Schwarz und Frau - Tsitsi Dangarembga - E-Book

Schwarz und Frau E-Book

Tsitsi Dangarembga

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Beschreibung

Tsitsi Dangarembga zählt zu den wichtigsten Stimmen des afrikanischen Kontinents. Ihr Werk ist unbequem, erhellend und hochpolitisch - kein Wunder, hat sie selbst doch von klein auf erfahren, wie weit die Schatten des Kolonialzeitalters noch heute reichen. Die internationale Bestsellerautorin, Filmemacherin, Friedenspreisträgerin und Aktivistin widmet ihr Sachbuchdebüt dem Kampf für soziale Gerechtigkeit. Sie spannt einen großen historischen Bogen, verankert in ihrer eigenen bewegten Biografie, und schreibt über die doppelte Unterdrückung, die Schwarzen Frauen begegnet - durch rigide patriarchale Strukturen und die anhaltende Dominanz der Weißen. Eine selbstbewusste Einladung zur Reflektion.

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Inhalt

Cover

Über das Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Widmung

Einführung

Schreiben als Schwarze und als Frau

Schwarz, Frau und die feministische Superfrau

Dekolonisierung als revolutionäre Vorstellung

Dank

Anmerkungen

Über das Buch

Tsitsi Dangarembga zählt zu den wichtigsten Stimmen des afrikanischen Kontinents. Ihr Werk ist unbequem, erhellend und hochpolitisch – kein Wunder, hat sie selbst doch von klein auf erfahren, wie weit die Schatten des Kolonialzeitalters noch heute reichen. Die internationale Bestsellerautorin, Filmemacherin, Friedenspreisträgerin und Aktivistin widmet ihr Sachbuchdebüt dem Kampf für soziale Gerechtigkeit. Sie spannt einen großen historischen Bogen, verankert in ihrer eigenen bewegten Biografie, und schreibt über die doppelte Unterdrückung, die schwarzen Frauen begegnet – durch rigide patriarchale Strukturen und die anhaltende Dominanz der Weißen. Eine selbstbewusste Einladung zur Reflektion.

Über die Autorin

Die Bekanntgabe, dass Tsitsi Dangarembga den Friedenspreis des deutschen Buchhandels bekommt, hat die Schriftstellerin und Filmemacherin aus Simbabwe im Juni 2021 auf einen Schlag deutschlandweit bekannt gemacht. Schon vorher galt die Tsitsi Dangarembga als eine der bedeutendsten Regisseurinnen Afrikas. Ihr 1988 erschienener Debütroman Nervous Conditions (dt. Aufbrechen, 2019) wird 2018 von der BBC in die Liste der 100 wichtigsten Bücher aufgenommen, die die Welt geprägt haben. Ein Jahr später wurde der Roman mit dem Commonwealth Writers’ Prize als bestes Erstlingswerk Afrikas ausgezeichnet.

TSITSI DANGAREMBGA

SCHWARZ UND FRAU

Gedanken zur postkolonialen Gesellschaft

Übersetzung aus dem Englischen von Anette Grube

Vollständige E-Book-Ausgabedes in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

In diesem Buch werden an einigen Stellen rassistische Szenen oder rassistische Sprache reproduziert, die sich gegen schwarze Menschen richten. Dies spiegelt in keiner Weise die persönliche Meinung der Autorin oder die Haltung des Verlags wider und dient lediglich dem Zweck der historisch korrekten Darstellung, wenn derlei Begriffe in einem Zitat vorkommen.

Titel der englischen Originalausgabe:»Black and Female«

Für die Originalausgabe:Copyright © 2022 by Tsitsi DangarembgaPublished by arrangement with Faber & Faber Limited of Bloomsbury House, 74-77 Great Russell Street, London WC1B 3DA

Für die deutschsprachige Ausgabe:Copyright © 2023 by Bastei Lübbe AG, KölnTextredaktion: Dr. Matthias Auer, Bodman-LudwigshafenUmschlaggestaltung: Massimo Peter-BilleeBook-Erstellung: two-up, Düsseldorf

ISBN 978-3-7517-4273-3

luebbe.delesejury.de

Für meine Mutter Susan Ntombizethu Dangarembga, für meine Schwester Rudo Dangarembga und für Sheri und Ines, deren Weg ihnen viel Unaussprechliches abverlangte.

EINFÜHRUNG

Ich bin in existentieller Hinsicht auf der Flucht. Ich bin es, seit ich aus dem Bauch meiner Mutter kam, und war es wahrscheinlich schon davor angesichts der Umstände, in die ich hineingeboren wurde, und der Konsequenz dieser Umstände für meine pränatale Umgebung.

Zur Zeit meiner Geburt lebten meine Eltern im Distrikt Murewa, eineinhalb Stunden westlich von Harare, wo sie beide an der Murewa High School unterrichteten. Die High School befand sich in einer Mission, die 1909 von einem Missionar der American Methodist Episcopal Church (AME) gegründet worden war. Ich wurde in einem Krankenhaus in Nyadire geboren, einer weiteren AME-Mission gut 160 Kilometer vom Arbeitsplatz meiner Eltern entfernt im äußersten Nordosten des Landes. Zum Zeitpunkt meiner Geburt schloss sich diese Kirche, deren Hauptsitz damals in den Vereinigten Staaten von Amerika war und sich auch noch heute dort befindet, mit zwei anderen methodistischen Religionsgemeinschaften zur United Methodist Church (UMC) zusammen. Meine Eltern waren überzeugte Mitglieder.

Das Land, Südrhodesien, war zu diesem Zeitpunkt noch eine britische Kolonie, auch wenn es sich seit 1923 selbst verwaltete. Infolgedessen verfügte die Kolonie über ein eigenes Parlament, einen öffentlichen Dienst und eigene Sicherheitskräfte, die der Siedlerregierung unterstellt waren und nicht wie zuvor der britischen Regierung. Heute gehen die Meinungen zur Natur der britischen Kolonialpolitik zu jener Zeit auseinander. Izuakor beschreibt, wie aufgrund der offiziellen Kolonialpolitik in Kenia seit 1902 die europäische Bevölkerung von ungefähr einem Dutzend Personen 1901 bis 1921 auf 9651 Personen anwuchs gegenüber ungefähr 2,5 Millionen Afrikanern und trotz dieses Überwiegens der afrikanischen Bevölkerung ein System europäischer Vorherrschaft etabliert wurde.1 Whaley andererseits argumentiert, dass eine Politik der Vorrangstellung afrikanischer Interessen das leitende Prinzip jeglicher britischen Kolonialisierung auf dem Kontinent war – außer in Rhodesien.2 Whaleys Behauptung leitet sich von einem Weißbuch ab, herausgegeben vom britischen Minister für die Kolonien, dem Herzog von Devonshire, dessen Zweck es war, in den britischen Kolonien in Afrika die Vorherrschaft der Kolonisatoren an die afrikanische Bevölkerung zu übergeben, und von drei wesentlichen rhodesischen Gesetzen, die er unter dem Begriff »Verfassungsrechtliche Dokumente« zusammenfasst und die die Rassentrennung einführten. Das Weißbuch wurde 1923 veröffentlicht, im selben Jahr, in dem Großbritannien Südrhodesien die Selbstverwaltung zugestand. In den verfassungsrechtlichen Vereinbarungen der Selbstverwaltung, auf die sich Großbritannien und seine Kolonie einigten, behielt sich Großbritannien das Recht vor, in die gesetzgeberischen Angelegenheiten der Kolonie einzugreifen, insbesondere in »indigene« Belange. Tatsächlich jedoch setzte es den Tendenzen des weißen Vorherrschaftsdenkens nichts entgegen.

Zu den rassistischen Gesetzen, die knapp ein Jahrzehnt nach der Einführung der Selbstverwaltung erlassen wurden, gehörte der segregationistische Land Apportionment Act von 1930. Dieses Gesetz teilte die Kolonie auf in »europäische«, »indigene«, »unbestimmte«, »Wald-« und »nicht zugeordnete« Gebiete. Abgesehen von dieser Aufteilung verbot das Gesetz Afrikanern, Land in Europäern zugewiesenen Gebieten zu kaufen. Das hätte keine Strafmaßnahme sein müssen, wenn das Gesetz genügend Möglichkeiten zum Erwerb von Land für die afrikanische Bevölkerung vorgesehen hätte, was jedoch nicht der Fall war. Nicht zu rechtfertigen war – außer im Rückgriff auf Glaubenssätze der White Supremacy –, dass Afrikanern nur das Recht zugestanden wurde, auf lediglich sieben Prozent der Landfläche ohne Konkurrenz seitens der Siedler Grund zu erwerben. Das wurde zu einem andauernden Missstand für die afrikanische Bevölkerung und letztlich zu einem wesentlichen Grund für den bewaffneten antikolonialen Kampf der Simbabwer, der im April 1966 mit einem Gefecht in Chinhoyi begann, einer kleinen Stadt ungefähr 160 Kilometer nordwestlich von Harare. Der Konflikt eskalierte zu einem blutigen Guerillakrieg, der erst 1979 mit dem Lancaster-House-Abkommen endete, in dem sich die Nationalisten und die rhodesische Regierung einigten.

Auch nach 1923 waren Landbesitz und weiße Körper Voraussetzungen dafür, Zugang zu Rechten in Rhodesien zu bekommen – trotz des Vorrechts der britischen Regierung zu intervenieren. Das Land wurde zu einem Quasi-Staat mit unsichtbaren internen Grenzen, konsolidiert durch die Gesetzgebung. Die Städte galten gemeinhin als europäische Territorien. Afrikaner, die in speziellen afrikanischen Vierteln – den Townships – lebten, wurden zunehmend als Immigranten wahrgenommen. Bestimmte Gebiete des Landes wurden de facto sowohl in symbolischer als auch gesetzlicher Hinsicht weiß, eine Konvergenz, die die Anwesenheit unregulierter schwarzer Körper in diesen Gegenden ausschloss. Zusätzlich wurden die Gebiete, in denen Afrikanern ein gewisses Maß an Mobilität erlaubt war – darunter die Reservate und Orte an den Rändern urbaner Siedlungen –, als primitiv, rückständig und unterentwickelt ideologisiert, bewohnt von Menschen, die der Kategorie »andere« angehörten. Die Kontrolle, die notwendig war, um diese beiden Lebensräume getrennt zu halten, wurde offiziell wie auch inoffiziell ausgeübt.

1890, nahezu sofort nach der Ankunft der ersten Kolonisten in der Gegend des heutigen Harare, wurde eine Art Passierscheinsystem eingeführt; offizielle Passierscheine gab es seit den 1930er-Jahren. Rhodesier nannten diese frühen Kolonisten die Pionier-Kolonne. Es war eine Armee von 500 weißen Männern, die Cecil Rhodes über seine British South Africa Company (BSAC), die Britische Südafrika-Gesellschaft, ausgehoben hatte. Ihre Aufgabe bestand darin, die Gebiete, in die sie marschierten, für die britische Krone zu annektieren. Cecil Rhodes selbst war von 1890 bis 1896 Premierminister der Kapkolonie im Südwesten des heutigen Südafrika. Passierscheingesetze waren in der Kapkolonie 1760 von Gouverneur Earl Macartney, einem angloirischen Kolonialbeamten und Diplomaten, eingeführt worden, um die Mobilität von Sklaven in der Kolonie zu überwachen. Später wurden sie erweitert, um zu verhindern, dass Afrikaner in das Gebiet kamen. Als Rhodes diese Gesetze auf das frisch annektierte Territorium ausdehnte, setzte er damit eine etablierte britische Tradition der Segregation fort.

Passierscheine entsprechen einem internen Passsystem. Zunächst galten die Gesetze nur für afrikanische Männer. Das Passbuch, das afrikanische Männer und später auch Frauen in Städten mit sich führen mussten, legte fest, wo sie arbeiten, wohnen und wen sie heiraten durften. Mein Vater war ein Mann, der aufgrund des Gesetzes ein solches Passbuch in dem Land mit sich tragen musste, dessen Bürger er war. Kontrolle physischer Mobilität war eine wesentliche Strategie der rassistischen rhodesischen Politik. Meine Mutter erzählte mir von einem Vorfall, als sie in den 1940er-Jahren die Mittelschule besuchte und in den Ferien zu ihrer Familie in die Eastern Highlands zurückkehrte. Sie machte einen Ausflug in die nahe Stadt Umtali, das heutige Mutare. Als sie durch die Straßen ging, schlug eine Gruppe weißer Jugendlicher auf sie ein und stieß sie vom Gehweg in den Rinnstein.

Physische Mobilität und Zugang zu Land waren aber nicht die einzigen Bereiche afrikanischen Lebens, die die rhodesische Siedlerregierung kontrollierte. Bildung gehörte ebenfalls dazu. Nach Einführung der Selbstverwaltung 1923 wandte sich die Kolonie vom südafrikanischen Modell der Bildung ab, das bis zu diesem Zeitpunkt praktiziert worden war, und gab den hohen Standards weiterführender Schulen den Vorrang, damit die Siedlerkinder vergleichbare Chancen hatten wie die britische Jugend. Die Schulen für Afrikaner beschränkten sich andererseits anfänglich auf den Unterricht von landwirtschaftlichen und industriellen Fertigkeiten. Die erste weiterführende Schule für afrikanische Jugendliche wurde 1892 in St. Augustine, einer anglikanischen Mission nahe Penhalonga in den Eastern Highlands, gegründet. Die guten Ergebnisse, die die Jugendlichen in dieser Schule erzielten, veranlassten die Regierung, mehr weiterführende Schulen für afrikanische Schüler einzurichten. Die Goromonzi High School bei Harare wurde 1946 eröffnet, und 1957 folgte die Fletcher High School in Gweru. Meine Mutter gehörte zu den ersten Schülerinnen der Goromonzi High School. Nach dem Angriff der weißen Jugendlichen in den Ferien kehrte sie in die Schule zurück, und ihre Klasse bekam die Aufgabe, einen Aufsatz über die Ferien zu schreiben. Meine Mutter schrieb empört und wütend über den schockierenden Vorfall. Danach wurde sie ins Büro der Direktorin gerufen, wo man ihr erklärte, dass Geschichten dieser Art unangemessen seien und sie nie wieder Berichte über derartige Vorfälle schreiben solle.

Bildungseinrichtungen in Südrhodesien waren wie viele andere Institutionen im Land segregiert. Initiativen zur Abschaffung der Rassentrennung waren einer Gruppe weißer Bürger überlassen. Sie bemühten sich, ein System gradueller Veränderung einzuführen, das die schlimmsten Aspekte der Apartheid vermied, wie sie die Regierung im benachbarten Südafrika praktizierte. Letztlich war es das Ziel dieser Bürger, eine Art multiethnischer Gesellschaft zu schaffen.

Die »Desegregationisten« waren der Ansicht, dass die weiße Herrschaft einen zivilisierenden Effekt auf Afrikaner habe und dass dieser sich in afrikanischem Verhalten und afrikanischen Institutionen zeige. Oder mit den Worten Edgar Whiteheads, geschrieben 1960, als er sowohl Premierminister als auch Minister für indigene Angelegenheiten in Südrhodesien war:

Eine neue Phase wird jetzt bei den Afrikanern erkennbar, und zwar in ihren Institutionen. Die Veränderung zeigt sich in ihrer Fähigkeit, in organisierten Gruppen zusammenzuarbeiten, zu kooperieren, sich an Gesetze zu halten, persönliche Vorteile gemeinschaftlichen oder bürgerlichen Idealen unterzuordnen.3

Whiteheads Aussage deutet auf die in der weißen Bevölkerung Südrhodesiens gängige Vorstellung hin, dass im Land abgesehen von diesen neuen kultivierten Afrikanern eine andere Sorte von Afrikanern existiere. Laut Alan Cousins gab es für Weiße im Allgemeinen drei Arten von Afrikanern: die »zivilisierten«, die »Nationalisten« und die »Massen«: »Von den ›Zivilisierten‹ hieß es, dass sie eine sehr kleine Gruppe seien, die gerade erst im Entstehen begriffen war und die Nationalisten nicht unterstützen.« Charakteristisch für die zivilisierten Afrikaner war angeblich, dass sie moderat seien; zudem ging man davon aus, dass ihre affektiven und kognitiven Veranlagungen mit europäischen Werten und Gedanken korrespondierten. Die Nationalisten galten als instabile, kriminell veranlagte, großmäulige Extremisten, die die Macht für sich forderten. Diese furchteinflößenden Nationalisten waren angeblich ebenfalls eine kleine Gruppe, sodass der Großteil der afrikanischen Bevölkerung in der Siedlerideologie der undifferenzierten, entindividualisierten Kategorie der »Massen« zugeordnet wurde. Von ihnen hieß es, dass sie eine fröhliche Gesellschaft seien, zufrieden mit dem Fortschritt, den ihnen die Kolonialisierung gebracht habe, dass sie die Siedlerregierung unterstützten und sich nicht für Politik interessierten.

*

Die Einführung britischer Kolonialherrschaft in Afrika fiel mit den späten Phasen der viktorianischen Ära zusammen. Während dieser Zeit existierte vor allem bei nonkonformistischen Religionsgemeinschaften, darunter die Methodisten und der evangelikale Flügel der Kirche von England, ein heftiges, religiös geprägtes Streben nach hohen moralischen Standards. Die propagierten Werte waren unter anderem Glaube, Wohltätigkeit, Respekt und ein strenges Arbeitsethos, die zusammengenommen das Bild eines vorbildlichen, im Überfluss mit Würde und Selbstbeherrschung ausgestatteten Bürgers ergaben. In Südrhodesien wurden diese Vorstellungen von Moral und Anstand der afrikanischen Bevölkerung zum Wohl des rhodesischen Staates aufgedrängt. Vom Standpunkt der weißen Siedler aus galten afrikanische Frauen anfänglich als Opfer afrikanischer Männer. Die Männer wurden als Wesen gesehen, die bei der kleinsten Provokation zu Gewalttätigkeit neigten und nicht wirklich arbeiten wollten. Diese Ideologisierung afrikanischer Männer war notwendig, um die strenge Kontrolle, die seit 1890 über die Körper afrikanischer Männer ausgeübt wurde, und die Mittel zu rechtfertigen, mit denen sie gezwungen wurden, die Arbeit zu tun, die das kapitalistische koloniale Projekt erforderte. Afrikanische Frauen waren demnach die Beute der Männer, die gravierende sozioökonomische Forderungen an sie stellten. Davon sollten die Frauen befreit werden. Das System der Wanderarbeit, in das die afrikanischen Männer gepresst wurden, führte jedoch zunehmend zu sozialen Herausforderungen wie zum Beispiel Sexarbeit und Geschlechtskrankheiten, was wiederum die rassistische weiße Fantasie veranlasste, afrikanischen Frauen eine »angeborene Unmoral« zu bescheinigen, um die Phänomene zu erklären, die ihr System kapitalistischer Produktion erst hervorgebracht hatte.

Die BSAC gestand missionarischen Organisationen von Anfang an große Landgebiete zu. Wahrscheinlich, weil die Gesellschaft der Ansicht war, dass das Christentum mit seiner Doktrin der Demut und des Hinhaltens der anderen Wange ein Weg zur heilsamen Zähmung der afrikanischen Bevölkerung des Landes sei und die Menschen dann bereitwilliger zur Verfügung stünden, um den großen Bedarf an billigen Arbeitskräften zu decken. Und tatsächlich erwiesen sich diese Missionen als die Orte, an denen das bisherige Selbstverständnis der afrikanischen Bevölkerung unterminiert wurde. 1902 schrieb Reverend J. W. Stanlake, dass das Verständnis des Konzepts der Sünde und das Bedürfnis nach Erlösung für

den einheimischen Intellekt ein allmähliches Erwachen sein könnte, weswegen Gespräche wahrscheinlich zu besseren Ergebnissen führen werden als die herkömmliche Methode des Predigens. Unsere Arbeit ähnelt der eines U-Boot-Ingenieurs; sie ist nicht zu beobachten. Wir untergraben. Bisweilen geschieht das Unerwartete. Unsere Arbeit erleidet einen Rückschlag, und wir müssen von vorn beginnen.4

Die Mischung aus Kolonialismus und Religion, die zur Entstehung der Missionskultur in Südrhodesien führte, beeinflusste den Lebensweg meiner Eltern und den Lebensweg vieler anderer Afrikaner, die dank ihres Wunsches nach Bildung mit dem Missionsleben in Kontakt kamen. Das gesamte Konstrukt war, ob vorsätzlich oder nicht, von Grund auf bösartig. Wenig Gutes resultierte aus den Fundamenten der kolonialen Gesellschaft, wie sie in Simbabwe gelegt wurden. Heute kämpfen die Simbabwer gegen diejenigen, die bei der Unabhängigkeit das Gebäude des Kolonialstaats übernahmen.

Ich wurde also in diese grausame Gesellschaft geboren, die mich im Wesentlichen als mangelhaftes Wesen konstruierte, als jemanden, der erst ein vollständiger Mensch werden müsse, aber da er einen schwarzen Körper habe, diesen Status nie erreichen werde. In dieser Situation wuchs ich auf. Es sind diese Bösartigkeiten, ihre Grundlagen und ihre Wirkung auf mein Leben und das Leben anderer Menschen mit schwarzem Körper, denen ich in diesen Essays nachspüre. Im ersten Aufsatz überprüfe ich, wie das Schreiben für mich zu einer andauernden Analyse der Vernetzung meiner persönlichen Geschichte mit der meines Landes wurde. Im zweiten Aufsatz beschreibe ich, wie sich der Weg der Gesellschaft Simbabwes vom Kolonialismus zum Postkolonialismus auf die Stellung der Frauen sowohl im privaten wie auch im öffentlichen Raum ausgewirkt und die Kompetenz simbabwischer Frauen beschnitten hat, sich zu entwickeln, von ihrem weiblichen wie menschlichen Potential zu profitieren und es zu feiern. Im dritten Aufsatz diskutiere ich, auf welche Weise Dekolonisierung vor allem ein diskursiver Vorgang ist, der zuerst in der Vorstellungswelt stattfinden muss, bevor die Gesellschaft davon ausgehen kann, dass der Prozess der Dekolonisierung zu etwas Gutem führt sowohl für die Menschen und anderen Lebewesen auf der Erde als auch für die Erde selbst.

Seit meiner Geburt bin ich, wo immer ich mich auch befinde, auf der Flucht vor dem bösartigen Reich der Vorstellung, das zuerst das koloniale Rhodesien, dann die Republik Rhodesien und schließlich ihren Nachfolger – das militarisierte, elitäre Simbabwe – geschaffen hat. Ich kenne das Ziel meiner symbolischen Migration nicht und bezweifle angesichts der derzeitigen Konstruktion der globalen Welt, dass es überhaupt ein Ziel gibt. Die folgenden Essays sind ein Ort in der unsichtbaren Geografie meines Exils.

SCHREIBEN ALS SCHWARZE UND ALS FRAU

Die erste Wunde von uns allen, die als »schwarz« klassifiziert werden, ist das »Imperium«. Das ist eine Wahrheit, der viele von uns – ob wir nun dieser Kategorie angehören oder nicht – lieber nicht ins Auge sehen. Heute ist das Wunden schlagende Imperium das der westlichen Staaten: das Imperium, das in seiner Hochzeit im 19. Jahrhundert 80 Prozent der Erde umfasste. Dazu gehören das britische Empire, das mein Land Simbabwe in den 1890er-Jahren kolonisierte. Ich wurde ins Empire hineingeboren: Meine Eltern waren ein Produkt des Empire wie ihre Eltern vor ihnen und ihre Großeltern, meine Urgroßeltern.