Schlaft doch, wie ihr wollt - Stephanie Grimm - E-Book

Schlaft doch, wie ihr wollt E-Book

Stephanie Grimm

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  • Herausgeber: Pantheon
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2016
Beschreibung

Reclaim Your Sleep! Holen wir uns unseren Schlaf zurück!

Während die Ernährung manchen Menschen mittlerweile zur Ersatzreligion geworden ist, führt der Schlaf, obschon genauso wichtig, in unserer Gesellschaft ein Schattendasein: Diskutiert wird er nur dann, wenn man ein Problem mit ihm hat. Stephanie Grimm will den Schlaf zurückerobern, denn er ist keine vergeudete Lebenszeit, sondern Freizeit in Reinform. Deshalb sollte jeder wissen, was da nachts eigentlich vor sich geht, und sein individuelles Schlafbedürfnis kennen – und durchsetzen.

In unserer Gesellschaft wird Schlaf vor allem dann zum Thema, wenn er nicht so recht klappen will. Davon zeugt ein unüberschaubarer Markt an Ratgebern zu Schlafstörungen. Außerdem hat der Schlaf ein Imageproblem: Wer viel schläft, ist entweder faul oder versteht es nicht, sein Leben auszukosten. Stephanie Grimm plädiert dafür, unsere Einstellung einer Überprüfung zu unterziehen, denn: Viel Schlaf ist kein Zeichen von Trägheit oder Passivität, sondern wahnsinnig nützlich, lebenserhaltend und beglückend. Wie Urlaub, den uns die Natur zwangsverordnet hat. Gerade deshalb sollten wir unser Wissen zum Schlaf aufpolieren und ihm einen größeren Stellenwert in unserem täglichen Leben einräumen. Was unsere wertvollsten Stunden des Tages betrifft, gibt es eine Menge zu entdecken, auch dann, wenn wir keine Probleme mit ihnen haben.

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Seitenzahl: 233

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Stephanie Grimm

Schlaft doch, wie ihr wollt

Die wertvollsten Stunden des Tages und wie wir sie zurückerobern

Pantheon

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Der Pantheon Verlag ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH.Erste AuflageMärz 2016Copyright © 2016 by Pantheon Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH,Neumarkter Str. 28, 81673 MünchenUmschlaggestaltung: Büro Jorge Schmidt, MünchenUmschlagabbildung: © Oliver Weiss/oweiss.comSatz: Ditta Ahmadi, BerlinISBN 978-3-641-15906-1V001www.pantheon-verlag.de

Inhalt

Einleitung

1. Wundersame Welt des Schlafes

Vorstellungen vom Schlaf

Blick ins Gehirn

Schwammiges Forschungsterrain

Ein ungelöstes Rätsel

Dick, dumm und krank

Menschliches Versagen

Körperchemie und die innere Uhr

Mittags schlafen – das geht doch gar nicht!

Hormonzirkus

Augen zu, Vorhang auf

Von Leicht- und Tiefschlaf

Faszinosum REM-Schlaf

Was lernt man wann?

Viele gute Gründe für den Schlaf

2. Der Schlaf der anderen

Eine Erfindung, die alles veränderte

Früher war nicht alles besser

Die Geschichte des Betts

Wer sich mit wem bettet

Schlafen wie ein Asiate

Glückliches Asien?

Feiern wie ein Wikinger

Die Welt des Schlafes ist bunt

Individualisierte und institutionalisierte Nickerchen

Ist Schlaf die Währung, mit der wir für unseren Wohlstand bezahlen?

Durchschlafen oder nicht

Radikale Selbstexperimente

Machen wir unsere Schlafwelt bunter

Exkurs: Träume

Wann träumen wir?

Pause von der Realität

Geschichte der Traumdeutung

Schlüssel zur Seele oder Betriebsgeräusche des Gehirns?

Wir träumen, was wir fühlen – oder nicht?

Luzides Träumen

3. Unser eigener Schlaf und ein Uhrwerk, das nicht ganz rund läuft

Bunkerexperimente

(Chronobiologische) Hochs und Tiefs

Licht als Taktgeber

Der nächtliche Himmel

Können wir Winterschlaf halten?

Eulen und Lerchen

Wem nützt das gemeinsame Schlafzimmer?

Unterschiedliche Bedürfnisse bei Alt und Jung – und keinen kümmert es

Auf dem Campingplatz

Sozialer Jetlag

Schlafkonto

Wir schlafen so vielseitig, wie wir wachen

4. Wie finden wir den Schlaf?

Im Always-On-Modus

Eine neue Generation der Schlaffreunde?

Wie viel Schlaf können wir uns leisten?

Das Militär als Avantgarde?

Banker und andere »Leistungsträger«

Schlaf ist für Weicheier

Solidarität mit einem Nachtarbeiter

Ein medizinisches Problem

Innere Uhren und die Arbeitswelt

Unser Zwiespalt mit dem Schlaf

Schlaf ist … eine überstrapazierte Metapher

Ruhelose Nächte

Der Glamour der Schlaflosigkeit

Selbstoptimierung und die Entstehung eines neuen Marktes

Reclaim Your Sleep!

Ein jeder schlafe, wie er kann

Dank

Literatur

Einleitung

Ja, ich singe wirklich gerne ein Loblied auf den Schlaf. Heinrich Heine zum Beispiel hat meiner Meinung nach ziemlich untertrieben, als er befand, dass der Schlaf »die köstlichste Erfindung« sei. Nicht nur sind diese zwingenden Ruhephasen eine zutiefst befriedigende Art, seine Zeit zu verbringen: Der Schlaf hinterlässt im Körper einen wohligen Nachklang, und im Kopf fühlt man sich angenehm entwirrt. Obendrein werden Erlebnisse aus unserem Alltag in aufregende Träume verwandelt. Und klüger ist man nach einer erholsam verbrachten Nacht auch noch – behaupten zumindest die Neurowissenschaftler.

Der Schlaf lässt aus dem Chaos von Eindrücken, die Tag für Tag auf uns einprasseln, die Gedanken und Gefühle werden, auf die wir später zurückgreifen. Er ermöglicht geistige Verknüpfungen und ist so eine zentrale Grundlage für unsere Kreativität. Der im kalifornischen Berkeley forschende Schlafwissenschaftler Matthew Walker greift auf ein Bild aus der Küche zurück, um zu veranschaulichen, was der Schlaf leistet: »Wie beim Kochen reicht es für die Erinnerungsbildung nicht, einfach die Zutaten kleinzuhacken und zusammenzuwerfen. Das Gehirn braucht Zeit, die Dinge marinieren zu lassen.« Und eben genau das vollbringt der Schlaf, insbesondere wenn wir träumen.

Ja, ich halte den Schlaf für eine tolle Sache. Und weil ich zudem nicht zu den Menschen gehöre, die morgens um acht mit Freude aus dem Bett hüpfen, befinden sogar meine Freunde, ich sei eine Schlafmütze – was in unserer Gesellschaft selten ein Kompliment ist. Dabei verbringe ich nicht einmal besonders viel Zeit damit, zu schlafen. Ich bin einfach nur das, was man landläufig eine »Eule« nennt: Es macht mir nichts aus, bis weit nach Mitternacht zu arbeiten, ich bin auch zu später Stunde meist zu allem aufgelegt, gehöre allerdings nie zu jenen frühen Vögeln, die sich um den Wurm streiten.

Ein wenig Neid auf meine relativ freie Zeitgestaltung – freiberufliches Arbeiten sei Dank – schwingt wohl auch mit, wenn selbst besagte Freunde von meinen Schlafgewohnheiten bisweilen genervt sind, etwa weil ich vormittags nicht angerufen werden möchte. Doch, so wage ich zu behaupten, bei der Bewertung meiner Schlafroutine geht es eben auch um etwas anderes, nämlich darum, dass der Schlaf, wohltuend wie er sein mag, in unserer Gesellschaft ein schlechtes Image hat, das ihm nicht gerecht wird – weil Schlaf mit Faulheit assoziiert wird.

Die deutsche Sprache ist ziemlich präzise, und in so mancher Redensart rund um den Schlaf spiegeln sich die Vorurteile unserer Gesellschaft wider. Angefangen damit, dass man von Frühaufstehern und Langschläfern redet, obwohl doch diejenigen, die spät ins Bett gehen und spät aufstehen, nicht unbedingt länger schlafen als all jene, die um sechs Uhr morgens ihre Joggingschuhe schnüren.

Auch wenn ich meine Ruhephasen schätze, kenne ich durchaus den Impuls, das eigene Schlafbedürfnis zu ignorieren. Die Gründe mögen vielfältig sein; für mich zum Beispiel hat die Nacht ihre ganz eigenen Qualitäten. Was für eine schöne Sache es doch ist, sich nachts, wenn die Welt schläft, Zeit zum Lesen oder Musikhören zu nehmen. Warum nicht nur ich, sondern ein großer Teil der Gesellschaft – glaubt man den Warnungen vieler Schlafforscher – sich immer schwerer damit tut, abzuschalten und zu ausreichend Schlaf zu kommen, soll ebenso ein Thema dieses Buches sein wie die Tatsache, dass sich diverse Alltagswehwehchen und so genannte Zivilisationskrankheiten darauf zurückführen lassen, dass wir schlicht zu wenig schlafen. Zwar geht es uns deutlich besser als noch unseren Vorfahren oder Menschen in vielen anderen Teilen der Welt, doch von unserem Wohlstand und unserem Mehr an Freizeit kommt in puncto Schlaf nichts bei uns an. Und das, obwohl sich vieles verbessern ließe, wenn wir öfter mal die Augen zumachen würden.

Als ich vor einigen Jahren mit zwei Mitstreiterinnen eine erste Idee entwickelte, aus der schließlich dieses Buch werden sollte, gab es im Handel fast nur Ratgeberliteratur zum Thema. Endlose Regalmeter zu der Frage, wie man durch schlaflose Nächte kommt, den verlorenen Schlaf wiederfindet oder auch sein Kind dazu bringt, endlich durchzuschlafen. Ich bin Kulturjournalistin, keine Naturwissenschaftlerin, doch der Schlaf hat mich schon immer fasziniert. So entstand die Idee, diese Parallelwelt anders zu erkunden; einen weiteren Ratgeber wollte ich auf keinen Fall schreiben. Der Schlaf hat schließlich Besseres verdient, als dass man nur über ihn spricht, wenn er Ärger macht. Er mag zwar zu den Dingen gehören, die viele erst dann zu schätzen wissen, wenn sie ihn missen müssen. Doch ein weniger problembehafteter Blick auf den Schlaf war mir ein zentrales Anliegen.

Besser zu verstehen, was mit uns passiert, während wir schlafen, ist ein erster Schritt, Probleme zu vermeiden. Ob man ein guter oder ein sensibler, für Störungen anfälliger Schläfer ist, ist bis zu einem gewissen Grad in den Genen angelegt. Doch es hat auch mit den Rahmenbedingungen unserer Tage und Nächte zu tun. Wie bereitwillig lassen wir uns ablenken, wenn eigentlich Bettgehzeit ist? Wie viel Tageslicht bekommen wir ab? Wie schlaffreundlich ist das Unternehmen, für das wir arbeiten?

Schließlich ist es sehr viel leichter, vom guten zum schlechten Schläfer zu werden als umgekehrt. »Aus einem sensiblen Schläfer ist noch kein guter geworden«, sagt jedenfalls Schlafforscher Ingo Fietze. Und aus zeitweilig schlechtem Schlaf kann schnell chronisch schlechter Schlaf werden, wenn man die Warnsignale nicht ernst nimmt oder auf Biegen und Brechen versucht, am Schlaf zu sparen. Einen Ratgeber wollte ich deshalb zwar immer noch nicht schreiben, aber ein Plädoyer für eine freundlichere Einstellung zu unserem Schlaf.

Mittlerweile, gut zehn Jahre nach der ursprünglichen Idee zu diesem Buch, gibt es auf dem deutschen Buchmarkt ein paar spannende Titel, die auch jene über den Schlaf aufklären wollen, die keine ratgeberwürdigen Probleme mit ihm haben. Im Vordergrund stehen dennoch biologische und medizinische Aspekte, obwohl doch die gesellschaftliche Perspektive besonders interessant ist: Warum behandeln wir unseren Schlaf mit so wenig Respekt?

Der Schlaf beansprucht zwar einen erheblichen Teil unserer Lebenszeit, führt aber trotzdem ein Schattendasein. Außerhalb des eigenen Schlafzimmers reden wir eher selten über unsere nächtlichen Auszeiten. Noch seltener gucken wir über den Tellerrand, etwa darauf, was man in Sachen Schlaf von anderen Kulturen lernen kann. Schlafen ist schließlich immer auch ein soziales Arrangement, das das Umfeld des Schläfers und den aktuellen Zeitgeist widerspiegelt. In Sachen Schlaf halten wir das für normal, was unsere Umgebung uns vorlebt.

Angesichts der Tatsache, wie wenig unser aller Schlafqualität auf gesellschaftlicher Ebene diskutiert wird, hat es mich erstaunt, wie gerne jeder, mit dem ich auf das Thema kam, über seine persönlichen Gewohnheiten sprach – und was dabei alles herauskam.

So sprach ich mit einem Studenten, der sich während des Semesters tatsächlich abends um acht ins Bett legt, um dann um vier oder fünf wieder aufzustehen und nach seinem allmorgendlichen Sportprogramm die Bücher zu einer Zeit aufzuschlagen, zu der seine Kommilitonen noch wild träumen. Sozialkompatibel sind seine Gewohnheiten nicht, was ihn aber nicht zu stören scheint. Damit lebt er ähnlich extrem wie ein Arbeitskollege, dem bereits zu Studienzeiten klar wurde, dass er niemals einer normalen Bürotätigkeit würde nachgehen können. Jetzt hat er einen Job, der um 16 Uhr beginnt, und schafft es nie vor 5 Uhr nachts ins Bett. Vorher schlafen ginge einfach nicht, behauptet er. Auch zwanzig Jahre später fühlt er sich immer noch wohl mit dieser Routine.

Und dann waren da natürlich noch all die jungen Eltern, die neben den Teenagern, deren innere Uhr im ständigen Konflikt mit ihren Stundenplänen steht, vermutlich die Gruppe bilden, die am wenigsten Schlaf bekommt (und die immer gerne über die Ruhezeiten reden, die ihnen fehlen). So stellte ich in zahlreichen Gesprächen fest: Jeder hat eine ungefähre Vorstellung davon, wie eine ideale Nacht zu verlaufen hat, und glaubt zu wissen, welches Pensum an Schlaf ihm oder ihr guttut. Doch die Praxis sieht oft anders aus, weil es eine Diskrepanz gibt zwischen den Anforderungen des Umfelds und den eigenen Bedürfnissen. Weil man sich vor langer Zeit etwas angewöhnt hat, das unter den gegenwärtigen Lebensumständen keinen Sinn mehr ergibt. Weil man einfach nicht mehr spürt, wie müde man eigentlich ist.

Genauso wichtig wie das Hinterfragen gesellschaftlicher Zuschreibungen ist es, die eigenen Gewohnheiten näher zu betrachten. Schlaf ist mit Ritualen verknüpft, und die können uns einerseits stabilisieren, andererseits aber auch in eingefahrenen Bahnen stecken lassen. Warum etwa sollte man immer noch zu einer Zeit aufstehen, zu der der Nachwuchs einst in die Schule musste, wenn das Kind schon lange aus dem Haus ist? Wer dagegen berufsbedingt plötzlich um halb sechs rausmuss, sollte vielleicht ein anderes Tagesabschlussritual finden, als sich vom Wetterbericht der Tagesthemen ins Bett schicken zu lassen.

Jeder hat seine Schlafbiografie, und viele haben die eine oder andere Macke davongetragen, wie zum Beispiel ein als Flugbegleiter arbeitender Freund, der streng über seinen Schlaf wacht und kategorisch jede soziale Verpflichtung abwehrt, die ihm dabei in die Quere kommt – um die Auswirkungen seines bereits chronischen Jetlags zu mildern. Für manche kann es eine jahrzehntelange Trotzphase auslösen, dass sie als nachtaktiver Teenager am Sonntagmorgen mit am Frühstückstisch sitzen mussten. Ebenso wie die Erfahrung von Nachtschichten bei fast jedem, der diese über einen längeren Zeitraum absolvieren musste, Spuren hinterlässt.

Der US-amerikanische Schlafexperte Mark Rosekind sagt in Wide Awake, einem Essayfilm von Alan Berliner über seine lebenslange Schlafstörung, einen sehr wahren Satz: »In unserer Gesellschaft beschützt niemand unseren Schlaf.« Dafür sind wir selbst verantwortlich. Reden wir also nicht erst über unseren Schlaf, wenn er Probleme bereitet, sondern entdecken lieber gleich jetzt, was gut für uns ist.

1.Wundersame Welt des Schlafes

Für zwei Stunden, in denen wir wach sind, müssen wir ungefähr eine Stunde schlafen. Ein Drittel unseres Lebens verbringen wir folglich in einem Zustand, in dem unser Bewusstsein abgeschaltet scheint und von dem uns für unser waches Leben wenig bleibt – außer gelegentlich bizarre Traumfragmente und im besten Fall das Gefühl, ausgeschlafen zu sein.

Mit unserem Schlafbedürfnis sind wir nicht allein: Alle Säugetiere und Vögel – und manch andere Spezies – schlafen auf eine Weise, die der unseren ähnelt. Und das, obwohl ein Zustand, in dem man seiner Umgebung derart schutzlos ausgeliefert ist, in der Tierwelt hochgefährlich sein kann – je nachdem, an welcher Stelle der Nahrungskette man steht. Es leben ja die wenigsten so behütet wie unsere Haustiere, die sich entsprechend lange Pausen gönnen: Hunde schlafen etwa zehn Stunden täglich, Katzen noch zwei Stunden mehr.

Auch Löwen können es sich erlauben, gute 13 Stunden abzuschalten. Schließlich sind sie die Jäger, nicht die Gejagten. Giraffen dagegen müssen mit deutlich kürzeren Auszeiten zurechtkommen: In Gefangenschaft schließen sie für etwa vier Stunden die Augen, in freier Wildbahn noch kürzer – und das außerdem in Etappen. Bei Elefanten ist es weniger der Umstand, dass sie auf der Hut sein müssen, der sie lediglich drei Stunden am Tag schlafen lässt. Sie sind schlichtweg den lieben, langen Tag damit beschäftigt, unglaubliche Mengen von Grünzeug in sich hineinzustopfen, um ihren Nahrungsbedarf zu decken.

Die Strategien, die in der Tierwelt ausgebildet wurden, damit Schlaf stattfinden kann – trotz der Risiken, die dieser Zustand mit sich bringt –, sind wirklich erstaunlich. Damit etwa Delphine ohne Pause schwimmen können und gleichzeitig zu ihren Ruhezeiten kommen, »schläft« bei ihnen jeweils nur eine Hälfte des Gehirns. Ebenfalls mit halbem Gehirn schlafen Enten, die in der Gruppe ruhen und die Außengrenze ihres Pulks bewachen. Lediglich die Brüder und Schwestern auf den Logenplätzen in der abgeschirmten Mitte dürfen ganz abschalten.

Selbst bei Tieren, die nicht im eigentlichen Sinne schlafen – Fische etwa –, fährt der Stoffwechsel phasenweise herunter. Und sogar Pflanzen oszillieren zwischen Aktivität und Ruhe. Sie wissen etwa ohne ein Signal durch die Sonne, wann es Zeit ist, die Blütenblätter zu öffnen oder zu schließen. Ein gewisser Rhythmus gehört offenbar zu jeder Form von Leben.

Der britische Biologe Ray Meddis entwickelte in den siebziger Jahren in seinem Buch The Sleep Instinct die umstrittene Theorie, dass Schlaf keine wirkliche Funktion erfüllt, außer sich in der Zeit schadlos zu halten, in der man nichts anderes zu tun hat. Zumindest der Blick in die Tierwelt suggeriert, dass an dieser gewagten These etwas dran sein könnte: Tatsächlich scheinen einige Tiere nicht nur zu schlafen, wenn sie es unbedingt brauchen, sondern wann immer sie können. Andersherum sind manche Arten in der Lage, zeitweise überhaupt nicht zu schlafen, etwa wenn sie dem guten Wetter hinterherjagen: Zugvögel fliegen tagelang am Stück und verzichten dabei auf ihren Schlaf – den sie nicht einmal nachholen müssen.

Auf den Menschen übertragen erscheint Meddis’ Theorie allerdings absurd. Seiner Logik zufolge müsste es ein Leichtes sein, auf Schlaf zu verzichten, wenn es die Situation erfordert. Doch jeder, der sich schon einmal mit einem gravierenden Schlafdefizit durchs Leben gekämpft hat, weiß, dass dies langfristig unmöglich ist und dass auch vorübergehende Einbußen, aus welchen Gründen auch immer, qualvoll sind. Wir müssen also schlafen, ob wir wollen oder nicht.

Warum dem so ist, das wissen Forscher allerdings nach wie vor nicht zu beantworten. Es existieren zahllose Hypothesen, eine abschließende, alle Aspekte berücksichtigende Erklärung gibt es nicht. Kurzum: Der Schlaf, dessen wohltuende und kraftspendende Wirkung wir immer wieder aufs Neue erfahren, bleibt für den Moment ein Rätsel.

Doch es tut sich etwas: Die Schlafforschung ist ein vergleichsweise junges Fach, in dem sich in den letzten Jahrzehnten Quantensprünge vollzogen haben. Biologen und Mediziner wähnen sich in einem goldenen Forschungszeitalter. Nicht zuletzt dank der Fortschritte in den Neurowissenschaften hat man über die Prozesse, die in uns ablaufen, sobald wir abgeschaltet haben, eine Menge herausgefunden.

Vorstellungen vom Schlaf

Unheimlich war der Schlaf unseren Vorfahren, die noch nicht über unseren Kenntnisstand verfügten. Sie konnten allenfalls spekulieren, warum sich unser Geist jede Nacht zurückzieht, in Träumen munter auf Wanderschaft geht und sich in Welten herumtreibt, in denen es bisweilen wirklich furchterregend zugeht. Der griechische Philosoph und Mathematiker Pythagoras warnte seinerzeit: »Halte deinen Geist wach, denn der geistige Schlaf ist ein Bruder des Todes.« Diese Einschätzung teilte er mit vielen seiner Zeitgenossen, schließlich brachten beide Zustände einen Bewusstseinsverlust mit sich. In der griechischen Mythologie war Hypnos, der Gott des Schlafes, der Bruder von Thanatos, der wiederum den sanften Tod brachte.

Wie falsch die Menschen in der Antike doch lagen: Gerade unser Geist braucht den Schlaf, um lebendig zu bleiben. Trotzdem hielten sich viele Vorstellungen der alten Griechen bis ins 20. Jahrhundert. Erst dann gelang es, zumindest ansatzweise zu vermessen, was sich in Körper und Geist abspielt, während wir schlafen.

Auch wenn bereits vormoderne Wissenschaftler dem Gehirn eine besondere Rolle im Schlafkosmos zugestanden, dachte man lange, dass es vor allem der Körper sei, der der Regeneration bedarf. Der Philosoph und Naturforscher Aristoteles vermutete, dass nachts Gase im Blut abgebaut würden, die über die Ernährung in unseren Körper gelangt seien. Auch glaubte man in der Antike, unser Gehirn fülle sich mit Blut, wenn wir einschlafen, und leere sich am Morgen wieder – übrigens eine Vorstellung, die viele Jahrhunderte später von René Descartes in seiner Schrift Abhandlung über den Menschen (1632) aufgegriffen wurde. Der cartesianischen Schlaftheorie zufolge ermüdet der Mensch, weil das den Körper nährende Blut im Verlauf des Tages immer seltener zum Herz zurückkehrt. Weil von dort aus der »Spiritus animalis« im Körper verteilt werde, trockne das Gehirn langsam aus – bis es durch Schlaf reanimiert werde.

Auch wenn uns der Schlaf immer wieder belebt: Das gelegentliche Hadern mit ihm ist vermutlich so alt wie die Menschheit selbst. Doch obwohl seine Zwangsläufigkeit von jeher mit Argwohn betrachtet wurde und Mäßigung auch beim Schlaf als das zu verfolgende Ideal galt, überließen die Menschen sich wohl vorbehaltloser diesen Auszeiten, als wir es heutzutage tun. Zu einem gesellschaftlichen Problem ist der Schlaf – beziehungsweise sein Mangel – erst in der Neuzeit geworden.

Henry David Thoreaus Walden. Ein Leben mit der Natur (1854) ist ein Schlüsseltext für verschiedene alternative Bewegungen des 20. Jahrhunderts. Er ist, das bewies der Literaturwissenschaftler Benjamin Reiss, nicht nur ein spannendes Zeugnis von Thoreaus Auseinandersetzung mit dem frühen Industriezeitalter, sondern thematisiert an verschiedenen Stellen, wie die sich wandelnde Haltung zum Schlaf mit der Ökonomisierung unserer Lebenswelten zusammenhängt. Thoreau verknüpft seine Skepsis gegenüber der Moderne nicht zuletzt mit einer Kritik an modernen Schlafgewohnheiten. Der Frage, wann wir schlafen und wachen und wie diese Zustände herbeigeführt werden – Fabrikglocken sind in Walden ebenso Thema wie aufputschendes Koffein oder der mechanisierte Weckruf –, gibt er eine gesellschaftspolitische Dimension. Thoreaus Versuche, sich auf das Wesentliche zu beschränken, stehen für ihn im offensichtlichen Widerspruch zum wachsenden Zugriff des Wirtschaftssystems auf den menschlichen Körper und seine Rhythmen.

Der soziale und wirtschaftliche Wandel, der seinerzeit mit der Industrialisierung an Fahrt aufnahm, hat dazu geführt, dass die Menschen heutzutage eher die Schlaflosigkeit fürchten als den Schlaf. Allerdings hat unsere berechtigte Sorge, dass wir zu wenig schlafen, nicht zur Folge, dass wir guten Schlaf hinreichend würdigen oder ihn gar pflegen. Obwohl immer öfter neue Erkenntnisse in Magazinen und Zeitungen landen und der Einfluss des Schlafes auf unsere Lebensqualität langsam ein größeres Thema wird, haben die nächtlichen Auszeiten mehr denn je das Image eines Zeitfressers.

So hat unter Wissenschaftlern wie Pseudowissenschaftlern eine wilde Suche nach Optimierungsmöglichkeiten begonnen. Bei der geht es nicht nur um die Frage, wie wir besser schlafen können, sondern auch darum, wo man in Sachen Schlaf konkret »sparen« kann: etwa indem man »wichtige« (zum Beispiel den für die Regeneration zentralen Tiefschlaf) von »unwichtigen« Phasen (dem Leichtschlaf, in dem wir fast die Hälfte unserer Ruhezeiten verbringen) trennt.

Die britischen Forscher James Horne und Sue Wilkinson führten schon Mitte der achtziger Jahre Versuche durch, mit denen sie den Leichtschlaf als eine Art Luxus, als verzichtbaren Bonus enttarnen wollten. Über die Beschneidung der Schlafdauer wollte man herausfinden, welche Schlafphasen in diesem Fall reduziert würden. Dem lag die Annahme zugrunde, dass verkürzter Schlaf sich selbst optimiert und der Leichtschlaf, dessen Funktion man noch nicht wirklich kennt, einfach ausfällt. Doch die Hypothese bestätigte sich nicht: Die Leichtschlafphasen fanden immer noch statt, während der Körper an den für die Gedächtnisbildung wichtigen REM-Phasen (dazu später mehr) sparte.

So einfach lässt sich also nicht an der Optimierungsschraube drehen. Dabei würde der Schlaf seinen Job eigentlich ziemlich gut machen, wenn man ihn denn nur ließe. William C. Dement, ein großer Pionier der Schlafforschung, weist schon auf dem Einband seines lesenswerten Standardwerks The Promise of Sleep darauf hin, dass »gesunder Schlaf der wichtigste einzelne Faktor für ein langes Leben ist – einflussreicher als Ernährung, Bewegung oder Erbanlagen«.

Zu wenig Schlaf dagegen beeinträchtigt unsere gesamte Lebensqualität, angefangen bei scheinbar banalen Dingen. Müdigkeit beeinflusst sogar, wie gut wir ein- und ausatmen. Und doch werden kleine und größere Wehwehchen, die uns im Alltag begleiten, von Verdauungsproblemen bis zu häufig auftretenden Erkältungen, selten mit einem Mangel an Schlaf in Verbindung gebracht – wohl zu Unrecht, wie sich noch zeigen wird.

Blick ins Gehirn

Viele Erkenntnisse über den Schlaf wurden erst gewonnen durch verfeinerte Techniken der Gehirnforschung. Da das Gehirn die Dramaturgie unseres Schlafs steuert, erfolgt dessen Unterteilung in verschiedene Phasen bislang vor allem auf Grundlage der Gehirnaktivität, also durch die Aufzeichnung mehr oder weniger starker Gehirnströme. Erstmals vermessen wurde dies 1924 von Hans Berger, einem Psychiater aus Jena. Doch es sollten zehn Jahre vergehen, bis die Bedeutung seiner Entdeckung erkannt und damit begonnen wurde, sie systematisch zu nutzen.

In den dreißiger Jahren etablierte sich die Praxis, über die Elektroenzephalografie (EEG) die elektrische Aktivität im Gehirn zu messen – was natürlich nicht nur beim wachen, sondern auch beim schlafenden Gehirn möglich ist. So weisen zum Beispiel so genannte Thetawellen auf leichten Schlaf hin, während Deltawellen bedeuten, dass wir uns in einer Tiefschlafphase befinden. Im REM-Schlaf produziert das Gehirn Betawellen, wie auch im Wachzustand, nur dass der Muskeltonus in dieser Schlafphase völlig erschlafft ist, unsere Traumwelten also nicht in Bewegungen resultieren. (Alles andere wäre wohl auch gemeingefährlich.)

ENDE DER LESEPROBE