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Quirin bewirtschaftet auf den Bergen hoch über Bozen einen kleinen Bergbauernhof mit ein paar Ziegen. Ein Leben, das er selbst gewählt hat und mit dem er eigentlich zufrieden ist. Doch dann bekommt er unverhofften Besuch von Mariella, die er schon lange nicht mehr gesehen hat. Der erste Schnee liegt in der Luft. Und ohne dass die beiden es so geplant hätten, müssen sie die Nacht gemeinsam verbringen. Eine Nacht, die alte Gefühle ans Licht bringt und das Leben von Quirin und Mariella verändern wird.
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Veröffentlichungsjahr: 2024
Kurzgeschichte
von
Leo Antholzer
Kapitel 1
Es war bereits Mittag, trotzdem war es kalt. Wenn mich meine Nase nicht täuschte, roch es nach Schnee. Die Luft war anders als sonst. Der Himmel war zwar noch strahlend blau, doch die Wolken, die sich langsam hinter den Bergspitzen auftürmten, bestätigten meinen Verdacht. Ich war gerade auf dem Weg zum Stall zu meinen Ziegen, die ich über den nahenden Winter bringen musste, wozu man hier oben in den Bergen ein bisschen Weitblick brauchte. Ein Weitblick, der unten in den Dörfern und Städten immer mehr verloren ging, was die Schnelllebigkeit der Zeit mit sich brachte. Es war alles jederzeit verfügbar. Wenn man wollte, konnte man sich jeden Wunsch innerhalb kürzester Zeit erfüllen. Ich fand diese Welt immer noch völlig verrückt und sie war ein krasser Gegensatz zu dem Leben, das ich hier oben in den Bergen führte.
Vier Berghöfe und eine kleine Kirche standen hier. Der Ort, an dem ich meine Kindheit verbracht hatte. Der Ort, an dem ich groß geworden war. Früher lebten hier knapp 20 Menschen. Ich war der Einzige, der noch übrig war. Zumindest in den Wintermonaten. Im Sommer war die kleine Siedlung hoch am Berg ein beliebtes Ziel für Wanderer, für die ich kleine Jausen und Getränke anbot. Es spülte etwas Geld in meine Kasse, das mir zum Überleben in dieser Abgeschiedenheit ganz hilfreich war. So sehr ich die Sommer mit dem ganzen Trubel der Touristen hier oben mochte, so sehr genoss ich auch die Zeit, wenn der Winter langsam Einzug hielt und es wieder ruhiger wurde. Ringo, ein weißer Pyrenäenberghund, war zu meinem treuen Begleiter geworden. Er sorgte dafür, dass ich mich in der Abgeschiedenheit der Berge nicht allein fühlte. Schwanzwedelnd sprang er neben mir her und freute sich bereits darauf, die Ziegen im Stall mit seinem Bellen zu begrüßen. Eine Morgenroutine, die man ihm nicht mehr so richtig austreiben konnte. Hungrig kamen die Ziegen bereits bis zum Gatter und streckten ihre Hälse darüber. In Ruhe füllte ich den Trog mit Futter auf und schaute, ob noch genügend Wasser vorhanden war. Gierig fraßen sie, dabei stoben kleine Atemwölkchen in die kalte Luft. Es war immer wieder schön, sie zu beobachten. Sie waren für mich wie Familienmitglieder, weswegen auch jede Ziege einen Namen hatte. Gerade streichelte ich Bella über das struppige Fell, was ihr sichtlich zu gefallen schien.
„Bis nachher“, verabschiedete ich mich schließlich von ihnen, denn es wurde langsam Zeit, zu der kleinen Kirche zu gehen, wo ich dreimal am Tag die Glocken läutete.
Da ich der Einzige war, der hier noch die Stellung hielt, war diese Aufgabe an mir hängen geblieben. Wobei ich es gerne tat. Schon aus dem Grund, weil es in meiner Familie eine Art Tradition war. Bereits mein Vater und mein Großvater hatten die Glocken zuverlässig geläutet und über die kleine Kirche gewacht, als wäre sie ihr Eigentum. Als ich vom Stall Richtung Kirche ging, verdunkelte sich bereits langsam der Himmel. Ringo begleitete mich. Wenig später hörte man das Echo der Glocken durch die Bergtäler schallen, was für mich auch gleichzeitig ein Kommunikationsmittel war, um den Leuten im Tal mitzuteilen, dass es mir gut ging. Denn außer einer alten Festnetzleitung gab es keine Möglichkeit, mit der Außenwelt in Kontakt zu treten. Ich lebte hier insbesondere im Winter völlig abgeschieden. Für Smartphone und Computer hatte ich bisher keine Notwenigkeit gesehen, obwohl ich mit 32 Jahren eigentlich zu der Generation gehört, für die diese Dinge unverzichtbar waren. Doch ich hatte alles, was ich brauchte. Diesen Weg hatte ich selbst gewählt und konnte auch die meiste Zeit ganz gut damit leben.
Zum Mittagessen hatte ich mir eine Schüssel Mus zubereitet. Ich lebte einfach. Nachmittags machte ich oft ein kleines Nickerchen. Doch heute befand ich es für besser, noch etwas Holz zu hacken. Wenn tatsächlich der Schnee kommen sollte, den ich bereits tief in mir fühlte, wäre ich froh, wenn ich in den nächsten Tagen nicht groß aus dem Haus musste. Auch wenn ich nicht kälteempfindlich war, genoss ich im Winter gerne die Gemütlichkeit einer warmen Stube. Wobei mir die Holzhackerei bereits ordentlich einheizte. Ringo lag auf der Bank vor dem Haus und beobachtete mich.
„Hast du es gut, Ringo“, meinte ich zu meinem Hund und wischte mir mit dem Ärmel über meine verschwitzte Stirn.
Gerade stapelte ich das Holz vor der Wand neben der Haustür, wo ich es im Bedarfsfall nur schnell ins Haus holen musste, als ich plötzlich das ungewohnte Geräusch eines Autos vernahm, das sich langsam den steilen Berg heraufmühte.