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Begleite mich durch ein Jahr auf meiner Heilreise mit Fibromyalgie und anderen unsichtbaren Erkrankungen. Ich zeige Dir offene und ehrliche Einblicke in meinen Alltag mit chronischer Erschöpfung und Schmerzen, und was mir hilft, mit meinen Erkrankungen zu leben, welche Rolle Akzeptanz und Dankbarkeit dabei spielen und welche Erfahrungen ich im Medizindschungel gemacht habe. Erlebe mit mir, wie sich mein schwerer Schmerzgepäck-Rucksack leichter durchs Leben tragen lässt. Das Buch erzählt von meiner Reise, an deren Ende nicht unbedingt die Heilung, aber mehr Lebensqualität steht. Es erwarten Dich abwechslungsreiche und spannende Kapitel, denn dies ist kein Jammerbuch! Aufgrund der kurzen Kapitel ist das Buch gut lesbar.
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Seitenzahl: 230
Veröffentlichungsjahr: 2023
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meinem Lieblingskind Smilla, meinem Lieblingsmenschen Matthias und meiner Seelenhündin Sherly sowie meinen Eltern Anne und Heinz.
Einleitung
1. Mein Rucksack voll chronischer Erkrankungen
2. Fibro Life
3. Hilfe brauchen, sich helfen lassen, um Hilfe bitten
4. Haushalt
Spoonies
5. Humor
6. Haustiere
7. Zeit
8. Schmerzreise / Schmerzgedächtnis
9. Unsichtbare Schmerzen
10. Ehe und Partnerschaft
11. Ego / Eigenliebe
12. Spoonie life
13. Essen
14. Hoffnung
15. Neue Wege
16. Honig im Kopf
17. Die Komfortzone verlassen
18. Hobbys
19. Helferlein gegen Schmerz und Beschwerden
20. Das Buch „Fibromyalgie“ von Dr. St. Amand
21. Neuer Wirkstoff – Guaifenesintherapie
22. Was macht Dich glücklich?
23. Flow
24. Frühling
25. Steintürmchen am Strand
26. Wie bringt Ihr Farbe in Euer Leben?
27. Beruf
28. Mein zweites Berufsleben
29. Bittersüß
30. Geht Euch das (nass-) kalte Wett er auch so auf den Keks?
31. „Beste Mutter der Welt“
32. Multimodale Schmerztherapie
33. Musik macht happy
34. Dream big!
35. Sometimes you have to be your own hero
36. Federleicht
37. Villa Sorgenfrei
38. Ein düsterer Tag
39. Selbstfürsorge
40. Fibromyalgie und Freundschaft
41. Ferien
42. Ein türkisfarbener Oldtimer
43. Heilfasten nach Buchinger
44. Draußenzeit
45. Stärke
46. Unser Traum-Zuhause
47. Vertrauensverlust
48. Vertrauen zurückgewinnen
49. Reisen
50. Dankbarkeit
51. Den Moment genießen
52. Umzug
53. Rhythmus finden
54. Workflow vor einem Jahr
55. Medikamente zur Fibromyalgie-Behandlung
56. Vitamine und Co
57. Mut auf neuen Wegen
58. Mein neuer Instagram-Account
59. Ein Schatten meiner selbst
60. Ich liebe Seebrücken
61. Ein Königinnentag
62. Sommer
63. Perfektion
64. Kartierung
65. Angepasste Guaifenesindosis nach Kartierung
66. Träumer, Träume, träumen …
67. Dont be afraid to sparkle
68. Bullshit-Bingo
69. Unterstützende Ärzte und Therapeuten
70. Der Abschied von meinem alten Leben
71. Geduld ist eine Tugend
72. Balance
73. Gefühle fühlen
74. Chronisch krank sein ist wie Riesenrad fahren
75. Wachstum
76. Oben und unten
77. Mein Fortschritt mit der Guaifenesintherapie
78. Dunkle Zeiten
79. Novemberblues
80. Ein Lichtblick
81. Happy People
82. Meine Welt ist klein geworden
83. Sex und chronisch krank
84. Dankbarkeit
85. Ein neuer Ball kommt ins Spiel
86. Stress Entspannung
87. Glücksmomente – Wunscherfüllung – Wille
88. Ein Spaziergang im Dezember
89. Weihnachten 2021
90. Monster under my bed
91. Spoonie-Reisen
92. Spoonie Reisen II.
93. Spoonie-Reisen III.
94. Sandwich-Generation
95. Eine neue Erfahrung
96. Kraftorte
97. Glück
98. Vorfreude
99. Meine Guaifenesintherapie
100. Hilfe und Fortschritt durch Gemeinschaft
101. Mein Lebensrucksack
102. Ein Jahr älter
103. Fibrofrust
104. Fibrofreude
105. Fibro-Notfallkoffer
106. Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett …
107. Komorbidität
108. Lebe Deinen Traum und vertraue Deiner Intuition
109. Ein Jahr gibt es nun meinen Instagram Account „fi bro.alltagsheldin“
110. An einer senkrechten Wand entdecke ich einen strahlenden Löwenzahn
111. Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne …
112. Hebammenbrücke
113. Ein schlechter Tag
Nachwort
Teil II
1. Wege zur Gesundheit beziehungsweise zur Gesundheitsverbesserung
2. Start
3. Vitamin D
4. Magnesium
5. Darmgesundheit
6. Ernährung
7. Aktive Entspannung
8. Achtsamkeit und Dankbarkeit
9. Bewegung
10. Unterstützende Therapien
11. Vitamin B12
12. Psychotherapie
13. Zucker
14. Detox
15. Lebergesundheit
16. 60-Sekunden-Revolution
17. Meine persönlichen Helferlein für mehr Wohlbefinden
Fibromyalgie ist eine Multisystemerkrankung, die mit ihrer Vielfalt an Symptomen den ganzen Körper betreffen kann. Ein Hauptmerkmal der chronischen Erkrankung sind die Schmerzen, die sich auf den kompletten Körper ausbreiten können, oft wechselnd in Intensität, Schmerzqualität und Schmerzort. Die Schmerzen bestehen seit mindestens drei Monaten und treten in mehreren Körperregionen auf.
Es gibt keine Laborparameter, die Fibromyalgie anzeigen, ebenso lässt sich diese Erkrankung nicht mit bildgebenden Verfahren darstellen. Das macht die Diagnose so schwierig. Sind andere Erkrankungen ausgeschlossen, wie zum Beispiel Rheuma, erfolgt die Diagnose durch Abfragen der typischen Symptome. Zu Hilfe genommen werden gerne die sogenannten Tenderpoints, achtzehn festgelegte Areale am Körper, die auf Druck schmerzhaft reagieren.
Viele Fibromyalgie-Patienten durchlaufen eine jahrelange Odyssee, bis sie die richtige Diagnose erhalten. Es gibt immer noch Fachärzte, die Fibromyalgie nicht als eigenständige Erkrankung anerkennen und diese als psychisches Problem abtun. Patienten werden stigmatisiert und erfahren keine angemessene Behandlung. Das muss aufhören. 1994 wurde die Fibromyalgie in die offizielle Liste der Krankheiten der Weltgesundheitsorganisation aufgenommen. Auch Kinder können an Fibromyalgie erkranken.
Weiter Symptome der Erkrankung sind:
Reizdarm
Reizblase
Schlafstörungen
Kognitive Beeinträchtigungen (Konzentrationsstörungen, Wortfindungsstörungen)
starke Erschöpfungszustände
Morgensteifigkeit
Überempfindlichkeit auf Geräusche, Gerüche, Berührung und Licht
Wetterfühligkeit
Ohrgeräusche
Depressionen und Ängste
Schwindel
Augenbeschwerden
Taubheit und Zittern der Gliedmaßen
Hautprobleme
Müdigkeit
Fuß- und Beinkrämpfe
Restless-Legs-Syndrom
Vulvaschmerzen
Gewichtszunahme
Wassereinlagerungen
Temperaturregulierungsprobleme
Die Symptome und die Tagesform wechseln häufig. Kein Tag ist wie der andere. Nur eines steht fest: Es gibt keinen Tag ohne Symptome. Leider ist die Erkrankung nicht heilbar. Die Ursachen sind noch nicht komplett erforscht. Es gibt auch kein einzelnes Medikament, das die Erkrankung stoppen kann. So gestalten sich Diagnosestellung und Behandlung schwierig. Es geht darum, mit der Erkrankung besser zurechtzukommen und die Lebensqualität zu steigern.
Es gibt nicht „die eine“ Behandlung, die allen Betroffenen hilft. Es ist sehr individuell, was Linderung verschafft. Bewährt hat sich die sogenannte Multimodale Schmerztherapie, bei der verschiedene Fachkompetenzen zusammenarbeiten, um dem Patienten zu helfen.
Das Fibromyalgie ABC -eine unvollständige Aufstellung von Symptomen
A ngst
B lasenschwäche
C hronische Schmerzen
D epression
E rschöpfung
F ibronebel
G anzkörperschmerz
H erzrhythmusstörungen
I rritierte Haut
J uckreiz
K onzentrationsprobleme
L ärmempfindlichkeit
M agen-Darm-Probleme
N ackenschmerzen
O hrenschmerzen
P anikattacken
Q uatsch im Kopf
R estless Legs
S chwindel
T innitus
U nsichtbar krank
V erlust von Kraft
W ortfindungsstörungen
X für ein U vormachen
(Ärzte, die alles auf die Psyche schieben)
Y ou are the expert
Z ittern
Findest Du Dich wieder?
Um Lebensqualität zurückzugewinnen, muss ich akzeptieren, was in meinem „Rucksack chronischer Erkrankungen“ alles drinsteckt.
Dies ist für mich einer der schwierigsten Aspekte meiner Krankheitsgeschichte. Es hat Jahre gedauert und der Prozess des Akzeptierens hält noch immer an.
Lange habe ich gehadert: „Warum ich? Warum eine chronische Schmerzerkrankung, wieso bin ich überhaupt chronisch erkrankt, warum kommt immer wieder was Neues dazu?“
Fragen, auf die es kaum Antworten gibt, die mich nicht oder nur bedingt weiterbringen.
Immer wieder habe ich dagegen angekämpft, mich gewehrt, mit meinem Schicksal gehadert.
Ich war wütend, todtraurig, enttäuscht vom Leben, sauer darauf, dass andere gesund sind. Dass andere ein leichtes Leben haben.
Vor allem als meine Tochter noch klein war und ich noch keine Diagnose hatte. Lange habe ich meine Symptome versteckt, habe im Job und privat funktioniert. Ich bin ständig über meine Grenzen gegangen, um Normalität aufrechtzuerhalten und Erwartungen zu erfüllen. Erwartungen von meinem Ex-Mann an mich als Ehefrau und Mutter, Erwartungen von meinen Klientinnen an mich als Hebamme, Erwartungen von der Kita an mich als Elternbeirat, Erwartungen der Eltern und Schwiegereltern an die Tochter und Schwiegertochter, Erwartungen von Freundinnen. Ich habe funktioniert als Mama, Ehefrau, Hebamme und Freundin. Ich habe ja selbst nicht verstanden, was da mit mir passiert. Habe nicht verstanden, warum ich immer so erschöpft bin, warum ich viel weniger schaffe als andere berufstätige Mütter. Warum ich immer wieder krank werde und im Job ausfalle.
Hier hätte ich viel früher eine Diagnose gebraucht, aber meine Ärzte waren selbst hilflos oder auf dem falschen Dampfer. Es hat Jahre gedauert, bis ich eine Diagnose in der Hand hatte. Schmerzpatienten warten im Durchschnitt sechs Jahre auf die richtige Diagnose. All das hat unglaublich viel Energie gekostet. Ich war so frustriert, dass ich nicht die Mama sein konnte, die ich sein wollte.
Da war ein Knäuel aus Gefühlen, Schmerzen, Energieverlust und Angst davor, wo das Ganze hinführt.
Ja, die Angst gehörte auf einmal zu meinem Leben und wurde neben dem Schmerz mein treuer Begleiter. Die Depression gesellte sich auch noch heimlich dazu.
Zukunftsängste, Versagensängste, Existenzängste und Verlustängste. Und immer neue Symptome und immer noch eine neue Diagnose on top, so ging das über Jahre.
Mit zunehmender Akzeptanz wurde es besser, langsam und stetig. Dies war kein linearer Prozess, sondern ein Auf und Ab wie bei einer Fieberkurve. Ich kämpfte weniger gegen die Erkrankungen an. So stand die Energie, die ich sonst dafür aufbringen musste, für anderes bereit. Mit der Akzeptanz konnte der Blick weg von den Dingen, die ich verloren habe, hin zu dem, was mein Leben bereichert und lebenswert macht. Es gibt neue Blickwinkel: Ich kann die kleinen Dinge schätzen, die schönen Momente, die guten Beziehungen. Ich konnte wieder Schönes wahrnehmen und Genuss neu lernen. Ein anderes Leben leben, mein Leben. Nicht an den Normen und Erwartungen der Gesellschaft orientiert, sondern an meinen Bedürfnissen und an dem, was ich noch leisten kann. Ich konnte meinem Leben einen neuen Rahmen geben.
Dabei geholfen haben mir andere Betroffene, Therapeuten und wenige Ärzte sowie mein Umfeld. Ganz vorne steht dabei mein Partner, der mich im Alltag unterstützt und mich so nimmt wie ich bin, mit allen Defiziten. An diesen Punkt zu kommen, hat mich viel Auseinandersetzung mit vielen verschiedenen Themen gekostet, Blut, Schweiß und Tränen sozusagen. Akzeptanz setzt Energie frei, die ich vorher mit Kämpfen verbracht habe. Mein Blick wurde frei und sah auf einmal andere Dinge. Positive Gefühle haben wieder Raum bekommen. Ich kann jetzt mit meinen Erkrankungen und Einschränkungen offen umgehen und muss nichts mehr verstecken. Ich rede darüber und so kann ich für mich einstehen.
Das Leben mit chronischen Schmerzen ist anstrengend, kräftezehrend, jeden einzelnen Tag. Alles schwankt, der Schmerzlevel und die Bandbreite der anderen Symptome, aber eins gibt es nicht: schmerzfreie oder beschwerdefreie Tage.
Man benötigt Rettungsringe oder Anker, damit man jeden neuen Tag mutig angehen kann, denn die Wundertüte Fibromyalgie hält täglich Überraschungen bereit.
Meine Rettungsringe und Anker sind mein erwachsenes Kind, mein Lieblingsmensch und mein Hund. Einige gute Freunde gehören auch dazu. Eben die Menschen, die mich nehmen, wie ich bin, die nicht nur die Erkrankung sehen, sondern auch den liebenswerten Menschen dahinter.
Ein typischer Morgen: Ich wache nach ausreichend Schlaf auf und fühle mich wie erschlagen, Galaxien entfernt von erfrischt, wach und ausgeruht. Was ist das? Ich weiß gar nicht mehr, wie sich das anfühlt, wenn man ausgeruht und angefüllt mit frischer Energie aufwacht.
Fast alles tut weh, vor allem die Hüften, Beine, Arme, der Nacken und die Wirbelsäule. Es fühlt sich an, als hätte mich heute Nacht ein LKW überrollt. Ich stehe auf. Ich habe schon gehört, dass der Wetterbericht richtigliegt, er meldete ausgiebigen Regen. Warm anziehen, der Hund muss raus. Diesen Part übernimmt sonst mein Lieblingsmensch, da ich eine Warmlaufzeit von zwei Stunden brauche, bis ich mich schmerzarm bewegen kann. Heute möchte ich das übernehmen und ihm den ersten Kaffee sofort und im Warmen gönnen. Er schläft noch.
Ich schleiche die Treppe hinunter wie eine alte Frau. Ich glaube, da würden mich einige alte Damen locker überholen. Ich fühle mich wie eine Achtzigjährige.
Unsere Hündin hüpft freudig vor mir her. Frauchen ist angezogen, also geht es raus, Freude pur! Diese wunderbare Fellnase zaubert mir das erste Lächeln ins Gesicht, während sie vor mir auf und ab hüpft.
Es regnet nicht nur, das ist kalter Schneeregen, passend zum April. Egal. Es ist erst das zweite Mal dieses Jahr, dass ich die frühe Gassirunde schaffe.
Draußen ist es sehr ungemütlich, aber es ist noch niemand unterwegs und ich liebe es, vor allen anderen draußen zu sein. Auf leeren Straßen unterwegs zu sein. Die Vögel zwitschern trotz Schietwetter und wir zwei genießen unsere kleine Runde.
Zuhause nimmt mein Lieblingsmensch den nassen Hund zum Abtrocknen in Empfang, das Knien am Boden ist für mich schmerzhaft. Danke!
Jetzt genieße ich meinen Kaffee, er schmeckt doppelt so gut aus der Kälte kommend.
Und ich bin ein wenig stolz auf mich, heute etwas geschafft zu haben, was nicht täglich geht.
Das klingt so einfach. Ich brauche Hilfe und hole sie mir.
Wenn da nicht die eigene Persönlichkeit im Hintergrund die Fäden ziehen würde …
Mein Leben lang habe ich mich über Leistung definiert, war eine Macherin. Vor allem im Job. Ich hatte viel Verantwortung, trug diese auch gerne. Ich habe selbstständig gearbeitet, Herausforderungen und meinen Job geliebt. Mir etwas aufgebaut, einen Ruf, eine Praxis.
Ich habe zehn Jahre mein Kind allein versorgt und dabei Vollzeit gearbeitet.
Jetzt kann ich den Haushalt nicht mehr allein führen. Einfache Dinge wie z. B. den Boden wischen sind eine Qual, Überkopfarbeiten, Einkäufe schleppen usw. ebenso. Diese Arbeiten verursachen oder verstärken meine Schmerzen oder verbrauchen Energie, die ich nicht habe. Autofahren wurde schwierig. Ich bin früher den ganzen Arbeitstag Auto gefahren, um von einem Hausbesuch zum nächsten zu kommen. Heute kann ich nur noch sehr kurze Strecken fahren und an schlechten Tagen geht nicht mal das. Dann fährt mich mein Partner zu Arztbesuchen oder Therapieterminen. Es fällt mir nicht leicht, das abzugeben und nicht mehr selbstständig zu sein. Auch Arztbesuche habe ich häufig aufgeschoben, bis nichts mehr ging, weil es mir schwerfiel, um Hilfe zu bitten. Hat man sein Leben lang alles selbst geregelt, fällt es einem schwer, um Hilfe zu bitten. Ich war ja immer diejenige, die Hilfe gebracht hat. Konkret zu sagen „kannst Du mir bitte helfen?“, klappt mal mehr und mal weniger. Häufig fällt es mir schwer. Ich übe weiterhin.
Fällt es Euch leicht, um Hilfe zu bitten?
Bei was holt Ihr Euch Hilfe und lasst Euch unterstützen?
„Das bisschen Haushalt macht sich von allein …“ sang Johanna von Koczian in den 80ern.
Für Spoonies kann er zur großen Herausforderung werden. Einfachste Tätigkeiten wie Staubsaugen lassen sich nur noch unter Schmerzen oder gar nicht durchführen. Betten beziehen, Überkopfarbeiten, Fenster putzen … die Liste der Tätigkeiten, die mir mit der Zeit immer schwerer fielen, wurde immer länger. Bis manches gar nicht mehr ging. Alle Tätigkeiten sind an den meisten Tagen für mich unglaublich anstrengend. Meine Akkus entleeren sich viel schneller als bei einem gesunden Menschen. Erwische ich einen guten Tag, will ich Liegengebliebenes aufholen und überfordere mich dann gerne.
Es ist nicht einfach, wenn Normales, Alltägliches nicht mehr leistbar ist. Das kratzt am Selbstwert, das will erstmal akzeptiert werden. Ein weiterer Punkt auf der Liste, was im Spoonie life schwierig bis unmöglich wird. Das muss auch das Umfeld erstmal verstehen und akzeptieren. Wie vieles ist es ein Weg der kleinen Schritte hin zur Akzeptanz. Hadern und Jammern hilft nicht weiter.
Heute gibt es eine klare Aufgabenteilung. Ich mache das, was ich schmerzarm erledigen kann und den Rest hat mein Lieblingsmensch übernommen. Je nach Tagesform geht hier auch mal mehr, mal weniger.
Akzeptanz für das, was geht, gelingt mir nicht täglich gleich gut. Es gibt immer noch Tage, an denen ich unglücklich bin, dass ich nicht mehr machen kann und der Großteil der Arbeit von meinem Partner erledigt wird.
Für mich ist es harte Arbeit, den Fokus auf das zu lenken, was ich an einem Tag geschafft habe, weg vom Fokus, was alles liegen blieb. Selbstliebe, Achtsamkeit und Selbstfürsorge führten hier zur Akzeptanz. Ich übe täglich.
Die Spoon Theory hat die US-Amerikanerin Christine Miserandino 2003 im Netz veröffentlicht.
Sie hat damit ihrer Freundin den Alltag als chronisch an Lupus Erkrankte und die daraus resultierenden Schwierigkeiten erklärt. Ihren Blog findet man unter: Butyoudontlooksick.com
Als Gesunde startet man in den Tag mit einer Fülle von Möglichkeiten und fast unbegrenzter Energie. Dies unterscheidet Gesunde von chronisch Kranken. Diesen steht nur eine begrenzte Menge an Energie für ihren Tag und alle Aktionen zur Verfügung und sie müssen die Energie beziehungsweise ihren Tag gut planen, um nicht von fehlender Energie überrascht zu werden. Sonst folgt ein Crash, und nichts geht mehr.
Ein chronisch Kranker startet mit zwölf Löffeln in den Tag. Die Löffel symbolisieren die zur Verfügung stehende Energie für diesen einen Tag.
Jede einzelne Aktivität kostet einen Löffel:
Aufstehen
Duschen, Haare waschen
Sich anziehen
Frühstücken und Medizin einnehmen Bevor man zur Arbeit geht, sind vier bis sechs Löffel verbraucht und man muss sich gut überlegen, für welche Aktivitäten man die restlichen sechs verwendet, damit man abends noch Energie hat, sich Essen zu machen, oder Freunde zu treffen. Jeder Schritt will gut überlegt sein, damit man nicht vorzeitig „ohne Löffel“ dasteht.
Verbraucht man mehr als zwölf, hat man am nächsten Tag weniger zur Verfügung. Da man nie weiß, was der nächste Tag bringt, möchte man nicht mit einem Defizit an Löffeln in den Tag starten. An guten Tagen hat man auch mal mehr als zwölf Löffel zur Verfügung.
Arbeiten kostet Löffel, Einkaufen, Essen zubereiten, Hausarbeit, einen Termin wahrnehmen und so weiter.
Chronisch Kranke bezeichnen sich gerne als Spoonies.
Gesunde brauchen sich darüber keine Gedanken machen. Sie können in den Tag starten, ohne diesen akribisch durchzuplanen, da ihnen fast unbegrenzt Energie zur Verfügung steht.
Der Clown ist die wichtigste Mahlzeit des Tages.
Ohne meinen Humor – sehr schwarz darf er sein, wie guter Kaffee – wäre ich schon längst untergegangen. Für mich ist er überlebenswichtig!
Lachen ist gesund, das ist ja inzwischen wissenschaftlich belegt. Der Körper schüttet dabei Endorphine aus, die die Ausschüttung des Stresshormons Adrenalin unterdrücken. Die Veränderungen im Hormonhaushalt können helfen, Schmerzen zu lindern. Es gibt Lachyoga und Klinikclowns. Lachen trägt uns über die Widrigkeiten des Lebens.
Ich lache gerne und viel, auch über mich selbst. Super Steilvorlagen bildet da der Brainfog (wie Watte im Hirn), der zu Wortfindungsstörungen führt. Einer meiner liebsten Versprecher der letzten Wochen: Ich wollte Cupcake sagen und heraus kam Kackcake. Vielleicht sollte ich meine Wortverdreher mal aufschreiben, dank schlechtem Kurzzeitgedächtnis kann ich sie mir nicht merken. Aber uralte Witze kann ich zitieren. Kennt Ihr das, wenn unter Freunden nur ein Wort fallen muss, und Ihr bekommt einen Lachflash? Zitierte Filmdialoge können das hier auch auslösen. Ich mag französische Komödien wie z. B. „Ziemlich beste Freunde“, oder auch die schrägen schwedischen Komödien wie z. B. „Lars und die Frauen“. Am schönsten ist es darüber mit Gleichgesinnten zu lachen.
Ich kann ein ziemlicher Quatschkopf sein und freue mich immer, wenn ich andere zum Lachen bringe.
Mein Lieblingsmensch lacht nicht so oft über meine Witze, meist weise ich ihn darauf hin, dass ich eben mal wieder einen Flachwitz gerissen habe. Umso mehr freue ich mich, wenn ich ihn dann doch einmal zum Lachen bringen kann.
Mir fällt auf: Wenn ich sehr wenig lache, stecke ich entweder in einem üblen Schub oder in einer depressiven Phase. Lache ich wieder mehr, weiß ich, es geht bergauf.
Gehen Lachen und Depression bzw. Schmerz überhaupt zusammen?
Klar kann ich lachen und trotzdem Schmerzen haben. Im besten Fall geht es mir dann ein kleines bisschen besser. Wenn ich nichts zu lachen habe, schafft es meine Fellnase regelmäßig, mir ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.
Ich gestehe, ich kann auch über Missgeschicke anderer lachen.
Worüber lacht Ihr am liebsten?
Unsere Hündin ist ein Segen, sie bringt mich selbst an meinen schwärzesten Tagen zum Lachen. Sie zwingt mich in die Bewegung, auch wenn ich lieber auf dem Sofa bleiben würde, wobei die Morgenrunde mein Lieblingsmensch übernimmt, die schaffe ich (meistens) nicht.
Wenn ich meine Hände in ihrem weichen Fell vergrabe, werden fast spürbar Endorphine und Oxytocin ausgeschüttet. Das Glücksund das Liebeshormon. Beim Kuscheln repariert man sich quasi gegenseitig.
Ihre Freude ist ansteckend, wenn sie glücklich losrennt oder sich im Gras wälzt. Und ihrer Spielaufforderung kann ich mich meist nicht entziehen. Wenn sie vor mir steht und mich mit einem hellen Bellen auffordert, bringt mich das immer in Bewegung.
Ihre Freude, wenn wir nach Hause kommen, egal ob wir fünf Minuten oder eine Stunde weg waren, ist immer gleich groß. Dann hat sie meist ein Lachen im Gesicht, das mich richtig erschreckt hat, als ich es da erste Mal sah: Sie bleckte alle Zähne und kam auf mich zu gerannt! Sie merkt, wenn es mir sehr schlecht geht und weicht dann nicht von meiner Seite.
Es ist einfach schön, sich um ein anderes Lebewesen zu kümmern. Wenn sie im gleichen Zimmer schläft und leise schnarcht, finde ich dies ungemein beruhigend.
Sie kann mich allerdings auch zur Weißglut bringen, so wie Kinder das auch können.
In meinen früheren Urlauben gab es eine Katze, Luci. Sie legte sich gerne auf meinen Schoß, rollte sich zusammen und schnurrte beim Streicheln. Herrlich, das Gefühl des weichen Fells unter der Hand, das warme Tier auf dem Schoß und das Schnurren wirkten ungemein entspannend.
Ein Wartezimmer, eines von unzähligen, in denen ich viel Lebenszeit verbracht habe. Schon als Jugendliche habe ich beim Orthopäden gesessen, während meine Freunde sich verabredet haben.
Schade, dass Wartezimmer keine Sparschweinfunktion haben , Lebenszeit wird gespart und man bekommt sie später zurück.
Viele dieser Besuche endeten frustrierend, ich wurde weggeschickt mit den Worten „Sie haben nichts“. Wie bitte? Woher kommen dann meine Schmerzen, die müssen doch eine Ursache haben?! Viele kennen das wohl zur Genüge. Irgendwann bekommt man suggeriert, das kommt von der Psyche …
Meine damalige Hausärztin, die wirklich gut war, habe ich irgendwann selbst auf das Thema chronische Schmerzen angesprochen, ich hatte einen Artikel darüber gelesen. Das war lange Zeit vor dem Internet. Informationen kamen aus den Printmedien, dem Radio oder dem Fernsehen. Sie zuckte die Schultern und gestand, dass sie darüber nicht Bescheid weiß und mir nicht helfen kann. Das ist ca. 25 Jahre her, ich weiß es nicht mehr genau. Das Thema war noch neu in der Medizin und keine Hilfe in Sicht. Das war so frustrierend. Sie sagte jedes Mal: „Sie müssen mehr Sport machen und Entspannungsübungen“.
Auch der Orthopäde sagte „Sie müssen was tun“ und verschrieb mir medizinisches Gerätetraining. Es wurde immer schlimmer mit den Schmerzen. Darauf angesprochen meinten die Sporttherapeuten im neuen modernen ambulanten Reha-Zentrum nur „Nehmen Sie Schmerzmittel, da müssen Sie durch“. Das ganze lief über Privatrezept und ich musste es selbst zahlen. Aber wieviel Geld ich schon in Therapien investiert habe, ist ein anderes Thema. Auch das private Umfeld blies ins gleiche Horn: „Mach doch mal mehr Sport“.
Es wurde also von allen suggeriert, dass es an mir liegt, wenn es nicht besser wird. Ich muss mich nur noch mehr anstrengen. Ich habe an mir gezweifelt. Bilde ich mir das alles doch nur ein?
Inzwischen verteilten sich die Schmerzen an immer mehr Orte und meine schmerzfreien Tage schrumpften, bis es keine mehr gab.
In einer Mutter-Kind-Kur fiel dann das erste Mal der Begriff Depression und ich fiel aus allen Wolken. Ich soll Depressionen haben?
Aber hier war endlich der Wendepunkt, langsam, ganz langsam kam Bewegung in die Sache und Hilfe war in Sicht. Inzwischen war viel Zeit vergangen.
Meine Schmerzen begleiten mich seit der Pubertät als Rückenschmerzen. Es gab eine orthopädische Diagnose: Morbus Scheuermann. Die Therapie bestand aus einer Korsettverordnung. Erst gab es zweimal sechs Wochen ein Gipskorsett und danach musste ich ein richtiges Korsett tragen auf unbestimmte Zeit.
Das war katastrophal mit dreizehn Jahren. Das Aussehen wird wichtig und das Interesse an Jungs erwacht. Ich brauchte weite Kleidung und trotzdem konnte ich das Teil nicht verstecken. Es war sehr belastend, damit in die Schule zu gehen und anders zu sein. Bewegung und Sport waren erstmal auf Eis gelegt. Die Sportstunden verbrachte ich am Rand auf der Bank sitzend als Zuschauerin.
Als junge Erwachsene hatte ich immer mal Rückenschmerzen, aber über Nacht haben die sich auch wieder gelegt.
Ich war immer wieder krank mit wiederkehrenden Magenschleimhautentzündungen, Schulter-Arm-Syndromen, Blasenentzündungen und Infekten. Man selbst denkt, das ist der Stress der Ausbildung, des Jobs …
Rückblickend war ich nie so belastbar wie andere, hatte weniger Energie und benötigte die Krankheitsphasen, um meine Batterien aufzuladen. Aber ich konnte Vollzeit arbeiten plus Nebenjob und habe ein ganz normales Leben geführt. Nur Hobbys kamen dank Schichtdienst zu kurz.
Dann wurde ich mit neunundzwanzig Mutter, das war ganz wunderbar und das Beste, was mir im Leben passiert ist. Ich hatte mir sehr gewünscht, vor meinem 30. Geburtstag mein erstes Kind zu bekommen. Die Entbindung war schwierig mit großem Blutverlust und ich erholte mich nur langsam, physisch und psychisch.
Im Laufe der nächsten Jahre war ich häufig krank und erhielt die ersten Diagnosen. Zuerst wurde Hashimoto, eine Autoimmunerkrankung der Schilddrüse, diagnostiziert. Das war ein Schock, eine nicht heilbare Diagnose. In meinen 30ern wurden die Schmerzen langsam und schleichend mehr. Sie breitenden sich aus und traten häufiger auf. Ich versuchte mit allem Möglichen gegenzusteuern: Sport, Yoga, Entspannung, alternative Heilangebote.
Als nächstes traten fürchterliche Nackenschmerzen auf. Laut Orthopäden war dies definitiv kein Bandscheibenvorfall, da ich dann andere Symptome und Ausfälle hätte. Er hatte Unrecht. Danke Dr. B., darüber bin ich heute noch enttäuscht. Binnen sechs bis zwölf Wochen können sich die Schmerzen ja chronifizieren. Und das taten sie auch. Es vergingen circa zwei Jahre, bis endlich ein anderer Arzt ein MRT veranlasste, das war nun ein Schmerzmediziner. Mit der Diagnose Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule und chronischem Schmerzsyndrom nach Gerbershagen Grad III bekam ich endlich adäquate Behandlungen: Schmerzmittel, Amitriptylin, Physiotherapie und Psychotherapie. Da die Schmerzen sich weiter ausbreiteten, überwies er mich mit Verdacht auf Fibromyalgie an den Rheumatologen unserer Stadt. Nach kurzer Untersuchung wurde ich mit der Aussage „Sie haben nichts, was wollen Sie überhaupt hier?“ entlassen. Keine sichtbaren Anzeichen, keine auffälligen Blutwerte, also keine Diagnose.
Dann bekam ich häufig schwere Infekte der Mandeln. Bis die Hausärztin zur Entfernung riet, da sie als Komplikation eine Herzmuskelentzündung befürchtete. Also ließ ich mich operieren.
Zu den chronischen Schmerzen gesellte sich noch eine chronische Nebenhöhlenentzündung, ein Tinnitus, Depressionen, Angststörung und erst 2018 die Diagnose Fibromyalgie hinzu. Obwohl ich die Symptome der Fibromyalgie schon seit zehn Jahren hatte. Ungezählt sind die Symptome, die dies alles verursacht.
Eine Freundin schrieb mir neulich zu einem Bild, das ich gepostet hatte: „Man sieht Dir Deine Schmerzen gar nicht an.“
Ja, das ist Fluch und Segen zugleich.
Wie oft habe ich schon gesagt: „Mir fehlt die Lampe auf dem Kopf, die bei Schmerzen leuchtet.“
Bei Ärzten und Therapeuten habe ich es häufig erlebt, dass es ihnen schwerfällt, das geschilderte Ausmaß meiner Schmerzen zu glauben, denn man sieht ja nichts. Auch Kollegen konnten es oft nicht glauben, dass es mir wirklich so schlecht geht.
Fibromyalgie ist eine unsichtbare Behinderung bzw. Erkrankung. Den Begriff Behinderung finde ich gut, denn es geht nicht mehr weg, es bleibt.
Manchmal bin ich aber auch froh für die Unsichtbarkeit, keiner starrt mich an, weil ich anders aussehe. Wie vieles im Leben hat alles seine Vor- und Nachteile.
Unseren Mitmenschen fällt es leichter, Mitgefühl zu haben, wenn jemand einen Gips oder Verband trägt bzw. eine sichtbare Verletzung hat. Etwas Unsichtbares ist viel schwerer greifbar. Da muss man gut zuhören, um zu begreifen. Das ist in unserer schnelllebigen Gesellschaft schwerer als das kurze Schauen auf einen Verband oder auf Krücken.
Und ich muss mich mitteilen, das macht mich angreifbar.
„Du bist schon wieder krank“ oder „Dir geht es schon wieder schlecht“ haben wohl schon viele chronisch Kranke zu hören bekommen. Wer mich allerdings gut kennt, sieht es, wenn wieder viele Schmerztage aufeinander folgten. Dann habe ich mein „Schmerzgesicht“. Bin blass und grau im Gesicht.