Science Fiction Superband 5 Romane Mai 2024 - Wilfried A. Hary - kostenlos E-Book

Science Fiction Superband 5 Romane Mai 2024 E-Book

Wilfried A. Hary

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Wilfried A. Hary: Das Schiff der Mutanten Wilfried A. Hary: Angriff der Träume Wilfried A. Hary: Der Traummeister Alfred Bekker: Kerlock - Welt der Trugbilder Mara Laue: Raumkreuzer hinter feindlichen Linien (499) Die Erde, nunmehr abgeschottet von ihrem interstellaren Reich, das übrigens über tausend Welten umfasst, schickt Raumschiffe aus, um neue Kontakte zu knüpfen. Aber da kein ›normales‹ Raumschiff mehr innerhalb der sich lichtschnell ausbreitenden Raumblase um die Erde und ihr Sonnensystem den Sternenflug antreten kann, greift man auf etwas zurück, was man bisher gewollt vermieden hat: Raumfahrt auf PSI-Basis! Die Besatzung, bestehend aus so genannten Mutanten, nennt man PSYCHONAUTEN und eines der wenigen verfügbaren Psychonauten-Schiffe macht in den Tiefen des Alls eine äußerst bedeutsame Entdeckung...

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Wilfried A. Hary, Alfred Bekker, Mara Laue

Science Fiction Superband 5 Romane Mai 2024

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Inhaltsverzeichnis

Science Fiction Superband 5 Romane Mai 2024

Copyright

Das Schiff der Mutanten

Angriff der Träume

Die Traummeister

Kerlock - Welt der Trugbilder

Raumkreuzer hinter feindlichen Linien:

Science Fiction Superband 5 Romane Mai 2024

Wilfried A. Hary, Alfred Bekker, Mara Laue

Wilfried A. Hary: Das Schiff der Mutanten

Wilfried A. Hary: Angriff der Träume

Wilfried A. Hary: Der Traummeister

Alfred Bekker: Kerlock - Welt der Trugbilder

Mara Laue: Raumkreuzer hinter feindlichen Linien

Die Erde, nunmehr abgeschottet von ihrem interstellaren Reich, das übrigens über tausend Welten umfasst, schickt Raumschiffe aus, um neue Kontakte zu knüpfen. Aber da kein ›normales‹ Raumschiff mehr innerhalb der sich lichtschnell ausbreitenden Raumblase um die Erde und ihr Sonnensystem den Sternenflug antreten kann, greift man auf etwas zurück, was man bisher gewollt vermieden hat: Raumfahrt auf PSI-Basis!

Die Besatzung, bestehend aus so genannten Mutanten, nennt man PSYCHONAUTEN und eines der wenigen verfügbaren Psychonauten-Schiffe macht in den Tiefen des Alls eine äußerst bedeutsame Entdeckung...

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Bathranor Books, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

© dieser Ausgabe 2024 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Alles rund um Belletristik!

Das Schiff der Mutanten

Wilfried A. Hary

Im Jahr 2052 erschließt Tipor Gaarson der Menschheit eine schier unerschöpfliche Energiequelle. Man nennt sie nach ihm den ›Gaarson-Effekt‹. Aber es gibt auch Warner, die vor ungeahnten Folgen der hemmungslosen Anwendung des Gaarson-Effektes warnen. Sie sind überzeugt davon, dass der Gaarson-Effekt auf lange Sicht gesehen das energetische Gleichgewicht des Universums stört!

Niemand will auf sie hören - angesichts der fantastischen Möglichkeiten - einschließlich der Erfüllung des Traumes von der interstellaren Raumfahrt. Die Warner werden sogar als gefährliche Kriminelle eingestuft und verfolgt.

Vierhundert Jahre später erst erfüllen sich ihre düstersten Voraussagen: Ein Raumschiff kehrt zurück und ist der berüchtigte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Das Chaos beginnt.

Doch das Genie Tipor Gaarson hat ›vorgesorgt‹: In seinem Sinne bauten Wissenschaftler der bis dato verbotenen so genannten ASTROÖKOLOGEN die GAARSON-GATES! Vor der Katastrophe funktionierten sie noch gar nicht, aber als die Katastrophe beginnt, sind sie der auslösende Faktor für die Abwendung der endgültigen Vernichtung! Die Erde ist gerettet, aber die Naturgesetze haben sich geringfügig verändert: Diese Veränderung breitet sich mit Lichtgeschwindigkeit, von der Erde ausgehend, aus. Innerhalb dieser ›Raumblase‹ gibt es keine technisch basierte überlichtschnelle Raumfahrt mehr - und funktionieren die Gaarson-Gates nun als Transmitter.

Der Aufbau der neuen Erde beginnt - vor allem auch der Aufbau neuer Machtstrukturen, ehe das Chaos doch noch über die irdische Ordnung hereinbricht.

Während der politische Umschwung vonstatten geht, wenden wir uns allerdings einem anderen Problem zu: Die Erde, nunmehr abgeschottet von ihrem interstellaren Reich, das übrigens über tausend Welten umfasst, schickt Raumschiffe aus, um neue Kontakte zu knüpfen. Aber da kein ›normales‹ Raumschiff mehr innerhalb der sich lichtschnell ausbreitenden Raumblase um die Erde und ihr Sonnensystem den Sternenflug antreten kann, greift man auf etwas zurück, was man bisher gewollt vermieden hat: Raumfahrt auf PSI-Basis!

Die Besatzung, bestehend aus so genannten Mutanten, nennt man PSYCHONAUTEN und eines der wenigen verfügbaren Psychonauten-Schiffe macht in den Tiefen des Alls eine äußerst bedeutsame Entdeckung...

Vorwort

»Bei allem, was der Mensch tut – bewusst oder unbewusst -, gibt das Wirken seines Geistes das Motiv. So bleibt auch der Sinn seines Daseins ein Produkt dieses Wirkens, das wir letztlich aus sich heraus verstehen müssen: ›Ich bin, WEIL ich bin!‹ wird dadurch zu einer klaren Aussage: Das Bekenntnis des Geistes, dass er wirkt, um zu wirken. Mögen diejenigen den WERT dieses Wirkens beurteilen, die es trifft - positiv oder negativ!«

(Philosoph Cader im Jahre der Philosophie 2224)

1

Das Raumschiff Bahrns ging um vierzehn Uhr Bordzeit in den Orbit um Clarks-Planet. Sämtliche Funksprüche waren bis jetzt unerwidert geblieben.

Unruhe hatte die Besatzung erfasst.

Der Mutantenraumer war als Scout eingesetzt, nachdem über die vergangenen Wirren die Verbindung der Erde zu allen Kolonialwelten abgebrochen war und jetzt Stück für Stück mit immer noch viel zu wenigen Scout-Raumern wiederhergestellt werden sollte.

Clarks-Planet war so ein Kolonialplanet. Und er war in einem Punkt ganz besonders wichtig, weshalb er sozusagen in der Liste aufzusuchender Welten ziemlich weit oben stand: Zu Clarks-Planet war schon vorher jegliche Verbindung abgerissen gewesen. Nur hatte sich bisher niemand darum gekümmert. Wohl, weil den ehemaligen Herren der Erde diese Welt nicht wichtig genug erschienen war. Schließlich handelte es sich um eine sehr junge Kolonie, die in diesem Stadium immer noch wesentlich mehr kostete, als sie einzubringen vermochte.

Was war dort unten passiert? Warum antwortete niemand?

Die sieben Mutanten und der Adept starrten gebannt auf die Sichtschirme, als müssten sie ihnen das Geheimnis von Clarks-Planet auf der Stelle enthüllen. Sie hatten mit ihren PSI-Kräften, vereint mit den das ganze Schiff bis in den letzten Winkel beherrschenden Ghreekhoj, das Raumschiff bis hierher gebracht. Es waren acht Ghreekhoj, für jeden der Besatzungsmitglieder einer. Jene geheimnisvollen Pflanzen waren schon vor Jahrhunderten auf einem Planeten entdeckt worden, den sie vollkommen beherrschten. Sie hatten keine eigene Intelligenz, auch wenn viele Menschen es ihnen unterstellten, aber sie waren stark emphatisch begabt und konnten deshalb mit Menschen eine Art Gefühls-Symbiose eingehen.

Der Mensch hatte gelernt, sie zu nutzen. Die Ghreekhoj beherrschten nun nicht mehr nur ihre Welt, sondern alle Welten, auf denen Menschen lebten. Sie waren Bindeglieder zwischen hochtechnischen Einrichtungen mit Namen Biocards und Bio-Gehirnen und den Menschen, so dass diese den Eindruck gewinnen mussten, die Ghreekhoj selber würden zu ihnen sprechen, obwohl sie ›nur‹ so etwas wie der Geist der modernen Bio-Computer waren.

Und man hatte relativ früh entdeckt, dass PSI-begabte Menschen mit den Ghreekhoj eine Verbindung eingehen konnten, die weit über das hinausging, was zwischen einem ›normalen Menschen‹ und seinem Ghreekho sich abspielte. Das gipfelte nunmehr, da durch die veränderten Naturgesetze im Bereich der Erde keine technische Raumfahrt mehr möglich war, sogar darin, dass PSI-Menschen, die sich selber gern Mutanten nannten, mittels den Ghreekhoj an Bord interstellare Raumfahrt durchführen konnten.

So waren sie hierher gelangt. Aber: Sollte die Reise doch umsonst gewesen sein?

Es wäre nicht der einzige tote Planet, wie zu befürchten war. Viele waren von der Mutterwelt Erde so abhängig gewesen, dass jedes menschliche Leben ersterben musste, als die Verbindung gerissen war.

Und doch war es diesmal anders. Das spürten sie, obwohl sie es sich nicht erklären konnten.

Bahrns, nach dem sie das Scout-Schiff getauft hatten, grunzte enttäuscht. Auf den ersten Blick sah man in ihm nur einen unförmigen Fleischklumpen. Bahrns war von der Natur übel mitgespielt worden, was seine Erscheinung betraf; dabei besaß er allerdings einen wachen Verstand und ganz besondere PSI-Sinne. Seine Eltern hatten ihn einst versteckt, damit er den früher geübten Praktiken zur Beseitigung von ›unwertem‹ Leben nicht zum Opfer gefallen war - eine der pervers erscheinenden Alltäglichkeiten während der alten Herrschaft über alle Menschen. Als Motiv war angegeben worden: ›Die Bemühungen, den Gesunden einen vermeidbaren Schock zu ersparen und den Civitanoj verstärkt das Gefühl zu geben, dass Krankheit und Tod lediglich eine unbedeutende Illusion sind.‹

Die totale Realitätsflucht bei sechzig Prozent der irdischen Bevölkerung (eben der genannten Civitanoj, was ursprünglich soviel wie Bürger bedeutet hatte und nichts weiter als die verharmlosende Umschreibung aller vom Staat ernährter Dauerarbeitsloser war), damit die Herrschenden ungestört ihre Expansionspolitik betreiben konnten, die längst galaktische Ausmaße angenommen hatte.

Bahrns hatte auf die Dauer nicht unentdeckt bleiben können. Das System forderte seine Opfer. Als sie kamen, um ihn zu töten, floh er - damals erst zwei Jahre alt! PSI hatte ihm geholfen, sich am Leben zu erhalten, doch selbst die Neniantoj (das bedeutete sinngemäß ›Niemand‹, weil sie vom Staat nicht erfasst waren, als würde es sie gar nicht geben und weil es sie deshalb offiziell sozusagen überhaupt nicht gab), die Ausgestoßenen, die Vogelfreien, hatten Bahrns nicht akzeptiert. Er war das Monster. Da er stumm war und sich nur mittels PSI verständigen konnte, wurde alles nur noch schlimmer. Es erschreckte die Neniantoj im höchsten Maße, wenn er ›mit seinen Gedanken‹ zu ihnen sprach.

Und dann war er auch noch unter ihnen ein Verfolgter geworden.

Nach einer Bahrns endlos erscheinenden Zeit war er zufällig auf Mutanten gestoßen und die waren über seine Fähigkeiten keineswegs erschrocken. Er war einer von ihnen geworden - bis heute.

Geblieben war eine unstillbare Sehnsucht nach seinen Eltern, die alles für ihn hatten tun wollen und dennoch gescheitert waren. Er hatte sie niemals wieder gefunden. Das verklärte sie in seinen Erinnerungen und stilisierte sie zu besonderen Wesen.

»Eine lausige Welt«, sagten seine Gedanken. »Da möchte ich nicht einmal tot über dem Lattenzaun hängen!«

Sie sahen ihn erschrocken an. Obwohl sie an seine oftmals recht unkonventionelle Ausdrucksweise gewöhnt waren, hatte er sie recht unsanft aus ihren Betrachtungen geweckt.

Seine riesigen, wässrigen Augen blieben auf den Hauptschirm gerichtet. Bahrns war geschlechtslos, also weder männlich noch weiblich. Ein intelligenter Fleischklumpen mit vier Gliedmaßen, auf denen er sich ungeheuer flink bewegte und zwei Ohren, mit denen er auch Ultraschallgeräusche wahrnahm.

Cora-lon, Wera-lon und Olka-lon, die Drillingsschwestern, die völlig gleich aussahen und sich niemals trennten, riefen im Chor: »Du hast dir bei diesen Neniantoj eine unmögliche Ausdrucksweise angewöhnt!«

»Es waren die einzigen, die ich lange Zeit zu Gesicht bekommen habe und sie waren nicht halb so erheiternd wie ihr drei.«

Seine Gedanken wurden wie gesprochene Worte empfunden.

Die Drillinge schnitten eine beleidigte Miene. Es war gespenstisch anzusehen, wenn sie sich vollkommen synchron zueinander bewegten. Die meiste Zeit waren ihre Geister zu einem PSI-Kollektiv verschmolzen.

Nach heute üblichem Geschmack waren sie zu klein und zu zierlich. Sie wirkten unscheinbar und taten überhaupt nichts für ihre Erscheinung. Aus Rücksicht auf die anderen schoren sie sich wenigstens nicht mehr kahl. Ihre Gesichter waren kindlich. Die Drillinge gaben sich stets äußerst empfindlich - und hatten sich gemeinsam in Colman verliebt.

Auch das hatte allerdings nicht dafür gesorgt, dass sie einmal etwas anderes anzogen als die ewig zerknitterten, widerlich beigen und viel zu großen Bordanzüge, die um ihre Glieder schlotterten und die sie jeden Augenblick zu verlieren drohten.

Colman kratzte sich am Hinterkopf. Er schien aus einem Modejournal für Herren entsprungen zu sein. Auch in dieser Situation zeigte er sein sonnengebräuntes Sonnyboy-Lächeln (er machte reichlich Gebrauch vom Bordsolarium und hatte allein mehr Garderobe dabei als alle anderen zusammen). Nachdenklich meinte er: »Kann sein, dass die von uns nichts mehr wissen wollen.« Es schien ihm bewusst zu werden, wie lächerlich es klang, weshalb er fortfuhr: »Ich meine, die haben einfach ihren Kopf in den allgegenwärtigen Sand gesteckt und strecken uns ihren - hm - Allerwertesten entgegen. Wir sollen sie alle mal... Ihr wisst, was ich meine?«

Ein verstohlener Blick zu den Drillingen. Bei ihm waren sie großzügig. Er brauchte keine Rüge von ihnen zu befürchten - wegen seiner Ausdrucksweise. Wenn sie seine dunkle, männliche Stimme hörten...

Na wartet, ihr drei!, dachte er ketzerisch. Eines Tages sind wir völlig allein und dann wird es ernst für euch. Egal, wie ihr ausseht. Ihr werdet sowieso von Tag zu Tag schöner - je länger ich keine andere Frau zu Gesicht bekomme.

Wie immer, wenn er solche Überlegungen anstellte, schirmte er vorsichtshalber seine Gedanken ab.

Doch er verriet sich, indem er mit der Zunge schnalzte.

Der einzige, dem die Bedeutung auffiel, war Bahrns, aber der kümmerte sich nicht darum. Für ihn waren Fragen der Geschlechtlichkeit völlig bedeutungslos. Er würde niemals völlig begreifen, was ein Schürzenjäger war.

Colman war jedenfalls einer!

Er hatte sich dennoch der Mannschaft angeschlossen, auf dem Weg durch die Einsamkeit des Alls.

Merrin-kläck, der Adept, schüttelte missbilligend den Kopf. Es ging ihm gegen den Strich, dass seine Mannschaftsmitglieder offenbar gar nicht den Ernst der Situation erfassten.

Merrin-kläck hatte seinen eigenartigen Namen von einer halbintelligenten Rasse auf Sobir bekommen - bevor man diese Rasse ausgerottet hatte, damit sie für die Besiedlung Platz machte.

Merrin-kläck hatte die fremdartige Kultur erforscht und war sogar zu einem engen Vertrauten der Sobirer geworden.

Die grausame Tat der Militärs hatte er dennoch nicht verhindern können.

Als Wissenschaftler war er auf Sobir gelandet und er hatte den Planeten niemals wieder verlassen wollen.

Jetzt war er dennoch unterwegs - auf der Flucht vor den Erinnerungen und der Suche nach Mitteln, um seinen Hass zu stillen.

Obwohl es die Schwarzen Militärs nicht mehr gab - zumindest nicht mehr auf der Erde.

Eigentlich war keiner der Mannschaftsmitglieder geeignet, einen Auftrag zu übernehmen, der ihn auf der Erde ließ. Der Wiederaufbau war keine Sache für unruhige Geister.

Die neuen Führer, die teilweise aus der alten Bewegung der Astro-Ökologen stammten und sich aus der neuen Gaarson-Partei rekrutierten, hatten Merrin-kläck und seine Mannschaft auf die Reise geschickt. Das erschien ihnen am besten.

Das war eine Aufgabe, die dieser Mannschaft gerecht wurde.

»Was ist los, Merrin-kläck?«, fragte Colman in der Pose des lässigen Draufgängers, dem nicht nur die Frauen zu Füßen lagen, sondern vor dem auch alle Gegner zu kuschen pflegten.

Merrin-kläck ballte die sehnigen, blau geäderten Hände zu Fäusten.

Niemand wusste, wie alt der Wissenschaftler war. Er hatte den sehnigen Körper eines bei schwerer körperlicher Arbeit ergrauten Mannes, doch wenn er sich bewegte, tat er es mit der Geschmeidigkeit einer Katze. Die grauen Haare und die tiefen Kerben in seinem rauen, graubärtigen Gesicht konnten durchaus die Folge des Erlittenen sein.

Ein Mann, der seine Lebensaufgabe unter entsetzlichen Umständen verloren hatte.

So ruhelos wie all die anderen an Bord - obwohl er deren Motive nicht einmal so genau kannte.

Merrin-kläck presste die Fäuste gegen das Schaltpanel vor den Schirmen, dass das Protoplast leise knirschte.

»Es ist dort unten etwas Schreckliches vorgefallen. Spürt ihr es denn nicht? Sie lassen unsere Funksprüche nicht freiwillig unbeantwortet.«

»Immerhin sind sie seit Jahren von der Außenwelt abgeschnitten«, gab Macson zu bedenken.

Er war der Geschwätzige in der Crew. Obwohl er nun zum ersten Mal etwas gesagt hatte, seit sie im Orbit waren. Normalerweise erzählte er zu jeder passenden und unpassenden Gelegenheit bunte Geschichten, die er meistens selber erlebt zu haben vorgab.

Seine Phantasie war so ausgeprägt, dass sie ihn schon gefragt hatten, wieso er keine Romane schrieb. Da lachte er schallend: »Wer sollte schon lesen, was ich zu berichten habe?«

Bei anderer Gelegenheit gab er allerdings eine andere Begründung zum besten: »Bin zu faul, endlos leere Papierbögen voll zu schmieren. Eine Tätigkeit für Verrückte!«

Aber hatte er nicht auch einmal gesagt: »Habe ich vielleicht schon alles hinter mir? Memoiren folgen stets am Ende!« Danach hatte er sich stumm abgewendet. Sein Lachen war erstorben.

Macson war ein untersetzter Mann mit einem runden, gutmütigen Gesicht, einem sorgfältig gestutzten Bart und wieselflinken Augen, denen nichts zu entgehen schien.

Sie bewiesen, dass er keineswegs ein Träumer war, auch wenn er sich für gewöhnlich so gab.

Macson war das genaue Gegenteil vom stillen, unnahbaren Fermens. Wenn dieser einen einzigen zusammenhängenden Satz sprach, konnte es bereits als Sensation empfunden werden.

Selbst seine Gedanken schirmte er so perfekt ab, dass er den anderen oftmals wie ein Roboter vorkam: ohne Leben, ohne Gefühl...

Fermens war nicht nur das Gegenteil von Macson, sondern auch von Colman. Sie unterschieden sich in einem Maße, das es eigentlich unmöglich machte, sie in einer Mannschaft zu vereinen.

Colman war ein geschniegelter Bursche mit einer jungenhaften, wenig muskulösen, viel zu schlanken Figur, während Fermens breitschultrig, schmalhüftig und total durchtrainiert war. Einen Großteil seiner Freizeit verbrachte er im Trainingsraum. Dort durfte ihn niemand stören.

Fermens war das Sinnbild des eisenharten, wortkargen Kämpfers. Eiskalt und unmenschlich wie ein Militarist.

Selbst innerhalb der Mannschaft, während des PSI-Zusammenschlusses, wenn sie mit ihren Mutantenkräften das Schiff führten, sickerte niemals ein unkontrollierter Gedanke von Fermens durch.

Sie wussten buchstäblich nichts von ihm. Er blieb innerhalb der Mannschaft ein Fremder.

Doch manchmal schrie er wie ein Wahnsinniger im Schlaf, schlug dann um sich wie ein Berserker und wirkte danach stundenlang völlig verstört. Dann konnte man ihn kaum für die Mannschaftsarbeit gebrauchen, denn seine PSI-Kräfte erschienen stark reduziert.

Es war schon eine seltsame Mannschaft, die sich an Bord der Bahrns befand.

Aber sie waren trotzdem eine verschworene Gemeinschaft, sonst hätte man sie nicht gemeinsam auf die Reise geschickt.

Sie hielten zusammen, denn nur so konnten sie ihrer wichtigen Aufgabe gerecht werden.

2

Macson sagte: »Ich überlege, was das alles bedeutet: Der Planet ist zu öde. Er gibt sicherlich nicht soviel her, dass die Siedler sich selbst ernähren könnten. Laut unserer Unterlagen wurden hier seltene Erze gefunden, die gewissermaßen achtlos herumliegen. Man braucht sie eigentlich nur aufzusammeln. Doch die Siedlung befand sich erst in der Aufbauphase. Der Reichtum nutzt den Siedlern überhaupt nichts, wenn alle Verbindungen zur Außenwelt abgeschnitten sind. Die expansive, brutal-rücksichtslose Politik von Terra - und Siedler wie diese da mussten dafür ins Gras beißen!«

»Gras?«, echote Colman. »Nun, könnte es geben, obwohl ich es bezweifle. Schwerkraft und vor allem atmosphärische Zusammensetzung sind zwar so wie auf der Erde, nachdem man wohl die irdische Ökologie eingeführt und die einheimische zerstört hat...«

»Meinst du wirklich, die Einführung der irdischen Ökologie hat sich auch auf die Schwerkraft ausgewirkt?«, fragte Macson gehässig.

»Schwätzer!«, knurrte Colman, weil man Macson mit dieser Bezeichnung am härtesten treffen konnte. »Du weißt genau, was ich meine: Man bemühte sich redlich um Ackerbau und Viehzucht, um die Siedlung weitgehend autark zu gestalten. Bevor der Planet von der Erde aufgegeben wurde, ähnelte er ihr stellenweise wie eine schlechte Kopie. Die einheimische Flora und Fauna unterlag so dramatisch, weil man die irdische durch gezielte Biomanipulation widerstandsfähiger gemacht hat. Nur hat man vergessen, die Siedler ebenfalls widerstandsfähiger zu mache.«

»Wir landen!«, beschloss Merrin-kläck ungerührt.

Alle stierten ihn an, selbst Bahrns, das Monster.

Mit diesem Entschluss hatten sie so schnell nicht gerechnet.

Merrin-kläck nickte vor sich hin. »Ich bin jetzt überzeugt davon, dass wir Überlebende finden werden. Dass sie die Funksignale nicht beantworten, hat andere Ursachen!«

In den Gesichtern der Drillinge war auf einmal Angst zu lesen. »Und - und wenn es eine - eine unsichtbare Gefahr gibt, die uns ebenfalls...?« Sie hatten wieder im Chor gesprochen und verstummten abrupt.

Fermens stöhnte auf.

Jetzt blickten sie alle zu ihm hin.

Er deutete mit beiden Händen auf die Schirme.

»Ja, seht ihr denn nicht?«, schrie er auf. »Seht ihr es nicht? Da ist es. Es ist das - das...«

Seine Augen drohten schier aus den Höhlen zu quellen.

Die anderen folgten seinem Blick, konnten jedoch nichts entdecken.

»Es ist...«

Was war auf einmal mit Fermens los?

Automatisch tasteten ihre durch die emphatische Symbiose mit den überall wuchernden Ghreekhoj erheblich verstärkten und indirekt miteinander verknüpften Extrasinne nach seinem Verstand, doch er hatte eine stabile Wand um sich errichtet und ließ keinen an seinen Gedanken teilhaben.

»Verdammt, was siehst du denn, Fermens?«, brüllte Merrin-kläck ihn an.

Fermens reagierte nicht. Da holte der Adept aus und schlug zweimal kräftig zu: Zwei klatschende Ohrfeigen.

Sie zeitigten Wirkung. Fermens' Blick wurde auf einmal wieder klarer. Betroffen schaute er zu Boden. Dann hob er den Kopf.

Aus seinem Bewusstsein sickerte ein Bild zu ihnen herüber. Es war ein bizarres, unwirklich wirkendes Raumschiff, wie von einem surrealistischen Künstler. Es schwebte über einer öden Heidelandschaft, direkt über einem Baum.

Das Traumschiff!, dachte Fermens und sie ›hörten‹ es förmlich wie gesprochene Worte.

»Das Traumschiff!«, wiederholte er mit dem Mund.

Das Bild zerplatzte und machte wirbelnden Schatten Platz, die sich rasch zu grauenerregenden Fratzen entwickelten.

Nein, das waren keine Fratzen, sondern die Gesichter von Menschen in Todesangst.

Man konnte jetzt ihre Leiber sehen, grauenvoll zugerichtet.

Ein Ächzen und Stöhnen und Kreischen. Ein langer Korridor, spiegelndes Metall, Blut, Gebeine, das widerliche Geräusch von jemandem, der sich erbrach.

Und wieder enge Korridore, Leichen, Kampfschreie. Alles wirbelte vorbei.

Und das Traumschiff schwebte über der Heide. Ein Bild, das langsam verblasste, als würde jemand das Licht wegdrehen.

Fermens fiel seinen Freunden vor die Füße, ohne dass sie es verhindern konnten.

Benommen starrten sie auf ihn hinab.

Bahrns erwachte als erster aus der Erstarrung. Er gab eine rasche Lautfolge von sich, die wie Grunzen, Stöhnen und Knurren klang. Seine Gedanken produzierten einen Satz: »Was ist Erinnerung und was ist Gegenwart?«

Er blickte niemanden bei seiner Frage an, also fühlte sich auch niemand angesprochen.

Trotzdem gab Macson Antwort: »Weder noch: Ich hatte bisher allerdings keine Ahnung, dass Fermens die Gabe des Hellsehens hat.«

Merrin-kläck nickte vor sich hin. »Ja, das hat er vor uns verheimlicht. Aber vielleicht irren wir uns und Bahrns hat als einziger recht - und das Ganze hat Fermens tatsächlich an etwas erinnert, was er früher erlebte? - Nichts wissen wir über seine Vergangenheit.«

Macson nagte an seiner Unterlippe. »Unheimlich war das schon. Das Bild dieses Traumschiffs war so deutlich wie eine Fotografie. Das andere... Na, es erschien wie die Vision eines Wahnsinnigen. Das eine hängt mit dem anderen zusammen. Aber wie? Fermens ist ein Freund, der für uns durchs Feuer gehen würde, aber er ist verschlossen und unnahbar und lässt uns nicht wissen, warum. Ich...«

»Du redest zuviel!«, schnappte Colman. »Das allein ist es. Da kommt niemand zu Wort. Man kann es Fermens nicht verdenken. Und nun liegt er da und du bist wieder am Quatschen. Niemand kümmert sich um den Armen, weil du alle abhältst. Du verdammter...«

Macson ging ihm an die Kehle. Er war kleiner als Colman, aber kräftiger.

Colman gurgelte verzweifelt, weil er keine Luft mehr bekam.

Macson stieß ihn angewidert von sich.

»Ich könnte dich zerquetschen wie einen Wurm, du halbe Portion. Als Casanova gibst du gewiss eine bessere Figur ab als gegenüber dem so genannten starken Geschlecht.«

Die Drillinge hielten sich ausnahmsweise völlig heraus. Sie standen zu sehr unter dem Eindruck des Erlebten.

Auf alle trifft das zu!, konstatierte Merrin-kläck und sagte mit ungewöhnlich sanft klingender Stimme: »Wir sollten uns nicht gegenseitig bekriegen, nur weil wir jetzt nicht mehr leugnen können, dass wir die Gefahr spüren. Aus unerfindlichen Gründen ist Fermens stärker davon betroffen als wir und hat es uns allen deutlich gemacht. Es ist sinnlos, darüber zu debattieren. Besser, wenn wir zu handeln beginnen.«

Macson und Colman blinzelten verwirrt. Sie sahen sich erstaunt an. Begriffen sie jetzt erst, was zwischen ihnen vorgefallen war?

Macson streckte spontan seine Rechte aus, die von Colman prompt ergriffen wurde.

Die beiden versöhnten sich.

Merrin-kläck freute sich darüber, aber er bekam keine Gelegenheit mehr, dieser Freude Ausdruck zu verleihen, denn Bahrns' Gedanken sagten: »Es ist überflüssig, sich jetzt noch um den guten Fermens kümmern zu wollen: Erstens habe ich das schon besorgt und keinerlei körperliche Beeinträchtigung festgestellt und zweitens ist der psychische Kurzschluss, der zur vorübergehenden Bewusstlosigkeit geführt hat, wieder aufgehoben. Mit anderen Worten: Fermens erwacht soeben!«

Ja, Merrin-kläck konnte zufrieden sein, denn mit dieser umständlichen Erklärung bewies auch Bahrns, dass er den Schock überwunden hatte.

Die Drillinge traten näher und trugen entschlossene Mienen zur Schau.

Es war klar, dass jeder eine Erklärung von Fermens erwartete...

3

»Ich - ich kann mich an nichts erinnern!« Mit diesem lapidaren Satz mussten sie sich zufrieden geben. Mehr war aus Fermens nicht herauszuholen. Er gab sich noch verschlossener als sonst.

Merrin-kläck verschränkte die Arme vor der Brust und stellte sich breitbeinig hin - wie die Inkarnation einer Führungspersönlichkeit. Das täuschte. Merrin-kläck war keineswegs ein autoritärer Führer.

Er schüttelte den Kopf. »Wir müssen die Landung verschieben.«

»Am besten, wir kehren dem Planeten den Rücken zu und fliegen den nächsten an!«, schlug Colman mit verdächtig zittriger Stimme vor.

Niemand bekräftigte diesen Wunsch und Merrin-kläck ging überhaupt nicht darauf ein.

Er sagte: »Wir bilden eine Séance und versuchen auf diese Weise, etwas herauszubekommen.«

Colman zuckte die Achseln. Die anderen wandten sich stillschweigend ab und schritten zur Plattform. Sie befand sich im obersten Drittel der Kuppelzentrale. Die gewölbte Kunstglaskuppel über ihren Köpfen, die unterwegs den freien Raum und jetzt den Planeten zeigte, konnte zusätzlich mit einem Energieschirm geschützt werden. Das besorgte schon die Automatik. Darum musste sich keiner der Mannschaft kümmern.

Die Mannschaft schloss sich zusammen. In ihrer Mitte befand sich das Becken mit der Stammblüte, in die alle acht Ghreekhoj mündeten wie in einem Knotenpunkt. Nur bei einer solchen Anordnung konnte ein Raumschiff außerhalb der direkten Masseneinwirkungen eines Sonnensystems über das Äthermorph in Nullzeit durch den interstellaren Raum gesteuert werden.

Die Psychonauten, wie man inzwischen die raumfahrenden Mutanten nannte, konzentrierten sich auf das Becken. Die Blüte war das wichtigste ›Instrument‹ bei jeder Séance.

Sie verfielen in Trance, gesteuert und vereint durch den Adept, dessen Aufgabe das war. Aus der winzigen Verbindung mit dem Äthermorph (ein Begriff Gaarsons für einen rein theoretischen Raumzustand), gebildet von der Blüte, schöpften sie genau dosierbare Kraft, die es ihnen erlaubte, ihre eigenen Verbindungsfähigkeiten zurückzuhalten.

Allmählich wuchs der Verbund. Mit der Blüte in ihrer Mitte bildeten sie eine Gemeinschaft. Die Blüte lebte, doch es war ein Leben besonderer Art. Sie hatte keine eigene Intelligenz, sondern wurde erst intelligent durch die Geister der Mutanten, die der Adept mit seiner besonderen Begabung koordinierte.

Der Adept war mit ihnen. Merrin-kläck hatte schwache telepathische Fähigkeiten, die ihm die Séanceführung erleichtern halfen. Er kontrollierte seine Mannschaftsmitglieder und wartete geduldig, bis ihre Gedanken im Gleichtakt schlugen.

Die winzige Öffnung, hervorgerufen von ihrer gebündelten Kraft auf die Blüte, was die Illusion erzeugte, als wäre es die lebendig gewordene Blüte selber, als wäre sie ein eigenständiges, hochsensibles Geschöpf geworden, zum Leben erweckt durch die Initialzündung der vereinten Gedanken und die Ur-Energien des Äthermorph, wurde zu einer Art Schlupfloch, durch das sie sich zwängten.

Es gab keine Furcht, kein Grauen, sondern nur die neutrale Haltung von Mutanten in einer Mannschaft, wenn sie eng im Kontakt mit dem Äthermorph standen. Jetzt waren sie bis zu einem gewissen Grad sogar damit verbunden - durch jenes ›Schlupfloch‹. Sie trieben weiter, in einem höllischen, unverständlichen, weil eigentlich rein theoretischen, aber dennoch Auswirkungen zeitigenden Universum ohne konkrete Wahrnehmungshilfen, was sich in explodierenden Farben, irren Lauten, undefinierbarem Geschmack und einer totalen Überforderung der Sinne äußerte; wenn es nicht mehr möglich war, zwischen Wahnsinn und Wirklichkeit zu unterscheiden.

Deshalb könnte ein normaler Mensch, der nicht PSI-begabt war, diesen Kontakt nicht mit wachem Verstand überleben.

Der Mutantenmannschaft machte es nichts aus. Sie waren darauf trainiert und ließen sich durch das Chaos nicht beeinflussen. Ihre Parasinne konzentrierten sich auf etwas anderes. Dabei blieb die Blüte ihr Orientierungspunkt und Merrin-kläck ihr Führer. Sie öffneten mehr und mehr ihre PSI-Potentiale, um eine Veränderung festzustellen. Sie glaubten, dass die Besonderheit von Clarks-Planet auf ein Unglück zurückzuführen war und da sie Mutanten waren, dachten sie automatisch an ein Unglück durch PSI!

Es hatten sich in den vergangenen Jahren keine Mutanten auf Clarks-Planet befunden, sondern nur etwa dreißigtausend Siedler.

Wie hätte ein PSI-Unfall zustande kommen sollen?

Ihr Vorgehen war insofern nicht logisch, aber jedwede Logik ist von den Informationen abhängig, von denen sie abgeleitet wird und gerade an Informationen mangelte es ihnen.

Die Mannschaft ›lauschte‹ und kehrte nach unbestimmter Zeit wieder durch das ›Schlupfloch‹ zurück.

Merrin-kläck ließ sie erwachen.

Verständnislos schauten sie sich an. Alle waren unnatürlich bleich. Automatisch konzentrierten sie ihre Blicke auf Merrin-kläck.

Der Adept zuckte die Achseln: »Nun?«

Colman antwortete als erster: »Die Wahrnehmung war fremdartig, undefinierbar und unergründlich. Sie erschien mir gefährlich.«

Macson schüttelte den Kopf. »Dummes Zeug, Colman. Denke doch einmal darüber nach, dass wir das theoretische Äthermorph immer anders erleben. Gibt es da nicht immer solche Eindrücke? Wir sollten nicht den Fehler machen und ausgerechnet jetzt von daher auf etwas Besonderes schließen.«

Merrin-kläck lehnte sich zurück und verschränkte wieder die Arme vor der Brust. »Es gibt einen Unterschied zu sonst, Macson!«, behauptete er.

Bahrns, das Monster, führte es aus: »Sonst sind die Eindrücke des Chaos individuell verschieden, obwohl wir in der Séance vereint sind. Diesmal jedoch hatten wir alle die gleichen Eindrücke! Also gibt es einen konkreten Hinweis auf PSI-Ebene: Der gegenwärtige Zustand von Clarks-Planet wirkt sich auch auf die universale Ordnung aus. Es gibt zumindest eine unbekannte Resonanz.«

»Und deshalb antworten die Planetarier nicht auf unsere Funkimpulse?«, fragten die Drillinge im Chor.

Merrin-kläcks Oberkörper schoss vor wie der Kopf eines zuschnappenden Raubvogels.

»Tja, Mädels, das mit den unbeantworteten Funkimpulsen ist schließlich nicht alles. Denkt doch mal darüber nach: Handeln wir nicht höchst unlogisch? Wie würden wir normalerweise vorgehen? Vorsichtige Landung, Erforschung der Ursache, Bericht, Weiterflug! Es ist nun schon der zweite Siedlerplanet, der auf unsere Funkimpulse nicht antwortet. Beim ersten Mal gingen wir wie eben beschrieben vor und fanden die Leichen der Unglücklichen, die versucht hatten, sich am Leben zu halten, aber dank des ausbleibenden Nachschubs letztlich doch untergehen mussten. Warum sollte es diesmal anders sein? Wir debattieren und haben Angst. Wir bilden eine Séance und spüren etwas Rätselhaftes. Freunde, wir spüren auch ohne Séance, dass Clarks-Planet eine Besonderheit ist. Was immer mit den Siedlern auch geschah: Die Gefahr bleibt gegenwärtig!«

»Gaarson-Effekt?«, fragte Fermens.

Sie schauten ihn erstaunt an. Er hielt den Blicken stand.

»Gaarson-Effekt?«, wiederholte er eindringlicher.

Merrin-kläck zuckte die Achseln. »Warum nicht, Fermens? Es ist eine Binsenweisheit, dass dieser die universale Ordnung stört und zwar so nachhaltig, dass sich am Ende die universale Ordnung selbst verändert! Damit ist auf der Erde inzwischen zwar so etwas wie Teleportation mittels Transmitterstationen möglich - was die Erde letztlich sogar vor dem Untergang rettete, weil diese Transmitter wie ein Ventil für die negativen Auswirkungen der endgültigen Katastrophe waren... aber nur innerhalb der Teile des Universums, die ihre Ordnung bereits geändert haben. Und die Änderung breitet sich von dort ausgehend lichtschnell aus, also in erster Linie von der Erde ausgehend. In zweiter Linie von den frühesten Kolonien, alten Forschungsprojekten etc. Außerhalb der sich ausbreitenden Bereiche funktionieren noch keine Transmitter. Die Verbindung zur Erde kann nur mittels Psychonauten-Raumschiffen aufgenommen werden.

So, das sind die Fakten. Aber hier? Die Kolonie war absolut jung. Hier kann der Gaarson-Effekt eigentlich noch nicht die verheerende Wirkung gehabt haben. Wenigstens nicht durch menschliches Verschulden...«

Macson fauchte: »Ausgerechnet du musst das fragen, Fermens?« Es klang aggressiv und angriffslustig. »Denke an deinen Zusammenbruch! Wir machen schon wieder einen Fehler: Wir pauschalieren zu sehr. Muss denn alles Negative gleich mit der Gaarson-Kraft zusammenhängen? Gibt es denn sonst keine Gefahren? Was wissen wir denn über die Physik des Universums? Doch nur das, was wir zu wissen glauben! Nichts ist absolut. - Und jetzt sollten wir endlich landen und uns der Gefahr stellen. Oder hat jemand einen anderen Vorschlag?«

»Ja, ich!«, meldete Colman sich kleinlaut. »Wisst ihr, ich habe diese Reise mitgemacht, um vor der Vergangenheit zu fliehen.« Er zitterte auf einmal wie Espenlaub. »Verdammt, ich bin ein Mutant und war immer ein Mutant, obwohl ich mich stets gegen die PSI-Fähigkeiten in mir wehrte. Aber sonst kann ich nichts. Um zu überleben, musste ich mich mit der Psychonautenarbeit beschäftigen. Mein Gott!« Er begann zu weinen und schwang mit dem Oberkörper vor und zurück. »Mein Gott, begreift ihr denn nicht, wieso ich fliehen musste? Ich - ich muss meine Mutantenkräfte ständig gebrauchen, sonst - sonst stauen sie sich und dann - dann kommt es zur...«

Seine Gedanken waren chaotisch und erschreckten die anderen. Selbst Fermens rückte automatisch von Colman ab - als könnte ein größerer räumlicher Abstand vor diesem Chaos bewahren.

Colman schüttelte die Fäuste und schrie: »Ich habe Angst, ihr verdammten Idioten. Begreift ihr das? Ich habe Angst vor mir selber, vor dem schwarzen Moloch in meinem Ich; vor dem Fremdartigen, das alles verschlingt, wenn ich es nicht seiner Macht beraube - stets und ständig, indem ich mich zum Beispiel mit der Psychonautenarbeit beschäftige. Ja, seht mich nur an, ihr Schwachköpfe. Ich bin Colman, Mutant. Was glaubt ihr, warum ich bei euch Mitglied wurde: Mit dem Niedergang der Gaarson-Raumfahrt begann die Mutantenraumfahrt - für mich gerade rechtzeitig, denn ohne diese würde der Moloch in mir allmählich immer mächtiger werden. So bin ich lieber mit euch unterwegs, weitab der Menschenzentren, um niemanden zu gefährden.«

Er barg das Gesicht in den Händen.

Fermens berührte seine zuckenden Schultern und sagte sanft: »Ich verstehe dich, Colman, glaube mir. Ich begreife, was du uns sagen willst: Es hat in deiner Vergangenheit Augenblicke gegeben, in denen deine PSI-Kräfte unkontrollierbar waren. Es ist vorbei, was damals geschah, Colman, hörst du? Es gibt keinen schwarzen Moloch. Er existiert nur in deiner Phantasie, die von den Bildern der Erinnerung geschürt wird. Als du lerntest, deine Mutantenkräfte sinnvoll anzuwenden, hast du auch gelernt, sie zu bändigen.«

Colman hob den Kopf und ließ die Hände sinken. Seine Miene war ausdruckslos.

»Soviel hast du nicht gesprochen, seit ich dich kenne. Du sprichst von mir, aber was ist mit dir selber?«

Fermens wich aus: »Jeder hat seine Vergangenheit, Colman. Es wäre idiotisch anzunehmen, alle Mutanten wären Heilige. Wir sind Menschen mit einer besonderen Begabung, mit der wir fertig werden müssen - zusätzlich zu unseren menschlichen Problemen. Das stempelt uns ab und bestimmt meistens unser Handeln.«

Colman wandte sich den anderen zu. »Es - es tut mir leid, dass ich durchgedreht habe. Es ist einfach - weil ich ahne, dass die Stunde der absoluten Wahrheit kommt, falls wir es wagen, auf Clarks-Planet zu landen!«, platzte er heraus. »Merkt ihr denn nicht, dass wir uns verändert haben, seit wir im Orbit des Planeten sind? Das Fremde, Unfassbare verändert uns. Es löst langsam unsere Masken auf und bringt unser wahres Ich zum Vorschein, das wir krampfhaft gegenseitig zu verbergen versuchen.«

»Die Stunde der Wahrheit?«, echote Merrin-kläck. »Dann ist es umso wichtiger, dass wir landen, Colman! Fermens hat recht: Wir alle fliehen vor etwas, vor dem es kein Entrinnen gibt. Das hat er zwar nicht wörtlich gesagt, aber so gemeint. Wir sind so wie wir sind, weil wir verlernt haben, das zu erkennen, vor dem wir fliehen. Sollten wir nicht die Chance nutzen? Ein erkannter Feind ist ein Feind, den man bekämpfen und besiegen kann. Außerdem sind wir eine verschworene Gemeinschaft - als Mannschaft. Jeder hat seinen eigenen Komplex. Wir - könnten uns gegenseitig helfen!«

»Dazu müssten wir ehrlich zueinander sein - ehrlicher als bisher!«, sagte Macson und betrachtete dabei nicht zufällig Fermens.

»Es ist keine Unehrlichkeit, wenn da Dinge sind, über die man nicht sprechen kann!«, murmelte dieser brüchig.

Merrin-kläck stand auf und ging hinunter zu den Hauptkontrollen.

»Wir landen! Alles auf seine Plätze! Die Landung erfolgt wie üblich mit Normalantrieb. - Countdown läuft, sobald alle Stationen besetzt sind.«

Sie gehorchten ohne Murren und schienen froh zu sein, dass die Szene keine Fortsetzung fand.

Colman hatte ihnen etwas offenbart, was sie niemals hinter ihm vermutet hätten.

Das hatte er nicht freiwillig getan, sondern unter dem Zeichen des Zusammenbruchs.

Colman fürchtete sich vor einer Begegnung, die niemand definieren konnte; aber alle fürchteten sich davor. Doch sie durften nicht fliehen, denn die Ungewissheit würde schlimmer sein als der Tod...

4

Die Koordinaten der Stelle, an der die Hauptsiedlung sich befinden musste, standen fest. Sie waren im Biogehirn genannten Bordcomputer gespeichert, der die Steuerung übernahm. Da er mit den überall in all ihrer Vielfalt gleich hundertelei verschiedener Pflanzenarten wuchernden acht Ghreekhoj verknüpft war, ›dachte‹ der Computer bis in die letzte Zelle des Schiffes. Er brauchte nicht einmal technische Sensoren, um das Schiff zu beherrschen. Obwohl diese Sensoren für Notfälle durchaus vorhanden waren, aber nun in Reserve gehalten wurden. Der Computer war wie selber das Schiff. Und so war die Besatzung während einer Séance eins mit dem Computer und somit ebenfalls eins mit dem Schiff - wenn sie es nur wollte.

Zur Zeit jedoch hatte die Mannschaft nur eine überwachende Funktion. Kein Mensch wäre auf die Idee gekommen, eine Planetenlandung sozusagen per Handsteuerung vorzunehmen.

Nichts veränderte sich für sie, als das Schiff sich auf die Planetenoberfläche nieder senkte. Es war eine karge Wüstenwelt mit relativ hoher Durchschnittstemperatur, wenig Wasser und beständigen Stürmen, die sich anscheinend bemühten, Sand und Staub gleichmäßig zu verteilen. Flüsse und Seen wirkten kläglich. Richtige Meere gab es überhaupt nicht.

Die Menschensiedlungen waren innerhalb einer Seenplatte entstanden - die größte Wasseransammlung des Planeten, einmal abgesehen von den vereisten Polkappen. Hier hatten die irdischen Pflanzenkulturen am leichtesten Fuß fassen können und von hier aus hatten sie auch im wahnwitzigen Tempo den Planeten erobert.

Einschließlich der niedrigen Tiergattungen, die nun mit den irdischen Pflanzen in ökologisch ausgewogener Gemeinschaft lebten!

Die einheimische Flora und Fauna hatte keine Chance gehabt.

Merrin-kläck kam auf einmal die Idee, dass gerade darin die Ursache des Unglücks zu suchen war. Vielleicht hatte es eine unbegreifliche Intelligenz gegeben, die durch die Besiedlung ausgerottet wurde und...

Er unterbrach diese Gedankengänge schleunigst, denn er merkte, dass er sich allzu leicht in bekannte Gefilde begab. Es war ein Fehler, die Erlebnisse der Vergangenheit auf alles anzuwenden, was einem zukünftig passierte.

Eine solche Intelligenz hätte weit früher zugeschlagen, denn schließlich war der Prozess der Vernichtung einer natürlich entstandenen Ökologie nicht von heute auf morgen vollzogen worden.

Merrin-kläck verwarf die Theorie ganz und blickte gebannt auf den Hauptschirm vor sich.

Es gab einen Raumlandehafen in ausreichender Entfernung von der Hauptsiedlung. Trockene Büsche wurden vom ständigen Wind über das staubige Feld getrieben. Es sah aus wie in einem uralten Western, nur passte das Raumhafengebäude nicht so recht in das Bild: Es wirkte wie eine Trutzburg, gebaut für die Ewigkeit und vor allem gegen die Naturgewalten von Clarks-Planet.

Merrin-kläck wusste, wie der seltsame Name des Planeten zustande gekommen war: Ein Scoutkommando unter einem gewissen Clark hatte ihn entdeckt. Clark ließ hier sein Leben. Ein tragischer Unglücksfall, der allerdings völlig geklärt werden konnte.

Ihm zu Ehren nannte man den Planeten zunächst Clark's Planet, obwohl das längst nicht mehr üblich war.

Die ersten Siedler hatten daraus bald Clarks-Planet gemacht, was sich wie ein einziges Wort anhörte, wobei die Hauptbetonung auf der ersten Silbe von Planet lag.

Seltsam, dachte Merrin-kläck, wir wissen, dass hier etwas Unfassbares vorgegangen ist und schon setzen wir alles sogar in Verbindung mit Clarks Tod!

Er erinnerte sich wieder der soeben erst verworfenen Theorie und schnitt prompt eine ärgerliche Grimasse.

Den anderen entging es nicht, doch sie deuteten es falsch. Sie glaubten, Merrin-kläck hätte wie sie damit zu tun, die Angst vor dem Unbekannten zu bekämpfen.

Merrin-kläck hatte in Wirklichkeit überhaupt keine Angst - wie jemand, für den der Tod längst alle Schrecken verloren hatte.

Nur Merrin-kläck allein wusste definitiv, warum das so war!

Das Raumschiff senkte sich mit donnernden Düsen auf den Boden hinab und ließ Wolken von Staub davon wirbeln. Im Nu war ein Miniatursandsturm entfacht, der die Sicht behinderte.

Automatisch schaltete der Bordcomputer auf Orter-Sicht um. Der Staub löste sich scheinbar zu einem durchsichtigen Gebilde auf. Nur durch die transparente Kuppel konnte man sehen, dass er gegenwärtig blieb.

Unter den erlöschenden Triebwerken (wie sie alle Scouts besaßen, was sie im Gegensatz zu den großen Raumschiffen landefähig machte) kam die blanke Protoplastoberfläche zum Vorschein.

Das Schiff kam zur Ruhe, aber niemand rührte sich auf seinem Platz. Sie starrten auf ihre Schirme.

Es gab keine Begrüßung, keinen Menschen, nichts als Staub und Sturm, der hier vergleichsweise eine Brise war und auf der Erde Häuser abgedeckt hätte.

Selbst die Stärke eines Sturms ist relativ!, dachte Bahrns. Das Monster kauerte auf seinem speziell angefertigten Sitz und spürte die Anspannung.

Bahrns war der einzige, der anscheinend keine Geheimnisse vor den anderen hatte. Aber vielleicht gab es Dinge, die er ins Unterbewusste abgedrängt hatte und von denen er selbst nichts mehr ahnte?

Oder wie war es sonst zu erklären, dass auch Bahrns solche Angst vor dem Kommenden hatte?

Bahrns streckte seinen linken Arm aus und berührte einen Schalter. Sofort rückte das Raumhafengebäude näher heran und füllte den Schirm aus. Das hätte Bahrns auch mit einem Gedankenimpuls bewerkstelligen können, aber sie waren irgendwo halt eben auch nur Menschen - nicht nur Mutanten - und sie setzten ihre an Bord verstärkte Gedankenkraft nicht ausschließlich ein. Sonst hätten sie die ganzen Kontrollen nicht mehr zu benutzen brauchen. Sie hätten sich nur mit ihrem Verstand mit dem Biogehirn zu verbinden brauchen, um alles so zu ›erleben‹, als wären sie das Schiff selber...

Nein, sie hatten Körper und sie hatten Augen und Ohren und Hände. Und Bahrns betrachtete das Raumhafengebäude in der Vergrößerung mit seinen übergroßen Augen.

Die Scheiben wirkten blind. Staubfahnen zogen wie Schleier über das Gebäude hinweg. Die aufgewirbelte Wolke fächerte auseinander und schickte einen Teil ihrer Substanz zum Gebäude hinüber.

Nichts rührte sich.

Bahrns nahm eine weitere Schaltung vor. Die Spitze des Turmes rückte sprunghaft heran. Die Sichtscheibe verlief ringsum und war kuppelförmig gebogen. Der Tower konnte zusätzlich mit einem Energieschirm geschützt werden - wie die Kuppel des Raumschiffs.

Eine weitere Einstellung.

Aus der unmenschlichen Kehle von Bahrns löste sich ein dumpfer Aufschrei: Er sah das Gesicht eines Menschen und dieses Gesicht war eindeutig ihm zugewandt!

Es war ihm sekundenlang, als würde ihm ein Arm zuwinken, aber dann verschwand der Eindruck.

»Vater!«, schrieen Bahrns' Gedanken verzweifelt.

Erst jetzt wurden die anderen aufmerksam. Mit vier schnellen Schritten hatte Fermens die Kontrollstelle von Bahrns erreicht, beugte sich über ihn und betrachtete den Schirm.

Bahrns zitterte und war zu keinem vernünftigen Gedanken mehr fähig. Stumm deutete er auf den Schirm.

Niemand konnte etwas Ungewöhnliches darauf erkennen.

Fermens nahm ebenfalls ein paar Einstellungen am Paneel vor. Der Computer schaltete auf Wiederholung.

Die Mannschaft drängte sich hinter dem Spezialsitz von Bahrns.

Jede Phase wurde wiederholt, bis zum Schluss.

Im entscheidenden Moment kam der Gedanke von Bahrns: »Unmöglich!«

»Was ist unmöglich?«, drängte Macson.

»Ich - ich habe ein Gesicht und - und einen winkende Arm... Vater!« Seine Gedanken brüllten es.

Doch auf dem Schirm war nichts. Das Raumhafengebäude blieb leer und verlassen. Als hätte es niemals auf Clarks-Planet ein menschliches Lebewesen gegeben.

»Eine Geisterwelt!«, flüsterte Colman.

Die Zwillinge schrieen panikerfüllt auf.

»Ich steige aus!«, knurrte Colman.

»Ausgerechnet du?« Macson schien es nicht glauben zu wollen.

»Warum nicht?«, knurrte Colman angriffslustig. »Was erscheint dir so sonderbar daran?«

Macson zuckte die Achseln und wandte sich Merrin-kläck zu. »Was hältst du davon? Du bist schließlich der Boss.«

Merrin-kläck, der Adept, verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Es gibt für alles eine vernünftige Erklärung, aber es wäre idiotisch, überstürzt zu handeln. Wir sollten jeden Schritt sorgfältig planen und unter dem Gebot der nötigen Vorsicht vorgehen.«

»Und wie viel Zeit willst du uns dabei zubilligen? Ein Jahr? Zwei Jahre?«, erkundigte Macson sich bissig.

Colman fuhr ihn an: »Dein Zynismus ist unangebracht! Du solltest endlich deine Schnauze halten, ehe sie dir jemand stopft.«

»Ach, du willst mir doch nicht etwa drohen?«

»Stopp!«, rief Merrin-kläck kopfschüttelnd. »So geht das nicht, Freunde. Wenn ihr euch ständig streitet, werden tatsächlich Jahre vergehen, ehe es ein Ergebnis gibt.«

Die Drillinge traten synchron einen Schritt vor und verkündeten im Chor: »Wir werden gehen! Unsere geistige Einheit ist stark genug, einen telepathischen Kontakt mit euch zu halten. Notfalls wird es sogar möglich sein, über die räumliche Entfernung hinweg eine Séance mit euch zu bilden. Wir sollten dadurch gegen eventuelle Gefahren gewappnet sein. Wir schlagen außerdem vor, dass wir transportables Aufnahmegerät mitnehmen, um euch auch visuell und akustisch miterleben zu lassen, was wir hören und sehen.«

»Und wenn wir einfach eine automatische Sonde losschicken?«, rief Macson aus. »Wozu haben wir die Dinger?«

Merrin-kläck zuckte zusammen. »He, ist euch klar, dass wir bisher überhaupt nicht an so etwas gedacht haben? Wir hätten überhaupt nicht zu landen brauchen und hätten...«

Er brach ab.

Fermens grinste verzerrt. »Als hätte das Fremde Sehnsucht nach uns.«

»Es gibt eine Resonanz zwischen dem Fremden und uns«, murmelte Colman tonlos. »Ich spüre es. Vielleicht ist es mehr als eine Resonanz? Es ist uns fremd, aber wir sind ihm genauso fremd.«

»Wir müssen es vernichten!«, sagten Bahrns' Gedanken. »Es ist nicht nur fremdartig, sondern auch mörderisch, weil es alle Siedler gefressen hat!«

Das war sehr drastisch - zu drastisch, wie Merrin-kläck fand. Er winkte mit beiden Händen ab: »Das wissen wir doch überhaupt nicht, Bahrns! Also gut, wir schicken eine Sonde aus - hinüber zur Siedlung. Dann stimmen wir über den Vorschlag von Colman und über den der Drillinge ab.«

Niemand hatte mehr Einwendungen. Sie waren noch nie so froh darüber gewesen, dass Merrin-kläck ihr Mannschaftsführer war. Er schien der einzige zu sein, der bei allem einen kühlen Kopf bewahrte.

Es war Macsons Aufgabe, die Sondensteuerung in Kommunikation mit dem Computer zu aktivieren und durchzuführen. Er benutzte diesmal nicht die dafür vorgesehenen Kontrollen, sondern wählte den Weg der direkten telepathischen Kontrolle.

Eine Schleuse öffnete sich und ließ die kaum kopfgroße Sonde ins Freie.

Die Kamera der Sonde übermittelte ihr Bild auf den Hauptsichtschirm. Außerdem zeigten verschiedene Instrumente von der Sonde aufgenommene Messwerte.

Der akustische Kommentar des Computers: »Sämtliche Werte normal. Keinerlei Abweichungen zu den vorgegebenen Normen, festgelegt beim letzten Kontakt mit Clarks-Planet.«

»Zum Raumhafengebäude?«, fragten Bahrns' Gedanken bang.

Macson warf einen Blick zu Merrin-kläck hinüber. Der schüttelte den Kopf. »Nein, zuerst die Hauptsiedlung für eine Luftaufnahme. Ich will wissen, ob sich drüben etwas geändert hat.«

»Glaubst du an einen Kampf oder was?«, erkundigte Colman sich.

»Ich glaube an überhaupt nichts!«, belehrte Merrin-kläck ihn.

Der Hauptschirm zeigte die Bahrns. Macson ließ die Kamera kurz zum Raumhafengebäude schwenken. Das brachte nichts Neues. Die Sonde überquerte lautlos den weiten Platz und näherte sich dem hohen Schutzwall. Er diente dazu, die Lärmbelästigungen von den Siedlern fernzuhalten, wenn Scoutschiffe starteten oder landeten. Der Wall hatte eine Höhe von zehn Metern. Das Raumhafengebäude war die einzige Unterbrechung. Hier, auf Clarks-Planet, hatte man auf die üblichen Verladeschächte verzichtet. Es wurden noch so wenige Güter umgesetzt, dass es einfach nicht notwendig war. Vom Gebäude aus konnte man biegsame Schläuche herübersteuern, die automatisch das Be- und Entladen der Schiffe besorgten.

Später sollte ein entsprechend ausgerüsteter Raumhafen zusätzlich gebaut werden, wenn der Mineralien- und Erzabbau von Clarks-Planet lohnender wurde. Zuerst einmal sollten die Siedler sich einleben.

Es war alles anders gekommen als geplant.

Die Sonde überwand den hohen Wall und raste in Richtung Hauptsiedlung weiter.

Hier gab es Geschäfte und Vergnügungseinrichtungen.

Die Luftaufnahme war gestochen scharf und Macson ließ die Sonde frei in der Luft über der Siedlung schweben.

Das Bild war so unmöglich, dass es eine Weile dauerte, bis die Mannschaftsmitglieder in der Lage waren, es in sich aufzunehmen.

Auch danach hatte ihr Verstand erhebliche Mühe, es zu verarbeiten: In der Siedlung herrschte reges Treiben. Die Siedler wirkten wie emsige Ameisen inmitten eines Ameisenhaufens.

5

»Das gibt es nicht!«, sagte Macson.

Damit sprach er aus, was alle dachten.

»Und wieso haben sie nicht auf die Funksignale geantwortet?«, beklagte Bahrns sich telepathisch. Sein roter Schlund produzierte dabei eine Reihe von Quaklauten.

»Näher heran!«, entschied Merrin-kläck.

Macson wiegte bedenklich mit dem Kopf. »Ich weiß nicht, ob das richtig ist.«

»Wieso?«, fragte Merrin-kläck aufgebracht.

»Und wenn die unsere Sonde entdecken? Vielleicht empfinden sie es als aggressiven Akt?«

Merrin-kläck lachte humorlos. »Aggressiver Akt? Schau sie dir doch mal genauer an, Macson. Fällt dir nichts an unseren Siedlern auf?«

Macson tat, wie ihm empfohlen, aber er kam beim besten Willen nicht darauf, was der Adept meinte.

Die Drillinge schüttelten die Köpfe. »Sie sind sehr beschäftigt?«, vermuteten sie im Chor.

Colman hustete. »Natürlich sind sie beschäftigt. Man sieht, wie schwer sie schleppen. Sie bringen 'ne Menge Zeug auf einen großen Platz in der Mitte. Soll wohl eine Art Markt sein. Sie laufen hin uns stapeln es.«

»Mein Gott!«, entfuhr es Macson, »aber der Markt bleibt leer!«

Jetzt hatte Macson nichts mehr dagegen, die Sonde tiefer schweben zu lassen.

Atemlos verfolgten die Mutanten alles, was sie auf dem großen Hauptschirm sehen konnten.

Es gab keine Erklärung. Alles erschien völlig widersinnig.

»Vergrößerung!«, befahl Merrin-kläck. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt und sie zitterten. Er dachte an das, was an Bord vorgefallen war - als sie sich im Orbit des Planeten befunden hatten. Er dachte an das Unerklärliche, das sie gespürt hatten und dessen Auswirkungen sie jetzt auf dem Hauptbildschirm sahen.

Obwohl es sich nicht mehr direkt mit ihnen beschäftigte.

Aber hatte es sich jemals um sie gekümmert oder waren das nur vage Vorahnungen gewesen, erzeugt von ihren besonderen PSI-Sinnen?

Gesichter: Männer, Frauen, Kinder. Entspannt, normal. Manche Gesichter lächelten.

Macson brauchte keinen weiteren Befehl. Er ließ das Bild zurück gleiten, um eine größere Gruppe von Menschen zu erfassen.

Und da entdeckten sie ein weiteres Phänomen: Zwei Männer unterhielten sich angeregt. So sah es jedenfalls aus. Allerdings gab es eine Besonderheit: Einer dieser beiden Männer war offensichtlich unsichtbar! Der Sichtbare bekam Antworten und klopfte seinem Gegenüber ›auf die Schulter‹. Dann wandte er sich ab und tauchte in der Menge unter.

Eine andere Szene: Eine Gruppe stellte die Arbeit ein und schaute an dem Stapel (?) empor, von dem die Mannschaft der Bahrns nichts sehen konnte.

Der Stapel war jetzt so hoch, dass man hinaufklettern musste, wollte man noch weitere Gegenstände darauf schichten.

Atemlose Spannung unter den Beobachtern an Bord.

Die Gruppe setzte sich in Bewegung und verließ den Markt.

Eine andere Gruppe näherte sich. Sie schleppten gemeinsam einen größeren Gegenstand, der ihnen offensichtlich viel Mühe bereitete.

»Ortungsimpulse!«, befahl Merrin-kläck.

»Was glaubst du, was ich die ganze Zeit mache? Däumchen drehen?«, knurrte Macson.

»Soll - soll das heißen, das alles bleibt unsichtbar?«, stotterte Merrin-kläck.

»Natürlich - wenn überhaupt nichts da ist!«, brummte Macson.

Die Angelegenheit wurde immer grotesker.

Und dann kam die absolute Steigerung: Die Gruppe von Siedlern, die den unsichtbaren und laut Macson auch nichtexistenten Gegenstand schleppten, stieg eine genauso nichtexistente (?) Treppe hinauf und legte den Gegenstand ab!

»He, Fermens, was machst du?«, rief Colman heiser.

Aller Augen wandten sich Fermens zu. Er saß an der Funkanlage und manipulierte daran herum.

»Du willst doch nicht etwa einen neuen Versuch starten, um mit den Siedlern Kontakt aufzunehmen?«

Fermens tat, als sei Colman überhaupt nicht vorhanden. Er behandelte seine Gefährten so, wie die Siedler eigentlich ihre unsichtbaren Gegenstände hätten behandeln müssen.

Niemand störte ihn bei seiner Arbeit. Ihre Blicke wechselten zwischen dem Bild der Siedlung und Fermens hin und her.

»Macson«, sagte Merrin-kläck, »zeige uns die Funkbude und lege wieder den Ton herein.«

»Ton?«, echote Macson verblüfft. »Verdammt, den hatte ich die ganze Zeit eingeschaltet!«

»Aber wir hören doch nichts!«, riefen die Drillinge im Chor.

»Weil dort nichts ist!«, belehrte Macson sie.

Wütend hieb er auf einen Schalter und regulierte herum. Es drang nur das Rauschen des Windes aus einem verborgenen Lautsprecher.

»Die Funkbude!«, befahl Merrin-kläck.

Macson verlor kein Wort mehr darüber, dass die meisten Siedler miteinander redeten, ohne dass ein einziger Laut hörbar wurde. Er steuerte die Sonde, wie ihm befohlen.

Siedlungen dieser Art wurden meist nach einem Einheitsmuster gebaut. Das hatte sich bewährt und machte die Kosten kalkulierbarer. Clarks-Planet hatte sich sowieso erst im frühen Besiedlungsstadium befunden. Es hätten noch einige Jahre vergehen müssen, bis Clarks-Planet mehr Nutzen als Kosten gebracht hätte.

Die Funkbude: Ein altes Wort für eine moderne Sache. Die Siedlung war mit einem Funkzentrum ausgerüstet, von der aus man Verbindung mit jedem Punkt auf dem Planeten halten konnte. Die eigentliche Sende- und Empfangsanlage befand sich unterirdisch, denn im planetarischen Funk- und Radioverkehr wurde der Boden als Schwingungskörper genutzt. Bekam man allerdings Kontakt mit einem anfliegenden Raumschiff, fungierte das Dach des einfamilienhausgroßen Gebäudes als Parabolantenne. Zur Unterstützung der Anlage am Raumhafen.

Macson steuerte die Sonde zum Haupteingang. Die Öffnungsautomatik erkannte den anfliegenden Gegenstand und ließ die Tür aufgleiten. Die Sonde drang in den Raum ein. Es kam genügend Licht von draußen, um die Einrichtung erkennen zu lassen: eine Art Wohnzimmer. Derjenige, der für den Funkverkehr zwischen den Siedlern verantwortlich war, musste ständig auf dem Posten sein. Er musste auch auf Funksignale von außerhalb des Planetenbereiches achten, denn der Raumhafen wurde nur bei Bedarf besetzt. Die ganze Familie des Funkers war in die wichtige Arbeit eingespannt.

Eine Pioniersiedlung durfte man nicht mit den Verhältnissen auf der Erde oder einem anderen zivilisierten Planeten vergleichen. Hier wurde zwangsläufig improvisiert, denn die Vorplanung konnte sich nicht mit jedem Detail beschäftigen, da die Bedingungen auf jedem Siedlerplaneten verschieden waren.

Die Sonde durchsuchte das ganze Haus und gelangte schließlich in den eigentlichen Funkraum.

Die nächste Sensation, auf die jeder an Bord anders reagierte: Im Funkraum war die ganze Familie im Einsatz: Eltern, zwei halbwüchsige Kinder und ein ›Nachkömmling‹ von vielleicht sechs Jahren. Sie bedienten ihre Anlage, scherzten und lachten - völlig lautlos. Nur das Rascheln ihrer Kleidung und das Klatschen, wenn sich der Vater heiter auf die Schenkel hieb, waren zu hören.

Eine gespenstische Szene.

Gern hätten die Mutanten herausgefunden, mit wem die Familie sich so angeregt unterhielt, aber das war aus zweierlei Gründen nicht möglich: Erstens wurde die Unterhaltung lautlos geführt und zweitens stand die Funkanlage überhaupt nicht unter Energie!