Schüsse im Dreiländereck - Karlheinz Moll - E-Book

Schüsse im Dreiländereck E-Book

Karlheinz Moll

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Beschreibung

Auf der Golfanlage Ravensburg wird frühmorgens ein Mann aus unerklärlichen Gründen erschossen. Die Ermittler um Hauptkommissar Heinrich „Henry“ Ammann finden einen Tatort vor, der viele Fragen aufwirft, da der tödliche Schuss nicht nur aus sehr großer Entfernung, sondern auch aus einem großkalibrigen Scharfschützengewehr abgefeuert wurde. Die friedliche Bergwelt von Nidwalden in der Schweiz wird durch einen gewaltsamen Tod an einem Wanderführer erschüttert. Die Ermittlungen der zuständigen Kommissarin bleiben nach einer vergeblichen Suche nach Motiv und Täter erfolglos und der Fall wird nach einiger Zeit fast schon zu den Akten gelegt. In Vorarlberg wird kurze Zeit später bei Höbranz eine Frau in ihrem Haus tot aufgefunden. Die Polizei in Bregenz und der ermittelnden Kommissarin finden zunächst keine Erklärung für ihren gewaltsamen Tod. Erst langsam ergeben sich Hinweise darauf, wie die Todesfälle im Dreiländereck von Deutschland, Österreich und der Schweiz am Bodensee zusammenhängen könnten. Die über die drei Landesgrenzen hinweg kooperierenden Ermittler setzen alles daran, um weitere Morde zu verhindern und den oder die Täter ausfindig zu machen.

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Seitenzahl: 313

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Karlheinz Moll

Schüsse im Dreiländereck

Ein Ravensburg Krimi

© 2025 Karlheinz Moll

Korrektorat: Dr. Maria Karafiat

Cover/Grafik: Petru Stendl, Intergrafos

Softcover:

978-3-384-55257-0

Hardcover:

978-3-384-55258-7

E-Book: 978-3-384-55259-4

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, postalisch zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland und per E-Mail unter [email protected].

Dies ist eine fiktive Geschichte. Alle Namen, deren Hintergrund und Geschichten sind das Produkt der Vorstellungskraft des Autors oder werden fiktiv verwendet. Jede Ähnlichkeit mit realen Personen ist rein zufällig und unbeabsichtigt.

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Epilog

Anmerkungen

Zum Autor

Bibliographie

Vorschau

Schüsse im Dreiländereck

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Kapitel 1

Vorschau

Schüsse im Dreiländereck

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Kapitel 1

In etwa einer Woche würde mit der Oberschwabenschau die größte regionale Verbrauchermesse im Südwesten beginnen. Das konnte er an diesem frühen Morgen auf einem der vielen Plakate entlang der noch nicht vom morgendlichen Berufsverkehr frequentierten B32 lesen und auch auf dem Messegelände beobachtete er bei der Vorbeifahrt reges Treiben. Lastwägen und Lieferfahrzeuge fuhren mit Ausstellungsstücken und den dargebotenen Waren aus der Land- und Forstwirtschaft umher.

Laut den Werbesprüchen auf den Plakaten fand die Oberschwabenschau in Ravensburg seit nunmehr 1965 jährlich statt und über 500 Betriebe und Aussteller priesen ihre Waren und Dienstleistungen den fast 100.000 Besuchern aus Süddeutschland sowie der Bodenseeregion von Schweiz und Österreich an. Nur zweimal in der Messe-Geschichte war sie ausgefallen, hatte er in der „Schwäbischen Zeitung“ gelesen.

Der Grund dafür war für ihn nicht schwer zu erraten. Aus seiner Sicht war die Pandemie ein weiteres, bis heute nicht aufgearbeitetes Thema im Land. Im Gegensatz zu diesem nun schon über Jahre politisch verschleppten Prozess konnte seine Mission nicht warten, dachte er sich bei der Betrachtung der Aufbauarbeiten.

In seiner Jugend hatte ihn sein Vater bei Tagesausflügen öfters mit auf die Oberschwabenschau genommen. Statt den Maschinen und Materialien aus Landwirtschaft, Bau und Technik oder den Angeboten aus Reise und Freizeit interessierten ihn damals eher die Tiere, vor allem Pferde und, was er lieber für sich behielt, Kaninchen, die in kleinen Gehegen umherhoppelten. Die kulinarischen Ecken der Schau, wo es Wurst- oder Käsehäppchen zum Probieren gab, waren für ihn ebenfalls von Interesse. All das war für ihn heute nur noch ein Hauch der Erinnerung und lenkte ihn während der Vorbeifahrt auch nur für einen kurzen Moment von seinem eigentlichen Ziel ab.

Heute würde der Tag sein.

Die Strecke hatte er die letzten zwei Wochen immer wieder abgefahren. Fast immer zu selben Uhrzeit fuhr er auf der B32, die am Stadtrand, eingerahmt von Schussen und Wiesentalgraben, mit der B30 zusammengeführt wurde und von wo er auf die Ravensburger Straße einbog, um seinem Ziel bei Berg näherzukommen. Am Ortseingang zur Gemeinde Berg nahm er die Großtobler Straße, von wo es langsam bergauf ging. Nach einer kurzen Fahrt verließ er das Kerngebiet der Gemeinde bereits wieder nach der Berger Straße, als er auf halber Strecke bis Schmalegg bei Bächelbach auf einer Anhöhe sein Ziel erreichte.

Er stellte sein Fahrzeug auf einem unauffälligen, zu dieser frühen Morgenstunde noch leeren Wanderparkplatz ab, der vor allem von Hundebesitzern für morgendliche Gassirunden genutzt wurde, wie er die letzten Male immer wieder feststellen konnte. Heute war er froh, hier noch niemanden anzutreffen, zu auffällig wäre seine schwere Tasche mit der Ausrüstung womöglich gewesen.

Von dem Parkplatz auf der Anhöhe folgte er dem leicht ansteigenden Wanderweg bis zu einem Hügel, der ihm zwischenzeitlich derart vertraut war, als wäre es sein eigenes Grundstück. Er konnte seinen eigenen Atem in der kühlen Morgenluft sehen, aber die sich ankündigende Sonne würde das sehr schnell ändern. Es war aus seiner Sicht der perfekte Ausgangspunkt. War der Wanderweg noch durch den vielen Regen im Spätsommer von üppig wuchernden Disteln und Gräsern gesäumt, war der Gipfel des Hügels nur mit kurzem Gras bedeckt, geradeso, als hätte hier jemand den Rasen für seine Zwecke zurechtgestutzt.

Im vom Regen der letzten Woche wieder getrockneten Boden hinterließ er deutliche Spuren seiner Schuhe, aber darüber machte er sich keine Gedanken, ähnlich sorglos erging es ihm mit den umgeknickten und plattgetretenen Pflanzen auf dem Wanderweg und den Fasern seiner Kleidung, die sich an mancher Distel verfingen.

Sorgfältig entpackte er den Inhalt seiner Tasche und breitete alle Teile auf der vorher ausgelegten wasserdichten Plane aus. Für ihn war das ein unzählige Male exerzierter Vorgang, den er nun schon blind bewältigen konnte, eine erlernte Disziplin, die ihn einen Großteil seines Lebens begleitet hatte. Noch einmal betrachtete er die Einzelteile aus reiner Gewohnheit und Routine, obwohl er wusste, dass er nichts vergessen hatte und alles an seinem richtigen Platz war. Dann begann er Stück für Stück den Zusammenbau. Sorgfältig und mit Fingerspitzengefühl setzte er es zusammen, bis es einsatzbereit war.

Nach einer letzten Funktionsprüfung brachte er sich für einen letzten Probelauf in Position. Als er sicher war, alles vorbereitet zu haben, legte er es noch einmal auf der Plane ab, nahm sein Fernrohr und schaute in die Ferne, sein Ziel erwartend. Noch war er nicht da, aber das wusste er. Er war von schwäbischer Pünktlichkeit und man konnte die Uhr nach ihm stellen. Das sprach für ihn, auch wenn es seiner Meinung nach das Einzige war, was ihm Positives zu ihm einfiel.

Der Wind blieb weiterhin still, was perfekte Voraussetzungen für ihn waren. Der Altweibersommer hatte die Temperaturen untertags noch einmal über die 20-Grad-Marke getrieben, auch wenn die nächtliche Abkühlung und die kürzer werdenden Tage den herannahenden Winter schon erahnen ließen. Die Sonne machte sich am Horizont langsam bemerkbar und würde sich in seinem Rücken befinden, sobald sein Ziel auftauchen würde. Es war alles bis ins kleinste Detail vorbereitet.

Dann erschien sein Ziel, das er selbst aus dieser großen Distanz mit seinem Fernrohr gut ausmachen konnte. Es lief ab wie nach einem einstudierten Drehbuch. Sein Ziel parkte seinen Wagen auf dem Parkplatz, nahm seine Ausrüstung aus dem Kofferraum und machte sich vorbei am Clubhaus auf den Weg zum Platz.

Auf dem Hügel nahm er sein Gerät wieder von der Plane auf und richtete es aus.

Die Zielperson kam in sein Sichtfeld, als hätte er es genauso bestellt. Der Moment, auf den er gewartet hatte und worauf er sich so lange vorbereitet hatte. Seine Hände waren ruhig, wie sie es früher schon gewesen waren. Seine Gedanken waren fokussiert. Etwas unzählige Male durchzuspielen war ein Vorteil, aber kein Garant für die Zielerreichung, das war eines der vielen Dinge, die ihm in jungen Jahren eingebläut worden waren. Dinge, die er bis heute nicht vergessen hatte und Zeit seines Lebens wohl auch nicht mehr vergessen würde.

Das klare Licht der Morgensonne war nahezu perfekt und er hatte sehr gute Sicht auf sein Ziel. Kein Windhauch war zu spüren, dafür spürte er die wärmende Sonne im Genick. Er visierte sein Ziel an und als der für ihn richtige Moment da war, drückte er ab.

Ein paar Vögel flogen aufgeschreckt aus den umliegenden Büschen durch den plötzlichen, wenn auch gedämpften Knall. Wären andere Menschen in der Nähe gewesen, hätten sie ihn durchaus wahrgenommen, da eine komplette Dämpfung nur in Filmen vorkam. Schon etwas abseits hätte es aber schon ein geübtes Gehör gebraucht, um ihn wahrzunehmen, und selbst dann wäre es schwierig gewesen, den Ausgangspunkt des Geräuschs genau zu verorten.

Er war zufrieden.

Alles war wie erwartet abgelaufen.

Der Schuss hatte sein Ziel nicht verfehlt.

Es war nicht der erste und es würde definitiv nicht der letzte gewesen sein.

Kapitel 2

An diesem Morgen war einiges anders für Hauptkommissar Heinrich „Henry“ Ammann. Heute war Sandras erster offizieller Tag als Teil der Kriminalpolizei von Salzburg. Was nur ein Weiterbildungskurs im Rahmen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen den Polizeikräften von Deutschland und Österreich sein sollte, endete in einem Angebot für eine offene, wenn auch befristete Stelle für seine Lebensgefährtin bei der Salzburger Mordkommission.

Henry musste immer noch seinen Kopf schütteln, wie schnell sich das entwickelt hatte. Er hatte Sandra noch während des grenzüberschreitenden Kurses in Salzburg besucht und beide hatten von der Attraktivität der Mozartstadt geschwärmt. Er hätte aber nicht gedacht, dass sich, kaum war sie nach Ravensburg zurückgekehrt, daraus eine berufliche Veränderung für sie und eine private Veränderung für beide ergeben würde.

Noch konnte er sich kein Bild davon machen, wie es sein würde, sie für längere Zeit, womöglich bis zu seiner, allerdings absehbaren Pensionierung, nicht mehr täglich, sondern nur noch an den Wochenenden um sich zu haben. Es hatte für sie beide lange gedauert, bis sie sich aufeinander eingelassen hatten, vor allem von seiner Seite aus, in Anbetracht ihres Altersunterschiedes von 18 Jahren. Während der letzten Jahre war daraus eine intensive Beziehung geworden und er konnte es sich zwischenzeitlich gar nicht mehr anders vorstellen. Unerwarteterweise ließen sich in ihrem Fall das Berufliche und das Private doch recht gut miteinander vereinbaren. Nun war er mit einer neuen Situation konfrontiert, von der Henry noch nicht abschätzen konnte, wie er damit zurechtkommen würde.

Am gestrigen Nachmittag hatte er sie zum Zug am Ravensburger Bahnhof gebracht, der wieder einmal über Gebühr verspätet war. Ob die Fahrt nach Salzburg via München auf die Dauer eine Lösung war, bezweifelten beide. Sie wollten es die ersten Wochen dennoch mit der Bahn probieren. Sollte die Anbindung sich allerdings ähnlich schwierig gestalten wie heute, würde Sandra wohl oder übel aufs Auto umsteigen, sonst würden die gemeinsamen Stunden an den Wochenenden zu kurz ausfallen.

Noch gedankenverloren machte er sich nach dem Aufstehen an seine morgendliche Routine, die ihn, kaum hatte er mit seinen Übungen begonnen, auch ablenkte. Obwohl es recht kühl war, hatte er sich für seinen Garten als Sportstätte entschieden. Inmitten seiner Obstbäume, an denen nun die ersten überreifen Äpfel heruntergefallen waren, begann sein Taekwondo-Programm.

Als Erstes lief er die ersten zehn Hyong-Formen. Das erforderte Konzentration, wärmte ihn aber durch die dynamische Ausführung auch schnell auf. Danach folgten eine Reihe von Selbstverteidigungstechniken und Kicks, die er schattenboxend gegen einen imaginären Partner ausführte. Zum Abschluss erfolgte zuerst ein Kraftprogramm mit eigenem Körpergewicht, einmal quer durch den Körper, gefolgt von den Hyongs 11 bis 20.

Inmitten eines Hyongs hörte er kurz sein Telefon läuten. Seine Disziplin verlangte es aber, die Form zu Ende zu laufen und sich erst dann dem Anruf zuzuwenden. Als er mit seinem Programm durch war, ging er in die Küche und schaute auf sein dienstliches Smartphone, das er über Nacht zur Akkuladung an die Steckdose gehängt hatte. Er schaute kurz auf den eingegangenen Anruf und konnte schon erahnen, dass wohl etwas vorgefallen war, sonst würde seine Dienstelle kaum um diese Zeit bei ihm anrufen, geschweige denn versuchen, ihn auf dem Smartphone zu erreichen statt, was er bevorzugte, ihn über sein Klapphandy zu kontaktieren.

Mit „Guten Morgen, Beatrice“, begrüßte er Kriminalassistentin Beatrice Hehn. „Wenn du mich anrufst, noch bevor ich mich auf den Weg ins Büro machen konnte, wird es vermutlich etwas Dringendes geben.“

„Ansonsten würde ich mich auch gar nicht trauen, dich in deiner morgendlichen Routine zu stören“, scherzte sie, wohlwissend, wie ernst es ihrem Chef mit seiner sportlichen Routine war. „Der Morgen wurde tatsächlich mit einem Schuss eingeläutet und ich meine nicht einen Böllerschuss vom Mehlsack“, fügte sie an mit Verweis auf die allen Ravensburgern bekannten morgendlichen Böller, abgefeuert aus einer Kanone vom Ravensburger Wahrzeichen Mehlsack, womit sowohl der Start des Rutenfestumzugs wie auch der große Narrensprung am Rosenmontag angekündigt wurden.

In kurzen Worten beschrieb sie einen eingegangenen Notruf mit anschließendem Anruf auf dem Kommissariat. Ein Mann wurde auf dem Platz des Ravensburger Golfclubs erschossen.

„Das ist ja praktisch bei mir um die Ecke“, erwiderte Henry angesichts der etwas über sieben Kilometer langen Strecke von seinem Haus in Berg. „Ich fahr gleich los. Wer ist sonst noch informiert?“

„Jana und Werner sind schon auf dem Weg. Günther Köller muss ich noch ausfindig machen“, meinte sie über Henrys Kollegen und den forensischen Pathologen.

Hauptkommissar Ammann fragte noch nach weiteren bereits bekannten Einzelheiten, insbesondere zur Person des Opfers, darüber hatte Beatrice aber noch nichts in Erfahrung bringen können, außer dem Verweis auf eine männliche Leiche, die wohl, so der Anrufer, ein Mitarbeiter des Golfclubs, einen grausigen Anblick bot.

„Na, allzu schlimm dürfte es bei einer Schusswunde ja nicht aussehen, außer dem Toten wäre aus nächster Nähe ins Gesicht geschossen worden.“

„So wie der Anrufer es ausdrückte, war da nicht mehr viel von einem Gesicht zu sehen“, entgegnete Beatrice lakonisch.

„Klingt mysteriös“, meinte Henry, legte auf und machte sich auf den Weg.

In seiner Garage, die noch immer nicht mit einem Auto, sondern mit seinem Trekkingfahrrad belegt war, zu dem sich seit Längerem auch eines von Sandra gesellt hatte, prüfte er kurz die Luft in den Reifen und die Gangschaltung. Sein Rad hatte nun schon fast zehn Jahre auf dem Buckel und wies entsprechende Verschleißerscheinungen auf.

Am letzten Wochenende hatte er eine neue Kette aufziehen müssen, da sich die alte nach den etlichen zehntausenden an gefahrenen Kilometern im Laufe der Jahre ausgedehnt hatte und nicht mehr richtig in die Zahnräder griff. Den nicht minder abgefahrenen Mantel am Hinterrad hatte er bei der Gelegenheit auch gleich wieder gegen einen dieser als unplattbar angepriesenen Modelle ausgetauscht.

Die Sonne strahlte zwar bereits, dennoch war es noch frisch und Henry zog sich dünne Handschuhe an sowie eine leichte Fleecejacke über. Abwechselnd auf Feld- und Radwegen führte ihn die Strecke entlang des Bächebach nach knapp einer Viertelstunde zur Golfanlage Ravensburg kurz vor Schmalegg gelegen.

Zwei Einsatzfahrzeuge waren schon vor Ort und waren hauptsächlich damit beschäftigt, andere ankommende Fahrzeuge, ob nun mit Golfspielern oder Schaulustigen am Steuer, abzuweisen. Weitere Kollegen waren bereits auf dem Golfgelände unterwegs, um ihrerseits dafür zu sorgen, dass keine Besucher oder Mitarbeiter das Gelände verlassen würden, ohne vorher befragt worden zu sein.

Seine Kollegen Polizeihauptmeisterin Jana Lübke und Polizeimeister Werner Sauter, wurde ihm zugerufen, seien schon auf dem Golfplatz, direkt am Tatort. Henry stellte sein Fahrrad ab und lief um das Clubgebäude herum, wo er seine Kollegen nahe dem ersten Loch zusammen mit einem anderen Mann stehen sah.

Sie grüßten ihn kurz und stellten den Mann als Johann Wanner vor, den stellvertretenden Leiter des Golfclubs. Er hatte sich bewusst vom Anblick des Leichnams abgewandt. Jana hatte Wanner bereits befragt, der die Anlage in der Frühe aufsperrte. Das Opfer sei wie so oft der erste Spieler auf dem Platz gewesen, kaum hätte er die Tore geöffnet, hatte ihr Wanner erklärt. Den Schuss hatte er von seinem Büro aus, von dem er den Golfplatz gut einsehen konnte, zuerst gar nicht als solchen wahrgenommen. Vielmehr hatte er das Opfer beim Abschlag am ersten Loch gesehen und nur noch mitbekommen, wie dieser plötzlich, wie von etwas Wuchtigem getroffen, umfiel.

Henry blickte kurz zu dem am Boden liegenden Leichnam hinunter, wollte aber nicht zu nahe herangehen, um keine Spuren zu verwischen, wohlwissend, wie gereizt die Spurensicherung und nicht zuletzt der Pathologe darauf reagierten, wenn jemand über ihre „Beweise“ trampelte.

Das Gesicht des Toten war praktisch unkenntlich. Ein Teil seines Kopfes fehlte regelrecht. Das stark ausgetretene Blut sowie Gehirnmasse hatten sich auf dem Rasen hinter dem Körper verteilt.

„Wer?“, wollte Henry gerade fragend ansetzen.

„Ein gewisser Michael Reber“, setzte Jana an.

„Oha!“

„Du kennst ihn?“

„Kennen wäre zu viel gesagt, falls es dieser Reber ist. Ich kannte mal einen Michael Reber. Er war in meiner Parallelklasse.“

„Das könnte passen. Laut seinem Personalausweis war er 59 Jahre alt“, erklärte die Polizeihauptmeisterin und reichte Henry den Ausweis.

„Ist lange her, aber ja, das ist er. Wir hatten während der Schulzeit immer mal wieder etwas mit anderen zusammen unternommen. Er kam, wenn ich mich recht erinnere, vom Gymnasium und war ein Jahr älter als ich.“

Henry erinnerte sich, wie Michael Reber schon in der zehnten Klasse einen Führerschein hatte und sie, manchmal zu viert oder zu fünft, drei davon eingequetscht auf der Rückbank, mit einem alten Opel von Michaels Vater an den Wochenenden umherfahren konnten. Er hatte ein Bild vor sich vom „Hirschen“ in Urnau, einer kleinen Gemeinde im Deggenhausertal mit einem großen Wirtshaus, wo im Veranstaltungsraum einmal die Woche eine Band Tanzmusik spielte. Manchmal wunderte er sich, was einem nach so vielen Jahren, zumal bei solch einem tragischen Ereignis wieder einfiel, das so lange zurücklag.

„Hatte ihn nach der Schulzeit nie wieder getroffen und dachte, er wäre aus Ravensburg weggezogen“, sagte Henry, noch in Gedanken an die Vergangenheit, und schaute sich den Personalausweis genauer an.

Auf dem Ausweis war eine Adresse in Hinzistobel angegeben. Der Ausweis selbst wurde vor zwei Jahren in Ravensburg ausgestellt.

Der Mann war bekleidet mit einer beigen Stoffhose, einem Hemd und einem Pullunder. An einer Hand trug er einen Golfhandschuh, farblich passend zu den Golfschuhen. Etwas entfernt, wo einst ein Teil seines Kopfes gewesen war, fand die Spurensicherung eine blutverschmierte Mütze, die ihm bei der Wucht des Schusses vom Kopf gefallen sein musste. Seine Golfausrüstung mit den Schlägern und Bällen trug er in einer Tasche bei sich, die unweit von seiner Position am Boden lag.

Etwas keuchend, wie immer schwer beladen mit seinem medizinischen Alukoffer, näherte sich der forensische Pathologe Günther Köller den Polizisten und dem Leichnam.

„Guten Morgen, Günther. Was denn, immer noch nicht in Rente? Wolltest du nicht nach dem Rutenfest das Handtuch werfen?“

„Meine Nachfolge scheint zwar geregelt, ist aber noch nicht eingetroffen. Die Personaler in Ulm meinten, ich hätte ja nicht gesagt, in welchem Jahr ich nach dem Rutenfest gehen wollte.“

„Das meinten die vermutlich nicht einmal witzig“, kommentierte Henry.

„Humor in der Personalabteilung? Da lachen ja meine Leichen mehr.“

Henry musste schmunzeln.

„Wie ich sehe, habt ihr meinen schönen Tatort schon mit euren Schuhen platt getreten. Aber was soll‘s, für die Tätersuche seid ihr ja zuständig.“

„Wir sind schon damit durch, uns gegenseitig Alibis zu geben. Und bevor die Presse davon Wind bekommt, ich kannte den Toten“, sagte Henry und erklärte Köller die Bekanntschaft aus der Schulzeit.

Die Kollegen grinsten und selbst der altgediente Pathologe konnte ein Schmunzeln nur schwer unterdrücken.

Henry fragte den inzwischen über dem Leichnam knieenden Günther Köller, ob er schon etwas zur Waffe oder Munition sagen könnte, aus der der Schuss abgefeuert worden war.

„Nicht mehr viel da vom Kopf, was brauchbare Spuren hinterlassen würde“, entgegnete er trocken. „Dass der Schuss vermutlich aus größerer Distanz abgefeuert wurde, ist dir wahrscheinlich schon klar.“

Henry nickte.

„Und dass die verwendete Munition sonst eher für die Großwildjagd geeignet ist, dürfte auch nicht sonderlich verwundern, oder?“

Henry nickte erneut.

„Ich will ohne genauere Analyse noch nichts sagen, aber um von Weitem zu schießen und eine solche Wunde zu erzeugen, kommen nur wenige Waffen mit zugehöriger Munition in Frage.“

„Aber eine Idee hast du doch schon, oder?“

Günther Köller nickte.

„Was die Munition angeht, könnte eine .338 Lapua Magnum Patrone beispielsweise in Frage kommen. Es gibt nicht viele Patronen, die eine solche Zerstörung hinterlassen“, sagte er mit Blick auf die massive Kopfwunde, die eine schwere Waffe mit entsprechendem Kaliber vermuten ließ.

Werner drehte seinen Kopf Richtung Köller. „Was für ein Zeug?“

„.338 Lapua Magnum“, kam es von Henry und Günther nahezu zeitgleich zurück.

Während der Polizeimeister verwundert dreinblickte, geradeso, als hätte er das wissen müssen, fuhr der Pathologe mit seiner Betrachtung der Leiche am Boden fort und überließ die weitere Erklärung Werners Vorgesetzten, dem dieser Typ Munition offensichtlich wie auch ihm aus etlichen forensischen Vorträgen und waffenspezifischen Vorführungen nicht gänzlich unbekannt war.

Auch Jana, die Wanner gebeten hatte, die Mitglieder über die Schließung der Anlage zumindest für heute und die folgenden Tage zu informieren und sich im Clubhaus für die offizielle Protokollierung bereit zu halten, interessierte sich brennend für Henrys Ausführungen.

„Magnum kenne ich sonst nur von Dirty Harry“, warf Jana ein.

„Und ich nur als Eis am Stiel“, meinte Werner nicht minder lakonisch.

„Den Privatdetektiv im roten Ferrari auf Hawaii habt ihr vergessen“, schmunzelte Henry, bevor er sich wieder auf die Waffe konzentrierte.

Der Hauptkommissar gab einen kurzen Überblick zu der ursprünglich vom norwegischen Unternehmen Lapua entwickelten Patrone, die diese speziell für Scharfschützengewehre produzierte. Für Patronen mit den Maßen 8,6 mm x 70 mm und einer verstärkten Ladung wurde noch die Kennzeichnung Magnum hinzugefügt.

Werner und Jana blickten sich kurz an. Beide hatten, wie alle Polizeischüler, auf der Polizeischule eine umfassende Waffenkunde durchlaufen, aber von Lapua Magnum hatten beide noch nie gehört. Henry konnte ihnen die Fragezeichen auf ihren Stirnen förmlich ablesen, was kein Wunder war, schließlich wurde diese Art Munition nur im militärischen Umfeld genutzt. Zumindest bis heute.

Es war auch recht unwahrscheinlich, in Deutschland mit derartiger Munition und noch viel mehr mit den Waffen, in denen sie zur Verwendung kam, in Berührung zu kommen. Henry wäre es vermutlich nicht anders gegangen, aber sein Auslandsaufenthalt und seine Dienstzeit in den USA hatte ihn in Kontakt mit Waffen gebracht, von denen er zuvor nicht einmal wusste, dass sie existierten.

Unter den inzwischen über 400 Millionen Waffen in Privatbesitz, somit mehr Waffen als Einwohner, fanden sich auch großkalibrige, automatische Schusswaffen, wie sie ansonsten nur in Kriegsgebieten zum Einsatz kommen. Bei einem Waffenfund in einer ehemaligen Bergwerkssiedlung an der Grenze zwischen Montana und Idaho hatte er einmal zusammen mit seinen amerikanischen Kollegen auch schwere Waffen mit dazugehöriger Lapua Munition konfisziert, die eine durch Straftaten auffällig gewordene private Miliz dort gehortet hatte.

Er führte weiter aus, dass die Munition in den 1980er-Jahren im Auftrag der NATO entwickelt worden war, die eine Patrone angefordert hatte, mit der Scharfschützen auch auf größere Distanzen wirksame, im Kern tödlichere, Wirkungen erzielen konnten. Schließlich musste Henry nachdenken, was ihm noch dazu einfiel.

„Noch was, die .338 Lapua Magnum schafft es anscheinend, den Verlust an Geschwindigkeit zu reduzieren, dem eine Patrone normalerweise auf große Entfernungen zwangsläufig unterliegt.“

„Und das heißt für uns hier, der Schuss kam von weiter her, oder?“, wunderte sich Werner.

„Wenn ich mir den Kopf des Toten, oder was davon übrig ist, ansehe, dann spricht viel für eine große Entfernung“, erklärte er. „Was meinst du dazu, Günther?“

Der Pathologe nickte nur kommentarlos, während er immer noch mit der Kopfwunde des Toten beschäftigt war.

„Was heißt dann große Entfernung?“, fragte Jana. „Wie weit im Umkreis müssen wir suchen? Sprechen wir von hundert oder zweihundert Metern?“

„Das wird vermutlich nicht reichen“, meinte der Hauptkommissar. „Mit der Lapua Munition sind mit entsprechender Waffe, guten Wetterbedingungen und einem erstklassigen Schützen Distanzen bis weit über zwei Kilometer möglich.“

„Kilometer? Das ist nicht dein Ernst, oder?“, war alles, was Werner noch vor Erstaunen herausbrachte.

Günther Köller verzog keine Miene.

„Vielleicht nicht ganz so weit, aber schaut euch doch mal um. Der Schuss kam, so wie es aussieht, von oben, also von einer Anhöhe. Hier ist alles flach.“

Alle drei schauten in leicht südöstliche Richtung, aus der nach ihrer Sicht der Schuss abgefeuert worden war.

„Da vorne ist ein Hügel bei den Bäumen. Seht ihr ihn?“, fragte Henry seine Kollegen und zeigte in die Richtung, aus der er mit dem Rad gekommen war.

„Das ist locker einen Kilometer weg“, staunte Werner.

„Eher anderthalb“, ergänzte Jana.

„Vermutlich, ja. Da gehen wir nachher hin und schauen, ob unsere Vermutung richtig war. Die Spurensicherung soll den Hügel schon einmal weiträumig absperren. Übernimmst du das, Werner?“

„Schon unterwegs“, sagte Werner, als er sein Smartphone zückte, um die Spurensicherung zu instruieren.

„Und von was für einer Waffe sprechen wir? Mit einer normalen Flinte oder einem Henry-Stutzen, so einem wie Old Shatterhand einen hatte, wird sich dieses Geschoss vermutlich nicht abfeuern lassen“, fragte Jana nach.

„Da bin ich überfragt. Der Bärentöter von Winnetous Blutsbruder fällt wohl auch aus. Dafür käme das G29 der Bundeswehr eventuell in Frage, ist aber für große Reichweiten nicht sonderlich geeignet. Was fällt dir noch ein, Günther?“

Der Pathologe war wie auch Henry kein Waffenexperte. Trug der Forensiker von Haus aus keine, ließ auch Henry seine Dienstwaffe meistens sicher verwahrt im Waffentresor des Kommissariats.

„Die Firmen Ruger und Steyr stellen solche Waffen her, glaube ich“, konnte Köller nur raten.

„Stimmt“, erinnerte sich Henry. „Dann fällt mir jetzt noch die Barrett ein oder eines das Savage heißt.“

„Mit diesen Kanonen kannst du in den Krieg ziehen“, meinte Köller lakonisch.

„Hoffentlich verwechselt niemand unser beschauliches Schussental mit einem Kriegsgebiet“, dachte Henry laut. „Jemand hier in Ravensburg mit einer derart brachialen Kriegswaffe zu töten, macht irgendwie überhaupt keinen Sinn“, führte er seine Gedanken fort.

„Vielleicht kann er schlecht schießen und dachte sich, mit einer richtig großen Kanone kann nichts schiefgehen“

„Vielleicht ist er auch nur stark weitsichtig“, ergänzte Henry nicht minder ironisch.

Jana und Werner machten sich daran, die wenigen, inzwischen im Clubhaus versammelten Mitglieder sowie das Personal zu befragen, ausgenommen den stellvertretenden Clubleiter Wanner. Da außer dem toten Reber allerdings niemand auf den Bahnen unterwegs oder in seiner Sichtweite gewesen war, waren die Auskünfte zur Tat wie erwartet kurz und nichtssagend. Die zwei befragten die Anwesenden dann auch gleich zu Michael Reber.

Von den Clubmitgliedern schien ihn niemand näher zu kennen. Man hatte sich ab und an auf dem Platz oder im Clubhaus gesehen und kurz gegrüßt, mehr aber nicht, meinte einer der Clubmitglieder. Die befragten Mitarbeiter hatten von ähnlich wenig näherem Kontakt zum Opfer zu berichten, was aber nicht ganz ungewöhnlich war. Einige Mitglieder kamen auch gerne alleine auf den Platz, um ihre 9 Löcher zu spielen und fuhren wieder davon, sagte ein anderer Mitarbeiter aus.

Bevor sich Henry auf den Weg zu dem besagten Hügel machte, von dem aus der tödliche Schuss erfolgt sein könnte, wollte er noch mit dem stellvertretenden Clubleiter Wanner sprechen. Immerhin hatte er, wie es schien, als Einziger die Tat mitbekommen. Dieser wartete bereits in seinem Büro.

Johann Wanner war laut Ausweis 48 Jahre alt und seit über zehn Jahren hier beim Ravensburger Golfclub angestellt. Zuvor arbeitete er als Golflehrer in Kitzbühel und in Basel, gab er auf Nachfrage Henrys an. Henry hatte von Golf keine Ahnung, Wanner sah aber in etwa so aus, wie er sich einen Golflehrer vorstellte, selbst wenn dieser nun in leitender Funktion war. Johann Wanner war nur etwas kleiner als Henry, braungebrannt und trug ein gelbes Poloshirt, darüber ein dunkelgrünes Jackett mit einem Golfemblem auf der Brusttasche.

Wanner schien die Gedanken des Hauptkommissars zu lesen. „Sie spielen noch nicht Golf?“

„Sie meinen, in meinem Alter würde man Golf spielen und das andere lassen?“, scherzte Henry in Anspielung auf ein bekanntes Sprichwort.

„Nein, natürlich nicht“, lachte Wanner. „Aber sie haben eine sportliche Figur, wie geeignet für den Golfsport.“

„Da merkt man den Lehrer. Doch selbst wenn Sie jetzt meine Begeisterung geweckt hätten, würde mir die Zeit dazu fehlen.“

Wanner nickte verständnisvoll.

Henry fragte ihn dann noch einmal nach jedem Detail, das er wahrgenommen hatte, als er von seinem Bürofenster aus den zu Boden fallenden Michael Reber sehen konnte. Wanner war sich sicher, nichts gehört zu haben, was nach einem Schuss geklungen hätte. Er war sich aber sicher, dass es ein Schuss gewesen sein musste, da er, wie er sich nun zu seinem eigenen Erschrecken erinnerte, einiges umherfliegen gesehen hatte. Worum es sich dabei gehandelt haben muss, schien ihm erst jetzt so richtig klar zu werden. Er sah nun das Bild vor sich, als der Kopf des Opfers nahezu zerrissen und der Körper mit einer immensen Wucht zu Boden geworfen wurde.

Henry Ammann konnte sich eine vage Vorstellung davon machen, was Wanner gesehen haben musste, auch wenn er selbst den Einsatz von großkalibrigen Schusswaffen nur vom Schießstand kannte. Er fragte den stellvertretenden Clubleiter nach Informationen zu Reber.

Michael Reber war demnach zumindest einmal pro Woche auf dem Platz, manchmal, abhängig vom Wetter, wie er vermutete, auch öfters. Er spielte meist nur neun Löcher am frühen Morgen und frühstückte dann des Öfteren im Clubhaus.

„Spielte er allein oder auch mal mit anderen?“

Wanner überlegte kurz. „Soweit ich mich erinnere, habe ich ihn immer nur alleine spielen sehen. Ich bin aber nicht immer da. Vielleicht weiß der Chef mehr.“

Henry nickte. Seine Kollegen würden es sicher in Erfahrung bringen, sollte jemand andere Beobachtungen gemacht haben oder das Opfer sogar näher gekannt haben. Der Leiter des Clubs, Sven Miegel, ein früherer Golfprofi, wie ihm Wanner stolz verkündete, sei momentan in Dubai zur Einweihung eines neuen, in Teilen von ihm mitkonzipierten Golfplatzes. Henry ließ das unbeeindruckt, zu weit entfernt war das Thema Golf von seinem Interesse.

Zufrieden mit Wanners Aussagen, auch wenn diese bislang wenig informativ waren, schwang er sich auf sein Rad und fuhr los. Durch das große Fenster des Clubhauses blickend konnte er seine Kollegen beobachten, die wohl auch dabei waren, ihre Befragungen abzuschließen und ihm mit ihrem Dienstfahrzeug demnach bald folgen würden.

Er nahm nahezu den identischen Weg, den er auf der Herfahrt genutzt hatte, mit Ausnahme eines kleinen Feldwegs, in den er einbog, um direkt auf besagten Hügel zuzufahren. Dieser war, wie erhofft, schon durch Kollegen der Spurensicherung abgesperrt und sie hatten offensichtlich schon damit begonnen, das Gelände nach verwertbaren Spuren abzusuchen.

Die Gegend und dieser von Weitem sichtbare Hügel wurde gerne von Spaziergängern bevölkert. Vor allem Hundebesitzer nutzten die von der Stadt aus leicht erreichbarem Wege, egal ob mit Fahrrad, Auto oder zu Fuß. Am heutigen Morgen war offensichtlich bis zur Absperrung nur eine einzige Person auf dem Gipfel. Zumindest fanden sich nur ein einziges Paar an frischen Schuhabdrücken, die dafür umso deutlicher waren.

„Was sagen euch die Spuren?“, fragte Henry die Kollegen, kaum hatte er sein Rad abgestellt und die Spuren gesehen.

„Pass bitte auf, wo du hintrittst, sonst finden wir deine Spuren auch noch“, kam es von einem in einer weißen Schutzkleidung gekleideten Beamten, während die umstehenden Kollegen verschämt grinsten.

„Was wäre ich alter Mann ohne meine verständnisvollen und besorgten Kollegen?“

Lockeres Gelächter.

„Was habt ihr zu den Fußspuren?“

„Klare Abdrücke von einem Schuh oder Stiefel mit prägnantem Profil.“

„Klingt gut. Noch besser würde es klingen, wenn ihr auch gleich die Marke oder gar den Träger wissen würdet.“

„Wir hätten uns den Scherz vorhin wohl sparen können?“, lamentierte der Kollege.

„Aber nicht doch; die Frage wäre dennoch gekommen, nur vielleicht etwas präziser. Also nochmal; was lässt sich mit den Abdrücken machen?“

„Wir jagen sie durch die Datenbanken. Sollte kein Problem sein, das Profil einem Produkt zuzuordnen. Was allerdings den Träger angeht …“

„Schon klar, da wird es schwierig“, stimmte Henry zu.

Den Schuhabdrücken folgend konnte auch der Standpunkt des Schützen ermittelt werden. Henry stellte sich etwas abseits und blickte Richtung Golfplatz. Obwohl es kaum noch einen Zweifel dafür gab, von wo aus der Schuss abgefeuert worden war, blickte er dennoch fast ungläubig auf die weite Distanz, welche die tödliche Kugel zurückgelegt haben musste. Schießen war nie seine Sache gewesen und er war froh, im Dienst noch keinen tödlichen Schuss aus einer Waffe hatte abfeuern müssen.

Aus einer großen Distanz zu schießen und dann auch noch präzise zu treffen, dazu bedurfte es einer guten Waffe und eines sehr guten Schützen, das war ihm klar. Es gab auch nicht viele Bereiche, wo man solche außerordentlichen Fähigkeiten erwerben konnte. Nur das Militär und Spezialeinsatzkräfte der Polizei kamen dafür in Frage und selbst dort würde es nur sehr wenige geben, die für solche Treffer in Frage kommen würden. Mit etwas Glück ließ sich der Täter schnell identifizieren. Die Schuhabdrücke würden die Suche vielleicht zusätzlich beschleunigen.

Die Spurensicherung fand noch Eindrücke im Boden. Sie vermuteten, die Eindrücke könnten vom Stativ der Waffe kommen. Auch wenn es noch unklar war, um welche Waffe es sich handelte, gab es hierfür keine Zweifel. Für solch eine schwere Waffe bedurfte es fraglos eines Stativs, so ihre einhellige Meinung.

Ein umgeknickter Ast und ein paar umgetretene Gräser zeugten ebenfalls von der Anwesenheit des Täters. Die Spuren waren sehr frisch, vor allem der umgeknickte Ast deutete darauf hin. Außer dem Schützen schien niemand an diesem Morgen hier gewesen zu sein. Das würde die Analyse der Spuren vereinfachen.

„Worüber denkst du nach?“, fragte Jana ihren Boss, der für einen Moment nachdenklich in die Landschaft blickte.

„Über diesen Schützen. Das ist ein Profi, soviel ist klar. Aber, warum macht er das?“

„Warum schießt jemand mit einer Kriegswaffe aus einer Riesenentfernung auf jemanden, den er hätte problemlos an einem anderen Ort umbringen können?“

„Ein bisschen viel Aufwand für mein Gefühl. Und dann diese Spuren hier. Sie machen auch keinen Sinn.“

„Was meinst Du?“

„Wenn das ein Profi ist, wovon wir ausgehen müssen, dann würde er keine plumpen Spuren wie Schuhabdrücke hinterlassen“, sinnierte Henry.

„Außer, es ist ihm egal.“

„Möglich. Vielleicht weiß er aber auch, wohin die Spuren uns führen werden.“

„Nirgendwohin?“, rätselte Jana.

„Genau!“

Kapitel 3

Sie kamen nacheinander beim Haus des Opfers in Hinzistobel an, dem Stadtteil von Ravensburg, den alle Mitarbeiter der Kriminalpolizei wohl bestens kannten, lag doch die Justizvollzugsanstalt dort.