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Nie wieder sprachlos! So trainieren Sie erfolgreiche Kommunikation – in Job und Privatleben Sei es ein heikles Gespräch mit dem Chef oder ein abschätziger Kommentar auf einer Party – es gibt Sätze, die uns völlig überrumpeln. Die verbale Attacke trifft uns unerwartet. Da fehlen einem einfach die Worte! Erst viel später wissen wir, was wir hätten sagen wollen, sollen oder müssen. Kann man Schlagfertigkeit lernen? Der Autor Michael Traindt sagt dazu ganz klar: Ja! In diesem Buch gibt er Ihnen das nötige Knowhow an die Hand, damit Sie nie mehr um einen schlagfertigen Konter verlegen sind. Mit diesem Ratgeber lernen Sie, wie Sie einen verbalen Angriff abwehren, den Ball zurückspielen und sich mit Leichtigkeit über einen Untergriff hinwegsetzen. Michael Traindt lässt dabei seine persönliche Erfahrung aus den verschiedensten Bereichen einfließen: - Aus der Sicht des Kommunikations-Coach: Praxisfälle aus dem Alltag und wirkungsvolle Strategien für mehr Schlagfertigkeit - Aus der Sicht des Politologen: Beispiele aus dem Politiker-Training und Techniken für Ihre Gesprächsführung im privaten und beruflichen Kontext - Aus der subjektiven Perspektive: persönliche Erlebnisse aus dem Leben des Autors – humorvoll und mit einem Augenzwinkern erzählt Vorbereitung ist (fast) alles: schlagfertig werden mit der richtigen Gesprächstechnik Lampenfieber, Nervosität oder Angst vor dem Scheitern: Michael Traindt kennt diese Gefühle nur zu gut – und hat wirksame Kommunikations-Strategien entwickelt, um solche Blockaden zu überwinden. Dazu richtet er den Fokus auf die Gesprächsvorbereitung: Wie mache ich mich weniger angreifbar? Wie bleibe ich selbst auf der Sachebene? Wie kann ich meine Kommunikationsfähigkeit verbessern? Denn eines ist klar: Die schlagfertigsten Menschen sind jene, die am besten vorbereitet sind! Mit diesem praxisorientierter Ratgeber haben von nun an auch Sie immer eine schlagfertige Antwort parat! »Sie sind nicht schlagfertig? Kein Problem, ich bin es auch nicht, und ich bin Schlagfertigkeitstrainer.« Michael Traindt
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Seitenzahl: 265
Veröffentlichungsjahr: 2021
Michael Traindt
Wie man Gespräche im Job meistertund Familienfeiern überlebt
Sämtliche Angaben in diesem Werk erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr. Eine Haftung der Autoren bzw. Herausgeber und des Verlages ist ausgeschlossen.
1. Auflage
© 2021 Ecowin Verlag bei Benevento Publishing Salzburg – München, eine Marke der Red Bull Media House GmbH, Wals bei Salzburg
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Medieninhaber, Verleger und Herausgeber:
Red Bull Media House GmbH
Oberst-Lepperdinger-Straße 11–15
5071 Wals bei Salzburg, Österreich
Satz: MEDIA DESIGN: RIZNER.AT
Umschlaggestaltung: Benevento Publishing
ISBN 978-3-7110-0276-1
eISBN 978-3-7110-5301-5
In Erinnerung an meine Großeltern
Vorwort
Einleitung
Was ist Schlagfertigkeit?
Mein persönlicher Zugang zum Thema
Kann man Schlagfertigkeit lernen?
Die schlagfertigsten Menschen sind jene, die am besten vorbereitet sind!
Vorbereitungsschritt 1: Die Beweggründe des Angreifers oder der Angreiferin verstehen
Vorbereitungsschritt 2: Klare Gesprächsziele definieren
Vorbereitungsschritt 3: Auf gegenseitige Interessen konzentrieren
Vorbereitungsschritt 4: Den Mut haben, auch heikle Themen direkt anzusprechen
Vorbereitungsschritt 5: Eine gemeinsame Ausgangslage schaffen und Missverständnisse klären
Regel 1: Kenne deine Rolle – »Wisse, wer du bist!«
Position und Rolle
Rolle als die Summe von Erwartungen
Erwartungsarten: muss – soll – kann
Intra- und Inter-Rollenkonflikte
Die Kunst, erwachsen zu sein – »Aber Mutter weinet sehr«
Das Risiko, zu enttäuschen
Schlechte Nachrichten überbringen und Grenzen ziehen
Falle 1: Andeutungen
Falle 2: Höflichkeit
Falle 3: Die Hoffnung, eine schlechte in eine gute Nachricht zu verwandeln
Fünf wirkungsvolle Schritte beim Überbringen schlechter Nachrichten
Schritt 1: (Vor-)Entscheidung treffen
Schritt 2: Klare Aussagen formulieren – Eindeutigkeit und Erträglichkeit
Schritt 3: Auffangen der Reaktion
Schritt 4: Lösungen und Alternativen ansprechen
Schritt 5: Einen konkreten nächsten Schritt vereinbaren
Zusammenfassung
Regel 2: Der authentische Kern – »Erkenne, was dir wichtig ist!«
Kernwerte und Werte
Persönliche Kernwerte definieren – Möglichkeit 1
Persönliche Kernwerte definieren – Möglichkeit 2
Persönliche Kernwerte definieren – Möglichkeit 3
Wir alle spielen Theater – Darstellung, Fassade, Bühnenbild
Glaubwürdigkeit: die Rolle als Schutz
Authentizität: die Rolle als Problem
»Verloren in der Rolle«
Authentizität versus Glaubwürdigkeit
Die Kernwerte der Großeltern
Zusammenfassung
Regel 3: Die inneren Dialoge – »Kenne deine Glaubenssätze!«
Das innere Spiel
Glaubenssatz: »Sei ein guter Verlierer«
Glaubenssatz: »Du hast zwei linke Hände«
Unsere inneren Antreiber
»Sei perfekt«
»Mach es allen recht, sei gefällig«
»Streng dich an«
»Sei stark«
»Beeil dich, mach schnell«
Zusammenfassung
Regel 4: Nicht alles ist ein Angriff – »Halte etwas aus!«
Die Grenzen der Schlagfertigkeit
Widerstandskraft – »Trotzmacht des Geistes«
Verantwortung übernehmen statt Opfer sein
Sind wir alle Teil der »Generation Schneeflocke«?
Kontext und Intention
Entschuldigung und Vergebung
Mentale Stärke
Vertrauen braucht Selbstwert
Zusammenfassung
Regel 5: Lass dir nicht alles gefallen – »Wehre dich!«
Angriffsart A: Angriffe, die stimmen
Strategie 1: Recht geben
Strategie 2: Keine Begründungen oder Rechtfertigungen
Strategie 3: Themenwechsel
Strategie 4: »If they go low, we go high«
Strategie 5: Gesprächspartner wechseln
Strategie 6: Frieden mit sich selbst schließen
Angriffsart B: Angriffe, die nicht stimmen
Falle 1: Gegenschlag
Falle 2: Humor
Falle 3: Rechtfertigung
Strategie 1: Gegenfragen
Strategie 2: Klarstellung und Zurückweisung
Strategie 3: Ansprechen, was ankommt
Strategie 4: Feststellen, was zwischen den Zeilen gesagt wird
Strategie 5: Ausweichen und umlenken
Strategie 6: Das Gespräch und nicht die Beziehung beenden
Angriffsart C: Provokationen und versteckte Angriffe
Strategie 1: Ignorieren
Strategie 2: Körpersprachlich antworten
Strategie 3: Direkt ansprechen im persönlichen Gespräch
Angriffsart D: Totschlagargumente – Killerphrasen
Angriffsart E: Stammtischparolen
Falle 1: Belehrung
Falle 2: Emotionalisierung
Strategie 1: Gezielt nachfragen
Strategie 2: Verallgemeinerungen ansprechen
Strategie 3: Gefühle ansprechen
Strategie 4: Auf die langfristige Wirkung achten
Sonderfälle
Angriffe bei Familienfeiern
Angriffe in der Politik
Zusammenfassung
Nachwort
Danksagung
Kontakt zum Autor
Literatur
Anmerkungen
Ich arbeite nun seit über 15 Jahren als Schlagfertigkeitstrainer, und eines haben fast alle meine Kundinnen und Kunden gemeinsam: Sie haben Angst, vor anderen bloßgestellt zu werden. Das Gefühl, ausgelacht zu werden, schwach zu wirken und dann am liebsten im Boden zu versinken, kennen und beschreiben fast alle meine Kundinnen und Kunden, die Schlagfertigkeit erlernen und trainieren wollen. Sie kennen das Gefühl, »sprachlos« und einer demütigenden Situation, sei es privat oder beruflich, scheinbar schutzlos ausgeliefert zu sein. Ausnahmslos alle dieser Menschen beschreiben in unserer Zusammenarbeit ein konkretes Erlebnis, mit dem diese Angst, sozial bloßgestellt zu werden, begann, und diese Erinnerung liegt meist weit zurück: ein misslungener Klaviervorspielabend in der Grundschule, ein Gedicht, das beim Festakt einfach nicht mehr im Gedächtnis abrufbar war, bis hin zu Referaten in der Schule, die im Gelächter der Mitschülerinnen und Mitschüler untergingen.
Nun, ich persönlich habe auch ein derartiges Schlüsselerlebnis, doch bin ich heute davon überzeugt, dass mir damit nicht wissend der Grundstein für meinen Beruf gelegt worden ist. Diese Erinnerung möchte ich am Beginn mit Ihnen teilen, denn sie ist wohl ein wesentlicher Grund, warum ich mich in meinem Leben mit Kommunikation, Rhetorik und Schlagfertigkeit beruflich intensiv beschäftigt habe.
Mein Schlüsselerlebnis: die Lesung in der Kirche
Meine Familie und ich lebten in meiner Kindheit unweit der Kirche. Der Weg zum Ministrantendienst war also in doppelter Hinsicht nicht weit, und so war früh klar, dass ich Ministrant werden würde. Schon damals war ich sehr groß, was mir allerdings zum Verhängnis werden sollte. Es war an einem Freitag, dem ersten Schultag der dritten Klasse an der Volksschule, als mich kurz vor Beginn der Schulmesse der Herr Pfarrer zur Seite nahm und sagte: »Die Uli aus der vierten Klasse hätte heute die Lesung lesen sollen, aber sie ist krank. Michi, du bist groß genug. Heute wirst du die Lesung halten. Ich werde dir dann das Buch auf der richtigen Seite aufschlagen, wenn es so weit ist.« Es mag vielleicht übertrieben klingen, aber ich hatte in diesem Moment mein soziales Todesurteil erhalten. Ich war mit acht Jahren kein guter Leser. Die Kirche meiner Heimatgemeinde, ein kleiner Ort mit damals um die 2000 Einwohnerinnen und Einwohnern, war voll, alle meine Mitschülerinnen und Mitschüler waren da, das gesamte Lehrerteam und auch meine Oma saßen an ihrem Platz, wie jeden Freitag bei der Schulmesse. Dem Herrn Pfarrer zu widersprechen war damals keine Option, davonlaufen kam für mich auch nicht infrage, und so nahm ich das Urteil an. Die Messe begann, sodass ich keine Zeit mehr hatte, mir den Text vorher zumindest einmal durchzulesen. Mit jeder Minute bis zu meiner Hinrichtung am Altar wurde es in meiner Brust enger, und meine Hände waren nass vom kalten Schweiß. Dann war der Zeitpunkt gekommen: Ich trat vor, gefühlt in Zeitlupe. Ich sah meine Oma in der zweiten Reihe nach dem Mittelgang, meine Mitschülerinnen auf der rechten Seite vor mir – in den Achtzigern waren die Mädchen und die Buben noch »brav« getrennt – und meine Mitschüler auf der linken Seite. Ich blickte auf den Text. Die Anordnung der Buchstaben ergab einfach keinen Sinn, alles auf dem Blatt erschien mir verschwommen. Aber es gab kein Entkommen. So hielt ich meine erste Lesung, halb gestottert, halb geraten, was diese Aneinanderreihung von Silben bedeuten könnte. Es herrschte absolute Stille in der Kirche, die nur durch das Auslachen von mir durch einzelne Schüler und das wütende, tiefe Atmen des Herren Pfarrer, der unmittelbar neben mir stand, unterbrochen wurde. Nach einer gefühlten Ewigkeit war es dann vollbracht. Ich hatte es überlebt. Mit knallrotem Kopf ging ich zurück an meinen Platz.
Ich habe dieses Erlebnis, das mir als Achtjähriger widerfahren ist, deswegen erzählt, weil es mich bis heute prägt, oder besser gesagt, lange meinen Umgang mit ähnlichen Situationen geprägt hat. Ab diesem Zeitpunkt in der Kirche hatte ich eine Höllenangst, vor anderen Menschen zu lesen und auch zu sprechen. Diese Urangst, bloßgestellt zu werden, sich zu blamieren und ausgelacht zu werden, war mein ständiger Begleiter. So ging es auch in meinem weiteren Schulleben weiter, und selbst der Satz eines Mitschülers auf dem Gymnasium ist mir bis heute in Erinnerung geblieben: »Herr Professor, heute ist doch Faschingsdienstag, lassen Sie bitte den Michael etwas vorlesen, dann wird es wieder lustig.« Und ich enttäuschte bei spontanen Vorlesungen nur sehr selten: Es war immer lustig – für die anderen. So wurde etwa aus dem Duke of Cambridge »the Duck of Cambridge« – aus dem Großherzog wurde die Ente. Ich wusste eben schon damals, dass es in Cambridge viele Enten gibt, und damit lag ich ja auch nicht falsch.
Eines habe ich mir jedoch bereits als Achtjähriger geschworen: Nie wieder in meinem Leben werde ich in so eine Situation kommen, koste es, was es wolle. Ich hatte zwar noch sehr viele Lesungen zu meistern, weil ich oft »groß genug« oder »der Größte in der Gruppe« war. Dennoch habe ich in meinem ganzen Leben nichts mehr vorgelesen, da ich ab diesem Zeitpunkt immer alle Texte auswendig konnte. Wenn es nicht spontan und unerwartet sein musste – und das kam nur in der Schule vor –, war ich bestens vorbereitet. Selbst bis zur Reifeprüfung konnte ich, wenn irgendwie möglich, bei Lateinprüfungen sowohl den deutschen als auch den lateinischen Text aus dem Gedächtnis. Dafür hatte ich mich in meinem Elternhaus vor den Spiegel gestellt und jeden Text, den ich vorzulesen hatte, wie eine Rede eingeübt, und wenn es mir langweilig wurde, sprach ich die Texte in unterschiedlichen Rollen und Situationen. Gaius Julius Cäsar in »De bello Gallico« – ein Bericht des damaligen römischen Feldherrn über den Gallischen Krieg – verkörperte ich als Tennislehrer. Mit dem Tennisschläger in der Hand und den Linien eines realen Tennisplatzes im Kopf teilte ich Gallien »in seiner Gesamtheit in drei Teile«: Den Teil hinten auf der Grundlinie bewohnten die Belgier, einen anderen – vorne beim Netz – die Aquitanier und den Teil rund um die Aufschlaglinie in der Mitte die dritten, die sich selbst Kelten nennen, in unserer Sprache aber Gallier heißen. Irgendwann ließ ich die Bezüge zum Tennis weg, und fertig war die Vorbereitung auf die nächste Lateinstunde. Der Spiegel und ich, wir hatten eine eigene Welt, und es hat viel Spaß gemacht. Vor allem wurde ich im »Vorlesen« ziemlich gut, weil ich die Texte dadurch auch sehr gut verstand, hatte ich sie doch aus völlig unterschiedlichen Perspektiven gesprochen.
Heute, mit Anfang 40, kann ich mich zwar an das Gefühl in der Kirche noch immer ganz genau erinnern, aber ich habe keine Angst mehr. Oder anders gesagt: Die Angst ist immer noch da, aber das Wissen um den Umgang mit dieser Angst eben zum Glück auch. Ich verlese mich kaum noch, obwohl ich nicht mehr alles auswendig lerne. Und letztlich habe ich diesem Ereignis zwar viel Schmerz, aber auch meinen Beruf zu verdanken.
Rhetorik, Kommunikation, Wirkung und das kreative Herangehen an Worte, Texte sowie Sprachbilder habe ich mir über die Jahre vor dem Spiegel angeeignet. In unzähligen Stunden habe ich jene Fertigkeiten verfeinert, die mir heute in Vorträgen, Seminaren oder Coachings zur Verfügung stehen. Die wichtigste Erfahrung aus heutiger Sicht aber war die Angst: Ich verstehe damit jeden Kunden und jede Kundin, die mir von Lampenfieber, Nervosität oder Angst vor dem Scheitern, vor der Bloßstellung oder sein Gesicht zu verlieren, berichten. Dieser Angst habe ich fast alles, was ich heute an meinem Beruf liebe, zu verdanken. Wenn oft Kunden oder Kundinnen zu mir sagen: »Herr Traindt, Sie sprechen einfach gern vor Menschen und können gar nicht verstehen, wie sich das anfühlt. Ihnen macht das Freude, für mich ist es wie eine Hinrichtung, wie eine Höllenangst«, so ist mir bewusst, was ich meinem achtjährigen Ich zu verdanken habe. Ich kenne das Gefühl sehr gut und aus Angst vor Buchstaben, die für mich oft keinen Sinn ergaben, wurde die Liebe zur Sprache, die Bedeutung und Kraft hat.
Kennen Sie die Situation, dass Sie in einem Gespräch sind und persönlich verbal angegriffen werden, Ihnen aber nichts einfällt, was Sie darauf erwidern könnten? Sie haben zwar das Gefühl, »das ist jetzt nicht in Ordnung und ich sollte mich verteidigen«, und dennoch reagieren Sie nicht. Sie lassen sich angreifen. Später auf dem Heimweg – im Auto, in der U-Bahn – oder erst daheim im Wohnzimmer fällt Ihnen eine gute Reaktion ein, und Sie denken sich: »Warum fällt mir das erst jetzt ein und nicht dann, wenn ich es brauche? Es wäre doch so einfach gewesen!« Sollten Sie diese oder ähnliche Situationen kennen, dann habe ich dieses Buch für Sie geschrieben.
An alle, die das Gefühl kennen, »sprachlos« zu sein, und den Wunsch, »im Boden zu versinken«, und an alle, die an besseren beruflichen sowie privaten Gesprächen interessiert sind, richtet sich mein Buch.
Das Hauptziel ist es, zentrale Regeln aufzustellen, die in heiklen Gesprächen schützen und damit sachliche Kommunikation sowie inhaltliches Arbeiten ermöglichen. Wie bereits im Titel angekündigt, können diese Regeln aber nicht nur im Berufsleben wichtig sein, sondern auch im Privatleben – sei es in der Familie, im Freundes- oder Bekanntenkreis.
Im Wesentlichen gibt es zwei völlig unterschiedliche Arten von Schlagfertigkeit: Einerseits geht es um die Fähigkeit, schnell und mit passenden, treffenden, witzigen Worten auf etwas zu reagieren, und andererseits geht es darum, wie ich mich vor Untergriffen oder »blöden Sprüchen« schütze und eben nicht sprach- oder reaktionslos werde.
Die erste Variante der Schlagfertigkeit, also der humorvolle Umgang mit einer Situation, trifft für mich dann zu, wenn es sich nicht um ein heikles Gespräch handelt, sondern etwa ein Gespräch unter Freundinnen und Freunden oder mit guten Kolleginnen und Kollegen bei einem Kaffee. Die Stimmung sowie die Beziehung sind also prinzipiell gut oder sogar sehr gut. Es ist ein mehr oder weniger lustiges Scherzen, wobei der Respekt hier nie verloren geht.
Ich bin zum Beispiel Teil einer Reisegruppe von Freundinnen und Freunden aus meiner Studienzeit. Regelmäßig, um nicht zu sagen immer, machen sie sich über meine Eigenart lustig, dass ich überpünktlich am Bahnhof oder am Flughafen sein möchte. Mein Rekord liegt übrigens bei fünf Stunden vor Abflug am Flughafen zu erscheinen, und das für eine Strecke von Wien nach Barcelona. Sie dürfen gern an dieser Stelle lachen. Natürlich ist das leicht verrückt, und ich höre dann Sprüche wie: »Warum verbringst du nicht gleich die Nacht davor auf einer Bank am Flughafen, wenn es dir dort so gut gefällt?« Ich erwidere dann, dass für mich der Urlaub damit bereits fünf Stunden früher beginnt und ich in Ruhe ein Buch oder Zeitungen lese. Darauf höre ich: »Dafür haben wir drei Stunden länger geschlafen, aber gut, du arbeitest wohl an einem Rekord im Zu-früh-Sein, oder?« Ich entgegne, dass ich einen neuen Rekord sicher noch schaffe und mich auf den Tag freue, »an dem ihr alle zu spät kommt, und dann hat das Sich-über-mich-lustig-Machen ein Ende. Der frühe Vogel fängt den Wurm, und der frühe Michael erwischt den Kranich«1. Sie können sich vorstellen, wie dieses »Spiel« weitergeht. Ein Hin und Her, aber ohne böse Absicht. Dies ist jedoch nicht die Schlagfertigkeit, die ich in diesem Buch behandeln möchte. Vielmehr geht es im Folgenden um echte, persönliche Angriffe, die ein sachliches Arbeiten oder ein gutes sowie konstruktives Gespräch schwer oder sogar unmöglich machen.
Davon handelt die zweite Variante der Schlagfertigkeit, bei der es weniger um Humor und auch nicht zwingend um Schnelligkeit geht, sondern um die Abwehr von Angriffen. Unter einem persönlichen, verbalen Angriff versteht man einerseits einen Angriff mit Worten, der die klare Absicht hat, die Angesprochene oder den Angesprochenen zu irritieren, zu treffen oder zu kränken. Andererseits kann es sich um eine Aussage handeln, die verletzt, ohne dass diese Absicht vorhanden ist. In diesem Buch zeige ich Möglichkeiten auf, wie man sich solch einer unfairen Kommunikationsform entgegenstellen kann. Im Wesentlichen gibt es dafür zwei Arten: Entweder mit Gegenangriffen nach dem Motto »möge die oder der Stärkere gewinnen« oder konstruktiv. Ich möchte Ihnen die zentralen Elemente der konstruktiven Schlagfertigkeit näherbringen.
Die Regeln in diesem Werk haben nicht zum Ziel, dass ich bei Angriffen »witzig, schnell oder hart zurückschlagen« kann, sondern sollen im Kern die folgenden Fragen beantworten: Wie mache ich mich weniger angreifbar? Wie bleibe ich selbst auf der Sachebene? Wie kann ich meine Kommunikationsfähigkeiten in heiklen Gesprächssituationen verbessern? In meiner Praxis als Schlagfertigkeitstrainer und auch als Coach habe ich die Erfahrung gemacht, dass diese innere Haltung weit effektiver am Weg zu mehr Schlagfertigkeit oder mehr Reaktionssicherheit in heiklen Gesprächen ist als etwa das Auswendiglernen von Antwortphrasen oder witzigen Satzmustern, die meist weder witzig noch hilfreich sind.
Es wird im Folgenden nicht darum gehen, immer etwas zu kontern oder »nie mehr sprachlos« zu sein, sondern möglichst in jeder Situation eine angemessene Reaktion zu zeigen. Auch ein bewusstes Schweigen kann eine ausgezeichnete schlagfertige Reaktion sein. Für einen Angreifer oder eine Angreiferin ist es oft schlimmer, wenn man »das Spiel der Untergriffe« überhaupt nicht mitspielt. Es geht nicht darum, überhaupt etwas zu sagen, sondern im richtigen Zeitpunkt das Wesentliche zu artikulieren, um sein Gesprächsziel zu erreichen.
Damit Sie besser einordnen und verstehen können, welche Inhalte und vor allem welche Beispiele ich für dieses Buch ausgewählt habe, ist es hilfreich, wenn Sie meinen persönlichen Zugang zum Thema Schlagfertigkeit kennen. Ich habe dieses Buch so aufgebaut, dass ich folgende drei Bereiche meines Lebens miteinfließen lasse:
1)Die Sicht des Schlagfertigkeitstrainers und des Coaches: Es ist, wenn man so will, mein »täglich Brot«, mich mit den Untergriffen und Angriffen, die mir Kundinnen und Kunden in meinem Coachingraum berichten, auseinanderzusetzen und gemeinsam wirkungsvolle Strategien zu entwickeln. Ich werde viele Beispiele aus meiner Tätigkeit als Schlagfertigkeitstrainer und auch als Coach anführen. Die konkreten Praxisfälle sind aus Gründen der Vertraulichkeit selbstverständlich anonym und auf eine Weise verfremdet, dass die Anonymität meiner Kundinnen und Kunden garantiert ist. Die Kernaussagen und die gezogenen Lehren der Praxisbeispiele bleiben trotzdem vollkommen erhalten.
2)Die Sichtweise des Politiktrainers und Politologen: Neben meinem Studium der Politikwissenschaften in Kombination mit Rechtswissenschaften in Österreich und Großbritannien liegen meine Anfänge in der Kommunikation und Rhetorik ebenfalls in der Politik. Bis heute zählen Politikerinnen und Politiker zu meinen Kundinnen und Kunden. Daher bringe ich auch aus diesem Bereich Beispiele und versuche aufzuzeigen, welche Techniken wir daraus auch in privaten Situationen und beruflichen Kontexten wirkungsvoll anwenden können. Sie müssen also keine Politikerin oder Politiker sein, um für Ihr Leben etwas mitnehmen zu können. Auch die Vertraulichkeit meiner Kundinnen und Kunden aus dem Politbetrieb wird in diesem Buch geschützt, und auf Fragen bei Vorträgen, für wen konkret ich in dem Feld arbeite, antworte ich immer mit einem Lächeln: »Nur für die Guten.«
3)Die dritte Sichtweise ist eine sehr subjektive: Wie bereits die Anekdote im Vorwort zeigt, gibt es sehr persönliche Beweggründe, warum ich begonnen habe, mich mit Kommunikation und später konkret mit Schlagfertigkeit zu beschäftigen. Ich weiß selbst sehr gut, wie es sich anfühlt, »sprachlos« zu sein, und musste mir vieles im Bereich der Schlagfertigkeit für mein privates wie berufliches Leben selbst erarbeiten. Hatte ich zuerst Bedenken, meine eigenen wunden Punkte und Schwächen in diesem Buch offen anzusprechen, so ergibt es an manchen Stellen jedoch nur Sinn, wenn ich zu Ihnen auch persönlich ehrlich bin, indem ich wahre Begebenheiten aus meinem Leben erzähle und wie ich heikle Situationen gemeistert habe oder auch, was mir weniger gut gelungen ist. Damit nun meine Familie sowie mein Freundes- und Bekanntenkreis nicht unnötig nervös werden an dieser Stelle, so kann ich beruhigen: Auch mein privates Umfeld habe ich beim Schreiben geschützt beziehungsweise in einigen Fällen direkt um Erlaubnis gefragt, ob ich bestimmte Beispiele ansprechen darf. Ich gehe daher in Bezugnahme auf den Buchtitel davon aus, dass auch ich selbst noch weitere Familienfeiern »zu überleben« habe und nach der Veröffentlichung nicht überall ausgeladen werde.
Mehr ein Zugang oder eine Haltung als eine Sichtweise ist der Ansatz, dieses Buch humorvoll und mit einem Augenzwinkern zu schreiben, wie Sie hoffentlich ohnehin bereits auf den ersten Seiten bemerkt haben. Ich nehme zwar mein Thema und die Anliegen meiner Kundinnen und Kunden sehr ernst, doch ist es mir genauso wichtig, mich selbst auch mal »auf die Schippe« – oder auf Österreichisch »auf die Schaufel« – zu nehmen. Über sich selbst lachen zu können und damit Selbstironie zuzulassen ist gerade im Bereich der Schlagfertigkeit wichtig, auch wenn mir beides mal mehr, mal weniger gelingt. Ob es in diesem Buch klappt, überlasse ich Ihrem Urteil.
Häufig wird mir als Trainer oder Vortragender die Frage gestellt: »Kann man Schlagfertigkeit überhaupt erlernen?« Dieser Frage liegt eine österreichische Grundeinstellung, die ich aber auch in Deutschland schon gefunden habe, zugrunde: »Entweder man kann es, oder man kann es eben nicht.« Keine Frage, Talent hilft sicherlich, aber es ist, wie in vielen Bereichen, alles eine Sache der guten Vorbereitung und erfordert sehr viel Übung.
Der für mich weltbeste Tennisspieler Roger Federer wurde in London von zwei Touristen mit einer Straßenkarte in der Hand gefragt, wie man nach Wimbledon kommt. Er antwortete sofort und ohne zu überlegen: »Mit viel Training.«2
Letztlich sind die besten Sportlerinnen, die besten Musiker und auch die schlagfertigsten Menschen jene, die am gründlichsten vorbereitet sind. Roger Federer hätte nur aufgrund seines außergewöhnlichen Talents niemals achtmal das Grand-Slam-Turnier in Wimbledon gewonnen. Es war die Kombination aus Talent und konsequentem sowie klugem Training. Klug deswegen, weil er sonst wohl kaum mit 40 noch Bestleistungen hätte abrufen können, und genau um diese Langfristigkeit geht es auch im Bereich Schlagfertigkeit: Es reicht eben nicht, einmal gut zu reagieren, um beruflich oder privat nachhaltig erfolgreich zu sein und persönliche Angriffe abzuwehren.
Ein Zitat von Keith Nelson, dem Leiter meiner Coachingausbildung in Großbritannien, ist mir noch immer sehr gut in Erinnerung:
»Die meisten Menschen überschätzen, was sie in einem halben Jahr erreichen können, aber sie unterschätzen, was sie in zwei, drei oder fünf Jahren schaffen können.«
Schlagfertiger werden braucht Zeit und ist ein Prozess. Das Lesen eines Buches ist ein guter Start, das Besuchen eines Seminars ebenso, die wirkliche Arbeit folgt aber in der Regel erst danach, in Ihrem beruflichen oder privaten Leben. Die gute Nachricht ist also: Sie können ganz sicher schlagfertiger und souveräner in heiklen Gesprächen werden. Die vielleicht schlechte Nachricht: Es braucht Übung.
Ein Musiker wurde gefragt, wie er einen so schnellen und überraschenden Erfolg landen konnte, und seine Antwort war: »Ich habe mein ganzes Leben lang hart geübt, um dann über Nacht berühmt zu werden.« Es geht gerade bei der Schlagfertigkeit um die Vorbereitung, das »Nicht-überrascht-Werden«. Erfolg sowie auch die richtige Reaktion sind meist keine Überraschung, sondern alles, was vor dem Durchbruch, wie im Beispiel des Musikers, passiert ist, oder im Bereich der Schlagfertigkeit alles, was die Kommunikationsfähigkeiten bereits vor dem persönlichen Untergriff geschärft hat. Dies ist auch der Grund, warum sich letztlich alle Regeln in diesem Buch mehr oder weniger mit der Vorbereitung auf Gespräche beschäftigen. Vorbereitung ist (fast) alles!
Weil die Vorbereitung so wichtig ist, stelle ich ausgewählte Vorbereitungsschritte für herausfordernde Gespräche an den Anfang des Buches. Es sind Schritte, die in der Praxis die größte Wirkung erzielt haben.
Die erste Frage guter Vorbereitung für schlagfertige Situationen ist: Warum greift man uns überhaupt persönlich an? Eine Antwort ist stets: »Weil sie oder er es kann«, zum Beispiel aufgrund von Position und Macht im Unternehmen oder aufgrund der Stellung innerhalb der Familie. Ein Zeichen von Stärke ist es aber nie, denn ich kann sachlich klar sowie durchaus auch hart sein und trotzdem respektvoll. Hinter persönlichen Angriffen stecken oft inhaltliche oder individuelle Schwächen. Ein Bereichsleiter oder eine Geschäftsführerin stehen zum Beispiel im unternehmerischen Handeln sehr unter Druck und sind unter Umständen auch fachlich nicht so im Detail involviert wie eine Mitarbeiterin, die sie dann im Gespräch persönlich angreifen nach dem Motto: »Angriff ist die beste Verteidigung.« Ich will damit nichts entschuldigen, aber für die Angreiferin oder den Angreifer ergibt eine Provokation in der konkreten Situation durchaus Sinn, zumindest kurzfristig: Ein Angriff lenkt von den eigenen Schwächen ab, ein Angriff stärkt zunächst scheinbar die eigene Position, ein Angriff lässt den Angreifer kurzfristig als Sieger erscheinen, ein Angriff vermittelt erst mal Durchsetzungsstärke im Sinne von »die traut sich aber etwas« oder »der ist wirklich bereit, seine inhaltliche Position mit allen Mitteln durchzusetzen«, und diese Liste ließe sich noch weiter fortsetzen. Eines aber ist klar: Für besondere Souveränität sprechen persönliche Angriffe in keinem Fall.
Unsere Gesprächspartnerin oder unser Gesprächspartner möchte mit einem persönlichen Angriff sehr häufig an unserem Selbstwert kratzen, sodass wir die Selbstkontrolle verlieren und damit womöglich auch unser Ziel und die Sache, um die es im Gespräch oder in der Verhandlung geht. Wir sollen aus der Bahn geworfen werden, damit wir zum Beispiel schneller inhaltlich einlenken oder schlicht, damit sich der Angreifer oder die Angreiferin auf unsere Kosten überlegen und besser fühlt.
In einem meiner Studentenjobs arbeitete ich als Platzzuweiser im Wiener Ernst-Happel-Stadion bei einem Fußballspiel. Unter anderem hatte ich es mit Prominenten zu tun, sogenannte A-, B- und C-Promis. Während in die Kategorie A und B jene Menschen fallen, die Außergewöhnliches leisten oder geleistet haben, sind die der Kategorie C oft jene, denen dieser Erfolg bisher verwehrt wurde, um es diplomatisch zu formulieren. Sämtliche A- und B-Prominenz begegnete mir sehr respektvoll und unterhielt sich mit mir auf Augenhöhe, während so mancher C-Prominente mich hatte spüren lassen, dass ich »nur der kleine Student« war. Besonders ein Herr behandelte mich richtig von oben herab, er griff mich persönlich an und erhöhte sich damit scheinbar auf meine Kosten. Die Pointe ist, dass genau jener C-Prominente vor wenigen Jahren bei mir ein Seminar besuchte. Er erkannte mich natürlich nicht wieder, und ich sprach ihn auch nicht darauf an, aber innerlich freute ich mich schon sehr. Warum erzähle ich diese Anekdote? Es ist für mich ein Beweis, dass persönliche Angriffe nach dem Motto »weil er oder sie es eben kann« nicht für Souveränität sprechen und sich der Spruch »man trifft sich immer zweimal im Leben« tatsächlich oft bewahrheitet.
Es kann bereits eine große Erleichterung sein zu verstehen, was die Beweggründe für einen Angriff gegen uns sind. Es hat sehr häufig nichts mit uns selbst zu tun, sondern vielmehr mit dem Angreifer oder der Angreiferin. Da die Motive für einen Untergriff in der Regel nicht aus einer Position der Stärke und Souveränität kommen, ist es ein lohnender Schritt zu hinterfragen: Warum greift mich ein Kollege, meine Chefin oder ein Familienmitglied an? Was ist sein oder ihr Grund dafür?
Vor allem vor wichtigen Gesprächen, bei denen ich etwas Bestimmtes erreichen und durchsetzen möchte oder ich aufgrund meiner Erfahrung mit Untergriffen oder Provokationen rechnen muss, ist es wichtig, sich über seine Ziele im Klaren zu sein. Wenn ich Menschen auf Gehaltsverhandlungen vorbereite, erlebe ich nicht selten, dass es nur vage Vorstellungen sind, mit denen sie zu mir kommen, die sich in Aussagen wie »ich schaue einfach mal, was meine Chefin mir anbietet« oder »ich gehe bewusst offen in Verhandlungen und orientiere mich am Verlauf des Gesprächs« widerspiegeln. Bereits hier liegt die Quelle einer möglichen Enttäuschung oder einer schwierigen Verhandlungssituation. Ich rate daher, sich vorher sowohl ein Maximalziel als auch ein Minimalziel zu setzen: Was muss ich auf jeden Fall erreichen (Minimalziel) und was möchte ich idealerweise erreichen (Maximalziel)? Beim Beispiel Gehaltsverhandlung wird das Maximalziel ein bestimmter Prozentsatz für eine Erhöhung sein und das Minimalziel ein geringerer Prozentsatz, aber dafür flexiblere Arbeitszeiten oder ein garantierter Tag im Homeoffice. Das Entscheidende dabei ist, dass auch das Minimalziel bereits einen Erfolg darstellt.
Im privaten Bereich, etwa bei einem Familientreffen, könnte ein Minimalziel auch sein, dass ein unangenehmes Thema wie Eheschließung – »Wann heiratet ihr nun endlich?« – oder Familienplanung – »Wird es nicht langsam Zeit für Kinder, die Uhr tickt!« – nicht vor allen groß und breit besprochen wird. Es macht aus Kommunikationssicht einen bedeutenden Unterschied, wenn ich diese Klarheit bereits vor einem Familientreffen habe.
Der nächste Vorbereitungsschritt stammt zwar in seiner Kernaussage aus dem Harvard-Konzept, einem Klassiker der Verhandlungstechnik, ist aber auch in »normalen« Gesprächen sehr hilfreich. Wir neigen gerade in emotionalen Situationen dazu, uns auf die jeweilige Verhandlungs- oder Gesprächsposition zu konzentrieren, und genau das kann eine Lösung verhindern sowie zu persönlichen Angriffen führen. Entscheidend sind in Verhandlungen und Gesprächen jedoch die gegenseitigen Interessen, die sich aus Wünschen, Sorgen oder anderen Motiven zusammensetzen.1 Dazu folgt ein Beispiel aus einem Einzeltraining.
Die Gehaltsverhandlung
Ein Kunde kam auf mich zu, um ihn bei einer Gehaltsverhandlung als Coach und Trainer zu unterstützen. Die Verhandlungen hatten bereits vor einiger Zeit begonnen, waren aber festgefahren. Die jeweiligen Verhandlungspositionen waren sehr klar: Mein Kunde forderte aufgrund seiner ausgezeichneten Leistungen, die auch von seiner Führungskraft bestätigt wurden, mehr Gehalt. Seine Chefin hatte jedoch die klare Vorgabe, in diesem für das Unternehmen wirtschaftlich schwierigen Jahr keinerlei Gehaltserhöhungen zuzulassen. Würde man nun nur auf diese Ausgangslage blicken, so hätte mein Kunde sehr schlechte Karten, und auch seine Führungskraft müsste bangen, ob sie einen zumindest unzufriedenen Mitarbeiter im Team hat oder diesen sogar verliert. Der Gedanke, das Unternehmen zu verlassen, war tatsächlich einer der ersten, den mir mein Kunde im Einzeltraining mitteilte. Er war, bei allem Verständnis für seine Chefin, sehr enttäuscht, dass »sich Leistung so gar nicht lohnt«. Ich stellte ihm daraufhin die Frage nach seinem konkreten Interesse, warum er mehr Gehalt wolle. Eine scheinbar sehr offensichtliche Frage, wer will schon nicht gern mehr verdienen? Mein Kunde erzählte mir dann von einer sehr kostenintensiven längeren Ausbildung, die er machen wolle und für die er einfach mehr finanzielle Mittel brauche. Und damit hatten wir auch schon einen guten Lösungsansatz für die weitere Verhandlungsvorbereitung im Training. Letztlich veränderte er seine Verhandlungsposition dahingehend, dass er nicht nur für dieses Jahr gänzlich auf eine Gehaltserhöhung verzichtete, sondern auch für zwei weitere Jahre. Im Gegenzug verlangte er die Übernahme der Hälfte der Ausbildungskosten durch sein Unternehmen. Sein Vorschlag wurde angenommen, da seine Führungskraft im Bildungsbudget noch Spielraum hatte, während nur die Gehaltserhöhungen nicht möglich waren. So hatten alle Beteiligten ihre Ziele erreicht. Wie ich später erfahren habe, wechselte die Chefin einige Jahre danach in den Vorstand und nahm meinen Kunden, nicht zuletzt aufgrund seiner zu diesem Zeitpunkt abgeschlossenen Zusatzausbildung, bei diesem Karrieresprung mit. Eine deutliche Gehaltserhöhung war damit ebenfalls verbunden.
Leider spielt das Leben nicht immer so wie in diesem Bericht der Gehaltsverhandlung eines Kunden, und es gibt genügend Beispiele dauerhaft verfahrener Gesprächssituationen. Aus Schlagfertigkeitssicht lohnt es sich dennoch zu fragen: Was sind die gegenseitigen Interessen? Und können vielleicht die Wünsche beider Seiten erfüllt werden? Sich auf die jeweiligen Interessen zu konzentrieren fördert meist auch das gegenseitige (richtige) Zuhören und sorgt für mehr Verständnis. Nicht »die uneinsichtige und sture Chefin gibt keine Gehaltserhöhung«, sondern sie hat eine klare Vorgabe und ihr Interesse liegt darin, dieser zu folgen und trotzdem einen guten sowie möglichst zufriedenen Mitarbeiter zu halten. Beides hat sie durch die veränderte Vorgangsweise meines Kunden geschafft. Ein positiver Nebeneffekt: Es kam zu keinen persönlichen Angriffen, sondern im Gegenteil, das gegenseitige Vertrauen wurde sogar gestärkt.
Wenn ich mir keine Gesprächsziele überlege, kann es dazu führen, dass wichtige Bereiche überhaupt nicht angesprochen und damit »endlos« aufgeschoben werden. Oder es fehlt mir schlichtweg der Mut dazu, unangenehme Wahrheiten auszusprechen, um die Situation zu lösen oder zumindest zu verbessern. Das Nichtansprechen von heiklen Themen ist ein ausgezeichneter Nährboden für schwierige Gesprächssituationen, in denen unsere Schlagfertigkeit gefordert ist. Das Motto »Nur nicht ansprechen, das wird sich schon von selber lösen« ist eine gefährliche Falle, denn irgendwann wird die Ursache für die Untergriffe so weit zurückliegen – oder überhaupt nicht mehr erkannt –, dass eine Aussprache immer schwieriger wird.
Der Elefant im Raum
Während der Coronakrise im Jahr 2020 drehte die österreichische Bundesregierung gemeinsam mit dem Roten Kreuz einen Werbespot mit der Empfehlung, einen Abstand in »der Größe eines Babyelefanten« zu halten.2 Im Englischen gibt es ein weiteres Sprachbild mit dem besagten Tier: »the elephant in the room.« Diese Metapher vom »Elefanten im Raum« hat auch im deutschen Sprachraum Einzug gehalten. Es bezeichnet die Situation, dass ein völlig offensichtliches Problem im Raum steht, es aber trotzdem von niemandem angesprochen wird.