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Max Linssen kommt aus einer anderen Dimension aus Neugier auf den blauen Planeten. Dort erlebt er ein Auf- und Ab in Liebe und Beruf. Durch Erfahrungen mit Sex und Gewalt macht er sich Gedanken über die Wahrheit im Christentum und im Islam. Am Ende fällt es ihm wie Schuppen von den Augen. Der Mensch wird durch drei Kräfte bestimmt. Den Lebenswillen, der Sehnsucht nach Verschmelzung und einem diesen beiden Kräften widerstrebenden Zerstörungsprinzip. Aber dann interessiert es ihn schon nicht mehr. Er verlässt das irdische Dasein und strebt wieder seiner angestammten Dimension zu.
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Seitenzahl: 355
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Autobiographischer Roman
Schwingungen und Wellen
- Ein Leben dazwischen -
Max Linssen kommt aus einer anderen Dimension aus Neugier auf den blauen Planeten. Dort erlebt er ein Auf- und Ab in Liebe und Beruf. Durch Erfahrungen mit Sex und Gewalt macht er sich Gedanken über die Wahrheit im Christentum und im Islam. Am Ende fällt es ihm wie Schuppen von den Augen. Der Mensch wird durch drei Kräfte bestimmt. Den Lebenswillen, der Sehnsucht nach Verschmelzung und einem diesen beiden Kräften widerstrebenden Zerstörungsprinzip. Aber dann interessiert es ihn schon nicht mehr. Er verlässt das irdische Dasein und strebt wieder seiner angestammten Dimension zu.
Impressum:
Copyright 2020Henry Söllbachc/o SP-Day.DE Impressum ServiceDr. Lutz KreutzerPutzbrunner Straße 9c81737 Münchenhenry.soellbach@t-online,de
Nach dem spirituellen Prolog entwickelt sich eine kompakt* dargestellte teilweise heftige Realität, die zum Schluss wieder einen kurz gefassten transzendenten Ausklang findet.
Die Sprache ist bewusst wenig blumig, eher technisch informativ gestaltet, um den Leser in der heutigen schnelllebigen Zeit nicht zu lange zu binden. Dafür ist an vielen Stellen eigenes Nachdenken wünschenswert.
Die Namen und Geschichten sind frei erfunden. Eventuelle Ähnlichkeiten zu real existierenden Personen, Firmen, etc. sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Das Nichts
Das Nichts ist materie- und zeitlos. Es ist der leere Raum. Es befindet sich zwischen den Galaxien, die das Gegenteil vom Nichts sind: Anhäufung von schwerem kaltem Geröll vermischt mit glühenden Erzklumpen. Im Zentrum der Galaxie befindet sich das Kraftzentrum, ein Schwarzes Loch, das eine so große Kraft ausübt, dass selbst das Licht nicht mehr entrinnen kann. Immerwährend saugt es Materie aus der Umgebung ein und verwandelt sie in Nichts. Die Galaxie rotiert, so dass die Fliehkräfte dafür sorgen, dass die Materie dem gierigen Zentrum nur dosiert zugeführt wird. Es wird Milliarden von Jahren dauern, bis die Umgebung leer gesaugt ist. Dann, so könnte man spekulieren, hat sich das Zentralgestirn so voll gefressen, dass sich die massive Anhäufung aufbläht wie ein Luftballon. Und wenn die Spannung an der Zerreißgrenze angelangt ist gibt es einen großen Knall, dabei entstehen Materiebrocken, die ins All also ins Nichts hinaus gestoßen werden. Die Bahn dieser Körper wird aber durch eines der unzähligen zentrischen Kraftfelder sofort gekrümmt, so dass sie Strudel bilden, vergleichbar mit einem Hurrikan, oder dem Abfluss der Badewanne, in dem das wohlig warme, mit ätherischem Öl versetzte Badewasser, scheinbar im Nichts verschwindet.
Das Nichts ist allerdings nicht nichts! Überall herrscht Schwerkraft und alles ist mit Licht durchflutet. Der Mensch sieht nur einen kleinen Bereich des Lichtes: Den Wellenlängenbereich von 0,00039 mm bis zu 0,00077 mm. Der gesamte Bereich der bekannten elektromagnetischen Wellen erstreckt sich von 0,0000000000003 mm bis zu 30 Kilometer. Könnte man die Kosmische Strahlung, die Rundfunkwellen und die Wärmestrahlung auch noch sehen , so wäre der ganze Raum hell erleuchtet. Jeder Sender, jede Wärmequelle wäre eine Lampe die Licht ausstrahlt. Wir könnten vor lauter Wald die Bäume nicht mehr sehen.
Elektromagnetische Wellen sind also allgegenwärtig. Sie bewegen sich mit Lichtgeschwindigkeit (300 000 km/s).
Lichtwellen zeigen sich je nach Versuch als elektromagnetische Welle oder als Teilchen (Photon).
In der Quantenphysik kann man bei einem Doppelspaltversuch (Wand mit zwei sehr schmalen dicht beieinander liegenden Schlitzen) nicht voraussagen durch welchen Schlitz sich das Photon bewegen wird. Auf einem Schirm dahinter erscheint es aber, als ob es durch beide Schlitze gleichzeitig gelangt wäre. Dieses Ergebnis erklären sich einige Quantenphysiker damit, dass es parallele Universen geben muss. Im einen Universum fliegt das Photon z.B. durch den linken Schlitz, im anderen durch den rechten Schlitz. Wieder andere Physiker sprechen von einem vieldimensionalen Raum, von dem wir nur drei erkennen können. Die anderen lassen sich nur durch Mathematik fassen.
Die Frage erhebt sich: Sollen wir uns mit der sichtbaren Welt zufrieden geben? Gibt es einen imaginären Raum. Gibt es tatsächlich das Jenseits von dem fast alle Weltreligionen erzählen?
Das Jenseits
Ich befinde mich in einem Paralleluniversum. Einer Welt aus reinen Schwingungen und Wellen. Ich selbst bestehe aus fadenförmigen Wellen, vergleichbar mit einem Wattebausch, allerdings materielos und ständig in Bewegung. Die Welt ist voller Farben und Formen, die sich aber ständig wandeln. Mit anderen Individuen kann ich kommunizieren, indem ich ihre Gedankenschwingungen aufnehme. Da sich Wellen ungestört überlagern, können sich die Bewohner und die Gegenstände ungestört durchdringen. Es gibt keine Kollisionen. Auch keine Berührungsängste. Überdecken sich Wellen-Körper, so erhöht sich für diesen Moment natürlich durch Wellenüberlagerung die Energie. So führen Begegnungen zu einem allumfassenden Wohlgefühl. Da nach der Begegnung nichts zurück bleibt, sich nichts geändert hat, bleibt das Ereignis folgenlos. Von daher gibt es keine Angst, keine Beschädigung, keine Erwartungen und keine Verpflichtungen. Herrschsucht, Gier oder Hass sind in dieser Sphäre unbekannt. Da es keine bremsende Materie gibt, bleibt die Energie erhalten und verfügbar, es gibt keine Reibung, keine Dämpfung, kein Altern! Deshalb spielt Zeit natürlich keine Rolle mehr. Es existiert das ewige Leben.
Das materielle Universum mit den Galaxien ist mir natürlich nicht entgangen. Mit dem inneren Auge kann ich auch dieses wahrnehmen, aber es ist vergleichsweise langweilig und uninteressant. Die Wellen erscheinen eingefroren, die Formen sind starr. Sie können sich auch nicht durchdringen. Kollisionen sind angesagt. Alle Himmelkörper scheinen sich zu gleichen: Stein und Staub, manchmal kalt manchmal glühend.
Die Erde
Einzig der blaue Planet, der durch seine Farbe aus den anderen heraussticht, ist mir aufgefallen. Den, so beschließe ich, werde ich mir etwas genauer ansehen.
Es ist die blaue Hülle, die mir zuerst auffällt. Doch bei genauerer Betrachtung hat dieser Planet eine harte Kruste mit großen Flächen flüssigen Wassers. Daneben sehe ich noch große weiße Polkappen. Die harte Kruste ist entweder so graubraun wie die übrigen Planeten oder grün.
Bei genauerem Hinsehen erkenne ich ortsfeste grüne Gebilde, die mehr oder weniger schnell wachsen und mobile Wesen die sich über kurze oder lange Strecken bewegen, also Ortswechsel vornehmen. Diese treten oft auch als Vielzahl in Gemeinschaft auf. Da in dieser Sphäre die Energie nicht erhalten bleibt, müssen diese Wesen sich ständig welche zuführen. Manche ernähren sich von den grünen Gebilden, manche auch von anderen Wesen. Die Existenz der gefressenen Wesen geht dann in die der fressenden über. Manche schwimmen im oder auf dem Wasser, andere bewegen sich auf festem Boden, wenige können sich im Raum oberhalb der Oberfläche bewegen, sie fliegen.
Besonders häufig sind die aufrecht gehenden Wesen. Sie fallen durch unterschiedliche Farben auf und wohnen häufig in quaderförmigen Gebäuden. Auch benutzen sie oft bewegte Strukturen mit sich drehenden Beinen zur Fortbewegung. Diese bewegten Strukturen sind für sich jedoch tot. Sie bewegen sich nur, wenn sich die aufrechten Lebewesen darin aufhalten. Sie sind ihnen zu Diensten. Mit diesen toten Strukturen können sich die Aufrechten sehr viel schneller bewegen, als mit ihren eigenen Beinen. Mit Hilfe großer schwimmender Strukturen können sie sich auch auf blauen Flächen bewegen. Fliegende Strukturen befinden sich oberhalb der Flächen im freien Raum. Dort können sie sich aber nur einige Stunden aufhalten. Da sie vom blauen Planeten angezogen werden, müssen sie bald wieder zurückkehren.
Mein Interesse wächst. Wie gebannt starre ich auf diesen Planeten. Von Zeit zu Zeit entstehen mächtige Explosionen von ungeheurer Kraft. Sie zeigen zuerst Lichtwellen, reißen dann große Mengen Materie in den Raum, blähen sich auf, um dann wieder infolge der Anziehung friedlich und leise auf die Oberfläche zurückzusinken. In der Zwischenzeit hat sich jedoch der Ort der Entstehung gravierend verändert. Gebäude sind zerstört, es bleibt ein mehr oder weniger großer Krater, so wie auf den anderen Himmelskörpern üblich, übrig. Würde dies häufiger vorkommen, so wäre der blaue Planet bald nicht mehr von den übrigen Planeten zu unterscheiden. Dies ist aber nicht der Fall. Auslöser dieser zerstörerischen Explosionen sind die Aufrechten. Sie laden Unmengen kleiner fliegender Strukturen in große Flugstrukturen, heben von der Fläche ab und verlieren die gesamte Fracht eine kurze Zeit später aus dem Raum. Die Teile sinken dann, wegen der Anziehungskraft, verteilt über die Oberfläche ab. An jedem Auftreffpunkt passiert eine Katastrophe: Gebäude, Grünflächen und Wesen werden zerstört. Aber wozu das Ganze? Bei genauer Betrachtung erkenne ich, dass auch unzählige Aufrechte zerstört werden. Die davon gekommenen Aufrechten dieser Region zerstören sich anschließend gegenseitig mit sehr schnellen winzig kleinen Flugstrukturen, abgeworfen aus der Hand oder von den dienstbaren toten Bewegungsstrukturen. Ein Ende der Zerstörungen ist nicht abzusehen. Wäre dieser Zustand auf dem ganzen Planeten verbreitet, so gäbe es bald keine Aufrechten mehr. In fast allen anderen Regionen leben die Aufrechten und die übrigen Wesen aber friedlich miteinander zusammen.
Was ist das Geheimnis dieser verlustreichen Regionen? Wozu diese Zerstörungen? Soviel Energie wird nutzlos frei. Niemand und nichts profitiert davon. Während meiner Beobachtungen überkommt mich eine große Ratlosigkeit. Was geschieht denn da? Weshalb zerstören sich die Aufrechten gegenseitig und viele der schönen Strukturen des blauen Planeten? Es gibt keinen Grund so etwas zu tun! Nun höre ich eine Stimme: "Du warst noch nie da unten, sonst wüsstest Du Bescheid. Es ist an der Zeit, dass Du selbst dem Paralleluniversum einen Besuch abstattest." "Einerseits interessant da unten, aber muss man sich das antun", denke ich.
Ich befinde mich in einem winzig kleinen Raumgleiter. Er kämpft sich durch eine klare zähe Masse in eine bestimmte Richtung, immer der Nase nach. 1)
Ein ganzes Geschwader ist unterwegs. Angetrieben werden die stromlinienförmigen Gehäuse durch einen peitschenartigen Schwanz, der eine Drehschlagbewegung ausführt. Ich bin deutlich schneller unterwegs als die unzähligen Konkurrenten. Manche scheinen die Orientierung verloren zu haben, andere pausieren. Zielstrebig erreichen wir das Objekt: Eine Eizelle, etwa 20 mal so groß wie mein Gefährt. Sofort wird angedockt und schon löst sich die Trennwand des Turbogleiters und der großen Eistation. Ich gelange ins Innere. Dort erwartet mich eine materialisierte Welle, ein wendelförmig gedrehtes Seil mehrfach verschlungen. Sofort verschmelze ich gewohnheitsgemäß mit dieser Welle, aber es gibt kein Zurück, keine Durchdringung. Ich stecke fest. Es ist nicht unangenehm. Ständige Energiezufuhr sorgt für ein wohliges Gefühl. Die hereinströmenden Wellen können sich nicht durchdringen, sie summieren sich. Wachstum entsteht. Etwas völlig neues.
Schwingungen wiegen mich frei schwebend in einer Flüssigkeit. Energiewellen gelangen über einen engen Kanal in den Körper und sorgen für ein wohliges Gefühl. Es ist fast wie zu Hause. Wären da nicht die Grenzen. Je mehr an Umfang der Körper erreicht, desto näher rücken diese Grenzen, es gibt Kollisionen. Irgendwann wird es unangenehm eng. Ich denke nur noch an das eine: Heraus aus dieser Zwangslage, endlich wieder frei schweben. Aber es kommt noch schlimmer. Anstelle sanfter Schwingungen setzen nun starke Pressamplituden ein. Der Druck kommt von allen Seiten, außer von einer kleinen Öffnung. Dort müsste man entfliehen können. Kurz bevor die Druckwellen alles zerstören erweitert sich die Öffnung. Ich werde herausgequetscht, verliere für kurze Zeit das Bewusstsein und lande tatsächlich außerhalb meines früher so bequemen kleinen Universums.
Jetzt liege ich auf einer Unterlage, die eine harte Grenze darstellt. Manchmal fühlt sie sich etwas weicher und geschmeidig an, manchmal aber auch rau, uneben, unbequem. Das Schlimmste ist aber, dass die Energiezufuhr mit diesen wohligen Wellen ausbleibt. Verzweiflung greift um sich, Unruhe kehrt ein. Plötzlich - ein kurzer Strahl warmer Flüssigkeit spritzt in den Mundraum. Instinktiv suche ich nach der Quelle und docke an. Energie durchströmt den Körper. Nach der mehr oder wenig mühsam erreichten Energiezufuhr, schlafe ich vollkommen zufrieden ein. Nun bin ich wieder zu Hause. Im Traum befinde ich mich wieder in jener Sphäre, in der es weder Zeit, noch Bedürfnisse gibt. Der Energiestrom der Nahrung geht durch den Körper durch und kommt mit dem selben Lustgefühl auch wieder heraus. Es fühlt sich warm und weich an, wenn es in die Windeln geht.
Der Schock kommt mit dem Aufwachen. Völlig hilflos und alleingelassen liege ich da. Hungergefühl im Bauch und die Ausscheidungsprodukte sind kalt und erstarrt. Die Uhr läuft wieder - Zeit erscheint unendlich lange. Aus Verzweiflung schreie ich, das füllt die Leere um mich herum. Es dauert aber nicht wirklich lange, dann kommt meine Versorgung: Die Windeln werden gewechselt. Die Mutter gibt mir ihre Brust, schenkt mir Nähe und Wärme. Auch der Geruch und die vertraute Stimme sorgen für einen Zustand, der dem im Uterus ganz nahe kommt.
Später wird die gute Muttermilch durch Flaschenmilch ergänzt. Beim ersten Mal kommt mir alles hoch, samt bitterer Magensäure: Schmeckt ja total daneben. Aber so ist der Lauf der Dinge: Von der Muttermilch zum Milchersatz. Statt Busen Flasche mit Gumminuckel, dann Brei aus dem Gläschen mit dem Löffel. Das meiste bleibt an der Backe hängen oder tropft am Hals herunter. Man nennt das die Entwöhnungsphase. Auch die körperliche Nähe wird weniger. Man wird zwischen Bettchen, Wickeltisch und Krabbelkäfig hin und hergeschoben.
Am meisten Aufmerksamkeit bekomme ich, wenn Besuch da ist. Stolz werde ich aus dem Bettchen genommen und herumgezeigt. Alle schneiden irgendwelche Grimmassen oder stupsen mit dem Finger. Unangenehm ist, wenn, vor allem die Tanten, einen auf den Arm nehmen wollen und an ihren Busen drücken. Das ist kein Ersatz: Fremder Geruch, andere Schwingung (sprich Herzschlag) und hässliches Gesicht. Da hilft nur Weinen. Dann landet man wieder bei der Mutter. Die Aufmerksamkeit der Erwachsenen geht nun zu Gesprächen über. Das Baby als Nebensache kann in Ruhe selbst auf Erkundung gehen. - Da, an der Bluse der Mutter ist ein Knopf offen. Also los mit dem Händchen zum Busen. Ob da noch was zu holen ist? Doch schon lande ich am ersten Tabu. Die Hand muss raus - der Knopf wird geschlossen. Das "Missgeschick" wird diskret überspielt.
Nicht nur die Nahrung wird außerhalb des Mutterleibes ersetzt, sondern auch das feine Wiegen. Dafür gibt es ein schaukelndes Kinderbettchen, das die Mutter während der Arbeit immer wieder mal anstößt. Auch Ausfahrten mit dem Kinderwagen versetzen mich bisweilen in den vorgeburtlichen Traumzustand. Nur der Pulsschlag der Mutter kann nicht ersetzt werden. Hier heißt es Verzicht, vergessen. Aus Langeweile sucht man sich so manche Ersatzbefriedigung: Finger in den Mund, den Körper mit den Händchen erkunden, den Penis (wird später zum zweiten Tabu) und die Zehen. Ergänzt wird der Explorationsbereich mit Holz- oder Plastikgegenständen in Reichweite der Händchen.
Im Sommer geht es häufig hinaus in die Natur. Die Mutter hat auf dem Feld zu tun. Der Wagen wird am Feldrand geparkt, in der Hoffnung, dass das Baby schläft. Aber den ganzen Tag schlafen? Es entsteht eine entsetzliche Langeweile. Mutter und die anderen bewegen sich langsam mit den Hacken an den Rübenreihen entlang das Feld hinunter. Es dauert ewig bis sie wieder zurück sind. Was bleibt in dieser reizarmen Zeit? Singen und ein himmlischer Trick: Man begibt sich in eine instabile Seitenlage, der eine Arm unter dem Körper, der andere dient dazu, zusammen mit dem Kopf das Gewicht mal nach hinten mal nach vorne zu verlagern. Stundenlangens Schaukeln (besser Schwingen) ohne nennenswerte Kraftanstrengung, wenn man es beherrscht. Mutti meint: "So ein braver anspruchsloser Bub! Und Singen kann er schön!" Bei Pferden gibt es so etwas ähnliches, das Weben. Das Pferd steht in der Box und wiegte den Kopf hin und her dabei verlagert es sein Gewicht von einem Bein auf das andere. Dies ist jedoch unerwünscht, gilt als eine Art Hospitalismus und ist ein Gewährsmangel (Rückgaberecht bzw. Wertminderung). Für mich stellt es jedoch eine Möglichkeit zur Rückkehr in den seligen, bedürfnislosen vorgeburtlichen Zustand dar. Es wird mir noch lange erhalten bleiben.
Mit der Zeit bekomme ich den Wochen Rhythmus mit. Genauer gesagt ich erkenne den Sonntag als einen völlig anderen Tag als die übrigen. Morgens wird lange geschlafen. Niemand hat Eile. Alle ziehen besondere Kleidung an. Mutti macht sich schön. Dann verschwindet sie allerdings in der Küche. Trotzdem hat sie mehr Zeit für mich. Vor allem Papi, den man werktags kaum sieht, hat Zeit für mich. Nachmittags, nach dem Mittagschlaf geht es spazieren, zum Spielplatz oder man fährt mit dem Auto weg.
Der heutige Sonntag beginnt aber schon sehr seltsam. Morgens früh aufstehen. Überall Hektik. Besuch kommt schon am frühen Morgen. Ich werde in einen Schlafsack gepackt, der dick gepolstert ist. Das Kissen ist angenäht und aus sehr feinem Material. Blumenschmuck wird an der Decke befestigt. Man fährt mit dem Auto in die Stadt. Dort geht es in eine Kirche, ein Raum so groß, dass unser ganzes Haus darin Platz hätte. Vater Mutter und die Verwandten sitzen in der ersten Reihe. Ich lande auf dem Schoß von Tante Amalie. Sie lächelt mich an und zwinkert mit den Augen. Plötzlich erklingt Musik. Zuerst leise, wie Vogelstimmen, dann gesellen sich immer mehr Töne hinzu, es wird immer lauter. Dumpfe Schallwellen dröhnen durch den Raum, mein Kissen beginnt zu beben. Die Schallwellen rasen von einer Wand zur anderen, können aber nicht hinaus, da die schweren Steinquader an den Wänden undurchdringlich sind. Die gefangenen Wellen verstärken und vermischen sich. Eine sehr bedrohliche Situation entsteht. Ich möchte auch hinaus. Aber Mutti sitzt drei Plätze weiter und Tante Amalie macht keine Anstalten zu gehen. Aus Verzweiflung fange ich an zu weinen. Tränen rinnen über meine Wangen. Die Tante beginnt mein Bettchen zu wiegen, was aber die Situation überhaupt nicht entspannt. Ich werde lauter - bis man mich weiter gibt zu Mutti. Mutti drückt mich an ihr Herz, mit den Lippen berühre ich ihren Busen, der bei dem Festkleid nicht ganz so verdeckt ist, wie sonst. Ihr Atem ist ganz ruhig, ich fühle ihn an ihrer Brust. Das aufrecht gestellte Kissen auf der einen und der warme weiche Körper von Mutti auf der anderen Seite halten die Schallwellen weitgehend ab. Der wohlbekannte Duft von Mutti lässt ein heimeliges Gefühl entstehen, trotz der feindlichen Umgebung. Ich beginne mich zu beruhigen und fange an zu dösen.
Unvermittelt ändert sich die Situation. Ich werde wieder zu Amalie gereicht, alle stehen auf und gehen nach vorne zu einem Wasserbecken. Ein Mann in seltsamer Kleidung singt mit seiner hohen Fistelstimme Worte. Bedrohliche Worte. Auch die hallen durch den Raum. Vorsichtshalber beginne ich mit Weinen. Hat doch vorhin so gut geklappt. Wieder reagiert die Tante nicht. Der Mann wendet sich mir zu, greift in das Wasserbecken und schüttet eine Hand voll Wasser über meinen Kopf, selbst das Kissen wird feucht. Worte, Töne und mein Geschrei vermischen sich. Es hat gewirkt, ich lande wieder bei Mutti und fühle mich geborgen.
Später draußen erklärt mir Mutti: "So Maxi jetzt bist du getauft, brauchst nicht weinen, das ist doch dein Ehrentag. Guck alle sind gekommen, wegen dir." Tatsächlich alles versammelt sich um mich. Dann geht es mit den Autos weiter. Allmählich meldet sich auch mein leerer Magen. Aber schon kommen wir in ein Haus, wo es deutlich nach Essen riecht. Alle setzen sich an lange Tische und Mutti gibt mir die Flasche. Dann legt sie mich in den Wagen und ich brauche nicht lange, bis ich mich wieder in der anderen Dimension befinde.
Der Tag wird tatsächlich ein Festtag für mich. Alle wollen mit mir spielen. Viele Geschenke gibt es zu erkunden. Es wird ein sehr kurzweiliger Tag.
Kleine Kinder sollten, nach allgemeinem Brauch, so bald wie möglich aus dem Elternschlafzimmer verbannt werden. Einesteils, weil sonst Gewöhnung eintreten könnte und man die Balgen dann nicht so schnell wieder los wird. Zum anderen sollten die Kinder nicht mit dem Liebesleben der Erwachsenen konfrontiert werden.Ich bekomme daher das Nebenzimmer vom Elternschlafzimmer. Meine Mutter kann durch die Türe hören, wenn Gefahr im Verzug ist. So wache ich einmal nachts auf und möchte das Licht anknipsen. Dabei verliere ich die Orientierung und falle über die Bettlade aus ungefähr 1,5 m Höhe auf den Stubenboden. Sofort ist meine Mutter zur Stelle und bringt mich besorgt wieder zu Bett.Aber Kinder wachen zuweilen nachts auch ohne Grund auf. Eines nachts höre ich durch die Türe aus dem Elternschlafzimmer seltsame Geräusche. Ein Klatschen wie von Ohrfeigen aber andauernd. Mutter und Vater stöhnen und schnappten nach Luft. Sind die in einen Streit geraten? Mir wird unheimlich zu mute. "Lieber Gott, gib dass sich Mutti und Vati wieder vertragen!" Da, nach bangen Minuten, die Erlösung. Freundliche Stimmen und lachen sind zu vernehmen. Das Gebet wurde erhört, sie vertragen sich wieder. Gott sei Dank. Beruhigt kann ich weiterschlafen.
An langweiligen Tagen entdecke ich dann die Schaukelschwingung. Stunden kann man in diesem im Flur aufgehängten Plastiksitz verbringen. Mit der Zeit entdecke ich dann die Selbstanregung der Schwingung, sowie eine Drehschwingung (Torsion) die zur Verdrillung der Seile führt.
Die Kinderschaukel wird später durch die Schiffschaukel auf dem Jahrmarkt ersetzt. Das erste Mal mit meinem drei Jahre älteren Cousin ist überhaupt kein Genuss. Er hat den Ehrgeiz immer höher zu schwingen. Ich bekomme Angst, kauere mich auf die Bank und halte mich krampfhaft am Sitz fest. Sehnsüchtig warte ich auf das Glockenzeichen und den Eingriff der Bremse. (Zuviel Genuss auf einmal kann auch Angst machen). Nach diesem Erlebnis habe ich es vorgezogen alleine zu schaukeln. Am schönsten wäre es, ab einer bestimmten Höhe sich einfach in die Gondel zu legen, die Augen zu verschließen und gemächlich, träumend hin und her zu schwingen, bis die Zeit um ist. Das geht aber nicht. Die Zuschauer erwarten Mut, bis an die Grenze zu gehen. Einfach nur genießen ist mädchenhaft, nichts für Jungen. Auch die anderen Stationen, das Planetenrad, die Achterbahn gehen an die Angstgrenze.
Ein Problem für alle Eltern ist: Wie bringt man die Kinder frühzeitig ins Bett. Morgens sollten sie ausgeschlafen sein und die Erwachsenen wollen wohl auch mal ihre Ruhe haben bzw. Dinge bereden oder tun, die nichts für Kinderohren bzw. -augen sind. So ist das auch bei uns ein ewiger Kampf ums zu Bett gehen. Durch einen einfachen Trick habe ich einen Trumpf in der Hand, den ich allerdings nicht zu oft ausspiele: Meine Mutter ist immer der Meinung, dass ich zu wenig esse. Wenn ich also genau an dem Punkt, an dem die Geduld der Mutter zu Ende geht eine heiße Schokolade mit einem Stück Hefezopf bestelle, so kann ich die Bettgehzeit stressfrei locker um eine halbe Stunde ausdehnen.
Schon bald fällt mir aber eine noch viel genialere Lösung ein. Meine Freundin Laura hat dieses Problem nicht. Ihre Eltern sind sehr großzügig. Sie darf sogar nach dem Abendessen noch mal weg. Das Problem ist nur, ich muss zum Abendessen heim und dann ist Ausgangssperre. Nun ist mein Schlafzimmer im Erdgeschoss des Hauses und zusätzlich noch auf der von Hof und Straße abgewandten Seite. Zudem steht in der Nähe meines Fensters die Regentonne. Also verabrede ich mich an einem lauen Sommerabend, an dem die "Zu-Bett-geh-Zeit" noch im hellen Tag liegt mit Laura zum Spieleabend. Brav gehe ich nach der ersten Aufforderung zu Bett. Mutter gibt mir einen Gutenachtkuss: "Wirst müde sein vom vielen herumtoben, schlaf gut." Kaum ist sie aus dem Zimmer, öffne ich mein Fenster und Laura klettert herein. Wir spielen noch eine Stunde "Fang den Hut". Das passiert jetzt immer öfters. Mutti ist zufrieden, schöpft aber keinen Verdacht. In mein Zimmer schauen die Eltern immer erst, wenn sie selbst zu Bett gehen, und das ist kurz vor Mitternacht. So dass wir die Zeit nach und nach ausdehnen. "Was sagen deine Eltern, wenn du so spät nach Hause kommst?" frage ich Laura. Sie antwortet: "Die freuen sich wenn ich komme und wundern sich nur, dass deine Eltern mich nicht früher heimschicken!" Klar dass Brett- und Kartenspiele zu zweit mit der Zeit langweilig werden. So ergibt es sich, dass wir gegen später beginnen unsere Körper zu erkunden. Gewisse Unterschiede zwischen Mann und Frau kenne ich schon aus Gesprächen mit älteren Freunden. Auch hat man schon mal durch das Schlüsselloch die Schwester beobachtet. Aber so aus der Nähe und in aller Ruhe hatte ich noch keine Gelegenheit. Laura hat zwar noch keinen erkennbaren Busen, aber auffällig ist der fehlende Penis, dafür die Hautspalte, durch die sie wohl pinkeln muss - nicht leicht vorstellbar. Berührungen werden ausgetauscht. In wechselnden Rollen ist jeder mal der Forscher oder der Genießer. Vorsichtig und scheu erkunden die Finger die Umgebung zwischen Bauchnabel und Oberschenkel. Jetzt bin ich doch etwas irritiert: Frau hat zwei Körperöffnungen in der Scheide!
Auf der Suche nach Naschmittel habe ich im Schlafzimmer der Eltern einen Vibrator entdeckt. Schönes Gefühl auf der Haut. Muss ich unbedingt Laura zeigen. Er bereichert unsere Nachspielzeit enorm. Der gesamte Körper wird einbezogen. Die Schwingungen senden Wellen durch den ganzen Körper. Ein unbeschreibliches Hochgefühl entsteht. Hoffentlich vermissen die Eltern das Gerät nicht.
Selbstverständlich sind unsere Treffen streng geheim. Nicht mal dem besten Freund würde ich davon erzählen. Trotzdem meine ich, dass ich das neu erworbene Wissen um die verborgenen Merkmale der Mädchen meinem Freund Martin nicht vorenthalten sollte. Also überrede ich Laura dazu, sich auch Martin mal zu zeigen. Zunächst will sie das nicht. Als Kompromiss handele ich aus, dass sie nur ihr Hinterteil entblößen muss. Martin ist sofort begeistert von meinem großzügigen Angebot und ich gewinne deutlich an Respekt. Wir treffen uns in unserer Hütte am Bach. Laura stülpt ihren Rock hoch und zieht das Höschen nach unten. Dann beugt sie sich nach vorne unten und stützt sich mit den Händen ab. Martin ist ganz nahe dran und staunt nicht schlecht. Vielleicht aus Stolz oder aus einem Überlegenheitsgefühl heraus spreizt Laura auch noch ihre Beine, soweit es das Höschen an den Fesseln erlaubt. Ich weiß nicht welcher Teufel mich reitet, aber plötzlich zupfe ich eine Brennnessel, die zur Türe hereinragt und halte sie Martin hin. Dieser nimmt sie vorsichtig zwischen Daumen und Zeigefinger und streicht damit zwischen Lauras Beine. "Aua", brüllt Laura und dreht sich um. Wortlos zieht sie sich an und verschwindet. Von nun an ist mein Vertrauensverhältnis zu Laura nachhaltig gestört. Spielen in der Öffentlichkeit ja, aber keine Besuche durchs Fenster und keine Intimitäten mehr.
Strategiespiele
Mädchen werden jetzt immer uninteressanter. Stärke und Selbstverteidigung ist das Thema der Dorfjugend. Zu diesem Zweck basteln Martin und ich aus Holzbrettern und Latten Schwerter und Dolche. Mit ein paar Hühnerfedern als Kopfschmuck sind wir richtige Indianer: Mutig und unbezwingbar. Leider fehlt es an einem geeigneten Feind, dem man Respekt beibringen könnte.
Plötzlich kommt uns der Gedanke: Udo, ein Nachbarjunge, könnte mal eine Abreibung vertragen. Er ist immer frech und versteckt sich bei Gefahr hinter dem Rockzipfel seiner Mutter. Also beschließen wir das Kriegsbeil auszugraben und in Indianermanier auf das Nachbargrundstück zu schleichen, um Udo zu überraschen. Während wir in leicht gebückter Haltung ums Haus schleichen, nähert sich von hinten unbemerkt die Mutter von Udo. Blitzschnell entreißt sie mir mein edles Schwert, legt mich übers Knie und versohlt mir kräftig den Hintern. Schreiend vor Schmerz renne ich zurück zu unserem Hof. Martin ist dem Massaker entgangen. Schlimmer als der Schmerz ist aber die Schande, mit den eigenen Waffen geschlagen zu sein, und das von einer Frau!
Mutter hat mich gleich in Empfang genommen und meinen schmerzenden Hintern untersucht. Striemen und ein leichter Bluterguss, ist ihre Diagnose. Sie erwägt Protest bei der Nachbarin einzulegen, oder gar die Polizei einzuschalten. Schnell beschwichtige ich meine Mutter und betone, dass alles nicht so schlimm sei und auch nicht mehr so weh tue. Ganz im innersten sagt mir eine Stimme, die Strafe sei doch gar nicht so ganz unverdient.
Später baut man dann Pistolen- und Gewehrattrappen. Im Dorf werden Strategiespiele veranstaltet. Wir teilen uns in zwei "verfeindete" Mannschaften und treiben uns in den Scheunen und Hecken des Dorfes herum. Jeder, der einen "feindlichen" Spielkameraden sieht, muss sofort und laut rufen: "Peng - du bist tot!" Was dann zum Spielausschluss führt.
In unsrer Phantasie werden die Waffen Wirklichkeit. Eine Gänsehaut läuft einem über den Rücken, wenn man ein verdächtiges Geräusch hört. Das "Peng -...." des Gegners führt fast zu einem Herzstillstand, so intensiv haben wir uns in das Kriegsspiel vertieft. Wir kennen bald jede Scheune von innen. Grundstücksgrenzen lösen sich auf. Die Bauern kümmern sich überhaupt nicht um uns, da Diebstahl oder Sachbeschädigung nie vorkommt.
So nach und nach werden die Waffen immer schärfer. Zuerst Pfeil und Bogen, dann die selbst gebaute Armbrust. Klar dass man mit so gefährlichen Waffen nicht mehr gegeneinander kämpfen kann. Unsere Eltern warnen uns, dass ein Treffer ins Auge lebenslangen Schaden nach sich ziehen kann. Dieses Gleichgewicht des Schreckens führte zu einer Sublimierung. Das Kämpfen wird durch sportlichen Wettkampf ersetzt: Wir schießen auf Scheiben oder auf Vögel, wobei dazu die Treffsicherheit nicht ausreicht.
Kater Mikesch
Ein schöner Zeitvertreib, wenn mal wieder überhaupt nichts los ist, ist der Umgang mit der Hauskatze. Man kann sie zwar, im Gegensatz zu einem Hund, nicht dressieren, aber für ein wenig Futter lässt sie sich überall hinlocken oder ist sofort zur Stelle, wenn man nach ihr ruft. Von klein auf an Menschen gewöhnte Katzen sind auch sehr verschmust. Wenn sie satt sind, streichen sie einem ums Bein, sitzen ausdauernd auf dem Schoß und schnurren. Haben sie Hunger, fangen sie an zu betteln.
Besonders angetan hat es mir ein völlig verwilderter, herum streunender Kater. Ich nenne ihn Mikesch. Er schleicht sich täglich zum Futternapf und frisst die Reste unserer Hauskatzen. Sobald man aber in seine Nähe kommt nimmt er Reißaus. Er ist weiß mit grauen Flecken, hat einen relativ großen Schädel und eine breite Schulter. Der restliche Körper ist dünn, der Bauch eingefallen. Diesen Burschen zu zähmen setzte ich mir zum Ziel. Sein unbändiger Hunger wird mir dabei behilflich sein. So oft ich Zeit habe reichere ich die Reste im Futternapf mit einigen Happen von Delikatessen an und warte in einiger Entfernung auf sein Kommen. Als er erscheint, fixieren mich zuerst seine grünen Augen, dann blickt er zum Futternapf. Keiner rührt sich. Nun weiche ich demonstrativ etwas zurück und er traut sich zum Futter. Während er hastig frisst, dabei aber immer wieder nach mir schaut, bleibe ich regungslos stehen. In den nächsten Tagen halte ich die Distanz aufrecht, aber dann beginne ich diese von Tag zu Tag zu verringern, wobei ich mich sofort zurückziehe, wenn ich merke es wird zu viel. Nach einigen Wochen bin ich auf Knien etwa eine Körperlänge entfernt. Er frisst nach wie vor hastig und verschwindet sofort wieder. Nun möchte ich ihn berühren. Langsam strecke ich ihm meinen Arm entgegen, er weicht aus. Tage später erreicht mein Zeigefinger sein Fell am Rücken. Sofort zuckt er zusammen und rennt davon, obwohl noch genügend Futter vorhanden ist. Ob er wohl überhaupt noch einmal kommt? Beim nächsten Mal lasse ich ihm wieder Zeit, um ihn beim übernächsten Mal wieder mit meinem Finger zu konfrontieren. Hungrig frisst er weiter und biegt seinen Körper weg. Aber dann erreiche ich seinen Kopf. Ich beginne vorsichtig den Hals an der Seite zu kraulen. Es herrscht eine Spannung zwischen Hunger und geschehen lassen. Bevor er mit dem Fressen fertig ist ziehe ich mich etwas zurück, so dass er sich gemächlich davonschleichen kann. Jeder Fluchtreflex sollte vermieden werden.
Eines Tages ist es soweit, er beginnt das Kraulen zu genießen, wenn auch nur wenige Sekunden. Nun ist er besiegt.
Abwechseln mit Streicheleinheiten und Wurststückchen bringe ich ihn in wochenlanger Kleinarbeit dazu, dass er an meinem Körper hinaufklettert und sich genüsslich auf meine Schultern legt. Das geht so lange, bis er so viel Vertrauen hat, dass ich mit ihm in dieser Position sogar mit dem Fahrrad fahren kann. Mikesch ist mein Zirkuslöwe.
Wir werden unzertrennlich. Jede freie Minute verbringe ich mit Mikesch, mal mit Dressur, mal einfach zum entspannen. Dann liegen wir auf dem Sofa, er auf meinem Bauch. Wärmewellen werden ausgetauscht, die Herz und Atemfrequenz erspürt und über allem liegt das zufriedene Schnurren.
Mäuse- und Vogeljagd
Bei der Bergung von Strohballen auf dem Feld fällt mir auf, dass in diesem Jahr unter jedem zweiten Ballen eine Feldmaus sitzt. Die Mäusepopulation schwankt von Jahr zu Jahr. In diesem Jahr scheinen es besonders viele zu sein. Was liegt näher, als Mikesch daran zu beteiligen. Ihn mit aufs Feld zu nehmen funktioniert nicht. Katzen sind ortsgebunden. Er würde sich auch weigern Traktor zu fahren. Deshalb muss die Maus eben der Katze gebracht werden. Entfernt man den Strohballen, so versucht sich die Maus zu verdrücken. Wenn kein Loch in der Nähe ist, nimmt sie den nächst besten Unterschlupf. Diesmal steckt sie unter einem kleinen Haufen Stroh, aber nur mit dem Kopf. Es ist wie bei kleinen Kindern, die sich die Augen zuhalten und rufen:"Such mich!" Jetzt muss ich das Tier nur beherzt direkt hinter dem Kopf am Fell packen, sonst dreht es sich um und zwickt. Es gelingt mir! Ich erwische die Maus und habe das Fell zwischen Daumen und Zeigefinger. Nun weiß ich nicht, ist es die behinderte Atmung oder ein Reflex (sowohl Katzen als auch Mäusekinder werden so getragen), jedenfalls ist sie starr vor Schreck. Schnell laufe ich zum Traktor und verstaue sie im Werkzeugkasten. Zu Hause angekommen rufe ich Kater Mikesch und schleppe ihn an den Kerker. Zunächst hat er Angst vor der fremden Umgebung. Mit allen vier Beinen wehrt er sich, als ich ihn in die Öffnung des Werkzeugkasten schieben will. - Bis die Maus den Fehler macht und sich bewegt. Sofort schießt er nach vorne in den Kasten und schnappt sich die Maus. Er springt vom Traktor und verspeist sie in einer ruhigen Ecke des Hofes. Von nun an bringe ich fast täglich Beute mit. Manchmal auch mehrere Mäuse. Mikesch muss auch nicht mehr gerufen werden. Sobald der Traktor in den Hof einfährt und ich darauf sitze springt er auf und lauert am Werkzeugkasten.
Nun ist die Ernte vorbei. Es gibt keine Mäuse mehr von mir. Mikesch muss wieder selber jagen oder eben hungern. Da fällt mir eine neue Futterquelle ein. Auf dem Hof gibt es viele Spatzen. Die gelten als Schädlinge, weil sie Getreide fressen, allerdings nur das herum verstreute, für das sich niemand interessiert. Da sie zu dem oft in Schwärmen auftreten werden sie zur Landplage erklärt: "Nur ein toter Spatz ist ein guter Spatz!" Meine Leidenschaft für das Luftgewehrschießen hatte nun endlich auch noch einen Nutzeffekt. In einem Maschinenschuppen, der etwas abseits vom Hof liegt, lege ich mich auf die Lauer. Gegenüber ist ein Zwetschgenbaum und ich brauche nicht lange zu warten, da sitzt ein Sperling direkt vor meiner Flinte. Ich drücke ab, der Vogel fällt wie eine Stein vom Baum. Stolz präsentiere ich die Trophäe Kater Mikesch. Nach kurzer Zeit hat er die Nahrungsbeschaffung durchschaut. Sobald ich mit dem Gewehr im Schuppen verschwinde sucht er schon den entsprechenden Baum. Peng! Und Mikesch fängt die Beute auf. Wehe wenn ich mal danebenschieße. Dann sieht mich Mikesch mit seinen grünen Augen vorwurfsvoll an: "Du Flasche hast wieder mal nichts getroffen!" Unter den Vögeln hat sich das natürlich auch mit der Zeit herumgesprochen, so dass immer seltener welche auf den Bäumen rund um den Schuppen zu sehen sind. Im Hofraum ist das Schießen aber zu gefährlich.
Nun fällt mir auf, dass sich sehr viele Spatzen im Hühnerstall aufhalten. Dort fressen sie, zum Unmut meiner Mutter, das Legekorn für die Hühner. Ich schleiche mich an und ziehe die Türe zu. Nun muss ich noch die beiden kleineren Öffnungen für die Hühner schließen und die Spatzen sitzen in der Falle. In Ruhe besorge ich mir ein Kistenbrett und dringe in den Hühnerstall ein, dabei entwischen natürlich einige Spatzen. Die übrigen fliegen aufgeregt hin und her. Treffsicher klatsche ich Spatzen im Flug mit dem Brett. Dabei brechen sie sich meist das Genick und sind sofort tot. Mikesch hat wieder eine üppige Futterquelle und der Verlust an Legekorn wird deutlich weniger. Denn nach so einer Vernichtungsaktion meiden die Spatzen den Hühnerstall für einige Tage. Ich bemerke, dass sich in mir etwas grundlegend geändert hat. Die Spatzen werden nicht mehr nur sportlich gejagt; es baut sich ein Hass gegen die armen Kreaturen auf. Wie im Rausch schlage ich im Stall nach den umherfliegenden Vögeln. Es geht mir auch nicht mehr nur um Futter für den Kater. Das geht so bis ich eines Tages den Kater an der Vernichtungsaktion direkt beteiligen möchte. Ich schleppe ihn in den Hühnerstall, er wehrt sich dagegen, aber ich bin schneller als er entweichen kann. Nun sitzt er da. Unmengen von Vögeln schwirren über seinem Kopf. Instinktiv greift er sich einen mit den Krallen und beginnt ihn zu verzehren. Das geht natürlich zu langsam also beginne ich wieder meine Vernichtungsaktion mit dem Brettstück. Nun lässt Mikesch von seiner Beute, drängt sich an die Ausgangstüre und beginnt zu Miauen. Da bemerke ich, dem Kater wird das zu grausam. Er verbirgt sein Angesicht ob dieser Brutalität. Was bin ich doch für ein erbärmlicher Mensch! Wieso bin ich so begierig diese armen Kreaturen auszulöschen?
Nun fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Das war ja die gleiche Strategie, die einst ein Adolf H. mit seinen Getreuen bei Menschen vollzogen hatte! Herbeiführung einer Endlösung. Mein Körper zittert, Schweißausbruch. Tagelang verstecke ich mich, dann kommt der Entschluss: In den Ferien besuche ich ein Jugendcamp der Gruppe "Holiday for Jesus". Mutter, gut evangelisch, konnte dem nur zustimmen.
Freizeit
Es ist nach Angaben der Veranstalter eine kleine Freizeit. Es sind gerade mal die Mindestanzahl von 12 Teilnehmern: 4 Jungen und 8 Mädchen im Alter von 16 bis 19 Jahren. Der Leiter ist Alfred, ein Versicherungskaufmann aus Essen. Wir treffen uns in Bozen in Südtirol und sind in einer kleinen Pension in Mehrbettzimmern untergebracht. Ich komme am Sonntagabend mit dem Zug an. Einige kamen mit dem Privat PKW. Anfangs komme ich mir etwas unsicher und einsam vor, da ich niemanden kenne. Die anderen erinnern sich an frühere gemeinsame Freizeiten oder kommen aus der selben Gemeinde. Aber für Alfred war das überhaupt kein Thema: Wir gehören alle zu seiner "Familie" und vor allem zu Jesus. Schnell stellt sich eine Vertrautheit unter den Teilnehmern her. Alfred hat schon die Zimmerbelegung parat - weibliche und männliche Teilnehmer getrennt, versteht sich. Gegen 19 Uhr gibt es ein einfaches Abendessen. Anschließend trifft man sich im Gemeinschaftsraum. Das Programm der Woche: Bergwandern, Besuch eines Erlebnisbades und Sonntag Gottesdienst mit Abschluss. Das Frühstück wird serviert aber für das Abendessen muss ab morgen die Gruppe selbst sorgen. Man merkt dass Alfred das alles schon mehrmals geplant hat. Jeder zieht ein farbiges Bonbon und schon sind die 4 Kochgruppen a 3 Personen festgelegt. Dann teilt er eine Rezeptsammlung von ca. 20 Menüs mit Einkaufsliste und Zubereitungshinweisen aus. Jede Gruppe sucht sich zunächst eines aus. Wir wählen Linsen mit Nudeln und Wiener Würstchen. Katja, eine Schwäbin, meint das müsse Spätzle heißen, aber das sei zu aufwändig wir nehmen Spätzle Nudeln aus der Packung. Eine lustige Diskussion über Zutaten entsteht. "Hat jemand eine Lebensmittelallergie" fragt Alfred in die Runde. "Ja ich mag keinen Fisch" ruft eine Teilnehmerin. Alfred erwidert: "Da können wir keine Rücksicht nehmen. für dich gibt`s dann an diesem Abend eben Spiegelei! So, die ersten 4 Tage sind gesichert, lasst mal hören." Dann bestimmt er die Reihenfolge der Kocheinsätze, zu denen auch das das Einkaufen gehört.Nach dieser Arbeit in Kleingruppen setzen wir uns in einem großen Kreis zur Vorstellungsrunde.
Das Thema der ersten Bibelarbeit war aus Matthäus 6 Vers 26: "Seht die Vögel unter dem Himmel an: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr als sie?"Sofort schießen Wellen durch meinen Körper. Gott oder Jesus liebt die Vögel - ich habe sie sinnlos getötet - eine schwere Sünde!Aber Alfred spricht gar nicht über die Tiere sondern meint das Gleichnis bezieht sich auf uns Menschen. Wir sollen uns nicht zu viele Gedanken über unser Leben machen: Was sollen wir anziehen, die roten Zahlen auf unserem Konto, die kleinen Wehwehchen. Und unser Leben soll sich schon gar nicht nur mit dem Anhäufen von Reichtum beschäftigen. Schätze im Himmel sollen wir sammeln und das sind die Beziehungen zu Gott und den Menschen. Leben wir im Heute. Was kann ich für meinen Nächsten heute tun. Für das Morgen sorgt unser Vater im Himmel."Wer's glaubt wird selig" denke ich. Aber dann bedrückt mich doch noch die Beziehung zu den Tieren. "Stehen in der Bibel auch Regeln für den Umgang des Menschen mit den Tieren? Gilt da auch das Liebesgebot", frage ich Alfred im Anschluss an die Bibelarbeit unter vier Augen. "Relativ wenig! Im Alten Testament in der Schöpfungsgeschichte und die Rettung aus der Sintflut in Noah's Arche, fällt mir spontan ein" erwidert Alfred. "Im Neuen Testament werden Tiere nur als Gleichnisse für Menschen erwähnt.".Ich hake nach: "Dann hat Jesus nichts mit Tierschutz am Hut! Wäre doch schade bei den Problemen heutzutage!""Es gibt Schriften, in denen erzählt wird, dass Jesus in seiner Jugendzeit Vögel aus Käfigen befreit habe und sogar einen toten Vogel zum Leben erweckt haben soll, aber diese Schriften sind in der Theologie nicht anerkannt, da man deren Herkunft und Entstehungsalter nicht nachweisen kann" erklärt Alfred hinter vorgehaltener Hand, "wir werden uns in den Bibelarbeiten mit dem Menschen und seiner Beziehung zu Gott beschäftigen. Das ist das Hauptproblem diese Erde. Das Tierreich regelt sich selbst."
Und da war er bei der Frage, die sich durch die ganzen Tage ziehen wird: "Wie ist dein Verhältnis zu Jesus? Hast du ihm dein Leben übergeben?"Da kann er von mir keine Antwort erwarten. Mein Leben gestalte ich selbst. Alles schleifen lassen und auf Entscheidungen von Gott oder Jesus warten, wie naiv ist das denn? Dieser permanente Erwartungsdruck von Alfred und der Mehrheit der Teilnehmer empfand ich als das einzig negative dieser Freizeit. Ansonsten war es eine ausgesprochen tolerante fröhliche, ja herzliche Gemeinschaft, die ich dabei erlebt habe.
Bei einem kurzen Klinikaufenthalt, wegen einer chronischen Mandelentzündung, der Arzt meinte diese unnützen Dinger müssen raus, habe ich einen türkischen Gastarbeiter als Zimmergenossen: Ali Sentürk. Wir verstehen uns sehr gut. Bei der Einschätzung der Schwestern sind wir uns weitgehend einig: "Nachtschwester-Beißzange, Schwester Hilde - sehr schön ......"
Eines Tages macht er mir ein Angebot: "Du mit mir in die Türkei fahren!" Ich antworte nach kurzer Überlegung: "Ich kann nicht in die Türkei reisen. Ich Schüler und nix Geld!" Ohne zu zögern kontert er: "Du nix bezahlen, du mit mir fahren!" Nun, so ein Angebot bekommt man nicht jeden Tag. Um Zeit zu gewinnen antworte ich: "Da muss ich erst meine Eltern fragen". Das versteht er natürlich, Adressen werden ausgetauscht. Nachdem ich zuerst mich, dann meine Eltern von der Einmaligkeit Land und Leute in der Türkei kennen zu lernen überzeugt hatte, besuche ich Ali Sentürk und sage zu.