Schweiz ist geil - Dominik Brülisauer - E-Book

Schweiz ist geil E-Book

Dominik Brülisauer

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Beschreibung

Wilhelm Tell landete mehr Treffer als Google, unsere Söldner richteten im Mittelalter mehr Schaden an als der Friseur von Boris Johnson und Ursula Andress befreite den Begriff Bondgirl aus der Schmuddelecke. Du erfährst unter anderem, warum die elektrische Gitarre ein Schweizer Nationalinstrument sein sollte, warum die Globi-Bücher Weltliteratur sind, warum die Toblerone dreieckig ist, wie Sepp Blatter den Fussball erfand und was ein Nacktwanderer an der Street Parade trägt. Die Schweiz ist das beste Land der Welt. In diesem Buch lernst du alles über unser System, unsere Geschichte, unsere Promis, unsere Helden, unsere Bräuche oder unsere Innovationen. Einfach alles.

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Für Stefanie, Simon, Gian-Paul und Nando

Inhaltsverzeichnis

Herzlich willkommen

Die Schweiz ist das beste Land der Welt

Eine schöne Vorgeschichte

Vor 13,7 Milliarden Jahren hat es gekracht

Say Cheese

Wir produzieren ganz großen Käse

Muss man gesehen haben

Schweizer Sehenswürdigkeiten im Überblick

Mit ein wenig Hilfe von unten

Wir bauen die erste Teufelsbrücke

Kampf der Giganten

Die Schwingerszene breitet sich aus

Ich schwöre, Mann

1291 kommen sich die Eidgenossen näher

Unser Shootingstar

Wilhelm Tell trifft ins Schwarze

David gegen Goliath

1315 geben wir am Morgarten den Tarif durch

Wer nicht lernen will …

Wir erteilen in Sempach Nachhilfestunden

Naturgewalten aus den Bergen

Von 1400 bis 1848 formen wir Europa

Geld stinkt nicht

Das Bankwesen erwacht zum Leben

Guter Rat ist gratis

Niklaus von Flüe zeigt, wo’s langgeht

Unser Vollgott in Weiß

Paracelsus schreibt Medizingeschichte

Wer hat’s erfunden?

Das Land der Innovationen

Im Westen viel Neues

Zwingli, Calvin und der Kapitalismus

Geburt der Uhr-Schweiz

Wir erobern die Welt und das Weltall

Unser Zahlenpaar

Mit Bernoulli und Euler kann man rechnen

Vive la Révolution

Jean-Jacques Rousseau schreibt Weltgeschichte

Der Coole von der Schule

Pestalozzi wird zum Pestalozzi

Alles auf eine Karte

Guillaume-Henri Dufour nimmt Maß

Allzeit schussbereit

Aufmarsch der besten Armee der Welt

Die Charmeoffensive

Unsere Schokolade startet ihren Siegeszug

Zug um Zug

Alfred Escher stellt die Weichen für die Zukunft

Die Sache mit dem Kreuz

Dank Henry Dunant kriegt der Krieg Spielregeln

In bester Verfassung

1848 gründen wir unseren Bundesstaat

Über Politik redet man

Diskussionen im Nationalrat, Ständerat und Bundesrat

Schuld und Sühne

Mit unserem Rechtsstaat haben wir immer recht

Die Freude der Wahl

Die Schweizer ergreifen Partei

Schweizer Hirn

Unsere hellsten Köpfe von 1850 bis 1900

Der wahre Gitarrengott

Adolph Rickenbacher erfindet den Rock ’n’ Roll

Total verplant

Le Corbusier schreibt Architekturgeschichte

Ein gesunder Appetit

Nestlé wächst zum größten Lebensmittelkonzern

Einfach mal die Messe halten

Von der ersten Landesausstellung bis zur OLMA

Den Sieg im Sack

Unser Rüstungsunternehmen Victorinox

Die Chemie stimmt

Wir sind die Apotheke der Welt

Der ganz abnormale Wahnsinn

Mit Dada erobern wir die Kunstwelt

Lesestoff, der einfährt

Weltliteratur von Frisch, Dürrenmatt und Globi

Wahre Höhenflüge

Die Swissair erobert den Luftraum

Ein Land in Bewegung

Wir lieben sportliche Großveranstaltungen

Unterhaltung mit Haltung

Dank der SRG sind wir mediengeil

Das Herz schlägt links

Jean Ziegler ist unser Robin Hood

Humor ist eine ernste Sache

Unsere professionellsten Spaßvögel

Das Leben ist Musik

Claude Nobs gibt den Takt an

Unser Fußballgott

Die Welt ist rund und gehört Sepp Blatter

Ein deutscher Albtraum

Wir beenden den Zweiten Weltkrieg

Die Jagd ist eröffnet

Carla Del Ponte kennt keine Gnade

Wahre Organisationstalente

AHV, Rega, WWF, UNOG, WEF, WWW u. v. m.

Die Promiparade

Die größten Schweizertalente von 1900 bis 1950

Richtig verkehrt

Bertrand Piccard geht neue Wege

Die Eiskönigin

Denise Biellmann und andere Sportskanonen

Klingt verdammt gut

Musik aus der Schweiz

Der Tennisplatzhirsch

Roger Federer gibt sich die Ehre

Glanz und Gloria

Die wichtigsten Cervelat-Promis

Alle Jahre wieder

Schweizer Traditionen und Brauchtum

Beste Aussichten

Ein paar Worte zum Abschied

HERZLICH WILLKOMMEN

Die Schweiz ist das beste Land der Welt

Geografisch liegt die Schweiz im Herzen Europas. Metaphorisch ist die Schweiz aber das Herz der ganzen Welt. Es besteht die Möglichkeit, dass meine Meinung ein wenig dadurch gefärbt ist, dass ich in der Schweiz geboren, aufgewachsen, aufgeklärt, sozialisiert und indoktriniert worden bin. Oder dass ich mich selten im Ausland aufhalte, mich grundsätzlich am liebsten nur mit anderen Schweizern unterhalte oder ich Abonnent der Weltwoche bin. Aber das spielt für mich keine Rolle. Schließlich erhebe ich keinen Anspruch auf Objektivität. Ich bin ganz einfach in die Schweiz verliebt. Ich verehre ihre von Gletschern geformten Rundungen, wie sie früh am Morgen aussieht, wie sie vor, während und nach dem Regen duftet, wie ich in ihrem Pulverschnee snowboarden, ihre Berggipfel besteigen und tief, ja, ganz tief in ihre Seen, Täler und Schluchten eintauchen kann. Oh yeah.

Ich liebe sogar ihren eifersüchtigen Blick, mit dem sie mich nach meinen seltenen Auslandsreisen am Flughafen Zürich in Empfang nimmt. Mit dem gesenkten Kopf eines Ertappten flüstere ich ihr beschwörend zu: «Nein, meine kleine Helvetia, ich werde nicht auswandern. Du hast mich wieder. Voll und ganz. Für immer. Versprochen.»

Dann zücke ich voller Stolz meinen roten Schweizer Reisepass, halte ihn hoch in die Luft, damit ihn alle anderen Einreisenden zu sehen bekommen und lasse ihn von einem freundlichen Grenzbeamten in dunkelblauer Uniform mit geübtem Auge inspizieren. Hinter der Sicherheitsscheibe bestätigt er mir lächelnd, dass wie erwartet alles in Ordnung ist, und gibt mir von offizieller Seite zu verstehen, dass es schön ist, mich gesund und munter zurückzuhaben. Dann verstaue ich meinen roten Reisepass in meiner wasserdichten, feuerfesten und schusssicheren Reisepass-Hülle – schließlich ist dieses Wertpapier begehrter als Aktien von Lockheed Martin während Kriegszeiten.

Der Schweizer Reisepass ist der Dietrich unter den Reisepässen, immerhin öffnet er einem die Türen zu jedem erdenklichen Land. Man kommt mit ihm nicht nur nach Deutschland, England oder Russland, sondern bestimmt auch ganz easy ins Niemandsland, Zauberland, Wunderland, Nimmerland, Erzeugerland, Morgenland, Disneyland oder Märchenland. Und danach selbstverständlich wieder zurück ins Schlaraffenland respektive Vaterland respektive Heimatland respektive zurück in die Schweiz.

Die zu Indien gehörende North Sentinel Island ist dafür bekannt, dass die Eingeborenen sämtliche eindringenden Missionare, Touristen oder Hobby-Ethnologen mit Pfeil und Bogen über den Haufen schießen. Warum das Volk so fremdenfeindlich drauf ist und ob auf der Insel eine Partei namens Alternative für North Sentinel Island das Sagen hat, weiß man nicht so genau. Es kommen einfach nicht genug Leute lebend von der Insel weg, um Genaueres berichten zu können. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass man mit einem Schweizer Pass von den Sentinelesen herzlichst auf der Insel willkommen geheißen wird. Mit einem Schweizer Pass kommt man auch in das vatikanische Geheimarchiv, in die Area 51, in die Original-Höhle von Lascaux, ins Pentagon und sogar nach Australien – und das schaffen mittlerweile die wenigsten Bewohner dieses Planeten.

Wenn ich irgendwo auf der Welt in ein Hotel einchecke, freue ich mich immer auf den Moment, wenn ich meinen Pass auf die Empfangstheke legen darf und die Angestellten reagieren, als hätte ich gerade einen Nobelpreis für Coolheit oder einen Oscar für den besten Film des Jahrtausends aus meiner Tasche gezogen. «Oh, wow, that’s nice, Switzerland, chocolate and cheese! Welcome, sir!»

Ja, das ist ein geiles Gefühl. Ich stelle mir in solchen Momenten immer vor, wie es wäre, müsste ich einen deutschen Reisepass vorweisen, und wie die Temperatur in der Hotellobby gleich zehn Grad runterfallen und die Laune des Rezeptionisten in den Keller purzeln würde. «Ah, Germany, okay, Verona Pooth and Xavier Naidoo. Sorry, no vacancy!»

Der Schweizer Pass ist im Ausland ein Versprechen. Jeder weiß: Als Schweizer bezahlt man pünktlich und man fällt nicht negativ auf. Man beschwert sich nicht, wenn beim Dinner das Hühnchen roh serviert wird, sondern man isst es anständig auf, entschuldigt sich beim Servicepersonal, wenn man fünf Minuten später Salmonellen auf den Tisch kotzt, hilft tatkräftig mit, die Sauerei wegzuwischen und gibt ein fettes Trinkgeld für die Umstände, die man verursacht hat. Wenn man sich dann todkrank ins Hotelzimmer zurückkämpft und dort in seinem Bett die Putzfrau und den Liftboy beim Ein- und Auschecken erwischt, wartet man diskret ab, bis die beiden ihre kleine verbotene Romanze beendet haben, bevor man sich zum Sterben oder Auskurieren in die verschwitzten und verklebten Federn legt. So sind wir Schweizer. Ab und zu kommt mir der Schweizer Pass vor wie eine schöne Freundin: Er ist etwas, das einen ein bisschen etwas kostet, aber das man dafür gerne überall herumzeigt. Aber im Gegensatz zu der schönen Freundin braucht der Schweizer Pass wenig Platz, bleibt schön ruhig, wenn man ihn mal verlegt hat, und ist nicht übertragbar.

Die Schweiz ist mein Zuhause. Wo sonst kann ich mich in Wäldern verlieren und mich kurz darauf in einem urbanen Trendlokal wiederfinden? Hier ruft nicht nur der Berg, sondern auch die Wiese, die Palme, der Gletscher, der See, das Dorf und die Stadt. In der Schweiz hat alles seinen Reiz. Und die Schweiz ist das wohl sauberste Land der Welt. Gäste sollten an der Grenze ihre Schuhe ausziehen und in ein paar gemütliche Pantoffeln schlüpfen müssen, bevor sie unser Land betreten dürfen. Und dass man bei uns zuerst duscht, bevor man sich in einem öffentlichen Gewässer wie einem Fluss oder See abkühlt, das versteht sich wohl von selbst. Außerdem herrscht bei uns Ordnung. Und zwar nicht Ordnung im totalitären Sinn wie in China oder dem Iran, wo den Bürgern von oben Verhaltensnormen runtergeprügelt werden und durch verzwickte Kontrollsysteme sichergestellt wird, dass sich alle an den Blödsinn halten. Nein, bei uns herrscht eine gute Ordnung. Eine Ordnung, die uns auf ganz natürliche Art hilft, uns auszuleben und unsere Freiheiten zu genießen. Wir wissen: Die Freiheit jedes Bürgers hört dort auf, wo die des anderen beginnt. Und damit man nicht allzu lange diskutieren muss, wo diese Grenzlinie genau verläuft, haben wir uns eine ganze Menge Regeln und Mechanismen zugelegt, die unser Zusammenleben harmonisch gestalten. Dazu gehört, dass wir für jede Kleinigkeit eine offizielle Bewilligung einholen müssen – für jedes Waldfest, für jede Demonstration oder für jeden Hausbau. Außenstehende kann es durchaus befremden, dass bei uns nicht mal Vögel, Biber oder Ameisen ohne Baubewilligung ein Nest, einen Damm oder einen Haufen konstruieren dürfen, aber unser Erfolg gibt uns recht: Bei uns herrscht Ordnung.

Helvetia ist eine herausgeputzte, attraktive junge Dame, die hohe Ansprüche hat. Sie gehört keinem Harem an. Sie muss sich nicht wie andere europäische Länder zur Belustigung eines Zuhälters aus Brüssel am Pool räkeln oder nach der Pfeife eines Königs tanzen. Die Schweiz ist die Natalie Portman unter den Nationen: talentiert, schön, selbstständig, fordernd, fleißig, selbstbewusst, begehrt und mehrsprachig. Unser nördlicher Nachbar Deutschland ist eher Angelina Jolie: ein Kontrollfreak mit dicken Lippen. Frankreich im Westen von uns hat wiederum Ähnlichkeiten mit Paris Hilton: Bei beiden weiß man nicht so genau, was eigentlich ihre Rollen sind, und niemand nimmt sie so richtig ernst. Aber weil ihre Vorfahren eine gewisse Bedeutung hatten, dürfen sie sich heute noch überall aufdrängen und zu allem ihren Moutarde dazugeben. Jawohl, Frankreich ist zu einem It-Land verkommen. Unser südlicher Nachbar Italien ist die klassische Britney Spears: chaotisch, laut und ohne Vormund kaum lebensfähig. Und Österreich? Unser Nachbar im Osten ist wie Tracy Chapman respektive wie ihre Frisur: total verfilzt. Man kann durchaus von kultureller Aneignung sprechen.

Aber zurück zur Schweiz: Von diesem kleinen Alpenland aus haben Menschen, Ideen und Erfindungen dem ganzen Planeten immer wieder positive Impulse gegeben. Der Auswanderer Johann August Sutter (1803–1880) wurde zum Kaiser von Kalifornien und legte dort den Grundstein dafür, dass dieser Bundesstaat heute beinahe so innovativ und erfolgreich ist wie die Schweiz. Im Vergleich dazu leidet Mississippi heute noch unter seinem französischen Einfluss und gilt als der ärmste Bundesstaat der USA. Der Waadtländer Charles Gleyre (1806–1874) gab den Künstlern Claude Monet und Pierre-Auguste Renoir Malunterricht. In Paris machte das Gerücht die Runde, dass Monet und Renoir ohne Schweizer Hilfe niemals zu bekannten Impressionisten geworden wären, sondern bis zu ihrem Tod ausschließlich nach Zahlen gemalt hätten.

Der Solothurner Rudolf Steiner (1861–1925) erfand mehr oder weniger im Alleingang die Esoterik, die Anthroposophie und das Baumumarmen. Dank ihm lernen Kinder heute an den Rudolf-Steiner-Schulen, wie man Konflikte wegmeditieren, Rechenresultate vortanzen und Fremdsprachen erfühlen kann.

Der Winterthurer Hans Gamper (1877–1930) wiederum gründete mit dem FC Barcelona einen der erfolgreichsten Sportvereine der Welt. Lionel Messi, Neymar oder Luis Suarez betonen immer wieder, dass es bei ihnen talentmäßig leider nie für einen Schweizer Verein wie den FC Thun oder den FC St. Gallen gereicht hat, aber sie sehr stolz darauf sind, immerhin mal für einen Klub mit Schweizer Wurzeln gespielt zu haben. Das ist doch herzig, oder?

Louis Chevrolet (1878–1941) aus La Chaux-de-Fonds gründete mit Chevrolet die wohl bekannteste amerikanische Automobilfabrik. Wahrscheinlich tragen wir Schweizer Schuld daran, dass in den Vereinigten Staaten der öffentliche Verkehr heute noch weniger ausgebaut ist als das Hooters-Filialnetz in Pakistan. Ganz einfach aus dem Grund, dass unsere Autos zu gut sind und jeder eines fahren will.

Jean-Luc Godard (1930–2022) war Regisseur und Liebling der Intellektuellen. Seine Filme sind so kompliziert, dass sie jeweils nur die fünf klügsten Menschen der Welt überhaupt verstehen können. Es gibt Quantenphysiker, die sich nach dem Anschauen eines Godard-Films zurück in ihr stilles Kämmerchen sehnen, wo sie geistig wieder runterfahren und ganz einfach nur über kosmische Hintergrundstrahlung, Hochtemperatursupraleiter oder die Gravitation nachdenken können.

Aber wir setzen nicht nur beim Film die Messlatte hoch, sondern auch bei der Musik. Bruno Spoerri (1935) gehört zu den einflussreichsten Aushängeschildern des Jazz und der elektronischen Musik. Einem breiteren Publikum ist er seit seinem Rechtsstreit gegen Gangster-Rapper Jay-Z bekannt. Jay-Z hatte Spoerris Song On the Way geklaut und aus dem Diebesgut seinen Track Versus gebastelt. Notabene ohne zu deklarieren, von wem das Original stammt. Spoerri ließ das nicht auf sich sitzen und erklärte Jay-Z, er respektiere zwar, dass er ein Gangster sei und Gangster von Berufs wegen Klauen müssten, er aber in diesem Fall ganz klar eine Linie überschritten habe. Der knallharte Jay-Z weinte wie ein kleines Schulmädchen und erklärte Spoerri wimmernd, dass sein Sound ohne Schweizer Inputs scheiße klingen würde und winselte um Verzeihung. Spoerri nahm die Entschuldigung an und versprach ihm sogar, in naher Zukunft keine Affäre mit seiner Ehefrau Beyoncé zu starten. Jay-Z konnte sein Glück kaum fassen.

Der Aargauer Daniel Humm (1976) ist der beste Koch der Vereinigten Staaten. Zugegeben, das ist ungefähr so schwierig, wie als Inder der beste Cricket-Spieler von Grönland zu werden – schließlich legen Amerikaner normalerweise auf gutes Essen weniger Wert als Carla Bruni auf einen vernünftigen Umgang mit Botox. Aber Daniel Humms Restaurant Eleven Madison Park liegt an bester Adresse in New York. Dort kommen durchaus Leute vorbei, die sich nicht zum Frühstück ein Hamburger-Müsli, zum Mittagessen einen doppelten Dreifach-Hamburger, zum Nachtisch einen Hamburger-Milchshake und zum Abendessen einen Hamburger-Salat reinwürgen wollen. Nein, in New York sind die Leute kulinarisch wesentlich abenteuerlustiger. Hier darf es auch mal ein Steak sein. Wenn Humm selber Hunger hat, dann vernascht er gerne mal eine Schönheit wie Demi Moore, man gönnt sich ja sonst nichts.

Apropos Amerika: Ex-Präsident Barack Obama hat Schweizer Wurzeln. Seinem Teint nach zu urteilen, liegen sie wahrscheinlich in einem unserer schönen Südtäler oder er stammt aus einer alten Skilehrerfamilie aus dem Wallis. Meine Recherche dazu habe ich noch nicht ganz abgeschlossen.

Und woher kommt wohl der erfolgreichste Forschungsdirektor der NASA? Richtig, auch aus der Schweiz. Die NASA suchte während Jahrzehnten im ganzen Weltraum nach intelligenten Lebensformen. Richtig erfolgreich war sie erst, als sie 2016 auf den Berner Thomas Zurbuchen stieß. Dank seines Inputs bestehen reale Chancen, Jahrtausende alte Fragen endlich beantworten zu können. Was ist Raum? Was ist Zeit? Was ist Zeitraum? Was ist Raumzeit? Warum vergeht die Zeit in einem Büroraum langsamer als in einem Partyraum? Dank Thomas Zurbuchen werden wir schon bald sämtliche Planeten des Sonnensystems besiedeln. Um jegliche Art von Star Wars zu verhindern, wird Thomas Zurbuchen dafür sorgen, dass diese neue Welt nach dem erfolgreichen Vorbild der Schweiz föderal organisiert wird. Am besten werden wir das interplanetarische Parlament gleich bei uns im Bundeshaus in Bern unterbringen. Unstimmigkeiten zwischen Marsianern, Jupiterianern oder Saturnianern werden dann in den Mühlen von Bern langsam, aber sicher zu einem fairen Kompromiss gerieben.

Dank uns wird es auch keine diskriminierenden Kategorisierungen wie erdähnlicher Planet mehr geben, sondern alle werden gleichbehandelt werden. Egal ob groß oder klein, gasförmig oder fest, eiskalt oder glühend heiß, überall soll Leben stattfinden dürfen. Randständige Planeten wie der Neptun werden mit einer PTT-Raumschiffverbindung durch Highspeed-Wurmlöcher erschlossen sein, kreative AbzockerIdeen wie eine Ringsteuer, von der schlussendlich nur der dekadente Saturn betroffen sein wird, werden für das nötige Kapital für die Subvention der Landwirtschaft auf dem Merkur oder die Förderung der Rechte der genderfluiden, misophonen und laktoseintoleranten Esoterikerszene auf der Venus sorgen.

Lobbyisten der Kernkraft werden dann sogar vorschlagen können, dass man das Sonnensystem nicht mehr Sonnensystem nennen darf, weil sie das als Werbung mit unlauteren Mitteln für Solarenergie empfinden. Wir werden darüber reden, bis alle zufrieden sind. Schlussendlich wird unser politisches System dem ganzen Weltall Frieden bringen. Möge die Macht mit Thomas Zurbuchen sein, auch wenn er mittlerweile zurückgetreten ist. Unter Zurbuchens Leitung schaffte die NASA 2022 ganz nebenbei das Undenkbare. Mit der Raumsonde DART wurde der Asteroiden-Mond Dimorphos aus seiner Bahn geballert. Das waren schlechte News für alle begeisterten Weltuntergangspropheten – dank uns Schweizern droht der Menschheit im Notfall nicht das gleiche Schicksal wie den Dinosauriern. Wir werden uns nicht mit einem Big Bang wieder verabschieden müssen.

Heute steht die Schweiz für Idylle, funktionierende Institutionen und Souveränität des Volkes. Wann immer auf der Welt staatsähnliche Gebilde entstehen, die einigermaßen etwas taugen, vergleicht man sie gerne mit der Schweiz. Den Libanon nannte man zu seinen besten Tagen die Schweiz des Nahen Ostens und Uruguay gilt heute noch als die Schweiz Südamerikas. Und die richtige Schweiz? Ja, die Schweiz ist die Schweiz Europas. Oder ganz einfach: das Original. Die unbefleckte platonische Idee von Paradies, Rechtsstaat und Demokratie.

Man kann ohne falsche Bescheidenheit behaupten, dass die Schweiz das beste Land der Welt ist. Dabei war unsere Ausgangslage alles andere als rosig. Wir wurden ohne nennenswerte Bodenschätze zu einem der reichsten Länder des Planeten. Ohne große Kriege zu gewinnen, verschafften wir uns in der ganzen Welt Respekt und ohne eine nur schon im Ansatz ernstzunehmende Fußball-Nationalmannschaft zu unterhalten, liegt die Hauptstadt des Weltfußballs in unserem Land. Das macht ungefähr gleich viel Sinn, wie wenn der Hauptsitz des internationalen Skiverbands in Burundi läge. Das tut er aber nicht. Warum? Weil er ebenfalls in der Schweiz liegt – und zwar in Thun. Jetzt kann man behaupten, dass die Schweiz eben landschaftlich wunderschön ist und somit viele Touristen anlockt, die hier viel Geld liegen lassen. Das stimmt ja auch. Aber ist der Grand Canyon nicht auch spektakulär? Oder die Wüste Gobi? Oder der Nordpol? Natürlich, alles visuell sehr ansprechend. Trotzdem wurde die Schweiz zum Mekka für jeden Touristen dieser Welt. Oder kennst du jemanden, der kürzlich in Arizona, in China oder im Nordpolarmeer unterwegs war? Eben. Die Schweiz steht auf der To-do-Liste jedes Weltbürgers, der einen Koffer und eine transportierbare Zahnbürste besitzt. Das liegt daran, dass wir unsere verdammt schöne Landschaft auch verdammt gut verkaufen. Ohne Eiger, Mönch und Jungfrau fotografiert zu haben, muss man seinen Heimflug gar nicht antreten.

Es ist ein Naturgesetz, dass Erfolg auch Neider auf den Plan ruft. Der Schauspielerin und personifizierten Schweiz Natalie Portman sagt man deshalb auch nach, dass sie ein krankhafter und karrieregeiler Workaholic ist. Das ist ja logisch, das muss sie doch. Schauspieler, die keine Ambitionen an den Tag legen, landen früher oder später im Dschungelcamp, arbeiten als Richterinnen in einer Fernsehshow oder zelebrieren in Werbespots Menstruationsprodukte. Wer keine Kritik erträgt, darf nicht über den Durchschnitt hinauswachsen, denn oben bläst einem ein kühler Wind um die Ohren. Die Schweiz weiß das. Dieser eisige Wind der Kritik flüstert ihr aus dem Ausland immer und immer wieder folgende Botschaft zu:

«Liebe Schweiz, Du wurdest im Zweiten Weltkrieg von Hitler verschont, weil Deine Großbanken sein Raubgold wuschen und Nazi-Deutschland somit kriegswichtige Rohstoffe kaufen konnte. Du bist nur reich geworden, weil Du das Geld von zwielichtigen Persönlichkeiten wie Jean-Claude Duvalier, Ferdinand Marcos oder Uli Hoeness verwaltest. Diese Potentaten haben das Geld ihrem Volk gestohlen und ihre Heimatländer Haiti, die Philippinen und Deutschland verarmt zurückgelassen. Du duldest die Masseneinwanderung von Fremden nur, wenn sie in Form von zahlungskräftigen Touristen mit Rückflugticket auftaucht.»

Vielleicht enthalten diese Unterstellungen sogar ein Körnchen Wahrheit. Das Problem liegt aber darin, dass, wenn man sich nur auf ein Körnchen fokussiert, einem die ganze Schönheit des prosperierenden Kornfeldes rundherum entgeht und man leicht vergisst, es zu bestellen und die Ernte ins Trockene zu fahren.

Gerne kritisiert werden auch unsere Volksabstimmungen. 2009 beschlossen wir zum Beispiel, dass man keine Minarette an Moscheen bauen darf. Der Grund: Historisch gesehen ist für Moslems das Minarett ein Herrschaftssymbol. Das heißt, alles, was man von einem Minarett aus sieht, wird zu islamischem Untertanengebiet erklärt. Da hatten wir christlich geprägten Schweizer logischerweise etwas dagegen. Freiwillig Minarette in unser Land zu lassen, das kam uns vor, wie aus falscher Toleranz einen Pyromanen im Feuerwerksladen arbeiten zu lassen. Die Linken betonten während des Abstimmungskampfes immer wieder, dass die überwältigende Mehrheit der Muslime friedlich gesinnt und diese ganze Abstimmung ein Witz sei. Das Argument leuchtete mir zwar ein, aber ich finde die Linken heute noch sehr inkonsequent. Der größte Teil der Kernkraftwerke verursacht auch keine Probleme, trotzdem will die Sozialdemokratische Partei ausnahmslos alle abschalten.

Wie dem auch sei – die Schweizer aufgrund dieser Volksabstimmung als rechten Haufen zu betiteln, ist mehr als unfair. Die Religionsfreiheit wurde für Moslems durch das Minarett-Verbot nicht eingeschränkt. Wir würden bestimmt auch zu einem Adolf-Hitler-Denkmal-Bauverbot ja sagen, selbst wenn es der politischen Überzeugung gewisser Vollidioten zuwiderliefe, die sich dann in ihrer von der Verfassung garantierten politischen Meinungsäußerung eingeschränkt fühlen würden. Jedenfalls dürfen unsere muslimischen Mitbürger ihrem Glauben nachgehen wie alle anderen Glaubensgemeinschaften in der Schweiz auch. Und von denen gibt es einige. Die Schweiz belegt in puncto Glaubensvielfalt weltweit eine Spitzenposition. Laut unserem Sektenfachmann Hugo Stamm gibt es in der Schweiz über 250‘000 Menschen, die man als Anhänger einer spirituellen Vereinigung bezeichnen kann. Dazu gehören über 13‘000 Heiler und über tausend verschiedene Sekten. Jeder glaubt an irgendwas. Bei uns gibt es Frutarier, Teufelsanbeter, Zeugen Jehovas, Zeugen des Christoph, Scientologen, Kreditgeber, Protestanten, römische Katholiken, Christlich-Orthodoxe, Muslime, Juden, Buddhisten, Jungsozialisten, Sozialisten, Altsozialisten, Rastafaris, Pastafaris, Staatsgläubige, Marktgläubige, Anhänger der Freikirche, Anhänger der Freikörperkultur, Veganer, Klimawandelgläubige, Klimawandelkritiker und je länger, je mehr Verschwörungstheoretiker, Putinlover und Impfgegner.

Wir wohnen alle zusammen unter dem Dach der Religionsfreiheit. In der Schweiz betet man in Moscheen, Fußballstadien, Synagogen, Kirchen, Börsen oder auf der Straße. Nebenbei tragen unsere schönsten Berge Namen wie Mönch, Dom oder Monte Salvatore. Was noch fehlt, ist die Mohammed-Spitze, der Piz Ron Hubbard, das Dalai-Lama-Horn oder der Satansgrat. Die werden im Sinn der Konsensfindung und der Anpassung an demografische Entwicklungen bestimmt noch kommen. Dazu kommt, dass Gottfried Keller einer unserer bekanntesten Schriftsteller, Fribourg-Gottéron einer unserer besten Eishockeyklubs und der Gotthard-Straßentunnel eines unserer eindrücklichsten Bauwerke ist. Wie du siehst, in der Schweiz findet man Gott überall und in allen Formen. Man muss nur gut genug hinschauen.

Ob mit oder ohne Gottes Hilfe ist die Schweiz groß geworden, obwohl sie flächenmäßig klein ist. Zum Spaß halten wir uns noch das Fürstentum Liechtenstein als kleine Schwester. Wenn wir über den Rhein ins Ländle schauen, überkommen uns Schweizer väterliche Gefühle. Am liebsten würden wir das süße kleine Fürstentum streicheln und knuddeln und uns dabei so richtig groß vorkommen. Aber eben: Der Blick in die anderen Nachbarländer führt uns die Relationen wieder vor Augen. Es ist allseits bekannt, dass, wenn man die bergige Schweiz platt walzen würde, ebenfalls ein Großreich entstehen könnte. Aber das will ja niemand. Nein, wir arrangieren uns lieber mit unseren bescheidenen Platzverhältnissen, finden uns damit ab, dass wir ein schräges Land sind, jedenfalls geographisch, und üben uns in Sparsamkeit. Sparsamkeit gehört ohnehin zu unseren Lieblingstugenden und sie äußert sich in unserem täglichen Verhalten. Unsere Kinder lernen als erstes Tier das Sparschwein kennen. Auch unsere Gefühle laufen auf Sparflamme, schließlich sind wir nicht so emotional wie unsere italienischen Nachbarn. Um Wasser zu sparen, stellen wir Schweizer beim Einseifen die Dusche aus, obwohl wir im Wasserschloss Europas wohnen. Das ist ungefähr so, wie wenn die Tuareg mit Sand haushälterisch umgehen würden oder Taylor Swift mit ihrem unrechtmäßig verdienten Vermögen.

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, möchte ich in diesem Buch ein möglichst facettenreiches Porträt der Schweiz malen. Dazu gehören ihre glorreiche Geschichte, ihre unvergleichlichen politischen Errungenschaften, ihre spektakulären wirtschaftlichen Erfolge, ihre unvergesslichen sportlichen Heldentaten, ihre richtungsweisenden kulturellen Höhenflüge und alles, was noch dazwischen passt. Und ja, dieses Buch ist tendenziös. Schließlich bin ich selbst Schweizer – was hast du anderes erwartet? Willkommen zur Tour de Suisse.

EINE SCHÖNE VORGESCHICHTE

Vor 13,7 Milliarden Jahren hat es gekracht

Während der Weltausstellung in Sevilla 1992 schmückte der berühmt berüchtigte Spruch La Suisse n’existe pas des Künstlers Ben Vautier den offiziellen Schweizer Pavillon. Dieser Spruch war etwa gleich irritierend, wie wenn auf Kim Kardashians T-Shirt Genius at work stehen würde oder auf einem Flugzeug der Iberia Freundlichkeit ist uns wichtig. Schließlich existiert die Schweiz. Sie existiert als Land, als Idee, als Sehnsuchtsort, als Ideal und als Prototyp eines perfekten Staats. Selbstverständlich wollte Ben Vautier nur provozieren und zum Denken anregen. Das ist der Auftrag eines Künstlers. Und natürlich kann man sich die philosophische Frage stellen, ob überhaupt etwas existiert oder ob die ganze Welt nur eine Konstruktion unseres Hirns ist – die Welt quasi nur als Wille, Vorstellung, Simulation, Schattenbild oder subjektiver Entwurf in unseren Köpfen vorhanden ist und diese inneren Konstruktionen vielleicht gar nichts mit der Außenwelt zu tun haben. Aber diese Frage wurden bereits von Hirnakrobaten wie den alten Griechen, Immanuel Kant, Arthur Schopenhauer, Heinz von Förster oder der Matrix-Trilogie ausgiebig diskutiert. Ich muss hier also nicht weiter darauf eingehen.

Vielleicht wollte Ben Vautier auch nur sagen, dass die Schweiz zu gut ist, um wahr zu sein. Tatsächlich kennen wir in unserer realen Realität, was auch immer das heißen mag, fiktive Länder wie das von Platon beschriebene mythische Inselreich Atlantis, das an Perfektion nicht zu übertreffende Utopia von Thomas Morus oder das fantastische Wunderland von Lewis Carroll. Diese Entwürfe mögen gut und recht sein, aber im Gegensatz zur Schweiz waren sie tatsächlich zu gut, um wahr zu sein, und spielen heute keine Rolle mehr. Atlantis ging im Meer unter wie ein gutes Argument in einem Kreationisten-Workshop, der Weg nach Utopia wird heute nicht mal von Google Maps gefunden und was das Wunderland betrifft, so muss ich zuerst mal ein sprechendes weißes Kaninchen finden, das mir den Eingang zeigt. Seit ich mit dem Klebstoffschnüffeln aufgehört habe, gehe ich solchen selbst generierten Illusionen allerdings nicht mehr auf den Leim. Also bleibt das Wunderland Alice allein überlassen. Aber in meinem Erlebnishorizont existiert die Schweiz. Und wenn so etwas Schönes und Großartiges nicht nur als Fiktion oder Traum existiert, fragt man sich ganz automatisch, wie es entstanden ist. Falls du keine Ahnung hast, woher die Schweiz kommt, will ich dich gerne kurz updaten und mit dir eine kleine Zeitreise in die Vergangenheit unternehmen.

Wir beginnen dort, wo alle guten Geschichten ihren Ursprung haben – und zwar am Anfang: Vor 13,7 Milliarden Jahren entstanden Raum, Materie und Energie aus dem sogenannten Urknall. Angeblich war dieser Big Bang lauter als die Buhrufe bei einem Gastreferat von Wladimir Putin auf der LGBTQ+-Generalversammlung in Kiew. Aus diesem Urknall formte sich das Universum, dessen Mittelpunkt heute die Schweiz darstellt. Momentan untersuchen Teilchenphysiker am CERN, wie viele Sekundenbruchteile nach dem Urknall verstrichen, bis sich die ersten Neutrinos und Neutronen sammelten, die heute den Hauptteil der neutralen Schweiz bilden.

Vor gut 4,5 Milliarden Jahren erblickte unser ganz persönlicher Superstar das Licht der Welt: die Sonne. Eigentlich erblickte nicht die Sonne das Licht der Welt, sondern mit der Sonne entstand die Lichtquelle, die unseren Planeten heute noch so schön beleuchtet und angenehm warm macht und dank der wir quasi einen Platz an der Sonne haben. Jedenfalls ist die Sonne maßgeblich dafür verantwortlich, dass sich die Schweiz zum schönsten Land der Erde entwickeln konnte. Dank der Sonne scheint unser Himmel blauer, glitzert unser Pulverschnee weißer und leuchten unsere Wiesen grüner. Sie macht uns zum absoluten Postkartenland. Erhielten die Hobbits aus Der Herr der Ringe jemals einen Internetanschluss und bekämen Bilder vom Engadin zu sehen, würde ihnen ihr süßes kleines Auenland plötzlich vorkommen wie eine Müllhalde in Mordor. Sie würden ihr ganzes Vermögen einem Schlepper überlassen und sich auf den Weg zu uns machen. Ich könnte es ihnen nicht verübeln.

Der Planet Erde entstand knapp nach der Sonne. Die Schweiz sollte später auf ihm zu Hause sein – das wird sich in naher Zukunft wahrscheinlich auch nicht ändern. Während des sogenannten späten schweren Bombardements – das hat nichts mit den Wildecker Herzbuben beim Synchron-Turmspringen zu tun – knallten zahlreiche Kometen und vereiste Asteroiden auf die Erde und versorgten uns mit Wasser. Das war wichtig, weil sich später darin Lebensformen wie die Schweizer bilden konnten. Außerdem hätten wir sonst nichts gehabt, womit wir unsere unvergleichlich schönen Bergseen hätten füllen können – und nichts sieht erbärmlicher aus als ein See ohne Wasser. Ohne Wasser würde auch der Aquapark Alpamare in Pfäffikon wesentlich weniger Spaß machen. Auf den trockenen Rutschbahnen würde man kaum vorwärtskommen, das Wellenbad wäre ohne Wasser schwer vorstellbar und die pubertierenden Teenager müssten zwangsläufig auf der Liegewiese statt wie jetzt normal im Whirlpool onanieren. Ganz zu schweigen davon, dass man im Conny-Land ohne Wasser die Kinder nicht mit Seelöwen spielen lassen könnte, sondern gezwungenermaßen nur mit Landlöwen. Falls die Gerüchte über diese Raubtiere stimmen, kann das durchaus gefährlich sein. Aber als Schweizer bin ich selbstverständlich politisch korrekt und will kein Pauschalurteil über alle Löwen dieser Welt fällen. Es gibt bestimmt auch ganz nette, ungefährliche, zahnlose und vegetarisch veranlagte Kuschelkatzen, die niemandem etwas antun können. Dazu gehören Simba aus The Lion King, Alex aus Madagascar oder die ZSC Lions aus Zürich. Ja, als Bündner bin ich Fan des Hockey Club Davos – was hast du erwartet?

Konkret bildeten sich etwa 500 Millionen Jahre nach der Entstehung der Erde die ersten Mikroben. Diese Prototypen biologischen Lebens bestanden bereits aus einer guten Mischung Aminosäuren (Proteine), Ribonukleinsäuren (RNS) und Desoxyribonukleinsäuren (DNS). Alle Tiere, dazu gehören auch wir Menschen, sind mehr oder weniger heute noch aus diesen Zutaten geformt. Jedenfalls zogen ein paar Jährchen Evolution ins Land und pflanzliches und tierisches Leben entwickelte sich wunderbar in alle erdenklichen Richtungen. Die Natur lebte ihre Kreativität voll aus und ließ unzählige Lebensformen entstehen. Das Spektrum reichte vom einfachsten Einzeller bis zum komplexesten Argentinosaurus.

Doch das nächste schwere Bombardement ließ nicht lange auf sich warten. Vor 65 Millionen Jahren beendete ein Asteroideneinschlag die 170 Millionen Jahre dauernde Herrschaft der Dinos. Ihr Verschwinden machte Platz für uns Menschen. Dass die Dinosaurier abtreten mussten, das war gut so. Stell dir mal vor, es würde heute noch welche geben. Konflikte wären vorprogrammiert. Wir Schweizer leben in einem souveränen Staat. Deshalb legen wir Wert darauf, selbst zu bestimmen, wer bei uns reinkommt und wer nicht. Schließlich ist die Schweiz ein exquisiter Klub an bester Lage und kein Stundenhotel an der Autobahnraststätte. Wer sich nicht benimmt, der bekommt ein Problem. Delinquente Wölfe und Bären, die von Italien aus in die Schweiz wandern, um ein bisschen die Sau rauszulassen, die können davon una Canzone singen. Unsere hochgerüsteten Jäger und Wildhüter kümmern sich noch so gerne um diese pelzigen Krawalltouristen. Und falls mal ein Bienenhäuschen-Terrorist oder ein Schafreißer unseren Kugeln entkommt, können wir uns immer noch auf die Rhätische Bahn verlassen, die sie früher oder später garantiert erwischt.

Aber angenommen, es käme kein Bär oder Wolf, sondern ein italienischer Tyrannosaurus Rex, der ganze Schafherden und ganze Bienenhäuschen mit einem Biss verputzen könnte. Müsste ihn dann ein Bündner Wildhüter über den Haufen schießen, sobald er im Puschlav gesichtet würde? Wohl kaum. Das wäre eher ein Fall für unsere Luftwaffe. Aber wenn wir Pech hätten, wäre der Touristen-Dino nachtaktiv. Das heißt, er wäre außerhalb der Bürozeiten unserer Landesverteidigung unterwegs. Was natürlich doof wäre. Noch blamabler wäre die ganze Situation, wenn unsere Luftwaffe zu diesem Zeitpunkt mit Kampfjets ausgerüstet wäre, die von unseren SP-Frauen ausgesucht worden wären. Man müsste davon ausgehen, dass die Flugzeuge nicht mal auf Augenhöhe des Dinos fliegen könnten, zu langsam wären, um ihm zu folgen, und bestimmt nicht mit scharfen Raketen, sondern höchstens mit süßen Raketen-Glacés von Frisco ausgerüstet wären. Die SP-Frauen hätten bestimmt einen Flugzeugtyp namens Rainbow-69 angeschafft, der aus einheimischem, nachhaltig gefälltem Holz gefertigt worden wäre, mit einer Mischung aus Kompost- und Sonnenenergie fliegt und dessen Abgas nach Rosenwasser riechen würde. Falls es ein solcher Flieger dank günstiger Windverhältnisse tatsächlich mal in die Nähe eines Gegners schaffen würde, würde er ihn mit an den Flügeln fixierten brennenden Räucherstäbchen und dem neuesten Entspannungsmix aus dem Cockpit-Radio zu besänftigen versuchen. All das würde einen Tyrannosaurus Rex aber kaum beeindrucken und die ganze Szene erneut zu merkwürdigen Diskussionen über Sinn und Zweck unserer Luftwaffe führen. Deshalb ist es meiner Meinung nach ganz in Ordnung, dass diese Reptilien Geschichte sind.

In Kenia hat man mehrere Millionen Jahre alte Fußabdrücke in Vulkanasche gefunden, die darauf schließen lassen, dass zu dieser Zeit unsere ersten affenähnlichen Vorfahren bereits aufrecht gehen konnten. Diese Hominiden-Gattung entwickelte sich zu Unterklassen wie dem Homo neanderthalensis weiter. Eng verwandt mit dem Neandertaler ist der Homo sapiens – also der moderne Mensch. Der Homo sapiens betrat vor ungefähr 200‘000 Jahren die Weltbühne. In der biologischen Systematik steht der Homo sapiens für ein höheres Säugetier aus der Ordnung der Primaten; in der Unterordnung gehört er zu den Trockennasenaffen und dort zur Familie der Menschenaffen. Wir Schweizer sind auch nur Menschen, ob man es glaubt oder nicht. Das heißt, wir sind alle zusammen Afrikaner, die mal in dieses Land einwanderten. Ob das die Schweizerische Volkspartei SVP weiß? Passiert ist das ungefähr 12‘000 vor Christus. Vorher gab es hier zwar bereits Neandertaler, aber die haben es aus irgendeinem Grund nicht geschafft. Warum die genau verschwunden sind, darüber gibt es mehr wissenschaftliche Theorien als zu der Frage, was Keith Richards am Leben hält. Ob Keith Richards damals etwas mit dem Verschwinden der Neandertaler zu tun hatte, daran kann er sich komischerweise nicht mehr erinnern. Verdammter Kiffer.

Eine Plattenkollision Afrikas und Europas im Verlauf der letzten paar Millionen Jahre schenkte der Schweiz ihre geologische Struktur. In den letzten zwei Millionen Jahren verpassten die wandernden Gletscher unserer Landschaft den letzten Schliff. Am Ende des Mesolithikums war sie mehr oder weniger fertiggestellt. Die Eiszeit zog sich zurück und der Wald startete seinen Triumphzug. Dem Eis gelang erst wieder mit der Gründung von Mövenpick im Jahr 1948 ein Revival in der Schweiz. Nun war es meist kugelförmig und in unterschiedlichsten Geschmacksrichtungen wie Erdbeere, Vanille oder Passionsfrucht erhältlich.

Im 5. oder 4. Jahrtausend vor Christus wurden wir sesshaft und starteten mit dem Ackerbau. Später kamen Viehzucht und Töpferei dazu. Wer sich damals vom Acker machte, nachdem er den ganzen Tag wie blöd geackert hatte, war sogleich zu Hause. Das war praktisch. Doch in dieser Beziehung haben sich die Zeiten massiv geändert. Heute sind wir zum großen Teil wieder Pendler und Wochenaufenthalter geworden. Das heißt, wir verbringen unsere Zeit am liebsten unterwegs. Berufliches und Privates auseinanderzuhalten, das haben wir zum Lebensprinzip gemacht. Ausnahmen bilden natürlich die Homeoffice-Arbeiter, die Hausfrauen und die Betreiber von Indoor-Hanfplantagen.

2000 Jahre vor Christus brach in unseren Gefilden die Bronzezeit aus. Im restlichen Europa war Bronze schon seit längerer Zeit die hippste Legierung. Ob uns die restlichen Europäer Bronze aufgezwungen hatten oder ob es Teil eines bilateralen Abkommens war, entzieht sich meiner Kenntnis. Jedenfalls wurden aus diesem Gemisch aus Kupfer und Zinn Waffen und Werkzeuge gefertigt.

Ab 750 vor Christus begann die sogenannte Eisenzeit. Anfangs war die Bronze ein wenig angepisst, aber dann räumte sie murrend das Feld. Heute kennt man Bronze vor allem noch als Material für Medaillen, die niemand wirklich haben will. Mit Bronze wird der dritte Platz ausgezeichnet, das ist also sogar noch demütigender als die Silbermedaille für den zweiten Platz. Nach jedem Rennen dürfen sich alle Teilnehmer, die nicht gewonnen haben, verkriechen und schämen. Außer der Zweit- und der Drittplatzierte – die müssen mit auf das Podest und sich auslachen lassen. Diese menschenverachtende Situation gibt es tatsächlich nur im Sport. Wir wissen doch alle, dass nur der Sieg zählt. Stell dir mal vor, du bewirbst dich um eine Arbeitsstelle oder um eine Freundin. Du gibst dir beim Vorstellungsgespräch die größte Mühe und stellst dich im besten Licht dar. Eine Woche später bekommst du eine E-Mail, in der dir der potenzielle Arbeitgeber oder die potenzielle Freundin freudig mitteilt, dass zwar jemand anderes das Rennen gewonnen hat, du es aber in die Top 3 geschafft hast. Du wirst gebeten, nochmals ins Büro oder Restaurant zu kommen, um bei der Siegerehrung deine Bronzemedaille entgegenzunehmen und dem Sieger die Hand zu schütteln. Fuck you, oder? Ich bin jedenfalls froh, dass die Bronzezeit vorbei ist und mittlerweile das goldene Zeitalter der Schweiz angebrochen ist – je nach Definition war das 1291 mit dem Rütlischwur, 1848 mit der Gründung des Bundesstaates oder 1963 mit der Geburt von Skirennfahrer Pirmin Zurbriggen.

Nach der Stein- und Bronzezeit brach mit der Eisenzeit das dritte große Kapitel der Frühgeschichte an. In dieser Epoche entstanden die ersten Alpentransversalen, die bis heute die Handelsverbindungen zwischen Mitteleuropa und dem Mittelmeerraum gewährleisten. Wir machten schon damals für alle anderen Europäer mit schwindelerregenden Baukonstruktionen die unwirtliche Landschaft passierbar. Heute ist der ganzen Welt klar, dass wir Schweizer sogar eine Brücke zum Mond, zwischen den Israelis und den Palästinensern, zwischen der Relativitätstheorie und der Quantenmechanik oder zwischen Impfgegnern und dem gesunden Menschenverstand schlagen könnten. In der Eisenzeit begann man auch damit, Eisen für Werkzeuge, Kunstobjekte und Waffen zu verwenden. Und weil damals kein Mensch an Eisenmangel litt, waren alle viel behaarter und weniger anfällig für Müdigkeit als heute. Aus dieser Zeit stammen höchstwahrscheinlich auch der Ironman, die Band Iron Maiden, die Ironie, die Eisenbahn, das Bügeleisen und die Familie Eisenhower. Ja, ich versuche gerade lustig zu sein – sorry!

Nach 100 vor Christus begannen die Römer damit, Gebiete nördlich der Alpen zu erobern. Dabei stießen sie unweigerlich mit den Galliern und den Helvetiern zusammen. Während die Franzosen sich auf den Zaubertrank von Miraculix verlassen konnten, verzichteten die Schweizer schon damals auf Doping und verprügelten die Römer ganz herkömmlich mit Cheese-Power. Jedenfalls konnte der Oberkommandant der Römer, Gaius Julius Cäsar, nicht genug betonen, wie schwer ihm die tapferen, hartnäckigen und widerstandsfähigen Helvetier das Leben machten. Angeblich nannte er unser Land nicht selten Hellvetien. Das ist insbesondere deswegen interessant, weil das Himmel-Hölle-Konzept erst später von den Christen erfunden wurde und weil Cäsar tatsächlich englischen Slang draufhatte.

Die Römer gründeten auf dem Gebiet der heutigen Schweiz Kolonien und gliederten Helvetien schrittweise in ihr Reich ein. Nebenbei statteten sie unsere Städte mit prachtvollen Bauwerken wie Tempelanlagen und Thermen aus. Das bereits erwähnte Wasserspaß-Paradies Alpamare in Pfäffikon stammt übrigens nicht aus der Römerzeit – das stellten wir erst 1977 selbst fertig. Aber die Vorstellung, dass sich römische Legionäre nach blutigen Schlachten gegen Germanen oder Gallier im Alpamare auf Wasserrutschbahnen vergnügten, ist schon ziemlich lustig. Vielleicht hätten die Rutschbahnen auch römische Themen wie die Punischen Kriege, Gladiatorenkämpfe oder die Kreuzigung Christi gehabt. Auf den Rutschbahnen wäre man dem korrekten historischen Kontext entsprechend beschossen oder ausgepeitscht worden und zum Schluss in einem Wasserbecken mit Krokodilen gelandet. Ein wahrer Lern-Wasserspaß.

So sehr das Alpamare für Spaß sorgt, so sehr kann es Leute auch fertig machen. Vor allem, wenn man wie ich im Engadin aufgewachsen ist – also weit weg von dieser Adrenalin-Institution. Auf endlosen Autofahrten von Besuchen bei Verwandten oder auf dem Heimweg aus den Ferien, zwangen unsere Eltern meinen Bruder und mich dazu, auf dem Rücksitz stundenlang keinen Pieps zu machen, wenn wir unsere verschwindend kleine Chance auf einen Besuch im Alpamare nicht kaputt machen wollten. Dieser Trick funktionierte jedes Mal. Wir rissen uns zusammen, hofften und beteten ganz leise zu Neptun, Poseidon und Aquaman, nur um fünf Minuten vom Alpamare entfernt von Papi zu hören, dass wir spät dran sind und es vielleicht nächstes Jahr klappen könnte. Mit unseren Nasen plattgedrückt an der linken Autoscheibe brausten wir mit Tränen in den Augen und Wut im Bauch am feuchten Freudenhaus vorbei und schworen uns, nie mehr in unseren erbärmlichen Leben optimistisch zu sein oder irgendeiner Menschenseele Vertrauen entgegenzubringen. Gäbe es einen Gott, der Kinder liebt, hätte er dafür gesorgt, dass das Alpamare nicht gleich neben der Autobahn, sondern versteckt in einem Seitental gebaut worden wäre. Heute lebe ich in Zürich und bin schon in meinen Vierzigern. Selbstverständlich nutze ich jede Gelegenheit, um ins Alpamare zu gehen und mein Kindheitstrauma endlich in den Griff zu bekommen. Als Erwachsener kann man da allerdings nicht allein auftauchen, außer man will bereits bevor man in den Badehosen steckt, eine schlechte Figur machen. Dafür gibt es zum Glück Freunde mit Kindern. Allerdings hat mich kürzlich eine Aussage meiner sechzehnjährigen Patentochter ein wenig irritiert. Sie meinte, sie werde mich in Zukunft nicht mehr begleiten, da sie langsam zu alt für diesen Spaß sei. Die Welt ist aus den Fugen! Ich hoffe, sie macht nur eine Phase durch und kommt wieder zur Vernunft.

Zurück zum Thema. Zu den bekanntesten architektonischen Meisterstücken gehört das Amphitheater in Avanches im Kanton Waadt. Dieses 2000 Jahre alte Bauwerk als Ruine zu bezeichnen, wäre mehr als ungerecht. Es sieht heute noch um einiges besser aus als das Gesicht von Priscilla Presley, obwohl es wesentlich weniger renoviert wurde. Das Amphitheater ist noch so gut in Form, dass Weltstars wie Radiohead, Ice-T, Neneh Cherry, Placebo oder Muse regelrecht darum betteln, beim jährlich stattfindenden Festival Rock Oz’Arènes auftreten zu dürfen. Man kann sagen, dass das Amphitheater in Avanches für jeden seriösen Musiker die gleiche Bedeutung hat wie der Mount Everest für einen ambitionierten Bergsteiger, die Olympischen Spiele für einen Profisportler oder geschützte Tierarten für schwerbewaffnete und moralisch schwerbehinderte Trophäenjäger wie den spanischen Ex-König Juan Carlos.

Die Römer errichteten in der Schweiz auch ein Straßennetz – meiner Meinung nach aber mehr schlecht als recht. Wir Schweizer mussten diese Straßen schließlich wieder aufreißen, um nachträglich Glasfaserkabel, Kanalisationsröhren und Stromleitungen zu verlegen. Und wenn es nach uns umweltbewussten Schweizern gegangen wäre, dann hätten die Römer gar keine Straßen bauen müssen. Schließlich transportieren wir unsere Güter lieber auf Schienen. Aber solche Sachen muss man den Italienern ja zuerst erklären.

Ab dem Jahr 400 nach Christus zogen sich die Römer langsam, aber sicher aus dem Gebiet der Schweiz zurück. Warum? Weil von Norden her die Deutschen respektive die Alemannen und Burgunder vorrückten. Im Mittelland vermischten sich die verschiedenen Kulturen, in der Nordschweiz ließen sich germanische Idiome nieder, während sich in der Westschweiz und in den Alpentälern der romanische Einfluss halten konnte. Zu dieser Zeit wurde also der Grundstein dafür gelegt, dass wir zum sprachbegabtesten Volk der Welt wurden. Dank dieser Voraussetzungen spricht heute ausnahmslos jeder Schweizer Bürger die vier offiziellen Landessprachen Deutsch, Italienisch, Französisch und Rätoromanisch fließend. Dazu kommen die inoffiziellen Landessprachen Albanisch, Spanisch und Portugiesisch plus selbstverständlich ein paar Fremdsprachen. Einen Schweizer zu fragen, wie viele Sprachen er beherrscht, macht etwa gleich viel Sinn wie Gérard Depardieu zu fragen, wie viele Flaschen Wein er heute schon getrunken hat. Die Antwort lautet immer: «Hab schon lange aufgehört zu zählen!»

Sprachbegabtere Individuen beherrschen zusätzlich sämtliche Kantonsdialekte und die unterschiedlichsten romanischen Idiome wie Sursilvan, Sutsilvan, Surmiran, Puter, Vallader oder Jauer. Mit J. P. Love hatten wir außerdem einen wahren Dolmetscher der Sprache der Liebe. Unser Sexgott konnte die Wörter billig, schamresistent und geschmacklos in über 135 Sprachen akzentfrei oral artikulieren.

Richtig speziell ist das Schweizerdeutsch. Diese Sprache kennt weniger Regeln als der Verkehr in Palermo, verzichtet vollständig auf Rechtschreibung und ist somit der natürliche Feind jedes Rechtschreibprogramms und der beste Freund jedes Legasthenikers. Obwohl es immer wieder Kritiker gibt, die uns davor warnen, dass Technologie-Firmen wie Google oder Facebook uns überwachen, unsere Daten klauen und unsere Nachrichten lesen, stehe ich der ganzen Sache ziemlich unbeeindruckt gegenüber. 99 Prozent der in Schweizerdeutsch verfassten Nachrichten oder Status-Updates meiner Freunde kann nicht mal ich entziffern. Die künstliche Intelligenz, die aus diesem Gewirr von Buchstaben, Slang, Dialekten und Wörtern wie Chrüsimüsi, Bettmümpfeli, Chuchichäschtli, Chüdersack, Gigampfi, Schnuderlumpe, Rätschibäse, Härzchriesi oder Chlüperli etwas Brauchbares herausdestillieren kann, die hat das Prädikat intelligent tatsächlich verdient. Ich gehe davon aus, dass die Tech-Gurus mit ihren Allmachtsfantasien es ziemlich bald aufgeben, Deutschschweizer verstehen zu wollen, und stattdessen versuchen werden, die Kommunikationen zwischen Delfinen, Schildkröten oder Schmetterlingen zu entschlüsseln. Das ist zwar nicht nützlicher, aber erfolgversprechender.

Etwa 600 Jahre nach Jesus Christus erreichte das Christentum die Schweiz. Diese Verzögerung ist ein Beweis dafür, dass wir nicht jedem Trend hinterherlaufen, sondern uns gerne Zeit lassen. Wir begannen mit dem Bau von Kirchen und Klöstern. Ein berühmtes Beispiel ist das Kloster St. Gallen. Für Leseratten ist das Kloster heute noch einen Besuch wert. In seiner Bibliothek haben sich im Lauf der Zeit mehr Bücher angestaut als während zweier Wochen Pornohefte in einer Studenten-WG. Wenn Gott gewollt hätte, dass jeder Mensch auf Erden seinen Sohn und die Frohe Botschaft noch in seinem Geburtsjahr kennengelernt hätte und nicht erst sechs Jahrhunderte später, hätte er ihn besser in einem Stall im heutigen Appenzell zur Welt kommen lassen. Ein Vorfahre von «Bauer, ledig, sucht...»-Moderator Marco Fritsche wäre bestimmt gerade auf diesem Bauernhof zu Besuch gewesen, um einen ledigen, suchenden Bauern mit einer Stadtdame zu verkuppeln. Die Idee der unbefleckten Empfängnis hätte den bestimmt auch schwulen Vorfahren von Marco so fasziniert, dass er sie noch am gleichen Tag der ganzen internationalen Gay-Community weitererzählt hätte. Der Bauernhof wäre in kürzester Zeit mit empfangsfreudigen Lesben aus ganz Europa geflutet und das Wort Gottes in die Welt hinausgetragen worden. Aber eben: Die Wege des Herrn sind unergründlich.

Bis zur Mitte des 8. Jahrhunderts wurde unser Gebiet zunehmend Teil des Fränkischen Reichs. Später entwickelte sich daraus das Heilige Römische Reich. Dieses Territorium war Teil des Stammherzogtums Schwaben und des Königreichs Burgund. Zu Beginn des römisch-deutschen Reichs waren die größten Player die Adelsgeschlechter der Lenzburger, der Kyburger und der Habsburger. Die Hamburger starteten ihren Siegeszug durch unser Land erst viel später mit der Eröffnung der ersten McDonald’s-Filiale im Jahr 1976 in Genf.

Während die Lenzburger und die Kyburger in der Zwischenzeit aus dem kollektiven Gedächtnis der Schweiz gelöscht wurden, erinnert sich heute noch jeder Schweizer an die Habsburger. Richtig ins Rampenlicht trat dieses Geschlecht, als Rudolf von Habsburg im Jahr 1273 Habsburger-King wurde. Auf unserem Gebiet waren sie etwa gleich willkommen wie Vogelspinnen in Bananenschachteln, Nasenbluten während eines Dates oder eine deutsche Reisegruppe im Ruheabteil der Schweizerischen Bundesbahnen. Ja, die Deutschen in den SBB … Es gibt wohl kein anderes Volk, das so unbeschreiblich lange und so unerhört laut über das wunderbare Gut namens Stille diskutieren kann. Lauthals wird dann erwähnt, dass es beispielsweise zu Hause in Deutschland in öffentlichen Verkehrsmitteln nie so ruhig sei wie hier. Oh Wunder. Jedenfalls waren die Habsburger für die Geschichte der Schweiz absolut prägend. Aber dazu kommen wir später.

SAY CHEESE

Wir produzieren ganz großen Käse

Es gibt unzählige Qualitätsprodukte, die mit der Schweiz in Verbindung gebracht werden. Eines der bekanntesten ist bekanntlich Käse. In der globalen Wahrnehmung gehören Schweiz und Käse genauso zusammen wie Salz und Pfeffer, Wien und Schnitzel, Tom und Jerry, Hollywood und Scientology oder Starbucks und Wucher. Dabei ist die Tatsache interessant, dass der Käse gar keine schweizerische Erfindung ist. Käse wird normalerweise durch Gerinnung aus dem Kasein (einem Eiweiß-Anteil der Milch) gewonnen. Angeblich haben bereits in der Steinzeit Jäger in den Mägen von erlegten jungen Wiederkäuern, die kurz vor ihrem Tod Milch getrunken hatten, gallertartige Klumpen gefunden. Ob man das appetitlich findet oder nicht: Diesen aus Milch fermentierten Labquark muss man heute wohl oder übel als den Prototypen des Käses betrachten.

Käse wird auf der ganzen Welt hergestellt und zählt mindestens in Europa, Nordamerika und Australien zu den beliebtesten Grundnahrungsmitteln. Heute wird der meiste Käse in den USA produziert. Dazu gehört nicht nur der essbare Käse, sondern auch Autos, die auf 100 Kilometer gleich viel Energie verbrauchen wie eine mittelgroße Schweizer Stadt in einem kalten Wintermonat, das politische Programm der Republikaner, die Gegenvorschläge der Demokraten, die Idee, dass jeder Haushalt mindestens eine Panzerfaust besitzen sollte, um die neu gewonnene Unabhängigkeit der Kolonien gegen die Engländer und gegen die Rache der ehemaligen Sklaven zu verteidigen, und natürlich sämtliche Musik von Katy Perry.

Obwohl Käse auf der ganzen Welt zu Hause ist, werden wir Schweizer für unseren Käse gefeiert. Das ist eine reife Leistung. Wenn die Inuit für ihre Iglu-Baukunst berühmt sind, hat das nachvollziehbare Gründe. Sie können das aus geografischen Gründen besser als die Berber, die Zapoteken oder die Schlümpfe. Es ist auch kein Zufall, dass in Hawaii Surfer, in Nepal Sherpas und in Las Vegas Spielsüchtige leben. Auch hier gilt: Das Umfeld konditioniert den Menschen auf ein bestimmtes Verhalten, auf gewisse Charaktereigenschaften und auf die Kultivierung bestimmter Talente. Wenn unser Käse also der beste der Welt ist, dann muss man das viel stärker gewichten, als wenn Leute, die mitten in der Wüste aufwachsen, bessere Sandburgen bauen als wir. Du weißt, was ich meine. Wir sind in einer Disziplin Weltmeister, in der die ganze Welt faire Chancen hätte, es besser zu machen.

Die Käseproduktion hat in der Schweiz Tradition. Der Schabziger wird bereits 1000 nach Christus erwähnt, Gruyère im Jahr 1115 und Sbrinz und Emmentaler um 1200. Während der Kleinen Eiszeit (1400 bis 1850 nach Christus) konnte man in den Bergen weniger Getreide anbauen. So wurde der Käse zum Hauptnahrungsmittel der Bauern. Dieser Trend dauerte an. Schließlich wurde der Käse im 15. Jahrhundert zu einem richtigen Exportschlager und somit zu einem Markenzeichen unseres Landes. Den vorläufigen Höhepunkt dieser Entwicklung bildeten wohl die Jahre 1992 bis 1998. In dieser Zeit war die Schweizerische Käseunion Hauptsponsor der Schweizer Skinationalmannschaft. Die Schweizerische Käseunion förderte von 1914 bis 1999 den Verkauf diverser Schweizer Käsemarken. Für den weltweiten Absatz der Sorten Sbrinz, Greyerzer und Emmentaler war diese Organisation etwa so wichtig wie Bob Marley für den globalen Konsum von Marihuana, Rapper Lil Wayne für den Verkauf von Hustensaft oder James Bond für den Jahresgewinn von Martini.

Dieses Sponsoring der Käseunion hatte zur Folge, dass unsere Skihelden in den 1990er-Jahren die Weltcup-Rennen in einem Käse-Dress bestreiten durften. Und das taten sie hervorragend. Athleten wie Franz Heinzer oder Heidi Zeller-Bähler waren sogar so erfolgreich, dass die Österreicher einwendeten, dass die Löcher in unseren Rennanzügen den Luftwiderstand verringern würden und deshalb nach Wettkampfreglement bestimmt nicht zulässig seien. Aber zum Glück wurden die Österreicher schon damals nicht ernst genommen. Inspiriert durch den Erfolg der Schweizer Skifahrer wollten plötzlich auch andere Länder ihre Exportschlager auf ihre Rennanzüge drucken lassen. Allerdings wurden sie vom internationalen Skiverband wieder zurückgepfiffen. Obwohl Kolumbien versicherte, dass ihr Land schon seit Jahrhunderten schneesicher sei, durften sie keine Kokainlinien als Rennstreifen zeigen – anscheinend auch aus Dopinggründen. Auch andere Nationen scheiterten mit ihren Dress-Vorschlägen: Russland mit seinen Wodka-Sujets, Brasilien mit seinen Prostituiertenmustern und der Kosovo mit seinen Ornamenten aus menschlichen Organen. Uns war das alles egal. Wir waren froh, dass unsere Athleten im gelben Käse-Dress Medaille um Medaille einfuhren. Und ja, wir waren bestimmt auch ein wenig froh darüber, dass kein Tampon-Produzent oder DJ Antoine Hauptsponsor unserer Skinationalmannschaft war. Obwohl … vielleicht wäre ein richtig peinliches Outfit für unsere Athleten noch ein zusätzlicher Ansporn gewesen, möglichst schnell vor den Kameras am Pistenrand zu flüchten und in Rekordzeit ins rettende Ziel zu kommen.

Apropos Käseunion: Eine gelungene Zusammenarbeit zwischen der Schweizerischen Käseunion und Schweiz Tourismus führte dazu, dass Menschen heute auf der ganzen Welt Cheese rufen, wenn sie fotografiert werden. Die Idee dahinter ist relativ einfach: Schweiz Tourismus wusste von befreundeten Neurologen, dass man potenzielle Kunden über das Unterbewusstsein verführen kann. Während eines gemeinsamen Brainstormings über das Kunden-Brainstorming, also darüber, wie man die Hirne von Kunden erstürmen kann, fanden die Schweizerische Käseunion und Schweiz Tourismus heraus, dass das Wort Cheese weltweit positiv besetzt und mit der Schweiz konnotiert war. Im Assoziationskortex jedes Erdenbürgers begannen beim Wort Cheese die Neuronen zu feuern und er dachte an die Schweiz. Es stellte sich nur noch die Frage, wie man die Weltbevölkerung dazu bringen konnte, öfter an Käse und somit an die Schweiz zu denken. Die zwei folgenden Vorschläge schafften es in die Endrunde:

Vorschlag 1: «The bright Side of the Moon»

Bei diesem Konzept hätten die Käseunion die NASA bestochen und sie behaupten lassen, dass neueste Forschungen ergeben hätten, dass der Mond aus reinem Käse bestehe. Wenn die Erdbewohner dann in den Nachthimmel starrten und sich vom hell leuchtenden Mond inspirieren ließen, würden sie gleichzeitig den Wunsch verspüren, in die Schweiz zu reisen. Der Mond als subtiles Werbemedium, das die Leute gerne lange anschauen. Werbegott Don Draper hätte es nicht besser hinbekommen. Ab diesem Moment hätte Beethovens Mondscheinsonate Lust auf Schweiz gemacht, jeder Montag wäre zum weltweiten Tag der Schweiz geworden, Neil Armstrongs berühmten Spruch hätte man abgeändert zu «Ein kleiner Biss für mich, ein großer Biss für die Menschheit» und Mondsüchtige wären plötzlich zu Schweiz-Süchtigen geworden. Einfach nur genial!

Vorschlag 2: «Cheesus saves»

Man wollte eine Kooperation mit dem Vatikan aufgleisen und Jesus in Cheesus umtaufen. Jeder Pfarrer, Kardinal oder Christenrocker der Welt wäre plötzlich zu einem unterschwelligen Botschafter der Schweiz geworden. Wenn diese Leute fortan missioniert hätten, hätten sie nicht die Frohe Botschaft des Herrn verkündet, sondern Lust auf die Schweiz gemacht. Ein wahrer Trojaner! Das Christenkreuz, eines der erfolgreichsten Logos aller Zeiten, hätte man zum Schweizerkreuz modifiziert. Cheesus fucking Christ – auch das war genial! Dieser unfriendly Takeover wäre ungefähr so frech gewesen wie Musiker, die einen Song covern und ihn so lange spielen, bis die ganze Menschheit davon überzeugt ist, sie hätten ihn selbst geschrieben. Das Lied Über sieben Brücken musst du gehen stammt beispielsweise nicht von Peter Maffay, sondern von einer Band namens Karat. Schon mal von ihnen gehört? Wohl kaum. Als ich das herausfand, war ich geschockt. Das war, als ob mir heute jemand sagen würde, dass Alexander Graham Bell nicht das Telefon, Thomas Alva Edison nicht die Glühbirne, Bill Gates nicht den Computer oder wir Schweizer nicht die Pünktlichkeit erfunden hätten. Einfach nur crazy!

Amüsiert von ihren lustigen Vorschlägen beschloss die Versammlung aus Vertretern der Schweizerischen Käseunion und Schweiz Tourismus spontan ein paar Quöllfrisch und viel Walliser Fendant zu trinken. In der fröhlichen Runde kam jemand auf die Idee, diesen legendären Anlass fotografisch festzuhalten. Die ausgelassene Gruppe formierte sich für ein Foto. Im Blitzlichtgewitter kam ihnen die Erleuchtung. Alle wussten, dass – außer vielleicht Kriegsfotografen wie James Nachtwey oder Robert Capa – alle Menschen gern die schönen Dinge oder Momente des Lebens fotografierten. Das ist bis heute so geblieben. Alle laden Fotos ihres schön angerichteten Essens bei Instagram hoch und nicht Bilder der Resultate, nachdem der Verdauungstrakt die kulinarische Kunst in moderne Kunst verwandelt hat. Außer vielleicht Donatella Versace, aber diese Bilder könnten auch Selfies sein.

Aufgrund der Tatsache, dass sich Leute in fröhlichen Momenten gerne fotografieren ließen, musste man im Unterbewusstsein eine Brücke zwischen diesen wundervollen Momenten am Hochzeitstag, am Klassentreffen oder der Geburtstagsparty zur Schweiz schlagen. Diese Idee schien noch vielversprechender zu sein als eine teure Kooperation mit der NASA, dem Vatikan oder einer anderen Firma, die sich die Eroberung des Himmels zum Ziel gesetzt hatte.

In einer groß angelegten Zusammenarbeit mit allen lokalen Tourismusvereinen, Bergführern, Skilehrern, Busfahrern und Hoteliers nötigte man von nun an alle Gäste, die die Schweiz besuchten, Cheese zu sagen, wenn sie sich vor Sehenswürdigkeiten wie der Eigernordwand, dem Vierwaldstättersee oder der offenen Drogenszene am Platzspitz fotografieren ließen. Angeblich, weil die Aussprache dieses Wortes automatisch zu einem Lächeln im Gesicht und somit zu besseren Fotos führte. Dieser Brauch ging viral und wurde von unseren Gästen in die ganze Welt hinausgetragen. Dieses Meme verbreitete sich sogar schneller als das Gerücht, dass der Iran offiziell vom Bau einer Atombombe absehen will, wenn er dafür eine Lastwagenladung Mentos und Coca-Cola geliefert bekommt. Deshalb sagt man heute auf der ganzen Welt Cheese, wenn man sich fotografieren lässt. Und die Gäste kommen heute noch in Scharen in die Schweiz. Genial! Selbstverständlich ruft dieser Erfolg bis zum heutigen Tag auch Neid von anderen Touristendestinationen hervor. Die Österreicher setzen alles daran, dass man ab sofort Knödel ruft, wenn man abgelichtet wird. Die Italiener wiederum sind für Pizza, die Hawaiianer für Aloha und die Finnen für Koiratkutsuenkulkevatkunnonvieraatkutsumatta. Aber das Cheese-Rufen beim Fotografiert-Werden hat sich mittlerweile weltweit schon mehr bewährt als das Amen in der Kirche, das Schreien beim Bungeejumping, das Fluchen am Montagmorgen oder das Stöhnen beim Sex. Zeitgeist hin oder her, aber auch der nachdrückliche Wunsch der Veganer, man soll doch ab sofort anstatt Cheese Tofu brüllen, hat nicht wirklich Chancen.

Zum Erfolg des Käses trägt auch bei, dass man rund um ihn ein wahres Mysterium aufbauen kann. Das macht ihn für Menschen zusätzlich interessant. Denn eigentlich ist es doch so: Es gibt unzählige Geheimnisse und Rätsel, die den menschlichen Geist herausfordern und Wissenschaftler beinahe um den Verstand bringen. Gibt es Paralleluniversen? Was hat es mit Stonehenge auf sich? Wie schafft man es, sich nach einem Film von David Lynch nicht total blöd vorzukommen? Warum zum Teufel gehen Frauen immer zusammen auf die Toilette? Wenn du mich fragst, sind diese Fragen für die kulturelle Entwicklung der Menschheit gar nicht besonders relevant.

Was interessieren uns Paralleluniversen, wenn es uns nicht mal wirklich interessiert, wie unser Nachbar heißt? Das einzig Wichtige an Paralleluniversen oder Nachbarn ist doch, dass sie keinen Krach machen und sich nicht beschweren, wenn wir selbst zuhause eine laute Party veranstalten. Soviel ich weiß, hat noch kein Bewohner eines Paralleluniversums an das Tor zum Wurmloch zu unserem Universum geklopft, um uns darauf aufmerksam zu machen, dass unser Urknall immer noch durch ihre Wände hallt, unsere kosmische Hintergrundstrahlung ihre Antennen irritiert oder die aus Star Wars bekannte Cantina-Band auf ihrer intergalaktischen Tour zu laut spielt.

Und Stonehenge? Das ist doch einfach ein willkürlich hingeworfener Steinhaufen, der nicht mal die Bezeichnung Bauwerk verdient. Da finde ich die Steinmännchen und Geröllhalden, die neben Schweizer Wanderwegen zu bestaunen sind, wesentlich interessanter.

Bei David Lynch ist es doch genau das Gleiche: viel Wind um gar nichts. Er holt sich jeweils einen Affen aus einer indischen Irrenanstalt, füllt ihn mit Absinth ab, setzt ihn kopfüber in ein Riesenrad und zwingt ihn, während des Drehens ein Buch zu schreiben – ein sogenanntes Drehbuch halt. Selbstverständlich muss der Affe auf Hindi schreiben. Lynch nimmt den Text und lässt ihn von Google Translate übersetzen. Dann castet er nach dem Zufallsprinzip Schauspieler und dreht den Film. Die Filmspule gibt er dann in eine Werkstatt für Sehbehinderte und lässt den Film zusammenschneiden. Die Tonaufnahmen wiederum werden von Deaf N’ Drunk, einer gescheiterten Heavy-Metal-Band aus den 80ern, die seither bei Lynch im Keller wohnt, über die Bilder gelegt. Dass die Audio- und die Videoebene selten synchron verlaufen, trägt dazu bei, dass intellektuelle Kreise schlussendlich das fertige Produkt nächtelang bei selbstgedrehten Zigaretten und Rotwein interpretieren und totdiskutieren können. Aber eigentlich gilt bei Lynch das Gleiche wie bei der Stringtheorie oder bei Zitaten von Vujo Gavric: Wenn jemand behauptet, er habe etwas davon begriffen, lügt er. Das Einzige, was mich dabei interessiert: Warum hat Leonardo di Caprio seinen Oscar vor dem Affen bekommen?

Jetzt bleibt nur noch die Frage, warum Frauen zusammen aufs Klo gehen. Das ist doch logisch: Sie machen auch ganz andere Sachen zusammen, die Männer nie zusammen machen würden. Zum Beispiel zusammen shoppen oder zusammen ein vernünftiges Gespräch führen. Dass sie auch gemeinsam ihre Därme entleeren, sollte wirklich niemanden erstaunen. Der Fall ist also klar: Das einzige Geheimnis dieses Universums ist und bleibt, wie wir Schweizer so verdammt guten Käse hinkriegen. Eher wird Apple ein iTunes-Update herausgeben, das die User tatsächlich erfreut, bevor Uwe Ochsenknecht unsere Tricks durchschaut.

MUSS MAN GESEHEN HABEN

Schweizer Sehenswürdigkeiten im Überblick

Die Schweiz bietet eine so große Dichte an Sehenswürdigkeiten, dass ungeübte Augen leicht von einem Burnout befallen werden. Dazu gehören faszinierende Bauwerke, atemberaubende Naturspektakel und historische Orte. Das Matterhorn bei Zermatt, das Val Verzasca bei Locarno, der Völkerbundpalast in Genf, die Rigi in der Zentralschweiz, die Gornergrat-Bahn im Wallis, das Museum Rietberg in Zürich, die Kapellbrücke in Luzern oder die Villa von Roger Federer am Zürichsee, die bequem schwimmend erreichbar ist und in der man als Fan und Stalker stets mit offenen Tennisarmen empfangen wird.

Sehenswürdig ist auch der Monte Verità in der Nähe von Ascona im Kanton Tessin. Hier tummelten sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts Künstler, Schriftsteller und Pazifisten aus aller Welt, um ein paar alternative Lebensformen auszuprobieren. Weltweit holten die Hippies das fünfzig Jahre später nach. Wir waren also sogar der Zeit voraus, als es darum ging, einen Schritt zurückzugehen und zivilisatorische Errungenschaften kritisch zu hinterfragen.