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Jeder wünscht sich guten Sex - auch Männer. Doch die sexuellen Anforderungen an den modernen Mann sind kompliziert: mehr Männlichkeit, aber kein kratzender Bart. Mehr Haare auf dem Kopf, aber nicht auf der Brust. Mehr Kommunikation, aber nicht mit anderen Frauen. Mehr Geschmack, aber nicht für Bier. Mehr Ausdauer, aber nicht schon am Morgen. Mehr Verständnis, aber nicht für die Kumpels. Mehr Experimente, aber nicht gleich hier. Mehr Sensibilität, aber keine Tränen. Die Liste dieser Spielregeln ist endlos. Kein Wunder, dass Männer manchmal etwas verwirrt wirken. Damit ist jetzt Schluss: Auch Männer kennen und fürchten schlechten Sex und wissen, wie es besser geht. Sie haben zwar nicht immer Recht, aber auch nicht immer Schuld an sexuellen Katastrophen und Peinlichkeiten. Und davon wollen sie erzählen. In Schlechter Sex 2 nehmen die Männer die Herausforderung der Frauen an. Hart, ehrlich und direkt berichten sie, was Frauen im Bett alles falsch machen können, besser bleiben lassen sollten und noch zu lernen haben. Dabei werden keine Gefangenen gemacht, wird kein Geheimnis ausgelassen und keine Rücksicht genommen. Denn wer austeilen will, muss auch einstecken können - das wissen die Männer schon lange.
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Seitenzahl: 264
Mia Ming
Für E.V.J.
dies ist ein Buch für Männer! Denn hier wird Klartext geredet. Dreiunddreißig mutige Männer berichten mal nicht über ihre Höchstleistungen im Schlafzimmer, sondern sprechen offen über schlechten Sex, und zwar den eigenen. Sie erzählen von hässlichen Erlebnissen mit dem schönen Geschlecht und der täglichen Herausforderung, ihre Männlichkeit gegen die Beleidigungen, Vorurteile und sonstige Angriffe einer zunehmend femininen Welt zu verteidigen.
Sie erzählen, wo die Trennlinie zwischen Leidenschaft und Hass verläuft und wie schwer die Gratwanderung zwischen Selbstverwirklichung und Selbstsucht fällt. Und sie gestehen, wie hart der Kampf um ein wenig Spaß manchmal sein kann.
Hier treffen männliche Vorstellungen und weibliche Forderungen aufeinander, die mit beeindruckender Regelmäßigkeit in die Katastrophe führen. Die Katastrophe heißt schlechter Sex. Sie mündet in verstörende sexuelle Erfahrungen mit Frauen, die mit schlafwandlerischer Sicherheit alles tun, um hilflosen Männern die schlimmste Nacht ihres Lebens zu bereiten.
Nach »Schlechter Sex 1« lässt der zweite Teil endlich die Männer zu Wort kommen. Denn sie können die Vorwürfe der Frauen nicht einfach auf sich sitzen lassen, ganz im Gegenteil, sie haben einiges dazu zu sagen. Vor allem, dass sie nicht allein schuld sind – zumindest sicherlich nicht immer.
Mia Ming
dies ist ein Buch für Frauen! Denn hier lassen Männer die Hose runter. Nach »Schlechter Sex 1« widmet sich der zweite Teil den Männern und ihrem Bedürfnis, endlich mit alten Vorurteilen und Klischees aufzuräumen. Da sind wir gespannt.
Ihre Berichte sind unterhaltsam und lassen sich sinnvoll nutzen. Als Anleitung, wie es besser nicht laufen sollte beim Sex oder als Inspiration, wie sich eine furchtbare gemeinsame Nacht doch noch retten lässt. Außerdem bieten sie einen unverfälschten Blick in die Gedanken- und Gefühlswelt des Mannes. In den Geschichten wird deutlich, wie leicht er Wunsch und Wirklichkeit verwechselt und wie unbedacht er seinem Trieb folgt. Aber leider auch wie ungeschickt und fantasielos Frauen sein können.
Sie zeigen, woher Männer Kraft für die nächste Niederlage schöpfen und warum Männer nicht gerne zwischen Wollen und Können unterscheiden. Was die Frauen in diesem Buch anstellen, ist sicherlich nicht nachahmenswert, denn auch Frauen sind nicht gegen die Todsünden des Sex gefeit. Einigen fehlt es einfach an Einfühlungsvermögen, Eleganz und Selbstbewußtsein und manche haben wohl einfach einen schlechten Tag. Also lernt aus den Fehlern der anderen und verlasst euch am besten weiterhin auf die weibliche Intuition.
»Schlechter Sex 2« erteilt den Männern das Wort. Es lohnt sich, ihnen zuzuhören.
Mia Ming
DIE 1. TODSÜNDE DES SEX: ZYNISMUS
Noch bevor ich richtig wach bin, fühle ich, dass etwas nicht stimmt.Das wird kein guter Tag. Mein Hals ist rau und klebrig und das dumpfe Gefühl im Kopf kommt nicht vom Schlaf, sondern vom Alkohol. Ich möchte nicht wach werden, sondern weiterschlafen, aber das ist jetzt zwecklos, brauche ich gar nicht mehr zu versuchen. Mir ist heiß, ich bin verschwitzt und meine Decke fühlt sich klamm und schmutzig an. Nicht nur, weil sie die ganze Nacht auf mir lag, nein, Bianca hat sie gestern unter ihrem Sofa hervorgezogen, ein verkrumpelter Haufen, die Hundedecke.
Neben mir liegt niemand. Vielleicht ist sie weg, arbeiten oder so? Ich richte mich auf. Als ich aus dem Bett steige, fällt ein benutztes Kondom zu Boden, das an meinem Oberschenkel geklebt hat. Kondome sind immer ein beruhigender Anblick, so im Nachhinein, schließlich haben wir uns gestern erst kennengelernt. Ich heb es auf, um es in die Toilette zu werfen. Meine Sachen sind nicht hier, sie müssen noch im Wohnzimmer liegen, neben dem Sofa.
Da haben wir uns zumindest gestern Nacht ausgezogen. Aber erst mal muss ich ins Bad jetzt. Während ich Biancas elektrische Zahnbürste benutze, betrachte ich die Packungen auf der Ablage. Tabletten gegen Verdauungsstörungen und eine Tube Pilzcreme für den Vaginalbereich. Kann sie so etwas nicht im Allibert verstauen? Als ich die Zahnbürste abschalte, höre ich Geräusche aus dem Wohnzimmer. Sie ist also da, so ein Mist. Ich bin alles andere als gesellschaftsfähig, aber ich kann auch nicht einfach gehen, meine Hose liegt ja nebenan. Ich spucke die Zahnpasta ins Waschbecken, dabei wird mir übel. Ich setze mich kurz auf den Badewannenrand und warte, dass es vorbeigeht. Dann wickle ich mir ein Handtuch um die Hüften und schleppe mich ins Wohnzimmer. Rosig und frisch sitzt sie am Tisch, vor sich eine Müslischale, eine Tasse mit gräulichem Tee und ihr Notebook. Es ist viel zu hell im Zimmer, das Licht schmerzt in meinen Augen.
»Guten Morgen!«, sagt sie. Ich will antworten, doch meine Stimme ist nur ein heiseres Krächzen. Ich muss mich erst mal ausgiebig und unschön räuspern. Bianca verzieht angeekelt das Gesicht.
»Du solltest wirklich aufhören zu rauchen«, sagt sie dann tadelnd. »Du klingst wie mein Opa, der hat morgens auch so geröchelt. Außerdem war hier alles völlig verqualmt. Widerlich!«
Was soll ich dazu sagen, mir fällt nichts ein. Ich reibe mir die Augen, doch das hilft nichts. Suchend blicke ich auf den Boden nach meinen Sachen.
»Da«, sagt Bianca und weist mit dem Kinn zum Regal. Akkurat gefaltet liegen dort meine Sachen, Jeans, Pullover, T-Shirt, zu alleroberst meine Unterhose. Danke, das wäre doch nicht nötig gewesen. Sie beobachtet mich aufmerksam, während ich mich anziehe. Ich muss mich dabei am Regal festhalten, denn mir ist ein wenig schwindelig. Was ist denn los mit ihr, hat sie gestern etwa gar nichts getrunken? Ich fühle mich genötigt, etwas zu sagen.
»Hab ich den Whiskey etwa ganz allein ausgetrunken«, frage ich deshalb.
Ungläubig blickt sie mich an. »Wie bereits mehrmals erwähnt, ich trinke keinen Schnaps. Nie. Daran hat sich seit gestern auch nichts geändert!«
Ja, jetzt kann ich mich erinnern. Ich muss schon sagen, sie versteht sich darauf, dass man sich wohl fühlt. Wahrscheinlich trinkt sie auch kein Koffein.
»Ich geh dann mal«, sage ich.
»Ja«, sagt sie. »Komm gut nach Hause.« Und dann: »Kommst du nächstes Wochenende wieder?«
»Ähem«, ich räuspere mich noch mal ausgiebig, während ich überlege. »Ich glaub, da muss ich arbeiten, aber wir können ja noch mal telefonieren …«
Ihr schrilles Lachen unterbricht mich. »Du bist unglaublich!«, sagt sie und schüttelt fassungslos den Kopf. »Das war ein Scherz! Warum um alles in der Welt sollte ich das wiederholen wollen?«
Schnell rette ich mich aus der Tür.
DIE 2. TODSÜNDE DES SEX: UNBEHOLFENHEIT
Manchmal wundere ich mich über mich selbst«, sagte das Mädchen auf der Party zu mir und lachte, als hätte sie etwas sehr Lustiges gesagt. Ich hatte keine Ahnung, wovon sie sprach, ertappte mich aber dabei, wie ich kurz die Zähne bleckte. Nur kurz, denn dann fiel mir mein Vorsatz wieder ein, nicht mehr nur aus reiner Höflichkeit zu lachen. Ich beobachte das oft bei anderen und ich kann es nicht leiden.
»Und ich sag noch zu mir selbst, Nathalie, pass auf …«
Das Mädchen hieß also Nathalie und erzählte mir jetzt bereits seit fünf Minuten davon, wie es war, die Tollste zu sein. Ich wurde sie einfach nicht los. Sie war hellblond, braun gebrannt und zu groß – fast so groß wie ich. Sie war auffallend dünn und wirkte geradezu anämisch, trotz der sommersprossigen Haut, die sich über ein knochiges Brustbein und hervorstehende Rippen spannte, die sich beinahe ungemildert von irgendwelchen Brüsten unter einem grellrosa Oberteil abzeichneten. Es war nicht das erste Mal, dass ich Nathalie zufällig irgendwo traf, und meist versuchte ich, ihre Gesellschaft zu meiden. Doch war das nicht ganz einfach, denn sie hatte mich offensichtlich in ihr Herz geschlossen. Auch heute lief sie in einem fort plappernd neben mir her und ignorierte meine Versuche sie loszuwerden völlig. Manche Frauen mögen einen ja anscheinend nur aus dem einfachen Grund, dass man ihnen keine Beachtung entgegenbringt.
Nathalie kam aus dem Rheinland und schien zu glauben, da auch ich aus der Gegend war, hätten wir eine Menge gemeinsam. Anscheinend hatte sie ihren hyänenhaften Freundinnen irgendetwas Seltsames über mich erzählt, denn sie warfen mir unverhohlen wissende Blicke zu, die ich nicht deuten konnte. Entnervt blickte ich mich nach meinem Freund um, den ich seit unserer Ankunft nicht mehr gesehen hatte. Wahrscheinlich war er mit irgendeinem Mädchen mitgegangen, ohne mir Bescheid zu sagen. Warum hatte er mich überhaupt auf diese öde Party geschleppt? Was wollte ich hier? Missmutig blickte ich mich um. Schreckliche Leute, schreckliche Musik … Lief da etwa Robbie Williams? Meine Güte.
»Ich hau mal ab«, unterbrach ich Nathalie, die irritiert verstummte. In diesem Moment trat ein rothaariges Mädchen zu ihr, die beiden begrüßten sich mit einer innigen Umarmung.
»Hey Süße! Das ist Lukas, er wollte gerade gehen. Lukas, das ist Luisa, kennt ihr euch schon? …«
Nein. Ich hatte Luisa nie zuvor gesehen. Plötzlich wollte ich bleiben. Drei Stunden später saß ich noch immer mit Nathalie und Luisa auf dem Sofa. Nathalies sommersprossiges Bein bohrte sich fleischlos in meinen Oberschenkel. Allein bei dem Gedanken aufzustehen, wurde mir schwindelig, und auch sonst fühlte ich mich eher mäßig.
Dabei hatte alles so gut angefangen. Luisa hatte eine Stunde lang verheißungsvoll mit mir gelacht und geflirtet und meine Avancen freudig ermutigt. Ihr zuliebe hatte ich mich sogar mit Nathalie verbrüdert, die unsere Annäherung zuvor mit giftigen Blicken beäugt hatte. Als Luisa sich bereit erklärte, mich zur Tankstelle zu begleiten, um neue Alkoholika zu erstehen, war mir klar, dass auch sie mich mochte. Vor Freude wäre ich fast die Treppen heruntergehüpft, doch ich riss mich zusammen und schritt lässig und gemäßigten Schrittes voran. Auf dem Rückweg blieb ich stehen und griff nach ihrem Arm.
»Warte doch mal …« Dann hob ich die Hand und streichelte zart über ihre Haare. Luisa wich zurück.
»Ich mag dich sehr gern.« Ihre Stimme war nur ein leises Murmeln. »Aber ich habe einen Freund.« Ich ließ die Hand wieder sinken.
»Ach so. Na ja, macht doch nichts«, entgegnete ich, doch für mich war der Abend gelaufen. Enttäuscht lief ich neben Luisa zurück zur Party. Klar, solche Sachen passieren, alle hübschen Mädchen kramen irgendwann einen Freund aus, ständig, immer und überall, doch das ist kein Trost, im Gegenteil. Ich war maßlos enttäuscht, ließ mich aber trotzdem neben Luisa auf dem Sofa nieder. Jedes Mal, wenn mein Blick über ihr verstörend schönes Gesicht glitt, versetzte es mir einen Stich und ich griff zu meinem Glas.
Jetzt, nachdem die Freundsache geklärt war, behandelte Luisa mich, als wären wir seit Jahren innigste Freunde, tätschelte meinen Arm und saß sogar eine Weile auf meinem Schoß, während ich regungslos verharrte, um sie nicht zu vertreiben. Nathalie neben mir referierte weiterhin unbeirrt über ihr Leben. Ab und an brachte sie mich wirklich zum Lachen, was mich überraschte. Wenn ich aufstand, folgte sie mir und ihre pawlowsche Hartnäckigkeit rührte mich ein wenig.
Luisa verschwand irgendwann, einfach so, ohne sich zu verabschieden. Ich weiß nicht, was ich an mir habe, dass die Menschen um mich herum es nicht für nötig befinden, auch nur die simpelsten Höflichkeitsregeln einzuhalten.
»Komm mal mit«, Nathalie stand vor meinem Sofa und zog an meinem Arm. Also stand ich auf und folgte ihr torkelnd durch die Restgäste. Vor einer Tür blieb sie stehen, kramte einen Schlüssel hervor und steckte ihn ins Schloss. Dann drehte sie sich zu mir um: »Ich hab den Schlüssel fürs zweite Bad bekommen. Den fürs Schlafzimmer wollte Iris nicht rausrücken.«
Sie lachte. Auch wenn wir jetzt Kumpels waren, ging mir das doch ein bisschen zu weit.
»Danke, aber ich muss gar nicht«, lallte ich und wollte davonwanken.
»Bleib hier! Ich würde dich ja lieber mit nach Hause nehmen, aber ich glaub, mein Freund hätte etwas dagegen.« Noch ein Freund. Und eigentlich war das doch kein Argument, im Gegenteil sogar … Ich blieb einen Moment irritiert stehen, um über die Aussage nachzudenken. Wieder griff Nathalie nach mir und willen- und geistlos ließ ich mich von ihr in den gekachelten Raum ziehen.
Wieso eigentlich nicht? Als sie mich küsste und ihren Körper gegen meinen presste, wunderte ich mich, dass ich sofort erregt war. Es ist komisch, obwohl Nathalie nicht mein Typ war und auch die Atmosphäre, ein unordentliches Badezimmer im Neonlicht, wahrlich nicht viel hergab, verfiel ich doch recht schnell in eine Art Porno-Modus. Ich schloss die Augen und die Bilder, die vor meinem geistigen Auge ablaufen, wenn ich mir einen runterhole, begannen sich wie von selbst in meinem Kopf abzuspulen. Im wirklichen Leben zog Nathalie gerade ihr Oberteil aus, danach streifte sie mir mein T-Shirt ab. Ihre braungebrannte Haut fühlte sich jetzt, Bauch an Bauch mit meiner, gar nicht schlecht an. Ihre Hand glitt in meine Shorts und begann, fachmännisch meinen Schwanz zu massieren. Ihr Atem ging keuchend, hungrig schob sie ihre Zunge in meinen Mund. Nathalies unverhohlene und gar nicht mädchenhafte Gier reizte mich, ich griff um ihre Hüfte und zog sie an mich ran.
Als ich mich auf den Badewannenrand setzte, registrierte ich vage, dass irgendwelches Gerümpel in der Wanne lagerte. Nathalie setzte sich breitbeinig auf meinen Schoß, ihr kurzer Rock war über ihre schmalen Hüften geschoben. Ich umfasste ihren Hintern und drückte sie gegen mich.
»Fick mich«, flüsterte sie in mein Ohr. Ich weiß noch, wie mir der Gedanke durch den Kopf schoss, dass dies noch nie ein Mädchen, außer Pornodarstellerinnen vom Bildschirm aus, explizit zu mir gesagt hatte, dann verlor ich das Gleichgewicht. Ich fiel rücklings in die Badewanne und landete auf dem Werkzeugkasten, der dort aus unerfindlichen Gründen lagerte.
Später in der Nacht, im Krankenhaus, wurde mir ein Steißbeinbruch diagnostiziert. Ich musste dem behandelnden Arzt die Ursache der Beschwerden erklären. Die Peinlichkeit dieser Befragung, deren Ergebnis der Arzt mit zuckenden Mundwinkeln zur Kenntnis nahm, wurde durch die Schmerzen weitgehend überlagert. Es war mir beinahe egal. Anschließend wurde eine rektale Untersuchung durchgeführt, auf die ich hier aus Gründen der Traumaüberwindung nicht näher eingehen kann. Man verschrieb mir Schmerztabletten, viel mehr könne man bei dieserart Fraktur nicht für mich tun. Zum krönenden Abschluss und als Souvenir des Abends wurde mir ein Sitzreifen verordnet. Er hat mir lange Zeit gute Dienste erwiesen.
DIE 3. TODSÜNDE DES SEX: REIZLOSIGKEIT
Ich war schon als Kind sehr ruhig. Und unansehnlich. Da ich dies nicht durch herausragende Geistesleistungen, Geschicklichkeit oder Reichtum ausgleichen konnte, fand ich mich mit meiner Mittelmäßigkeit ab. Wer nicht durch Witz, Brutalität oder Geschicklichkeit auffiel, wurde zu Schulzeiten bereits gehänselt, also lernte ich bald, möglichst nicht aufzufallen. Tragik, Leidenschaft und große Emotionen passen zu den Schönen und Talentierten, bei einem kleinen dicken Jungen wirkten sie eher lächerlich. Daher mied ich große Gefühle. Zumindest glaube ich, dass mein Charakter durch diese Umstände geprägt wurde, aber wer weiß, vielleicht wurde ich auch so geboren?
Die meiste Zeit meiner Kindheit verbrachte ich allein zuhause, las und sah fern. Selbst meine Eltern langweilten sich mit mir und stellten wenig Fragen. Manchmal vergaßen sie mich sogar und ließen mich irgendwo stehen.
So war auch der Weg in meine erste Beziehung vorbestimmt. Iris war eine Kommilitonin von mir. Ich war direkt nach dem Abi aus dem Westerwald nach P. gezogen, um dort, »in der sonnigen Pfalz«, Pädagogik zu studieren. Iris war in meiner Lerngruppe, ebenso alt wie ich, und ich konnte sie nicht besonders leiden. Sie sagte nicht viel, aber wenn, war es gehässig, neidisch oder anstrengend. Nach kurzer Zeit waren alle Mitglieder der Lerngruppe miteinander liiert, denn wer in P. studiert, hat meist einiges nachzuholen. Also wurden Iris und ich immer öfter dazu genötigt, Zweiergruppen zu bilden. Um meine Aufmerksamkeit zu erregen, begann sie, mich zu piesacken und auf unzarte Weise zu provozieren. Gern wäre ich ihr aus dem Weg gegangen, doch das war unmöglich, dazu hätte ich die Uni wechseln müssen.
Wenn nach einem Gruppentreffen wieder nur wir beide übrig geblieben waren, schaute Iris mich halb vorwurfsvoll, halb auffordernd an. Eines Tages gab ich diesem Druck nach und ging mit Iris nach Hause ins Studentenwohnheim, wo wir den ganzen Abend schweigend fernsahen.
Nun waren wir ein Paar, was sich daran zeigte, dass wir uns in der Öffentlichkeit ab und an berührten. Manchmal küssten wir uns sogar, das taten wir allerdings nur unter Menschen. Sie hörte mit der Neckerei auf und ließ mich mehr oder weniger in Ruhe, solange wir zusammen waren. Auch nahmen Iris und ich von nun an gemeinsam an Uni-typischen Aktivitäten teil. Wir besuchten Semester- und Fachbereichpartys und Unternehmungen, die im Stadtmagazin beworben wurden. Ich gewöhnte mich nach und nach an sie und auch daran, dass ich sie eigentlich nicht mochte. Iris war damit zufrieden.
Meine Freundin erschien mir vollkommen asexuell. Sie legte nicht viel Wert auf ihr Äußeres. Sie hatte wohl andere Prioritäten. Iris schminkte sich nicht und war auch sonst alles andere als kokett. Wenn wir beieinander waren, sahen wir meist fern oder lernten. Ich war eigentlich lieber allein, um auf Pornoseiten surfen zu können, denn Onanieren war meine liebste Beschäftigung. War ich für mich, hatte ich sofort meine Hand in der Hose, in Gesellschaft hatte ich mir angewöhnt, des Öfteren die Toilette aufzusuchen, um mir, wie man so sagt, »Erleichterung zu verschaffen«. Doch war Sex stets etwas, was ich mit mir allein abhandelte. Eine wirkliche Frau dabeizuhaben, war für mich ein erschreckender Gedanke. In Iris’ Gesellschaft konnte ich jeglichen Trieb unterdrücken, ja, ihre Anwesenheit erstickte etwaige libidinöse Gedanken bereits im Keim.
Ein einziges Mal machte ich die Bekanntschaft eines anderen Mädchens. Es war auf einer »Studi-Party« auf dem Uni-Gelände, mit schlechter Anlage und Bier aus Plastikbechern. Ständig brach die Deckenbeleuchtung flutartig über uns herein, da sich irgendein Idiot an einen der Lichtschalter gelehnt hatte. Iris war vor dem Fernseher eingeschlafen, also lehnte ich allein an einem Süßigkeitenautomaten, als mich ein fremdes Mädchen ansprach. Wildfremd, ich hatte sie nie zuvor gesehen! Sie trug einen vernünftigen Kurzhaarschnitt, war dünn und sah aus, als säße sie gern vorm Computer. Sie gefiel mir. Sie erzählte, dass sie das erste Semester besuche und neu in P. sei. Hilfsbereit begann ich, ihr wichtige Tipps zu geben. Eines Tages würde sie mir dankbar sein, also fuhr ich unbeirrt fort, obgleich sie gar nicht richtig zuzuhören schien, sondern an ihren Fingerknöcheln nagte und an mir vorbei sah, als hielte sie nach jemandem Ausschau.
»Wollen wir zu dir gehen?«, unterbrach sie mich nach einer Weile unvermittelt. Es durchfuhr mich wie ein Stromstoß. Dieses Mädchen wollte Sex, mit mir, sofort, sie würde meine Rettung sein, mich von Iris erlösen … ich nickte wie elektrisiert.
»Du spielst doch World of Warcraft?« Fragend blickte sie mich an, bis ich den Kopf schüttelte.
»Oh«, sagte sie enttäuscht. »Na dann. Man sieht sich!«
Wenig später war sie verschwunden und ich ging nach Hause, zu Iris.
Kurz darauf war Iris’ zwanzigster Geburtstag, ein Sommertag kurz vor den Semesterferien, und meine Freundin war in verhältnismäßig ausgelassener Stimmung. Sie hatte am Nachmittag an einer freiwilligen Gruppenarbeit teilgenommen und zeigte mir stolz eine Salzteigbrezel, die sie gebacken hatte und allen Ernstes aufzuhängen gedachte. Abends öffneten wir eine Flasche Sekt und setzten uns in ihrem Studentenzimmer auf das Klappsofa. Ich bemerkte, dass sie eine CD eingelegt hatte, auf deren Cover zwei Frauen Schwangerschaftsgymnastik auszuführen schienen und eine dumpfe Vorahnung stieg in mir hoch. Mein Magen begann zu rumoren, das tat er immer, wenn ich nervös war. Iris bestätigte meine Ahnung, indem sie eine Kondompackung zückte und diese wortlos auf den Sofatisch legte. Obwohl ich mit so etwas seit längerer Zeit gerechnet hatte, war mein Hals augenblicklich wie zugeschnürt.
Wir waren nun schon seit einigen Monaten ein Paar, hatten beide keinerlei eigenen sexuellen Erfahrungen gesammelt, und da uns leider keine religiös oder anders gearteten Gründe daran hinderten oder eine Ausflucht boten, hatten wir beide das Gefühl, es nun endlich hinter uns bringen zu müssen. Iris’ Problem mit der Sexualität war, dass sie Körperlichkeiten insgeheim verabscheute und als Zumutung empfand, mein Problem war Iris. Ich fürchtete, dass ich ihre Anwesenheit beim Sex nicht würde ausblenden können. Und das konnte ich auch nicht. Es war, als würde ich mich einer völlig fremden Person nähern, nur noch viel schlimmer. Ich hatte einen schrecklichen, leberartigen Geschmack im Mund und wäre gern ins Bad geflüchtet, doch ich bezweifle, dass Iris dafür Verständnis gezeigt hätte. Es wäre danach wohl auch nicht besser geworden, also trank ich möglichst viel Sekt, obwohl mein Magen sich nicht beruhigen wollte und ich permanent aufstoßen musste. Gleichzeitig fühlte ich die ersten Anzeichen eines ausgewachsenen Sodbrennens in meiner Speiseröhre aufsteigen. Ich erinnere mich genau, Iris trug einen grasgrünen Kapuzenpulli, ein weißes T-Shirt, Jeans mit leichtem Schlag und eine kleingeblümte Baumwollunterhose. Modische Accessoires haben an ihr von jeher wie ein Versehen gewirkt, meist verzichtete sie darauf.
Wir hatten uns geküsst, saßen uns nun gegenüber, pausierten wohl. Iris sprach über ihr Alter und dass sie Geburtstage nicht wichtig fände, ich nickte dazu, während meine Hand nervös über ihr Knie rieb. Ich schluckte mehrmals hintereinander, da sich viel zu viel Speichel in meinem Mund ansammelte. Iris zuppelte an ihrer Kapuzenjacke, um mich aufzufordern, sie ihr auszuziehen. Kommunikation mit Worten war hier undenkbar. Ihr Gesichtsausdruck war entschlossen und grimmig. Sollte ich weglaufen oder versuchen, das durchzustehen? Einzig der Gedanke, bald meine Jungfräulichkeit zu verlieren, es tatsächlich hinter mir zu haben, bewog mich zu bleiben, wo ich war, und ihr langsam die Jacke abzustreifen.
Ohne abzusetzen zog ich ihr das T-Shirt aus. Sie trug keinen BH, ihre Haut sah aus, als wäre sie noch nie dem Tageslicht ausgesetzt gewesen und fühlte sich ebenso an. Dunkle Haare stachen deutlich von der bleichen Farbe ab. Aber Augen zu und durch. Auch sie knöpfte jetzt mein Hemd auf und halbherzig zog ich den Bauch ein, denn es hatte nicht viel Sinn … Wir brachten die Sache innerhalb weniger Minuten hinter uns. Als wir beide nackt waren, wollte ich sie auf mich ziehen. Doch sie hatte den gleichen Plan gefasst und sich gleichzeitig auf den Rücken gerollt. Beide in Rückenlage, blickten wir uns ratlos an. Ein bemerkenswert schlimmer Moment. Dann gab ich nach und robbte auf sie. Was nun folgte, war zu meiner großen Erleichterung viel weniger schwierig, als ich erwartet hatte. Beglückt über die Nachgiebigkeit, schaffte ich es entgegen meiner Erwartung, kurz alles auszublenden und einen höchst mechanischen Orgasmus hinzukriegen. Erleichtert seufzend, rollte ich von Iris runter, grinste froh. Ich war endlich keine Jungfrau mehr! Als sie begriff, dass es das jetzt gewesen war, lächelte auch sie. Ein harmonischer Moment, wir empfanden beide dasselbe.
Danach haben wir uns deutlich besser verstanden. Wir hatten gemeinsam etwas durchgemacht, das uns lange Zeit stillschweigend unter Druck gesetzt hatte, es bewältigt und dabei entdeckt, dass es vollkommen überbewertet war. Wir waren nun auf der sicheren Seite. Ab und zu, meist im Abstand einiger Wochen, haben wir es wieder versucht, jeweils routinierter und etwas lässiger, doch stets ohne großen Enthusiasmus.
Als das Grundstudium vorbei war, wechselten wir auf unterschiedliche Universitäten und haben unsere Beziehung ohne größeres Aufheben beendet.
DIE 4. TODSÜNDE DES SEX: DUMMHEIT
Ich lag im Sand, im Schatten eines Sonnenschirms, während Claudia im Leopardenbikini vor mir in der Sonne kniete. Sie riss sich die Beinhaare mit Wachsstreifen aus und verrenkte sich gerade unschön, um die Unterseite ihres Oberschenkels zu erreichen. Seit geraumer Zeit tat sie das nun schon, jedoch ohne große Erfolge, wie ihr missmutiger Gesichtsausdruck verriet.
»Das bringt doch nichts!«, sagte ich, nicht zum ersten Mal. Ich kann dieses Rumgefummel und Geziepe an Körperhaaren in der Öffentlichkeit nicht leiden. Tat man nicht als Mädchen so, als hätte man gar keine Haare? Und schließlich waren wir auch nicht seit zehn Jahren verheiratet, sondern zum ersten Mal zusammen unterwegs, da konnte man sich ja wohl ein bisschen zusammenreißen, oder nicht?
»Doch, das bringt was!«, behauptete sie und hielt mir zum Beweis einen benutzen Wachsstreifen unter die Nase. »Schau mal! Da sind Haare dran.«
Tatsächlich. Ich konnte ein paar kleine schwarze Borsten sehen, die ihre hässlichen Köpfchen aus der klebrigen Wachsschicht reckten. Igitt.
»Ach was, die verkaufen die schon mit Haaren, damit es so aussieht, als würde es funktionieren!« Claudia kicherte einfältig, setzte die Behandlung aber unbeirrt fort. Ich versuchte mich wieder auf mein Buch zu konzentrieren, doch hatte ich nach über zwanzig Seiten noch immer nicht begriffen, wovon es eigentlich handelte. Ich hätte mal lieber einen Krimi einpacken sollen … Gelangweilt wandte ich mich dem alten Mann in seinem Strandkorb zu, der sich wenige Meter entfernt schon den ganzen Tag dem Erhalt eines Sandwalls widmete.
Diesen hatte er nach landläufiger Mode in akkurater Kreislinie um seinen Korb herum gezogen, um »seinen Teil« des Strandes zu markieren und abzuschirmen. Kamen Kinder zu nah heran, rief er: »Weg von der Mauer!« Und wenn er sich nicht gerade auf das Kreuzworträtsel in der Bild-Zeitung konzentrierte, schaffte er Ordnung innerhalb des Kreises, indem er mit Wäscheklammern Schuhe und Badesachen am Korb befestigte oder »die Mauer« glatt strich. Vielleicht sollte ich auch eine Sandmauer bauen? Claudia würde so etwas bestimmt beeindrucken, sie war diese Art von Mensch. Aber mir lag nichts daran, meine Begleiterin zu beeindrucken, gar nichts … Ich seufzte.
Eine dürre, dunkelbraun gebrannte Frau von etwa siebzig Jahren lief dicht an unserem Liegeplatz vorbei. Ich hatte mich erst kaum getraut hinzusehen, da ich fürchtete, sie wäre nackt. Doch wie ich nun erleichtert feststellen konnte, trug sie etwas, einen winzigen Bikini, der sich farblich kaum von ihrem Hautton unterschied.
»Willst du nicht mal aus der Sonne, Claudia?« Ich stieß mein Gegenüber mit dem Fuß an.
»Nö. Wieso?«, fragend blickte sie mich an, offenbar unfähig, zwischen sich, der Sonne und unserer gerbhäutigen, braungebeizten und wahrscheinlich melanomüberzogenen Nachbarin eine Verbindung herzustellen.
»Sonnen ist gefährlich! Oder denkst du vielleicht, Hautkrebs sei eine Erfindung der Sonnenmilchindustrie?!« Claudia verdrehte genervt die Augen, riss an einem Wachsstreifen und sagte: »Ladida. Immerhin bin ich nicht so käsig wie du!«
Käsig? Eine Frechheit. Ich hatte für heute sowieso mehr als genug vom Strand. Überhaupt war ich froh, dass unser Wochenendtrip morgen, am Sonntag, endlich vorbei war. Claudia und ich kannten uns noch nicht lange, eigentlich erst ein paar Tage, doch als wir am Donnerstagabend zusammen in der Küche ihrer Freundin saßen, hatten wir es beide für eine aufregende und spannende Idee gehalten, gleich am nächsten Tag gemeinsam an die Nordsee aufzubrechen. Eine Spitzenidee! Wie ein Blind-Date, aber über drei Tage. »Aufregend und spannend« … Claudia gehörte zu den Menschen, die solche Sachen ohne Ironie über die Lippen bringen.
Überhaupt war sie geradezu ironiefrei, auf eine Art, dass ich ihr allein am heutigen Tag am liebsten schon fünfmal den dummen Putenhals umgedreht hätte. Wie hatte mir das vorher bloß entgehen können? Klar, wir hatten einiges getrunken, dennoch … Sicherlich lag es auch daran, dass Claudia so gut aussah. Einem hübschen Mädchen verzeiht man ja erst mal alles, vor allem, wenn sie einem offenkundig Sympathie entgegenbringt. Sogar wenn sie eindeutig minderbemittelt ist, so wie Claudia, hofft man doch noch eine ganze Weile, das wäre vielleicht ein Irrtum, der sich irgendwann aufklärt. Aus diesem Grund saß ich jetzt hier mit Claudia an der Nordsee und hatte extrem schlechte Laune. Natürlich war ich selbst schuld, aber das machte es auch nicht besser.
»Okay, du kannst ja später nachkommen. Ich geh schon mal ins Hotel.«
Claudia hob gelangweilt eine Augenbraue, was offenbar als Zeichen der Zustimmung zu deuten war, und schwieg. Kein Benehmen! Und ich hasse es, wenn Leute sich nicht benehmen können. Langsam erhob ich mich, warf einen letzten wehmütigen Blick auf ihren schlanken, langgliedrigen, bereits etwas zu stark gebräunten Körper und setzte mich in Bewegung, Richtung Hotel. Träge und lustlos trottete ich den Strand entlang, vor meinem geistigen Auge sah ich uns im Restaurant sitzen, reden, danach gemeinsam aufs Zimmer gehen … Es würde entsetzlich werden … Doch plötzlich wusste ich, was zu tun war! Ich würde einfach abhauen! Ich beschleunigte meinen Schritt, beinahe lief ich den Weg zum Hotel zurück. Dort packte ich in Windeseile meine Tasche zusammen und gab den Schlüssel unten an der Rezeption ab. Das Zimmer war im Voraus bezahlt. Ich stieg in mein Auto und fuhr los, Richtung Süden. Sollte die dumme Nuss doch mit dem Zug fahren, meinetwegen trampen, Hauptsache, nicht mit mir!
Im Nachhinein ist es relativ einfach zu erklären, was bei unserem Wochenendausflug schiefgelaufen war. Eigentlich alles. Während der Hinfahrt war es noch ganz in Ordnung, ich fuhr, einen alten Audi 100, den ich mir von einem Freund geliehen hatte, und wir unterhielten uns über gängige Themen wie Uni, Reisen, Familie. Claudia betonte immer wieder, wie aufregend sie das alles fände. Sie trug einen bemerkenswert minimalistischen Rock und ein tief dekolletiertes Oberteil. Ihr Stil war sexy, doch leider eher auf die billige als auf die coole Art. In Garding angekommen suchten wir ein günstiges Zimmer, doch die meisten Pensionen waren bereits ausgebucht.
»Ich möchte aber lieber in ein Hotel!«, quäkte Claudia, als ich vor einem kleinen Hexenhaus hielt, in dessen Vorgarten ein Zimmer-Frei-Schild angebracht war, doch ich schenkte ihr keine Beachtung. Eine ältere Dame führte uns in ein hübsches Gartenhaus. Das Zimmer war schlauchförmig und so schmal, dass die Betten Fußende an Fußende platziert waren.
»Nein danke«, sagte ich entschuldigend zu der Inhaberin und griff zu so etwas wie einer kleinen Notlüge. »Wir sind ein Paar.« Was nicht ist, kann ja noch werden, zumindest wollte ich etwaige Entwicklungen in diese Richtung nicht gleich völlig ausschließen.
Claudia kicherte albern. »Nein, nein«, sagte sie dann unnötigerweise, »sind wir gar nicht! Das hättest du wohl gern!« Affektiert warf sie ihre blonden Haare zurück. Ich war bereits mehr als alarmiert, sparte mir aber eine Erwiderung. Als Nächstes steuerten wir ein Hotel in Strandnähe an, das zwar etwas heruntergekommen aussah, aber noch freie Räume im Angebot hatte. Ich bezahlte für zwei Nächte, während Claudia schon mal vorging. Unser kleines Zimmer war in dramatischem Schwarz-Violett gehalten, es gab eine Schrankwand, hinter deren Glastüren staubige Automodelle ausgestellt waren, und ein höchst extravagantes muschelförmiges Bett im Baumarkt-Stil der frühen neunziger Jahre. Doch es hatte einen Balkon, auf dem zwei Stühle Platz fanden und auf dem wir uns später vielleicht eine Flasche Rotwein würden teilen können.
Ich überhörte Claudias Bemerkung, dass sie noch nie in solch einer Absteige genächtigt hätte, wir packten unsere Sachen aus und unternahmen einen Strandspaziergang. Claudia plapperte unentwegt und hastete dabei von einem Klischee ins nächste, schaffte es aber doch ein paar Mal, mich mit besonders dummen Bemerkungen zu überraschen. So erzählte sie mir von Luxusreisen mit ihrem Ex-Freund, offenbar ein verzärtelter Halbidiot, und wie eifersüchtig er immer auf die unzähligen Männer gewesen war, denen Claudia völlig ohne eigenes Zutun die Herzen gebrochen hatte. Sie kicherte laut und viel und ich wurde immer schweigsamer.
»Hier möchte ich gerne essen!«, quiekte sie plötzlich und zeigte mit dem Finger auf ein teuer aussehendes Restaurant mit Strandterrasse. Das alles war ein Alptraum. Aber ich bin ein Trottel, zumindest manchmal, und wie um das unter Beweis zu stellen, ließ ich mich darauf ein. Claudia bestellte Salat und Seewolf, »Fisch ist ja so gesund«, ich aß ein Schnitzel. Während des Essens machte sie Witze darüber, dass sie ja zum Glück nicht käuflich sei und eine Einladung zum Essen noch lange keine Einladung in ihr Bett bedeuten würde. Mir hatte es die Sprache verschlagen. Natürlich hatte ich gehofft, dass wir uns näherkommen würden, ganz sicher hätte ich im Vorhinein am liebsten zwei Tage und Nächte mit Claudia im Bett verbracht, aber diese ständige Thematisierung des Sex-Themas und ihre platten und unerfreulichen Ansichten dazu, die mir wie unverschämte Unterstellungen erschienen, brachten mich aus der Fassung.
Auf meine Frage, ob wir die Rechnung teilen sollten, reagierte sie beleidigt. Sie hätte ihr Portemonnaie auch gar nicht mitgenommen. Obwohl ich zähneknirschend, aber wortlos bezahlte, wirkte meine Begleiterin verstimmt. Ich wollte sowieso nur noch zurück ins Hotel, schnellstmöglich.
»Du bist ja langweilig!«, protestierte sie. »Vielleicht kann man hier noch irgendwo tanzen gehen? Ich möchte gern noch ein bisschen unter Menschen.«
»Ja, prima! Mach das doch. Viel Spaß!«