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Erzählungen und Gedichte von Schneegestöber und Sonnenschein, von Hund und Katz, von Liebe und Traurigkeit für Jung, Alt und Älter. Schnee, der auf die Felder fällt, Träume für dich und mich - erzählt von der Autorin Dani Karl-Lorenz, die bereits das Buch "Casar" veröffentlicht hat.
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Schnee, der auf die Felder fällt
Geschichten und Gedichte für Jung, Älter und Alt
Dani Karl-Lorenz
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Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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© 2023 – Herzsprung-Verlag GbR
Mühlstr. 10, 88085 Langenargen
Bearbeitung: Cat creativ - www.cat-creativ.at
Alle Rechte vorbehalten. Taschenbuchauflage erschienen 2023.
Cover: © andrew - Adobe Stock lizenziert
ISBN: 978-3-96074-743-7 - Taschenbuch
ISBN: 978-3-96074-744-4 - E-Book
*
Prolog
Stark durch Stärke
Weisheiten
Stark durch Stärke
Tage der Hoffnung
Stark durch Stärke
Tagträume
Haus mit Fenster
Die schöne Wahrheit
Traue
Keiner
Höre zu
1967 – mein Jahr
Sommer
Zauber einer Zeit
Marzipantorte
Der Fingerring
Eisprinzessin
Ein Tag in Gelassenheit
Im Walde
Galopp
Tier-Tanz-Wahl
Tage
Juni
Halte fest den Sommertraum
Katze Katze, einen Schuss weg hat ’se
Kein Anpfiff unter dieser Nummer
Meine Erfahrung mit dem Übergewicht
Der Hund meiner Träume
Wahre Gefühle
Als ich weilte
Faktor X
Denkst du der Zeit
Schneefall in C-Moll
Peggy, die Hundedame, und der Schneefall
Eine Katze bei Schneefall
Ein Drache beim Drachensteigen
Tag der Erinnerung
Glück
Tage im Geben
Tage im Schnee
Katzenkind
Katzen
Herz aus Seide
Entschlüsse
Weitere Entschlüsse
Tage
In tiefster Einsicht
Fragezeichen
Die Katze
Wir sind
Der Rabe
Schmetterling
Wer meint ...
Der Wolf
Freiheit des Windes
In mir
Wenn Optimismus der Wegbegleiter ist
Mein innerer Weg zur Zufriedenheit
Dein Tag
Harmonie
Der Weg, den ich ging
Der Katze Traum
Der Ring
Der Sommer
Sommerzeit
Breite Sommer doch, du deine Flügel aus!
Das kleine Schloss der Einsamkeit
Gefunden
Was ich bin
Liebe kann ...
Vergissmeinnicht
Besinnlichkeiten
Der Drache und der Junge
Der Traum vom Traum
Die Kerze
Am Tage du
Wenn die Nacht anbricht
Immer wieder nur dich
Du gibst ...
Am Tage
Du – dich
Prinzessin Frei
Wie ich dich doch rief
Hinter dem Mond
Liebesschwüre
Katzes Traum
Du liebst mich
Ich schenke mich
Zweisamkeit
Im Dunkeln
Dich
Blatt im Wind
Schlaf
Wohin
Liebesreigen
Erwacht
Niemals mehr ohne dich
Dein und immer nur dein
Nie mehr im Niemandsland
Dein Tun
Wenn ich traurig bin
Du
Ich gehe mit dir
Wir sind stark
Dich und immer nur dich
Worte an dich
Sonnenschein
*
Vielleicht ist es in meiner Erinnerung nur so kalt. Vielleicht ist es wirklich kalt. Nicht nur vielleicht, meine Zehen sind kalt. Ich stehe auf, hole meine dickeren Wollsocken aus dem Regal für Socken und ziehe die Socken an. Dann meine Hausschuhe.
Es ist wieder Winter. Ein kalter Winter. Mich friert, ich gehe an den Schrank, suche mir eine weitere dicke Strickjacke heraus, ziehe sie an und es ist etwas wärmer.
Es ist Winter in diesem Jahr. Es ist das Virus-Jahr. Es war letztes Jahr schon ein Virus-Jahr. Wir sind und befinden uns in einem Pandemie-Jahr. Die Straßen sind verlassen, die Läden dicht. Mein Lieblingsitaliener bietet zwar Essen zum Abholen an, aber …!
Der Wirtschaft geht es nicht sonderlich gut. Es ist allgemein eine sehr drückende Stimmung. Viele, zu viele Menschen neigen zu Depressionen. Sie sind so viele emotional.
Dies könnte Science-Fiction sein, könnte es. Eine Science-Fiction-Geschichte. Man legt das Buch nach jeweiligem Wollen zur Seite und sonnt sich weiter am Pool im bevorzugten Urlaubsland. Doch so ist es nicht.
Urlaube sind nicht erlaubt. Reisen in andere Gegenden des eigenen Landes – nicht erwünscht. Reisen ins Ausland – geht nicht.
Friseure haben zu, Klamotten-Boutiquen und sogar die Spielhalle, in die ich nicht gehen würde ohnehin, hat geschlossen.
Das Virus! Sie verstehen.
Es ist Winter, ich friere. Ich bin älter, aber noch nicht so alt. Ich gehöre einer Risikogruppe an.
Weihnachten ist vorbei. Seit einigen Tagen schon. Weihnachten im Jahr des Virus. Dem Virus-Jahr. Dem ersten. Dem Jahr von Covids Anfängen. Es ist Winter – und wie kann es anders sein, es ist Schnee, der auf die Felder fällt.
Hier beginnt nun meine Geschichte. Im Jahr des Virus 2021. Eine Geschichte über ein Virus. Ich sitze an meinem Schreibtisch, an meinen PC. Vielleicht, ja vielleicht ist das Virus dann Vergangenheit, wenn meine Geschichte fertig ist. Vielleicht ist Covid, dann Geschichte. Nun fange ich zu schreiben an, es gibt wenig sinnvolles Tun. Sehen Sie sicher ein?
*
Der Junge Tobias
Es ist das Jahr 1990, aus Lautsprechern tönt laut Musik. Die Musikrichtung, die Sabine zum Weinen bringen könnte, nennt sich Techno.
„Techno hier, Techno da, es ist zum Haareraufen! Gut, Haareraufen könnte zu Haarausfall führen“, so denkt sich Sabine, als sie die Jeans ihres Sohnes wegräumt, und lässt das Haareraufen doch noch weg. Ihre lange Mähne, da ist sie stolz drauf. Blond, schön, wild und lang. Hat auch gedauert, bis die blonde Mähne eine lange, blonde Mähne war.
Sabine ist 32, freundlich, hilfsbereit, eine liebevolle Mutter und Ehegattin. Sie ist mit Sebastian verheiratet. Sebastian ist der Vater von Tobias und der geliebte Ehegatte von Sabine. Gemeinsam sind die drei eine kleine Familie in einem Reiheneckhaus. Mit Garten! In dem Garten blühen um diese Zeit gerade die ersten Krokusse. Dann Narzissen. Und Tulpen tummeln sich in den dafür geeigneten Abschnitten des Gartens. Nicht zu groß, aber auch nicht zu klein der Garten. Eine Terrasse hat der Garten, dazu zwei Gartenliegen im Gartenbereich. Im Grünbereich.
Tobias CD-Deck plärrt morgens schon Techno. Laut, schräg und sehr schrill klingt es aus seinem Zimmer. Sabine, die gerade am Tisch Platz genommen hat, sieht sich nun gegenüber von Sebastian, diesen mit ernstem Ausdruck im Gesicht ansehen.
„Schatz, hast du was?“
Sebastian seinerseits blickt nun gestört von seiner Zeitung auf und bringt gerade noch ein: „Nein, wieso?“, heraus, als er blitzschnell aufspringt, ins Bad läuft und sich übergeben muss. Die Geräusche sagen dies aus, die aus dem Bad kommen. Sabine steht an der Türe zum Bad, klopft leicht an die Türe und wartet.
Nach einiger Zeit kommt ein Sebastian aus dem Bad, der wieder völlig fit aussieht. Er setzt sich an den Tisch, schlägt nun den Sportteil der Zeitung auf und trinkt weiter seinen Kaffee. Dann legt sich Schweigen über den Frühstückstisch. Der Vorfall ist nun dabei, vergessen zu werden.
Aus dem Zimmer des Jungen hört man weiterhin Musik, irgendwas, so erkennt Sabine, von Händen in die Luft tun. Sie lächelt leicht, als sie am Zimmer des Jungen vorbeigeht. Er nimmt nun doch die Kopfhörer, nachdem seine Mutter an die Tür geklopft hat und: „Bitte etwas leiser!“, zur Zimmertür sprach. Das plötzliche Glitzern, in strahlendem Gelb, seiner Augen sieht sie nicht. Sie lächelt, als sie hört, wie die Musik verstummt. Braver Junge!
Sebastians Übelkeit
Es ist Wochenende. Frühling. Die Sonne lässt ich schon blicken. Gerade waren Herr und Frau Sturm von gegenüber da auf einen Kaffee und einen Plausch, als Sebastian wieder versucht, schnell ins Bad zu eilen. Sabine sieht ihm nach, entschuldigt ihn bei den Sturms mit den Worten: „Keine Ahnung, was er hat, er hat seit Tagen immer wieder Übelkeit, die dann schnell vergeht!“
Nach geschätzten zehn Minuten und gefühlten 35 Minuten kommt ein blasser Sebastian zurück. Er setzt sich und alles ist wieder gut. Er lächelt. Herr Sturm erzählt von einem witzigen Malheur eines Kollegen bei der Arbeit und alle vier Personen am Tisch lachen.
Tobias kommt ins Zimmer, grüßt, wenn auch wortkarg, und verschwindet wieder in seinem Zimmer. Wieder läuft nach sehr kurzer Zeit Techno. Anderes Lied zwar, aber ebenso laut, schräg und schrill.
Sabine weiß von Tobias, dass es Techno ist. Sie hört lieber andere Musikrichtungen. Deep Purple, Dire Straits, auch mal Elvis, Joe Cocker, diese Richtung. Auch mal Klassik, zum Kochen.
„Kulinarische Klasse von Klassik“, lacht sie immer, sich mit diesen Worten selbst auf den Arm nehmend. Denn sie mag das Kochen nicht, Backen ist ihr ein Graus. Nur kann sie nicht immer von Burgern, Pizza und Wiener Würstchen leben. Sieht sie ein. Sie hat extra wegen der Familie einen Kochkurs an der VHS belegt. Von daher sollte es gelingen, ein Gericht zu zaubern, nur wollen will sie es nicht so gerne. Tut es aber für Mann und Sohn.
Nun essen Sabine und Sebastian mit den Sturms den gekauften Kuchen, einen Apfelkuchen. Trinken dazu Kaffee. Von der gewesenen Übelkeit keine Spur mehr bei Sebastian.
Nachdem die Sturms gegessen und den Kaffee getrunken haben, verabschieden sich alle und Sebastian geht in den Garten. Er holt den Rasenmäher aus der Garage und fängt auch sofort mit dem Mähen des Rasens an. Techno klingt währenddessen laut aus seinem Kinderzimmer.
Tobias, 14 Jahre alt. Techno-Fan! Seine Mutter klopft gegen die Lautstärke an die Tür. Nichts. Tobias reagiert nicht. Sabine klopft erneut. Wieder nichts. Mit einem strahlend gelben Leuchten in den Augen blickt Tobias an die Türe, lächelt. Das Leuchten vergeht sofort, als die Türe aufgeht. Seine Mutter tritt ein, Tobias lächelt, macht die Musik aus und geht in den Garten. Ohne ein Wort zu sagen. Sabine fragt sich, was nur mit Tobias los sein könnte. Er ist seit zehn Tagen verschwiegen wie ein Grab. Sebastian übergibt sich seit zehn Tagen.
„Was ist nur los? Langsam wäre es mal an der Zeit, die zwei zum Arzt zu schicken“, denkt sich Sabine und folgt dann ihrem Sohn in den Garten.
Arztbesuche
Sabine hat für diesen Tag für ihre beiden Jungs einen Termin beim Hausarzt vereinbart. Beide besuchen diesen zusammen. Sebastian wie auch Tobias schwächen beim Hausarzt alles ab. Dieser untersucht sie, hört sie ab, stellt Fragen. Es fällt ihm nichts Großartiges an beiden auf. Er empfiehlt Sebastian Ruhe und verordnete Tobias Vitamine.
Der Arzt und Sebastians sehen nicht das kurze Leuchten in Tobias’ Augen, als dieser ihnen den Rücken zuwendet, um zur Türe zu gehen.
Als beide das Sprechzimmer des Arztes verlassen haben, fühlt dieser sich plötzlich krank. Es ist ihm, als wäre mit den beiden letzten Patienten seine Kraft mit aus der Praxistüre gegangen. Er muss sich erschöpft für einen Moment an den Schreibtisch setzen, um zu Atem zu kommen. Die Luft bleibt im plötzlich weg. Genauso wie die Energie aus der Türe plötzlich verschwand. Dann ist der Spuk vorbei.
Der Arzt fragt sich, ob er nicht ein paar Tage Urlaub nehmen sollte vom Praxisgeschehen, und ruft die nächsten Patienten auf. Mit dem Aufrufen des nächsten Patienten aber ist der Urlaubsgedanke ebenso aus der Türe hinausgetreten, wie der Patient hineingetreten ist. Die Untersuchung fängt an. Später gönnt sich der Arzt einen schwarzen Tee, er trinkt und plötzlich eilt er ins Bad. Ihm ist sehr übel und er übergibt sich. Seine Gedanken sind bei dem Urlaub, als ihm schwindlig wird, er zusammenbricht. Die Arzthelferin eilt schon herbei, während eine andere Helferin den Notarzt ruft.
Von alledem haben aber weder Sebastian noch Tobias etwas mitbekommen.
Nach zehn Tagen Krankenhaus ist der Arzt wieder genesen und bei sich zu Hause. Feststellen konnte man nichts Schwerwiegendes an Erkrankung. Das Krankenhaus führte bei dem Arzt zahlreiche Untersuchungen durch.
Gartenarbeiten
Sebastian ist im Garten, die Sturms und die Holgers sind zum Grillnachmittag vorbeigekommen. Sebastian hat seit einigen Wochen Ruhe mit seiner Übelkeit und ist bester Stimmung. Die befreundeten Familien essen im Garten das Gegrillte. Nur Tobias hat sich das gegrillte Fleisch und das Grillgemüse sowie Brot ins Zimmer mitgenommen.
Wieder hört er Techno, dieses Mal, so glaubte Sabine herauszuhören, klingt es aber irgendwie anders. Sie kann nicht bestimmen, wie anders, aber die Klänge sind viel, viel schriller, es ist mehr ein Pfeifen. Oder bildet sie sich das Pfeifen ein? Jetzt ist dieses schrille Pfeifen weg.
„Ich bekomme noch Tinnitus,“, denkt sich Sabine, verwirft den Gedanken schnell wieder und geht lachend an den Bierzelttisch, an dem sie im Garten sitzen. Die Stimmung ist ausgelassen, lustig und voll mit Humor und Heiterkeit.
Tobias, der die Musik ausgemacht hat, räumt den Garten auf. Sebastian verfolgt seinen Sohn bei den Arbeiten und fragt sich wieder einmal, was mit Tobias nur los ist. Er schweigt. So ist er doch sonst nicht. Verschwiegen! Doch seine Worte sind sehr wenig. Er spricht nicht mehr als das Nötigste.
Sturms, Holgers und Sabine und Sebastian erzählen aus ihren jeweiligen Alltagen und schon ist Sebastian wieder mit anderen Dingen beschäftigt. Es wird gelacht, dann geht es gegen Abend zu und das eine oder andere Bier wird getrunken, die Frauen trinken Wein. Die Stimmung wird ausgelassener, die Heiterkeit mehr und mehr. Die Musik der Erwachsenen wird lauter. Es werden Oldies gespielt. Nach einer längeren Phase des Musikhörens fängt man zu singen und zu tanzen an. Es ist ein wundervoller Abend, so finden die Erwachsenen.
Tobias ist in sein Zimmer gegangen. Laut, schrill und schräg. Nur ist die Richtung dieses Mal eine andere. Warum, kann Sabine nicht benennen, sie schweigt erstaunt und ist ängstlich. Erstmals kommt ihr der Verdacht, dass etwas anders sein könnte. Dies tut sie aber rasch mit dem Gedanken ab, dass sie nur vom Wein angeheitert und nun müde ist. So geht sie Sie wieder weiter auf ein Gespräch mit den Nachbarn ein.
Niemand aber sieht das gelbe Leuchten in Tobias’ Augen. Plötzlich ein Knall, irgendetwas wurde von den Katzen auf den Boden geschmissen.
Träume
Ängstlich, schweißgebadet und außer Atem schreckt Sabine hoch. Wieder einmal hatte sie diesen Traum. Wieder einmal ist sie verängstigt wie sonst kaum. Wieder einmal schläft Sebastian leicht schnarchend neben ihr. Wieder einmal ist ihr der Tiefschlaf ihres Mannes recht. Er dreht sich um, schläft weiter. Doch Sabine steht nun auf. Setzt ihre Beine auf dem Boden. Bodenhaftung, ihr ist nach Bodenhaftung. Sie will sich jetzt auf die Schnelle eine Tasse Kaffee machen. Geht aus dem Schlafzimmer, vorbei an Tobias Zimmer, der sehr tief schläft, wie sie sich denkt. Die Zimmertüre ist leicht geöffnet, sie hört, steht vor der Tür und lauscht seiner Atmung.
„Alles in bester Ordnung“, beruhigt sie sich selbst. Sie hatte wieder diesen Traum, dass Sebastian dieses Leuchten in den Augen hatte und Techno hörte. Wieder und wieder, so oft träumt sie in unterschiedlichen Variationen diesen Traum. Warum und weshalb und wieso weiß sie nicht.
Ihre Träume ängstigen sie so sehr. Woher diese Unruhe und diese Spannung nach diesen Träumen kommen, weiß sie auch nicht. Seit Wochen diese Träume. Vielleicht liegt es an diesen Science-Fiction-Roman, den sie unlängst gelesen hat. Sie weiß es nicht. An diesen Tagen will sie nur nie wieder einschlafen. Albtraum an sich ist es keiner, aber er ängstigt sie sehr.
Sabine muss um 8.00 Uhr ihre Arbeit wieder aufnehmen. Sie muss wieder total Bodenhaftung haben, denn sie muss für ihre Kinder da sein. Sie betreut mit einer Kollegin eine Kindergarten-Gruppe. Ist halbtags Kindergärtnerin. Sie will nicht nur zu Hause sitzen, sondern geht stundenweise ihrem Beruf nach.
Manchmal verliert Sabine die Realität, scheint es ihr. Was ist echt, was eingebildet? Was ist nur mit ihr los? Ihre Träume, es kommt ihr so vor, als würde sie alles schon einmal erlebt haben. Ihr wird mehr und mehr unheimlich. Ängstlich.
Es ist ein Tag im April. Sie blickt auf die Uhr, ihr ist schwindlig, rasch setzt sie sich, ihr wird übel. Alles dreht sich. Eine Hand hält sie – Sebastian. Er ist aufgestanden, nachdem er wach geworden war und Sabine nicht neben ihm lag.
„Schatz, was ist mit dir?“, hört sie Sebastian sagen.
„Mama ...?!“, hört sie noch Tobias’ Stimme, dann fällt sie in Ohnmacht und dann weiß sie nichts mehr.
*
Frage dich nicht,
ängstige dich nicht,
es hat einen Sinn
und der Sinn ist zu leben
und glücklich zu sein
am Tage und in der Nacht,
Stunde um Stunde
und Minute um Minute,
die Sekunden zeigen dir,
erlaube Heiterkeit des Lebens dir.
Bist du nie eins
mit dir
dann erlaube dir ein Lächeln
und fange an,
an dich zu glauben,
und beginne,
dich zu verstehen,
denn du selbst nimmst dich an der Hand
und fängst an.
glücklich zu sein.
Nur DU allein.
Bangen und Tränen
gehören zum Leben,
doch Hoffnung und Kraft
ist es, was in dir
so tief oft lacht.
Lachen und träumen
kannst du oft und viel,
es macht glücklich,
so du es willst.
*
Sanitätswagen – und wie eine Sirene klingt
Sie kommt wieder zu sich, findet sich in einen Sanitätswagen, das Blaulicht zeichnet sich durch Muster ab und die Sirene geht. Es kommt ihr so unendlich laut vor. Sie fühlt nichts. Sie friert, ihr ist kalt.
Sie blickt um sich, schließt wieder die Augen. Öffnet die Augen, eine Kanüle im Arm sieht sie. Sie fühlt sich ruhig in sich. Ein EKG zeichnet ihre Herztöne auf. Festgebunden liegt sie im Sanitätswagen, der immer weiter und weiter fährt. Es dauerte, wie ihr scheint, eine Ewigkeit. Doch beunruhigt ist sie nicht. Übel ist ihr auch nicht mehr.
Die Sirene, gut, die macht ihr Kopfzerbrechen. Sie versucht, in ihrem Kopf ein Lied zusammenzubringen. Ihre Gedanken spielen die Endlos-Melodie eines Liedes, das sie mag. Sie lächelt müde. Sie ist müde. Sie schläft wieder ein. Ist eingeschlafen. Sie träumt dieses Mal nichts.
Ein MRT untersucht, als sie in der Klinik angelangt ist, ihren Schädel und ein Kontrastmittel wird ihr verabreicht. Es dauert insgesamt nicht lange. 20 Minuten. Sie wacht zwischenzeitlich immer wieder kurz auf. Schläft wieder ein.
Später wird ihr ein Narkosemittel verabreicht, das Aneurysma, die Schwachstelle an der Arterie, die zu den Mangelerscheinungen im Gehirn führt, das haben sie anhand des MRT festgestellt, wird behandelt. Behoben. Sechs Stunden dauert ihre Operation, dann wird sie auf die Intensivstation verlegt. Danach in den Aufwachraum und anschließend in ein Zimmer. Das dauert zwei Tage.
Als Sabine wieder zu sich kommt in ihrem Stationszimmer, ist es hellster Tag. Vormittag. Sebastian und Tobias sitzen in dem Zimmer. Ihre Zimmernachbarin schläft. Sofort ist Sebastian und Tobias bei ihr.
„Mama, wie schön!“, ruft Tobias aus und umarmte seine Mutter.
Sebastian lächelt Sabine liebevoll an, umarmt sie. Sie lächeln alle drei. Die Krankenzimmertüre geht auf und eine Schwester kommt herein. Sie fragt nach dem Befinden von Sabine, misst das Fieber und geht wieder.
Sabine versucht, sich an die Seite des Bettes zu setzen, und Sebastian hilft ihr. Ihr wird schwindlig und so legt sie sich wieder auf die Kissen ins Bett. Sie trinkt etwas, dann schläft sie ein. Sebastian und Tobias verlassen leise das Zimmer.
Es ist der erste Tag, den sie beide bei Sabine im Stationszimmer verbracht haben. Alles ist nochmals gut gegangen. Sebastian weiß, dass Sabine nach Hause kommen wird.
*
Es gibt Tage der Sehnsucht,
des Mutes
und der Hoffnung.
Tage der Hoffnung in dir
machen dich stark,
so stark.
Und es ist da jemand,
der dir zutraut,
vertraut,
dass du stark bist,
und der dich mag.
Traue dir zu und hoffe,
glaube an dich
und habe den Mut,
sei stark
in deiner Kraf,
und sei heiter,
weil es ist die Kraft,
mit der du schon vieles
hast geschafft.
Und es ist der Mut,
mit dem du vieles noch schaffst.
Den Weg,
die Wege gehen,
heißt, nicht still zu stehen,
sondern mit deinem Mut
und deiner Energie,
die Wege zu gehen.
Und die Zeit wird vergehen,
da wirst du, rückblickend deiner Erfahrungen,
an deinem Ziel ... an deinen Zielen stehen.
*
Sie geht
Es ist schwer, aber sie schafft es. Das Zimmer dreht sich kurz, doch dann steht sie. Der Schwindel legt sich, doch sie steht. Gestützt von einer Schwester natürlich. Natürlich nicht alleine, doch sie steht.
Der nächste Morgen: Sie hat gefrühstückt und die Schwester, die hereingekommen war ins Krankenzimmer, hilft ihr beim Aufstehen. Der erste Schritt ist nicht einfach. Sie will gehen, sie will es so sehr. Doch es fällt ihr unendlich schwer. Sie steht, sie steht gestützt von der Schwester, doch ihre Gedanken haben keinen Einfluss auf ihre Beine und sie fängt zu weinen an. Die Tränen kommen ihr einfach so. Sie fühlt sie auf den Wangen. Sie weint bittere Tränen, es geht einfach nicht. Sie kann das Bein nicht bewegen, so sehr sie es auch will, sich konzentriert. Dann wird sie wieder müde. Dennoch, nach Zuspruch von der Krankenschwester, die ihr sagt, sie müsse es versuchen, sie müsse es, es wäre so wichtig für sie, schafft sie den ersten Schritt. Da lachte Sabine auf. Sie glaubt es nicht. Sie kann sich so schwer konzentrieren. Aber ihr Bein macht den ersten Schritt. Dann noch einen. Anschließend ist es Zeit für eine Pause. Für das erste Mal ist es genug für Sabine, befindet die Krankenschwester. Sabine liegt wieder im Krankenbett und ehe sie bis drei zählen kann, ist sie auch schon wieder eingeschlafen.
Schmerzen hat sie keine. Die Schmerzmedikamente sind hilfreich, die sie bekommt. Sie träumt, aber sie erinnert sich danach nicht mehr daran. Bis zum Mittagessen schläft sie. Ihr Körper braucht die Ruhe, die Erholung, den Schlaf.
Das Mittagessen in kleineren Mengen isst sie es, Hunger hat sie noch nicht. Es fällt ihr nicht leicht, den Löffel zu halten, den es zur Suppe gibt. Zu oft findet sie ein Vakuum in ihren Kopf, das das Denken schwer macht. Doch sie schafft es, ein paar Löffel Suppe zu essen. Das strengt sie derart an, dass sie wieder einschläft.
In ihren Kopf läuft eine Melodie ab. Ein Song. Sie liebt Musik. Musik ist wichtig für das Leben. Leben ist wie eine Melodie.
Tobias, der am Nachmittag mit seinem Vater kommt, sitzt neben ihr.