte kommenden Sommer abschließen, was Michi jetzt schon so stolz macht. „Dann bin ich Frau Diplomingenieurin, oder die Frau Dipling!“, lachte sie einmal.
Mimi, Michi und Richard, auch Franz ist eingeschlossen, sind schon gut befreundet, wobei der Josef die wohl treibende Kraft dabei gewesen war.
„Richard, du und der Chef wart doch am Sonntag in der Oper, war da irgendetwas? Ist da was vorgefallen? Gestern war ja Sperrtag, aber der Chef ist heute noch nicht aufgetaucht! Hab schon versucht, Josef zu Hause zu erreichen, er schläft gerne am Nachmittag so ein oder zwei Stunden! Er hat sich aber nicht gemeldet! Was soll ich jetzt nur machen?“
„Ach, wird sicher gleich eintreffen, die Vorarbeiten haben seine Mitarbeiter in der Küche ja schon alle erledigt, sodass er dann ins Volle einsteigen kann!“ Aber auch Richard ist etwas unruhig geworden, er fragt Michi: „Ist Franz da?“
„Nein! Das noch zusätzlich, Franz ist auf einer Uni-Exkursion in Kärnten, ist schon Sonntag mittags mit dem Zug nach Villach, soll erst am Freitag Abend wieder heimkommen!“
Mimi ist sofort bereit, auch in der Küche zu helfen, soweit sie dies kann, sie ist ja schon eine begnadete Köchin geworden. Aber eine Haubenküche ist nicht das Gleiche wie der heimatliche Kochtopf.
„Ich kenn das Haus, in dem Josef wohnt, wir waren ja schon mehrmals bei ihm, Mimi und ich,“ er, Josef, hat sich die kleine Villa hart erarbeitet, und sie ist auch nicht so weit entfernt. „Ich fahr zu ihm, Mimì, ich schau nach, ob sich der Küchen-Zampano verschlafen hat!“
„Ok, ich helfe inzwischen Michi und in der Küche,“ sagt Richards geliebte und immer so hilfsbereite Gefährtin fürs Leben!
Es ist später Herbst, nass, glitschige Blätter auf dem kleinen Gässchen in Neuwaldegg am Stadtrand, mühselig kämpfte sich sein alter Wagen ächzend über Stock und Stein bergauf, die ausgefahren Fahrrinnen sind durch den starken Regen noch zusätzlich ausgewaschen, quält sich die relativ steile Strecke zum Haus hinauf. Kein Licht, alles dunkel!
Mit den Zweitschlüsseln, Michi hatte ihm diese, die am Bord hinter dem Kücheneingang hängen, mitgegeben, sperrt er auf. Das etwas angerostete Eisengittertor lässt sich nur schwer öffnen, knarrt herzerweichend, dann hinauf auf der kleinen, wenigsten asphaltierten Straße bis zu Haus. Trotz seinem Sturmläuten keine Antwort, Richard sperrt auf, es ist niemand da! In der Küche steht noch etwas kalter Kaffee in der Maschine, eingetrocknete Brotreste am Tisch, ein Glas mit etwas Marillenmarmelade, der Teller benutzt, schmutzig von den nun braun angetrockneten Marmeladenresten, das Besteck achtlos darüber gelegt, wie man die Küche hinterlässt, wenn man vorhat, bald wieder zurückzukommen.
Im Wohnzimmer nichts Auffälliges, im Schlafzimmer das Bett noch zerwühlt, wie wenn Josef eben erst aufgestanden wäre, das Bett aber kalt. Das Badezimmer nicht aufgeräumt, die Zahnpasta-Tube offen, Verschluss daneben liegend, Handtücher in die Badewanne geworfen, das Rasierzeug unbenützt! Das alles lässt Richard seinen alten ‚Nick Knatterton kombinieren’, Josef ist aufgestanden, und wollte rasch weg, er, der sonst nie unrasiert auf die Straße ging, hat es eilig gehabt und ist nicht in die Stadt oder sein Lokal!
Wohin ist er??
Im kleinen Nebengebäude ist seine Garage, dort steht sein Land-Rover, sein normales Auto, ein dunkler 7er BMW, fehlt aber. Ist er also doch, unrasiert, in die Stadt? Er, der Josef, unrasiert, rasch in der Früh? Oder war es doch nachmittags, nach dem mittäglichen Schläfchen, gewesen? Richards Nick Knatterton versagt völlig, zu seiner Entschuldigung, er hatte auch keine Lupe und keine passende karierte Kleidung mit!
Kleidung, das ist ein Anhaltspunkt! Im Vorzimmer hängt noch sein Anzugsakko vom Opernabend, sehr dunkles Blau, kann er sich erinnern! Die dazu passende Hose liegt lässig über den Stuhl im Schlafzimmer geworfen, unordentlich, ja unordentlich, der Josef! Naja, sollte die tolle Frau, die er im Lokal kennen gelernt hatte, hier einmal einziehen, da wird dies aber anders werden, ist er sich sicher! „Würde mich für Josef sehr freuen, wenn daraus etwas werden sollte, ich weiß aber, wie schwer es ist, zu zweit zu leben, wenn man immer allein gewesen war!“ Seine Abendschuhe stehen ebenfalls im Vorzimmer, leicht verschmutzt. Sonst findet sich nichts auffälliges!
Richard ruft im Restaurant an, ob Josef inzwischen schon gekommen ist, Michi verneint dies, schon fast weinend! Wo kann er nur sein? Richard fährt ins Restaurant zurück. Kann es sein, dass er zu dieser uns unbekannten Dame gefahren ist? Michi hat sie zwar kennen gelernt und nur ein paar Worte mit ihr sprechen können, sie meint, sie habe recht nett gewirkt, eine elegante und attraktive Mit-50erin, sie weiss aber sonst nichts weiteres.
Michi hat auch ihren Franz angerufen, was sie tun soll, inzwischen ist es später geworden und auch viele Kunden gekommen, sodass, so weit dies ohne Josef möglich ist, ein halbwegs normaler Betrieb aufgenommen wird. Seine Mitarbeiter in der Küche sind erfahren, wissen wie Josef kocht, sodass der Betrieb mit für den Laien kaum erkennbaren Einschränkungen voll anläuft.
Wenn auch nicht den besprochenen Waller und natürlich nicht die niemand bekannte neue Vorspeisen-Kreation, Richard und Mimi haben inzwischen etwas gegessen.
Franz konnte sich auch nicht vorstellen, wo Josef hingefahren ist, dann hat er später zurückgerufen, ob das Unwetter von Sonntag Nacht wirklich so arg gewesen sei, wie er gerade im Fernsehen gesehen habe. Als Michi und dann noch Richard ihm sagen, dass es sehr schlimm gewesen wäre, besonders im Norden von Wien, ist Franz auf die Idee gekommen, dass er vielleicht zum Fischteich unterwegs war um nachzusehen, ob alles in Ordnung sei, besonders mit den Gittern beim Abfluss, und er dann einen Verkehrsunfall hatte?
Die vier, Franz war ja telefonisch beteiligt, beschließen, Richard bringt Mimi nach Hause und fährt dann noch zu dem ihm wohlbekannten Teich.