Schlaf ist die beste Medizin - Christian Benedict - E-Book

Schlaf ist die beste Medizin E-Book

Christian Benedict

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Beschreibung

Guter Schlaf ist Balsam für Körper und Seele – er macht widerstandsfähig, klug und kreativ. Doch wie schaffen wir es, das Maximum aus unseren Ruhestunden herauszuholen? Der preisgekrönte Schlafforscher Christian Benedict lädt gemeinsam mit Wissenschaftsjournalistin Minna Tunberger zu einer unterhaltsamen Reise in die Welt des Schlafs und seine Geheimnisse ein. Sie erklären anschaulich und anhand von Alltagsbeispielen, wie der Schlaf das Immunsystem stärkt, wie Tief- und Traumschlaf uns klüger und kreativer machen, wie man das Faktengedächtnis stärkt und warum die digitale Revolution den Takt unserer inneren Uhr durcheinanderbringt und was dessen Auswirkungen sind. Durch die Autoren lernen wir: Schlafen ist die reinste Medizin und kann uns zu einem gesünderen, glücklicheren Leben verhelfen.

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INHALT

Schlafen liegt im Trend

Teil 1 Das machen wir im Schlaf

1.   Was ist Schlaf? Und warum schlafen wir?

2.   Reise durch die vier Schlafphasen

3.   Die innere Uhr

4.   Die digitale Revolution – der größte Schlafräuber

Teil 2 Schlaf wirkt Wunder

5.   Schlaf dich schlau

6.   Träume als Kreativitäts-Booster

7.   Gefühle verstehen und psychischen Problemen vorbeugen

8.   Schlaf als Schutz vor Demenz

Teil 3 Schlaf ist die beste Medizin

9.   Schlank und schön im Schlaf

10. Das Immunsystem stärken

11.  Möglicher Schutz vor Altersdiabetes

12.  Ein starkes Herz

Seien Sie nett zu sich selbst!

Glossar

Quellenangaben

Danksagung

Für Johan Hansson (1964–2018)

SCHLAFEN LIEGT IM TREND

Wer hat sie nicht mitbekommen, die große Gesundheitswelle, die uns schon seit Jahrzehnten überspült? Plötzlich reichte es nicht mehr aus, an einem Zehn-Kilometer-Lauf teilzunehmen, nein, es musste gleich ein ganzer Marathon sein. Dem Safttrend vor ein paar Jahren konnte sich auch kaum jemand entziehen. Jedes erdenkliche Obst und Gemüse wurde munter in den Entsafter gestopft oder im Mixer zu Smoothies verarbeitet.

Und jetzt ist der Schlaf an der Reihe. Die Zeit, in der es als cool galt, der Karriere zuliebe bis tief in die Nacht vor dem Computer zu sitzen oder bis in die Morgenstunden Party zu machen, ist anscheinend vorbei. Und wir sagen: Gut so! Denn der Schlaf ist unser bester Freund und kann uns ein besseres Leben mit mehr Wohlbefinden schenken. Sport und gutes Essen in allen Ehren, doch auf einen stabilen Schlaf-wach-Rhythmus und erholsamen Schlaf zu achten, ist der erste und wichtigste Schritt zu einem gesunden Leben.

Wir haben dieses Buch geschrieben, um alle interessanten und neuen Fakten, die wir zum Thema Schlaf kennen, mit unseren Lesern zu teilen. Allein während wir an diesem Buch arbeiteten, wurden weltweit zig neue Studien über den Schlaf veröffentlicht. Schlaf ist ein interdisziplinärer Forschungsbereich, der immer weiter wächst und an dem zunehmend mehr Forscher beteiligt sind. Zum Beispiel auch die drei Amerikaner Jeffrey Hall, Michael Rosbash und Michael Young, die 2017 für das Entschlüsseln unserer inneren Uhr den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin erhielten. In diesem Zusammenhang fanden sie auch heraus, was genau unseren Schlaf-wach-Rhythmus steuert.

Guter Schlaf hat fantastische Eigenschaften. Er hält uns gesund und munter und kann sogar Krankheiten wie Altersdiabetes, Übergewicht, Demenz und Depressionen vorbeugen. Schlafen macht auch schlauer. Wer gut schläft, verbessert Gedächtnis, Konzentrationsfähigkeit und kreatives Denken und ist somit auch in Schule und Beruf erfolgreicher. Manchmal findet man im Schlaf sogar Lösungen für Probleme, nach denen man tagsüber vergeblich gesucht hat. Nicht umsonst heißt es ja, man solle über gewisse Dinge erst einmal schlafen! Und noch etwas: Wenn man gut geschlafen hat, kann man auch die eigenen Gefühle und die der Mitmenschen besser verstehen und einordnen – man wird schlicht empathischer.

Das Beste am Schlaf aber ist: Er kostet nichts! Er kostet auch keine Zeit, denn die Zeit, die man verschläft, erhält man am nächsten Tag tausendfach in Form von gesteigerter Leistungsfähigkeit zurück. Schlaf ist zudem leicht zugänglich. Man braucht kein teures Fitnessstudio oder ein Resort auf den Malediven. Es reicht vollkommen aus, abends ins eigene bequeme Bett zu kriechen, die Augen zu schließen und sich ins Reich der Träume zu begeben.

Wir möchten Ihnen mit diesem Buch eine positive Einstellung zum Schlaf vermitteln. Sehen Sie ihn als Geschenk und nicht als eine Last oder gar etwas Angsteinflößendes. Gerade wenn Sie unter Schlafstörungen leiden, ist eine positive Einstellung wichtig, damit Sie auch einer schlechten Nacht noch einige erholsame Momente abtrotzen können. Und noch etwas sollte man wissen: Schlaf ist für unseren Körper eigentlich ein 24-Stunden-Job, der sich nicht nur auf die Zeit bezieht, die man schlummernd im Bett verbringt. Die Vorbereitung auf den Schlaf beginnt schon morgens, wenn wir die Augen öffnen, die Sonnenstrahlen unsere Netzhaut erreichen und unserer inneren Uhr signalisieren, dass der Tag beginnt.

Denn unser Schlaf-wach-Rhythmus wird stark vom Tageslicht und der Außentemperatur beeinflusst. Aber auch was und wann wir essen und trinken oder zu welchen Zeiten wir Sport treiben, spielt eine Rolle. Wenn man also in den Stunden des Wachseins auf eine gute Schlafhygiene achtet, indem man bereits morgens Tageslicht tankt, im Hellen Sport treibt, abends kleinere Portionen isst und das Handy häufiger mal zur Seite legt, sollte man nachts besser schlafen. Der Schlaf ist gewissermaßen ein Spiegel dessen, was man im Wachzustand tut.

Wir heißen Sie herzlich willkommen in der interessanten, aufregenden Welt des Schlafs und hoffen, dass sie Sie genauso in ihren Bann ziehen wird wie uns!

Christian Benedict, Schlafforscher an der Universität Uppsala

Minna Tunberger, Journalistin und Autorin

TEIL 1

DAS MACHEN WIR IM SCHLAF!

WAS IST SCHLAF? UND WARUM SCHLAFEN WIR?

Sie stehen im Badezimmer, putzen sich vor dem Schlafengehen die Zähne und denken über den vergangenen Tag nach. Bei der Arbeit quälen Sie sich gerade mit einem schwierigen Projekt herum. Die Kinder, die jetzt friedlich in ihren Betten schlummern, mussten am Nachmittag noch zum Fußballtraining gefahren werden, hatten danach aber noch immer genug Energie für eine wilde Kissenschlacht. Sie stellen den Wecker, kuscheln sich in Ihr Bett, schließen die Augen, doch das Gedankenkarussell im Kopf dreht sich weiter: Morgen findet nach dem Lunch ein wichtiges Meeting statt, aber die Powerpoint-Präsentation dafür ist noch nicht fertig. Dann ist da noch das Mittagessen mit der alten Freundin – das wird schön! Wie es ihr und ihrem Sohn wohl geht? Wie war das noch … sollte er nicht eine Brille bekommen? … Langsam verschwimmen die Gedanken, und Sie versinken in einer Art Nebel. Sie sind wach, aber irgendwie auch nicht. Sie wissen, dass Sie im Bett liegen, doch der Kopf ist schon ganz woanders. Dann wird es still. Sie sind wie abgekoppelt vom Raum und dem Bett, in dem Sie liegen. Plötzlich sind Sie mit der ganzen Familie am Strand. Es ist Hochsommer und eine alte Lehrerin, die Sie schon seit der Kindheit nicht mehr gesehen haben, ist auch mit dabei. Sie tanzt mit Ihnen und lobt Sie für Ihre guten Matheleistungen. Gemeinsam tanzen Sie in Ihr Elternhaus hinein, doch mit einem Mal ist die Lehrerin verschwunden, und Sie tanzen stattdessen mit einem Arbeitskollegen, den Sie nicht sonderlich mögen. Sie schreien ihn wütend an, weil er Sie kürzlich vor allen bloßgestellt hat. »Mama, Mama, wach auf!«

Es dauert eine Weile, bis Sie von Ihrem Elternhaus und dem Kollegen wieder im Schlafzimmer angekommen sind, und Sie begreifen, dass es Ihre Tochter ist, die Sie ruft und zu Ihnen ins Bett kriechen möchte – und nicht der gehässige Kollege.

Etwas Vergleichbares hat sicher jeder und jede schon einmal erlebt. Man geht vom Wachzustand in eine völlig andere Welt über. Man reist durch Raum und Zeit und wird jäh wieder in die Realität zurückgeholt. Wenn man so darüber nachdenkt, ist Schlaf wirklich ein merkwürdiges Phänomen. Gerade ist man noch ganz im Hier und Jetzt, und im nächsten Augenblick befindet man sich in einem Zustand, in dem das Bewusstsein mehr oder weniger ausgeschaltet ist. Kein Wunder, dass manche Kleinkinder Angst vor dem Einschlafen haben – schließlich verlieren sie im Schlaf die Kontrolle über ihr Leben! Mit der Zeit wird diese fremde, unwirkliche Welt des Schlafs jedoch zur Normalität, und die Angst verschwindet.

Doch was ist Schlaf eigentlich – dieser Zustand, den jeder kennt, der ein wichtiger Teil unseres Lebens ist, den aber nur wenige beschreiben oder erklären können?

Um den Schlaf zu verstehen, hilft es, zuerst einmal seinen Gegenpol, das Wachsein, genauer unter die Lupe zu nehmen. Wenn man morgens aufwacht, öffnet man das Tor zur bewussten Welt: Man sieht, fühlt, riecht und hört alles, was um einen herum vor sich geht. Man isst, wenn man Hunger hat, und man sucht Gesellschaft, wenn man sich allein fühlt. Im Wachzustand werden Körper und Gehirn pausenlos mit neuen Eindrücken und Situationen konfrontiert. Da ist zum Beispiel das Bild mit den schrillen Farben an der Wand, das die Aufmerksamkeit unseres Gehirns auf sich zieht. Oder da sind die bedrückenden Nachrichten im Radio oder Fernsehen, die uns noch Stunden später beschäftigen. Aber auch unser Körper ist während des Wachseins vielen neuen Reizen ausgesetzt. Das können beispielsweise Viren oder Bakterien sein, die durch einen Händedruck oder durch die Zunge unseres Hundes, der uns über das Gesicht schleckt, auf den eigenen Körper übertragen werden und unser Immunsystem herausfordern. Wenn man wach ist, sammelt man unweigerlich Informationen, ob man will oder nicht. Und das Gehirn interpretiert all diese Eindrücke und interagiert mit der Umwelt. Bewegt man sich dann aus diesem bewussten Zustand langsam in die unbewusste Welt des Schlafs hinein, verringert sich die Fähigkeit, Informationen zu sammeln. Man durchläuft verschiedene Schlafphasen, die teilweise von kurzen wachen, bewussten Momenten unterbrochen sind.

Doch warum ist das so? Warum leben wir während der 24 Stunden des Tages in zwei derart verschiedenen Welten? Die Antwort ist einfach: In den Stunden des Schlafs kann sich das Gehirn von den vielen wachen Stunden erholen. Denn es braucht Zeit, um all die Informationen zu sortieren, die während des Tages unentwegt auf es einprasseln. Wie auf der Festplatte eines Computers werden im Gehirn alle Informationen gespeichert, die es als wichtig erachtet – wie etwa der Inhalt der Powerpoint-Präsentation, die Sie am nächsten Tag halten wollen, oder das Rezept für den köstlichen Schokoladenkuchen, den Sie gestern bei einer Freundin gegessen haben. Unwichtige Informationen hingegen, zum Beispiel was Sie heute Morgen in den Mülleimer geworfen oder wo Sie beim Nachhausekommen Ihre Jacke abgelegt haben, werden aussortiert und von der Festplatte gelöscht. Weg mit überflüssigem Wissensmüll! Das Gehirn braucht Platz für die neuen Eindrücke des kommenden Tages, sonst besteht die Gefahr, dass die Festplatte vor lauter Überlastung abstürzt. Was uns das Wachsein kostet, bezahlen wir also mit Schlaf. Oder anders ausgedrückt: Wer wach sein will, muss schlafen. Aufgrund der vielen Informationen, die man im Laufe des Tages aufnimmt, ist die Energie des Gehirns am Ende des Tages aufgebraucht. Übrig bleiben Rückstände, Abfallstoffe, die entsorgt werden müssen.

Während man schläft, findet im Gehirn ein Reinigungsprozess statt. Abfallstoffe werden in großer Menge abtransportiert. Wenn man nicht ausreichend schläft und der Müll deshalb nicht entfernt werden kann, altert das Gehirn schneller und ist anfälliger für Schädigungen. Auf lange Sicht kann die Verbindung zwischen wichtigen Nervenzellen beschädigt werden, was zu Gedächtnisstörungen und im schlimmsten Fall zu einer Demenzerkrankung führen kann.

Wer wach sein will, muss schlafen.

Doch nicht nur das Gehirn kann sich im Schlaf erholen. Auch für den restlichen Körper ist die Regeneration im Schlaf essenziell, zum Beispiel damit der Verdauungstrakt oder das Herz-Kreislauf-System tagsüber reibungslos funktionieren können. Während des Tages verbrennt der Körper viel Energie, denn die Energiefabriken der Zellen arbeiten auf Hochtouren. Im Schlaf aber kann das Gewebe eine Pause einlegen, die Zellen können regenerieren und bei Bedarf repariert werden.

Während der Nachtruhe schüttet der Körper zudem viel Melatonin aus, ein Hormon, das, wie Studien zeigten, falsch programmierte Zellen aufspüren kann. Vielleicht könnte dies erklären, warum Schlafen das Risiko für bestimmte Krebsarten minimieren kann. Im Schlaf ist der Körper zudem in weit geringerem Maße schädlichen Bakterien oder Viren ausgesetzt als im Wachzustand. In dieser Zeit kann das Immunsystem seine Arbeit ganz ungestört verrichten und dafür sorgen, dass wir gesund bleiben. Mehr darüber, wie der Schlaf unser Gehirn und unseren Körper beeinflusst, erfahren Sie in den Kapiteln 2 und 3.

WIE VIEL SCHLAF BRAUCHEN WIR EIGENTLICH?

Im Rahmen von Studien, die untersuchten, wie viele Stunden die Menschen schliefen und welche Krankheiten unter den Testpersonen verbreitet waren, fanden Forscher heraus, dass bei Erwachsenen, die ein Schlafpensum von sieben bis neun Stunden absolvierten, der Krankenstand am niedrigsten war. Bei Jugendlichen war dies bei mindestens acht Stunden, bei Kindern bei mindestens neun Stunden und bei Kleinkindern bei etwa elf Stunden Schlaf der Fall. Tatsächlich brauchen die meisten Menschen sieben bis neun Stunden Schlaf. Allerdings muss man bedenken, dass sich die Ergebnisse der Studien auf Gruppen bezogen – auf individueller Ebene kann natürlich alles ganz anders aussehen. Manchen Menschen reichen bereits sechs Stunden oder weniger, ohne dass dies für sie irgendwelche gesundheitlichen Folgen hätte. Sie scheinen prima mit wenig Schlaf auszukommen, was vielleicht in ihren Genen begründet liegt. Wenn die Kurzschläfer dann aber von Gesellschaft und Medien eingebläut bekommen, dass ein Schlafpensum von sieben bis neun Stunden das Maß aller Dinge und alles andere ungesund sei, macht sich bei ihnen Unsicherheit breit. Und so mancher glaubt schließlich, an Schlafstörungen zu leiden, obwohl das überhaupt nicht der Fall ist! Zudem sind manche Menschen schlicht und einfach mit einer sehr hohen Schlafqualität gesegnet. Sie wachen nachts kaum auf und haben einen besonders hochwertigen Tiefschlaf. Vermutlich brauchen sie deshalb weniger Schlaf als der Durchschnitt – die Schlafqualität ist nämlich entscheidend für den reibungslosen Ablauf von Gehirnfunktionen und Immunsystem und damit ein ausschlaggebender Faktor für gute Gesundheit. Wer nur einen leichten Schlaf hat und oft aufwacht, muss dieses Manko deshalb mit einem höheren Schlafpensum kompensieren.

Man sollte sich also lieber den Bedarf jedes und jeder Einzelnen anschauen, anstatt allgemeine Richtlinien darüber aufzustellen, wie viel Schlaf »normal« ist. Den eigenen Schlafbedarf kann man übrigens selbst testen – am besten im Urlaub, wenn man nicht gezwungen ist, früh aufzustehen. Schlafen Sie einfach mal, ohne den Wecker zu stellen, mehrere Tage lang richtig aus. Sie werden sehen, dass Ihr Körper sich die Stunden nimmt, die er braucht (es sei denn, Sie leiden an einer Erkrankung, die Sie übermäßig lang schlafen lässt). Führen Sie am besten ein Schlaf-Tagebuch, in das Sie eintragen, wie viele Stunden Schlaf Sie benötigen (für Eltern von Kleinkindern könnte das natürlich etwas schwierig werden …). Es reicht auch nicht aus, das Tagebuch nur über ein Wochenende zu führen, da wir an diesen Tagen oft den Schlafmangel aus vorherigen Nächten mit langem Schlafen kompensieren.

DEUTSCHLAND, DAS LAND DER SCHLAFLOSEN

Eine Umfrage, die im Jahr 2013 veröffentlicht wurde, brachte folgende schlaflose Fakten ans Tageslicht:

–36 % der Deutschen schlafen an Werktagen weniger als sieben Stunden.

–44 % der Deutschen halten mindestens einmal pro Tag ein Nickerchen.

–66 % der Deutschen geben an, dass unzureichender Schlaf ihre Laune negativ beeinflusst.

–53 % der Deutschen finden, dass unzureichender Schlaf ihre Arbeit negativ beeinflusst.

KANN MAN SCHLAF NACHHOLEN?

Apropos Schlafdefizit ausgleichen – dieses Thema wurde im Frühjahr 2018 nach der Veröffentlichung einer schwedischen Studie im Journal of Sleep Research heiß diskutiert. Diese Studie ergab, dass Menschen, die unter der Woche weniger als die empfohlenen sieben bis neun Stunden schliefen, dies jedoch am Wochenende nachholten, verglichen mit denen, die das empfohlene Schlafpensum absolvierten, kein erhöhtes Sterberisiko aufwiesen. Wenn der Körper im Laufe der Woche zu wenig Schlaf bekommt, kann er dies an Tagen, an denen man ausschlafen kann, kompensieren. Wer also in einer stressigen Woche viel zu wenig schläft, kann den schwedischen Forschern zufolge den Schlaf einfach am Wochenende nachholen und das Schlafdefizit somit ausgleichen.

Heißt das nun im Umkehrschluss, dass es vollkommen ungefährlich ist, einige Tage zu wenig zu schlafen, wenn man im Anschluss daran richtig ausschlafen kann? Schadet es dem Gehirn, dem Körper und dem Immunsystem also doch nicht? So einfach ist es leider nicht. Zwar kann man Schlaf kurzfristig nachholen und gewisse durch Schlafmangel entstandene negative Prozesse rückgängig machen, wie zum Beispiel einen verschlechterten Glukosestoffwechsel. Aber wenn die neue Arbeitswoche beginnt und wir erneut zu wenig schlafen, zeigen Studien, dass die unerwünschten Effekte des Schlafverlusts auf den Glukosestoffwechsel rasch wiederkehren. Ebenso verhält es sich mit wichtigen kognitiven Funktionen wie beispielsweise der Reaktionsfähigkeit. Hat man ein Schlafdefizit aufgebaut, benötigt man mehrere Nächte mit gutem Schlaf, um den reibungslosen Ablauf dieser Funktionen wiederherzustellen. Es können sogar nach kurzen Perioden des Schlafentzugs epigenetische Veränderungen in unserem Erbgut auftreten (also wichtige Abläufe in unseren Körperzellen direkt verändert werden). Solche Veränderungen betreffen auch den Stoffwechsel. Christian Benedict und seine Kollegen konnten im Schlaflabor erstmals einen solchen Zusammenhang nachweisen. Nach Entnahme von Muskel- und Fettgewebsproben konnten die Forscher nach nur einer Nacht mit Schlafentzug epigenetische Veränderungen in Genen beobachten, die für die Neubildung von sogenannten Uhren-Proteinen verantwortlich sind. Diese Uhren-Proteine steuern im Einklang mit dem Schlaf-wach-Rythmus den Stoffwechsel und viele andere Funktionen unserer Körperzellen. Wenn wir unzureichend schlafen, scheint die Produktion der Uhren-Proteine nicht mehr perfekt an unseren 24-Stunden-Rhythmus angepasst zu sein. Dies kann zu Störungen im Stoffwechsel führen und Erkrankungen wie Fettleibigkeit und Altersdiabetes begünstigen.

Darüber hinaus muss man jedoch bedenken, dass die schwedische Studie, die im Journal of Sleep Research veröffentlicht wurde, lediglich untersucht hat, ob Wochenendschlaf die Mortalität (also die Sterblichkeit) herabsetzt. Der Effekt des Wochenendschlafes auf die Morbidität (die Krankheitshäufigkeit in Bezug auf bestimmte Bevölkerungsgruppen) wurde darin nicht analysiert. Aufgrund der fortschrittlichen medizinischen Versorgung kann man heutzutage aber mit vielen Krankheiten sehr lange leben. Also: Auch wenn man nicht Gefahr läuft, früher zu sterben, wenn man unter der Woche wenig, am Wochenende aber viel schläft, nimmt das Risiko, zu erkranken, wie durch zahlreiche andere Studien gezeigt werden konnte, zu, und die Lebensqualität verschlechtert sich.

SCHMERZ – EIN SCHLAFRÄUBER!

Menschen, die aufgrund einer Erkrankung oder aus anderen Gründen an Schmerzen leiden, schlafen genau deshalb schlecht. Gleichzeitig verstärkt Schlafentzug das Schmerzempfinden – ein Teufelskreis, der chronisch werden und zur Abhängigkeit von Schmerz- und Schlafmitteln führen kann. Amerikanische Forscher untersuchten an 24 Studenten, was passierte, wenn sie unangenehme Hitzeeinwirkungen an den Beinen über sich ergehen ließen. Hatten die Studenten wenig geschlafen, verspürten sie schon bei geringer Hitze Schmerzen. Doch warum verstärkt Schlafmangel das Schmerzempfinden? Wie die Studie zeigte, verstärkte Schlafverlust nicht nur die Aktivität von Regionen im Gehirn, die für die Schmerzwahrnehmung eine Rolle spielen, sondern reduzierte auch die Aktivität von Zentren im Gehirn, die Schmerzen dämpfen können.

Ein Schlafdefizit kann jedoch nicht nur langfristige, sondern auch ganz unmittelbare negative Folgen haben. Zum Beispiel indem man in der Schule oder bei der Arbeit am nächsten Tag weniger leistungsfähig ist. Denn wer zu wenig schläft, kann sich schlechter konzentrieren, ist weniger kreativ, reagiert impulsiver und kann sich Dinge schlechter merken. Darüber hinaus sind die exekutiven Funktionen (geistige Fähigkeiten, mit denen wir Gefühle, Gedanken und Handeln steuern, auch »kognitive Kontrolle« genannt) herabgesetzt, was dazu führt, dass es einem schwerer fällt, in Situationen den Überblick zu behalten und im rechten Moment die richtigen Entscheidungen zu fällen. Das kann in stressigen Situationen, zum Beispiel im Straßenverkehr, fatale Folgen für Sie und andere haben. Für Menschen, die in ihrem Beruf für das Wohl und die Gesundheit anderer verantwortlich sind und diese durch eingeschränkte exekutive Funktionen gefährden, ist diese Erkenntnis besonders wichtig!

In diesem Zusammenhang haben wir eine schlechte Nachricht für alle, die Arbeiten oder Lernen dem Schlafen vorziehen. Studien am College of Medicine der University of Arizona in den USA belegen, dass schlechter Schlaf stets mit geringerer Produktivität einhergeht, egal ob es um Leistungen bei der Arbeit oder Unternehmungen zu Hause geht. Die Forscher fanden heraus, dass das Krankheitsbild Insomnie (das vorliegt, wenn man über einen Zeitraum von drei Monaten mindestens dreimal pro Woche Einschlaf- oder Durchschlafprobleme hat) die Produktivität am stärksten beeinträchtigte. Menschen mit mittelschweren bis schweren Schlafstörungen hatten im Vergleich zu Menschen ohne Insomnie einen mehr als doppelt so hohen Produktivitätsverlust. Sogar wenn sie nur an leichten Schlafproblemen litten, verzeichneten die Wissenschaftler einen um 58 Prozent höheren Leistungsabfall.

Und die Verringerung der Leistungsfähigkeit ist nicht das Einzige, was mit einem Schlafdefizit einhergeht. Auch das Gefühlsleben wird beeinflusst. Man wird ängstlicher, impulsiver, aufbrausender und sensibler, was natürlich Auswirkungen auf private und berufliche Beziehungen hat. Und auch die Außenwirkung ist eine ganz andere, wenn man ständig unausgeschlafen, gähnend und mit dunklen Rändern unter den Augen durch die Welt geht.

GLAUBE VERSETZT BERGE

Eine amerikanische Studie hat gezeigt, dass es bereits ausreicht, nur zu glauben, dass man schlecht geschlafen hat, um bei einem Gedächtnistest am folgenden Morgen schlechter abzuschneiden. Die Forscher erklärten den Probanden vor der Versuchsnacht, dass Traumschlaf (genauer gesagt REM-Schlaf) enorm wichtig für die Gedächtnisleistung sei. Alle Probanden wurden mit einem Gerät ausgestattet, um sie glauben zu lassen, ihr Schlaf würde gemessen. Am nächsten Morgen wurde einer Gruppe erzählt, dass die Messungen in der Nacht ein Schlafprofil mit besonders viel Traumschlaf ergeben hätten. Eine zweite Versuchsgruppe wurde informiert, dass ihr Schlaf von durchschnittlicher Qualität war. Die letzte Gruppe erfuhr, dass sie einen Schlaf mit wenig Traumschlafphasen gehabt hatte. Nach diesem Feedback machten alle Versuchsteilnehmer einen Gedächtnistest. Die Testpersonen, denen gesagt wurde, dass sie einen überdurchschnittlich guten Schlaf gehabt hätten, erzielten die besten Ergebnisse. Die angeblich schlechten Schläfer schnitten dagegen am schlechtesten ab. Diese Studie unterstreicht, dass schon die Annahme, schlecht geschlafen zu haben, einen großen Einfluss auf unser Befinden und unser Leistungsvermögen am Tag hat. Vor der nächsten schulischen oder beruflichen Herausforderung Ihres Kindes oder Partners sollten Sie daher am Morgen nach dem Aufwachen sagen: Mensch, du siehst richtig erholt aus, du hast bestimmt gut geschlafen!

Woran viele gar nicht denken: Die Auswirkungen von Schlafmangel, wie die verminderte Leistungsfähigkeit und ein erhöhter Krankenstand, belasten zudem die gesamte Gesellschaft – und zwar mit enormen Kosten. In einer in der Fachzeitschrift SLEEP veröffentlichten Studie berechneten Forscher die Gesamtkosten, die für den australischen Staat mit seinen knapp 25 Millionen Einwohnern in den Jahren 2016 und 2017 aufgrund von Schlafmangel entstanden. Es waren 45 Milliarden australische Dollar – umgerechnet etwa 28 Milliarden Euro! Die Leiter der Studie gehen davon aus, dass es in Ländern mit vergleichbaren Volkswirtschaften, wie beispielsweise Deutschland, ähnlich aussieht. Sie glauben, dass wir uns mitten in einer weltweiten Schlafmangel-Epidemie befinden, die zum einen durch den Druck der Arbeitgeber und zum anderen durch sozialen Druck von Familie und Freunden, aber auch durch soziale Medien verursacht wird.

Es ist also höchste Zeit, dass wir anfangen, den Wert des Schlafs zu erkennen und ihn angemessen zu würdigen. Das wird uns selbst und auch der gesamten Gesellschaft guttun! Falls Sie jetzt zu denjenigen gehören, die unter Schlafstörungen leiden und nachts oft wach liegen, werden Ihnen diese Zeilen vermutlich wie Hohn vorkommen. Schließlich kennen Sie den Wert von gutem Schlaf nur allzu gut! Doch machen Sie sich bitte bewusst, dass Ihnen auch die ruhigen Stunden im Bett schon Erholung schenken – selbst wenn Sie nicht schlafen. Und wenn Sie dann am nächsten Tag viel Tageslicht tanken, kann das schon der erste Schritt hin zu einem besseren Schlaf sein. Das spüren Sie vielleicht nicht direkt in der folgenden Nacht, aber auf lange Sicht auf jeden Fall (falls Ihrem Schlafmangel keine Krankheit zugrunde liegt), da Sie Ihren Schlaf-wach-Rhythmus auf diese Weise in die richtigen Bahnen lenken.

KANN MAN AUCH ZU VIEL SCHLAFEN?

Untersuchungen haben gezeigt, dass Menschen, die ein Schlafpensum von mehr als neun Stunden pro Nacht absolvieren, kürzer leben als diejenigen, die sieben bis acht Stunden schlafen. Heißt das also, dass langes Schlafen gesundheitsschädlich ist? Nein, denn Forscher haben dazu herausgefunden, dass Menschen, die das empfohlene Pensum immer überschreiten, die zusätzlichen Stunden brauchen, um ihre schlechte Schlafqualität auszugleichen. Sie haben aus unterschiedlichen Gründen Schwierigkeiten, in den Tiefschlaf zu fallen, und wachen sehr leicht und häufig auf. Eine Schlafapnoe kann hier die Ursache sein – regelmäßige Atemaussetzer im Laufe der Nacht, die für Körper und Gehirn viel Stress bedeuten (mehr dazu in Kapitel 12). Leider lässt sich eine allgemein schlechtere Schlafqualität nicht einfach durch längeres Schlafen ausgleichen. Denn auch beim Schlafen geht Qualität über Quantität. Und wer lange schläft, hat zudem weniger Zeit für Bewegung. Körperliche Aktivität ist aber ein wichtiger Faktor für ein langes, gesundes Leben und einen qualitativ hochwertigeren Schlaf. Darüber hinaus entwickeln Langschläfer, die bis weit in den Vormittag hinein im Bett bleiben, einen schlechten Schlaf-wach-Rhythmus und haben in den Wintermonaten weniger Gelegenheit, Tageslicht zu tanken. Ein Mangel an Tageslicht führt aber wiederum zu weniger Tiefschlaf – ein Teufelskreis. Manchmal kommt es auch vor, dass der Körper einen verlängerten Schlaf nutzt, um einer unterschwelligen, unentdeckten Krankheit entgegenzuwirken. Dies sieht man zum Beispiel manchmal bei Prädiabetes, einer Vorstufe zum Typ-2-Diabetes, oder bei Alzheimer-Vorstufen, bei denen die kognitiven Störungen noch nicht so deutlich geworden sind, dass man sie als Demenzkrankheit erkennt. Letztendlich ist aber nicht jeder Langschläfer automatisch einer Risikogruppe zuzuordnen. Ein langes Schlafbedürfnis kann auch einfach genetisch bedingt sein.

REISE DURCH DIE VIER SCHLAFPHASEN

Ich träume die ganze Nacht und habe das Gefühl, gar keinen Tiefschlaf zu bekommen!« Viele Menschen glauben, dass Schlaf vor allem aus Träumen besteht. Dem ist aber nicht so. Der Eindruck, die ganze Nacht lang geträumt zu haben, entsteht vermutlich, weil man oft kurz vor dem Aufwachen träumt. Fakt ist aber: Der Schlaf besteht aus vier verschiedenen Schlafphasen, die wir während der Nacht mehrfach durchlaufen. Man begibt sich im Schlaf auf eine fantastische Reise, in der jede Schlafphase ihre spezifischen Reparatureigenschaften hat. Sind Sie schon gespannt, was sich beim Schlafen in Ihrem Kopf abspielt? Dann kommen Sie mit auf eine Reise durch die vier Schlafphasen!

LEICHTSCHLAF – DER ÜBERGANG VOM WACHSEIN ZUM SCHLAFEN

Es ist Nachmittag, und Sie sitzen nach einer Konferenz in Hamburg im Zug nach Hause. Nach mehrmaligem Umsteigen kommen Sie endlich an und gehen noch schnell im Supermarkt an der Ecke vorbei, um Zutaten für das Abendessen einzukaufen. Zu Hause kochen Sie gemeinsam mit Ihrem Partner/Ihrer Partnerin, legen sich danach auf die Couch und schauen sich die Nachrichten im Fernsehen an. Sie gähnen und spüren, wie sich eine starke Müdigkeit in Ihnen ausbreitet. Es dauert nicht lange, bis das Fernsehbild vor Ihren Augen verschwimmt und der Ton immer entfernter klingt. Dann schlummern Sie ein.

Im Wachzustand ist das Gehirn sehr aktiv, und die Nervenzellen kommunizieren über unterschiedliche Frequenzen intensiv miteinander. Diese Gehirnaktivitäten lassen sich mithilfe einer EEG (Elektroenzephalografie) messen. Wenn man müde wird, werden die Gehirnwellen, also die Kommunikation zwischen den Nervenzellen, etwas langsamer und haben weniger Ausschläge pro Sekunde. Das Gehirn beginnt, sich zu entspannen. Sobald man sich hingelegt und seine Augen geschlossen hat, sinkt die Wellenfrequenz weiter ab. In dieser Phase kann es zu plötzlichen Zuckungen in Armen oder Beinen kommen, denn wenn man einschläft, nimmt der Muskeltonus des Körpers ab – die natürliche Spannung in den Muskeln, die für das Gleichgewichtssystem des Körpers wichtig ist. Weil unser Gleichgewichtssystem aber nicht so schnell in den Schlafmodus wechselt wie das restliche Hirn, versucht es bis zuletzt, den Muskeltonus wiederherzustellen. Und das kann sich in Form von Muskelzuckungen beim Einschlafen zeigen, sogenannten hypnagogic jerks