Scrum Master Kompagnon - Fabian Schiller - E-Book

Scrum Master Kompagnon E-Book

Fabian Schiller

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Beschreibung

Der unverzichtbare Begleiter jedes Scrum Masters

  • Fokussierung auf Scrum-Kontexte und den Scrum Master
  • Anleitung, die den Scrum Master an der Hand nimmt und ihm in konkreten Situationen Lösungen anbietet
  • Zahlreiche Praxisbeispiele sowie konkrete Workshop-Designs machen das Buch zu einem unverzichtbaren Begleiter jedes Scrum Masters

Scrum Master und Agile Coaches werden in diesem Buch sowohl auf ihren Job vorbereitet, da sie einen Überblick darüber bekommen, was ihre Aufgaben in dieser Rolle sind – von der Aufnahme der Tätigkeit bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Product Owner ein Team wieder verlässt. Zugleich kann das Buch als Nachschlagewerk verwendet werden, wenn ein Scrum Master in einer bestimmten Situation ratlos ist, da sich die Struktur des Buches an den typischen Entwicklungsphasen des Teams und dem Lebenszyklus der Zusammenarbeit zwischen Scrum Master und Team orientiert. Hierbei werden jeweils relevante theoretische Modelle und Konzepte vorgestellt, die in den jeweiligen Prozessphasen hilfreich sein können, als auch Erfahrungsberichte eingestreut sowie ganz praktische und durchführbare Interventionen und Workshop-Designs präsentiert, um das eben Gelernte sofort in die Praxis übertragen zu können.

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Fabian Schiller hat seit den späten 90er-Jahren Erfahrungen in der agilen Produktentwicklung gesammelt. Seitdem hat er als Entwickler, Scrum Master und Agile Coach in und mit Teams in den unterschiedlichsten Branchen und Unternehmen gearbeitet. Er unterstützt Teams dabei, ihre Potenziale zu erkennen und ihre Wirkung zu entfalten, und hat in den letzten Jahren zahlreiche Scrum Master und Agile Coaches als Trainer, Coach und Organisator von Veranstaltungen auf ihrem Weg begleitet. Fabian ist Mitbegründer der Initiative Coach Reflection Day, Co-Moderator des Agile Monday Nürnberg und Mitveranstalter der Konferenz Agile Open Fire sowie regelmäßig als Sprecher auf Veranstaltungen zu agilen Themen vertreten. Es ist ihm wichtig, dass theoretisch vermitteltes Wissen auch praxiserprobt ist, weshalb er bis heute immer wieder operativ in Teams mitarbeitet.

Martin Heider ist seit Anfang der 90er-Jahre in der Softwareentwicklung tätig. Er war Entwicklungsleiter und Geschäftsführer, als ihn 2004 agile Gedanken in den Bann zogen. Ab diesem Zeitpunkt unterstützte er Teams als Scrum Master und war Co-Creator verschiedener Community-Initiativen. So hat er das Agile Coach Camp Deutschland, die Play4Agile, den Coach Reflection Day, die Agile Open Fire sowie den Agile Monday in Nürnberg mit aus der Taufe gehoben. Auf diesen Veranstaltungen, aber auch als Sprecher auf Konferenzen ist er regelmäßig aktiv. Als selbstständiger Agile Coach und Trainer begleitet Martin heute Organisationen, Teams und Einzelpersonen und hilft ihnen, ihre Entwicklung wirkungsvoller zu gestalten. Bereits 2012 war er Mitgestalter der ersten berufsbegleitenden Scrum-Master-Ausbildung in Deutschland, weshalb ihm die Aus- und Weiterbildung wirkungsvoller Scrum Master besonders am Herzen liegt.

Zu diesem Buch – sowie zu vielen weiteren dpunkt.büchern – können Sie auch das entsprechende E-Book im PDF-Format herunterladen. Werden Sie dazu einfach Mitglied bei dpunkt.plus+:

www.dpunkt.plus

Fabian Schiller · Martin Heider

Scrum-Master-Kompagnon

Mit agilen Teams starten, wachsen und Wirkung entfalten

Fabian Schiller · Martin [email protected]

Lektorat: Christa Preisendanz

Lektoratsassistenz: Julia Griebel

Copy-Editing: Ursula Zimpfer, Herrenberg

Layout & Satz: Birgit Bäuerlein

Illustrationen: Nathalie Kellenberger, www.nathaliekellenberger.ch

Herstellung: Stefanie Weidner

Umschlaggestaltung: Helmut Kraus, www.exclam.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN:

Print978-3-86490-846-0

PDF978-3-96910-567-2

ePub978-3-96910-568-9

mobi978-3-96910-569-6

Copyright © 2022 dpunkt.verlag GmbH

Wieblinger Weg 17

69123 Heidelberg

Hinweis:

Dieses Buch wurde auf PEFC-zertifiziertem Papier aus nachhaltiger Waldwirtschaft gedruckt. Der Umwelt zuliebe verzichten wir zusätzlich auf die Einschweißfolie.

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Alle Angaben und Programme in diesem Buch wurden mit größter Sorgfalt kontrolliert. Weder Autoren noch Verlag können jedoch für Schäden haftbar gemacht werden, die in Zusammenhang mit der Verwendung dieses Buches stehen.

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Geleitwort

Das vorliegende Buch schließt eine Lücke im deutschsprachigen Buchmarkt!

Beide Autoren waren im Dezember 2011 in Frankfurt mit acht weiteren Agile Coaches und Trainern am Visionsworkshop für die berufsbegleitende Scrum-Master-Ausbildung beteiligt. Ein Angebot an Scrum Master, die ersten Schritte im neuen Beruf nicht alleine gehen zu müssen.

Konsequenterweise bringt der Scrum-Master-Kompagnon zehn Jahre später dieselbe Idee zum Leben: Die ersten Schritte nicht alleine gehen zu müssen. Ein typisches Scrum-Training vermittelt Grundlagen und einige Ideen, was nötig sein wird. Hier im Buch wird dieses Wissen ergänzt aus der Lebens- und Berufserfahrung zweier hervorragender Agile Coaches. Mit den mehr als 20 Workshop-Formaten im Buch kann man als Scrum Master direkt von dieser Erfahrung profitieren. Kochrezepte zum Nachkochen! Und wie bei einem Rezept für ein leckeres Essen können diese Grundideen je nach eigener Erfahrung und Geschmack variiert und verändert werden.

Seit mehr als zehn Jahren – seit unserer gemeinsamen Zeit in der Organisation des ersten Agile Coach Camps Deutschland 2010 – kenne und schätze ich Martin. Und auch mit Fabian verbindet mich eine gemeinsame Arbeitserfahrung – eine fast tägliche Zusammenarbeit über eineinhalb Jahre bei einem gemeinsamen Kunden 2014/2015. Wir haben viel zusammen und voneinander gelernt.

Das Buch skizziert die Verantwortung des Scrum Masters, widmet ein ganzes Kapitel dem Schaffen einer klaren Ausgangssituation und führt dann Schritt für Schritt über den Lift-off, die Begleitung des Teams bis zur natürlichen Trennung. Es folgen noch Kapitel zur Organisationsveränderung, der Reflexion der eigenen Wirksamkeit und des eigenen Wachstums.

Ich freue mich sehr über diesen wunderbar praktischen Beitrag zur deutschsprachigen Agile Community.

Dr. Jürgen Hoffmann

Autor von »Agile Unternehmen« undGeschäftsführer Emendare GmbH & Co KG,Karlsruhe, Deutschland

Vorwort

Im Frühjahr 2020 lehrte uns das Leben auf die harte Art, dass Veränderungsfähigkeit wichtig ist und wir uns nur sehr bedingt auf Planung verlassen können. COVID-19 veränderte die Welt, und plötzlich fuhren wir nicht mehr jeden Tag zur Arbeit, sondern saßen von heute auf morgen zu großen Teilen im Homeoffice. Remote-Arbeit in Organisationen, Büros, im Ausbildungs- und Weiterbildungsbereich und soweit möglich auch in Betrieben wurde der neue Standard und funktionierte sehr schnell erstaunlich gut. Vielleicht war Corona – auch wenn es sich angesichts der vielen so traurigen Ereignisse und Erlebnisse etwas befremdlich anhören mag – einer der besten Lehrer für Agilität und Selbstorganisation sowie Digitalisierung, die uns in den letzten Jahren begegnet sind. Auch dieses Buch ist eine Folge dieses Virus (und hoffentlich eine der positiven Folgen ;-)).

Als der Lockdown kam, wurden auch uns kurzfristig sehr viele Aufträge abgesagt. Plötzlich saßen wir – vorher voll beschäftigt – zu Hause und hatten beruflich unverhofft viel freie Zeit. Was machten wir als Agile Coaches mit dieser Situation? Wir akzeptierten die Veränderung und überlegten, wie wir diese möglichst gut nutzen könnten. In unserem Fall bedeutete dies, ein Vorhaben umzusetzen, das uns schon lange am Herzen lag: ein Buch zu schreiben, das Scrum Master in ihrem nicht immer leichten Job tagtäglich und ganz pragmatisch bei ihrer Arbeit unterstützt. Die Idee vom »Scrum-Master-Kompagnon«, einem Begleiter durch dick und dünn, war geboren.

Damit konnten wir ein wichtiges Motiv in unserem Leben auch ohne die gewohnten Trainings und Vor-Ort-Begleitungen weiterhin leben: Menschen hilfreich zur Seite zu stehen, damit diese in ihrer Arbeit mehr Wirksamkeit entfalten und dies besser erkennen können. Mit dem vorliegenden Buch möchten wir zum einen Scrum Mastern, Agile Coaches und Teambegleitern die Möglichkeit geben, einen Überblick über ihre Aufgabenfelder zu bekommen. Zum anderen wollen wir hilfreiche Unterstützung zu konkreten Situationen nachschlagbar machen. Wir hoffen, dass uns dieser Spagat zwischen Überblick und konkreten praktischen Hilfestellungen gelungen ist. Wenn das Buch Leserinnen und Leser praktisch bei ihrer Tätigkeit unterstützt und einen Beitrag zu ihren individuellen Lernwegen leistet, dann haben sich die unzähligen Arbeitsstunden gelohnt.

Wir wünschen viel Freude sowie umfangreiche Erkenntnisse beim Lesen und Anwenden.

Fabian & Martin

Cadolzburg, Fürth, im Oktober 2021

Danksagungen

Fabian

Würde ich allen Menschen danken, denen ich danken müsste, weil ohne sie dieses Buch niemals zustande gekommen wäre, so würde allein diese Liste vermutlich mehrere Seiten verschlingen. Das vorliegende Buch steht auf den Schultern von Giganten. Ohne die Unterstützung und die Impulse vieler Menschen aus der agilen Trainer- und Coach-Community wäre es nicht verwirklicht worden. Das Buch wäre bildlos, hätte nicht die großartige Nathalie Kellenberger in stundenlanger Arbeit aus unseren Kritzeleien wirklich ansehnliche Illustrationen gezaubert. Zahlreiche inhaltliche und formale Anregungen und Fragen von Christa Preisendanz haben uns sehr geholfen, aus einem Manuskript ein Buch zu machen. Ganz besonders hervorheben möchte ich hier auch Dr. Jürgen Hoffmann (aka mentos), der mir in den letzten Jahren immer wieder mit Rat und Tat zur Seite stand und von dem ich unglaublich viel gelernt habe. Außerdem sind da natürlich meine Kollegen von /agile elevation/, Martin Heider und Björn Andersson, mit denen mich ein intensiver und inspirierender Austausch verbindet.

Für die Fertigstellung dieses Buches war allerdings zusätzlich zur fachlichen und inhaltlichen Unterstützung die motivierende Unterstützung in meinem privaten Umfeld nötig. Hier möchte ich mich ganz besonders bei meinen Kindern Jonathan und Nieke bedanken, die mich immer wieder auf das Buchprojekt angesprochen haben und durch ihr Interesse und die Neugier meine Motivation aufrechterhalten haben. Auch meiner Lebensgefährtin Emel Siegel gebührt besonderer Dank, da sie mit ihren wunderbaren Reaktionen nach dem Testlesen einzelner Abschnitte einen nachhaltigen Effekt auf die Motivation beider Autoren hatte! Nicht zuletzt möchte ich meiner Mutter danken, die mir in schwierigen Situationen immer den Rücken gestärkt hat und auf die ich mich immer verlassen kann.

Martin

Mittlerweile bin ich seit mehr als 30 Jahren im IT-Umfeld und seit über 15 Jahren im agilen Umfeld unterwegs. In dieser Zeit haben unzählige Menschen meinen Werdegang beeinflusst und dazu beigetragen, dass dieses Buch heute in dieser Form existiert.

Zuallererst möchte ich in diesem Zusammenhang Clemens Dachs danken, der mich für zwei gemeinsame Firmenabenteuer begeistern konnte und mit seinem Blick auf die Welt sowie unser Buch immer wieder inspiriert. Des Weiteren bin ich Johannes Link und Frank Westphal dankbar, dass sie mir bei meinem allerersten Konferenzbesuch die Welt von XP und Agile eröffneten. Meine Begeisterung für Retrospektiven und Reflexion wurde durch Jutta Eckstein gestärkt, die mich zu meinem ersten Retrospective Facilitator Gathering einlud und später über einen längeren Zeitraum coachte. Stefan Roock und Josef Scherer ermöglichten mir, in einem größeren Coaching-Team Erfahrung im Konzernumfeld zu sammeln. Impulse von Deborah Hartmann-Preuss und Bernhard Findeiss machten mich 2010 zum Mitorganisator des Agile Coach Camps Germany sowie des Community-Treffens Agile Monday in Nürnberg. Eine Open Space Session über LEGO® Serious Play® ließ mich ein Jahr später als Mitorganisator der ersten Play4Agile wiederfinden. Parallel hat mich Dr. Jürgen Hoffmann für die Ausarbeitung und Durchführung der ersten berufsbegleitenden Scrum-Master-Ausbildung gewonnen, weshalb es mich sehr freut, dass mentos das Geleitwort zu dem Buch verfasst hat. Denn er ist sicherlich auch ein Grund, warum mir die Ausbildung von Scrum Mastern bis heute sehr am Herzen liegt.

In jüngster Vergangenheit ist es vor allem der Austausch mit Fabian Schiller, mit dem mich unzählige gemeinsame Aktivitäten (Coach Reflection Day, Agile Open Fire, Konzeption & Durchführung von Trainings etc.), nicht zuletzt dieses Buchprojekt, verbinden. Danke Fabian, dass du mit mir dieses Buch hast Wirklichkeit werden lassen, ich bin stolz auf uns. Und danke an Emel Siegel, dass sie unser Vorhaben mit ihrer Begeisterung für die ersten Entwürfe bestärkt hat. Dankbar blicke ich auch auf die Diskussion mit Rebekka Mander zurück, wovon die Ausarbeitung unseres Teammodells profitiert hat. Enorm aufgewertet wurde das Buch durch die Illustrationen von Nathalie Kellenberger, was uns in der Fertigstellung des Buches noch einmal einen Motivationsschub gegeben hat. Den letzten Schliff hat das Buch durch Christa Preisendanz bekommen, die uns jederzeit mit hilfreichem Feedback und einer Engelsgeduld zur Seite stand.

Ein ganz besonderer Dank gilt meiner Frau Christine Neidhardt, die das Leben tagtäglich liebevoll mit mir teilt und mich immer wieder einmal aus der Komfortzone schubst. Sie hat mich ermutigt, vor mehr als zehn Jahren erstmals als Scrum Master aktiv zu werden. Viele Jahre später hat sie eine Scrum-Master-Advanced-Ausbildung für einen Kunden mit mir ins Leben gerufen und weitere meiner beruflichen Aktivitäten wohlwollend oder aktiv begleitet. So auch dieses Buch inklusive der vielen damit verbundenen Arbeitsstunden. Danke Christine für deine Unterstützung, ich liebe dich von hier bis zum Mond. Ein abschließender Dank gilt meinen Eltern Karl und Brigitte Heider, die mir stets viel Entscheidungsfreiheit gewährten und bis zum heutigen Tag immer an mich glauben.

Inhaltsübersicht

1Einleitung

2Deine Verantwortlichkeiten als Scrum Master

3Dein Startpunkt und Reiseplan

4Ein Modell für dein Team

5Dein Team kennenlernen und starten

6Dein Team begleiten

7Dein Team verabschieden

8Deine Organisation

9Deine Wirksamkeit

10Deine Weiterentwicklung

Anhang

Verzeichnis Workshop-Formate

Literaturverzeichnis

Index

Inhaltsverzeichnis

1Einleitung

1.1Was lernst du in diesem Buch? Was nicht?

1.2Wie du dieses Buch lesen kannst

2Deine Verantwortlichkeiten als Scrum Master

2.1Der schwierigste Job der Welt

2.2Deine Aufgaben als Trainer

2.3Deine Aufgaben als Coach

2.4Deine Aufgaben als Moderator

2.5Deine Aufgaben als Teammitglied

2.6Deine Aufgaben als Veränderungskraft in der Organisation

2.7Konflikte zwischen den Verantwortlichkeiten

2.8Scrum Master – eine Frage der Haltung

2.9Und jetzt du! (Impulse und Fragen)

2.9.1Self-Assessment

2.9.2Handlungsoptionen

3Dein Startpunkt und Reiseplan

3.1Was ist deine Motivation?

3.2Was kommt da auf dich zu? (Verantwortung)

3.3Was wird von dir erwartet? (Auftrags- und Zielklärung)

3.4Was kannst du schon? Was gilt es zu entwickeln?

3.5Wie und wo kannst du Unterstützung bekommen?

3.6Was solltest du immer dabeihaben?

3.7Und jetzt du! (Impulse und Fragen)

3.7.1Erkunde deine eigene Motivation

3.7.2Handlungsoptionen

4Ein Modell für dein Team

4.1Was ist ein Team?

4.2Wann solltest du mit Teams arbeiten?

4.3Gute Rahmenbedingungen für Teamarbeit

4.3.1Die Aufgaben

4.3.1.1Klares und sichtbares Ziel

4.3.1.2Sichtbare Wirksamkeit

4.3.1.3Interdependenz

4.3.2Die Strukturen

4.3.2.1Klare Teamgrenzen

4.3.2.2Zeitliche Stabilität

4.3.2.3Diversität in Teams

4.3.2.4Transparenz über Rollen und Verantwortlichkeiten

4.3.2.5Transparenz über strategische Ziele und Planung

4.3.2.6Passende Belohnungssysteme

4.3.2.7Zugang zu Ausbildung

4.3.2.8Zugang zu Information

4.3.2.9Feedback

4.3.3Die Beziehungen

4.3.3.1Offenheit und Vertrauen

4.3.3.2Zuverlässigkeit

4.3.3.3Konstruktiver Umgang mit Konflikten

4.3.3.4Gemeinsames Lernen

4.3.3.5Wertschätzung

4.4Spezialitäten

4.4.1Self Designing Teams

4.4.2Fluid Teams

4.5Und jetzt du! (Impulse und Fragen)

4.5.1Dein erster Team Development Radar

4.5.2Handlungsoptionen

5Dein Team kennenlernen und starten

5.1Im Kontext ankommen

5.1.1Auftrag klären

5.1.2Die Menschen kennenlernen

5.1.3Teamkontext erkunden

5.2Mit deinem Product Owner arbeiten

5.2.1Inspirierende und motivierende Produktvision

5.2.2Von der Vision zum Backlog

5.2.3Wirksamkeit sichtbar machen

5.2.4Priorisierung

5.2.5Teamarbeit fördern

5.3So startest du mit deinem neuen Team – ein Lift-off

5.3.1Bevor es losgeht

5.3.2Was ist ein »Lift-off«?

5.3.3Kennenlernen & Vertrauen aufbauen

5.3.4Vision & Richtung

5.3.5Gemeinsame & persönliche Ziele

5.3.6Teamregeln

5.3.7Teamzusammenstellung

5.3.8Blick in die Zukunft: Kontext- und Risikoanalyse

5.3.9Ein zweitägiger Workshop

5.3.10Nachbereitung

5.4Die ersten Meetings moderieren

5.4.1Backlog-Verfeinerung

5.4.2Sprint-Planung

5.4.3Daily Scrum

5.4.4Sprint-Review

5.4.5Sprint-Retrospektive

5.5Wie startest du mit einem bestehenden Team?

5.6Und jetzt du! (Impulse und Fragen)

5.6.1Dein Team-Lift-off

5.6.2Handlungsoptionen

6Dein Team begleiten

6.1Team-Assessments durchführen

6.2Deinen Product Owner begleiten

6.2.1Erwartungen erkennen und abgleichen

6.2.2Planung und Meilensteine erstellen

6.2.3Product Backlog pflegen

6.3Teamzusammenstellung reflektieren

6.4Moderieren

6.5Kreativität fördern

6.6Retrospektiven moderieren

6.7Konflikte begleiten

6.8Feedback geben und nehmen

6.9Motivation fördern

6.10Entscheidungsprozesse unterstützen

6.11Erfolge sichtbar machen und feiern

6.12Zusammenhalt stärken

6.13Einzelgespräche führen

6.14Wissen vermitteln/Impulse setzen

6.15Dein Team verändert sich

6.15.1Eine neue Mitarbeiterin kommt ins Team

6.15.2Eine Mitarbeiterin verlässt das Team

6.16Mit Extremfällen umgehen

6.17Virtuell zusammenarbeiten

6.17.1Herausforderungen & Vorteile

6.17.2Gutes Setup & Werkzeuge

6.17.3Tipps & Tricks

6.17.4Hybrides Arbeiten – ein Ausblick

6.18Und jetzt du! (Impulse und Fragen)

6.18.1Dein Team begleiten

6.18.2Handlungsoptionen

7Dein Team verabschieden

7.1Grundlegendes

7.2Du gehst

7.3Alle gehen

7.4Und jetzt du! (Impulse und Fragen)

8Deine Organisation

8.1Das System verstehen

8.1.1Kontext & Wirkzusammenhänge

8.1.2Unternehmensgröße & Wachstum

8.1.3Werte & Kultur

8.1.4Verteilte Teams & verschiedene Kulturen

8.1.5Abhängigkeiten

8.2Das System verändern

8.2.1Change-Modelle

8.2.2Kommunikation bewusst gestalten

8.2.3Hilfreiche Muster für Veränderung

8.2.4Hilfreiche Strukturen für Veränderung

8.3Und jetzt du! (Impulse und Fragen)

9Deine Wirksamkeit

9.1Im Team

9.2Am Produkt

9.3In der Organisation

9.4Und jetzt du! (Impulse und Fragen)

10Deine Weiterentwicklung

10.1Dich selbst managen und führen

10.2Ziele setzen und nachhalten

10.3Tage bewusst gestalten – Tagebuch führen

10.4Themen effektiv abarbeiten

10.5Verhaltensweisen wahrnehmen und ändern

10.6Erreichtes überprüfen und reflektieren

10.7Neues lernen und Impulse bekommen

10.8Und jetzt du! (Impulse und Fragen)

Anhang

Verzeichnis Workshop-Formate

Literaturverzeichnis

Bücher und Artikel

Onlinequellen

Index

1Einleitung

1.1Was lernst du in diesem Buch? Was nicht?

Der Scrum-Master-Job umfasst endlos viele Gebiete, weshalb es den Rahmen eines einzelnen Buches sprengen würde, alle ausführlich zu beschreiben. Wir legen daher unseren Fokus auf die Kernkompetenz des Scrum Masters: die Begleitung und Unterstützung eines Scrum-Teams. Dazu liefern wir dir nicht nur Theorie, sondern auch direkt anwendbare Workshop-Formate, die du mit deinen Teams sofort nutzen kannst.

Du lernst,

wie vielfältig deine Verantwortlichkeiten als Scrum Master sind,

deinen Startpunkt zu reflektieren, um deine Lernreise aktiv zu gestalten,

was ein gutes Team ausmacht und was es dabei zu beachten gilt,

was du zum Start mit einem neuen oder bestehenden Team tun kannst,

dein Team effektiv zu begleiten und dessen Weiterentwicklung zu fördern,

beim Verlassen von Teams Potenziale zu heben und Verbindungen zu stärken,

organisatorische Rahmenbedingungen mitzugestalten,

deine eigene Wirksamkeit unter verschiedenen Blickwinkeln zu reflektieren und

deine persönliche Weiterentwicklung bewusster wahrzunehmen und zu steuern.

Um den gesetzten Lernzielen genügend Raum geben zu können, gehen wir davon aus, dass du bereits ein gutes Grundverständnis für agile Prinzipien und das Scrum-Framework mitbringst. Sollte dies nicht der Fall sein, empfehlen wir dir vor dem Einstieg in dieses Buch den Besuch eines Grundlagentrainings, die Lektüre eines guten Buches zum Thema Scrum (z.B. [Rubin 2014]; [Wolf & Roock 2021]) und zumindest das Lesen des offiziellen Scrum Guide [SG].

Den Bereich Trainingskompetenz werden wir in diesem Buch nur am Rande behandeln. Zur eigenständigen Erarbeitung von Trainings empfehlen wir dir ausgehend von den Trainingszielen als Praktik Pair Working1 sowie Sharon L. Bowmans Buch »Training from the back of the Room!« [Bowman 2009]. Letzteres liefert mit seiner 4C-Idee (Connection, Concept, Concrete Practice, Conclusion) zugleich eine Metastruktur, die auch den Austausch von Formaten zwischen Trainern erleichtert. Für die Vermittlung von Scrum-Inhalten bietet dir das Buch »Scrum-Training« von Kai H. Simons und Jasmine Simons-Zahno einen guten Einstieg [Simons & Simons-Zahno 2021].

Auf die Zusammenarbeit mit dem Product Owner werden wir eingehen, ohne sie zu sehr zu vertiefen. Hier verweisen wir auf andere Werke, z.B. »Inspired« [Cagan 2018], »Agiles Produktmanagement mit Scrum« [Pichler 2013] und »Strategize« [Pichler 2016].

Auf alle übrigen Bereiche wollen wir vertieft eingehen, wohlwissend, dass Coaching, Moderation und Organisationsentwicklung alle für sich selbst Bücher füllen können. Wir wollen dir hier genügend Handwerkszeug mitgeben, um Teams wirkungsvoll begleiten zu können, und gleichzeitig die Lust auf mehr wecken. Wenn uns das gelingt, dann haben wir unser Ziel mit diesem Buch erreicht.

Um dieses Ziel zu erreichen, orientieren wir uns an dem Prozess, den ein neuer Scrum Master üblicherweise durchläuft: Du lernst zuerst ganz allgemein Wissenswertes über deine Verantwortlichkeiten als Scrum Master (Kap. 2). Dann möchten wir dir gerne einige hilfreiche Gedanken zu deinem Startpunkt/Reiseplan (Kap. 3) mitgeben. Nachdem wir deine Verantwortlichkeiten als Scrum Master und deine persönliche Motivation geklärt haben, wollen wir dir mit dem Team Development Radar einen Überblick zu den wichtigsten Teamaspekten vermitteln (Kap. 4). Anschließend betrachten wir, wie du dein Team kennenlernen und starten (Kap. 5) kannst und was du hierbei beachten solltest. Wenn das Team gut gestartet ist, wirst du im Folgenden für einige Zeit dein Team begleiten (Kap. 6). Hier geben wir dir hilfreiche Werkzeuge an die Hand, die dich auch in herausfordernden Situationen, wie beispielsweise bei Konflikten im Team, unterstützen können. Irgendwann kommt die Zeit, in der du dein Team verabschieden (Kap. 7) wirst. Auch diesen letzten Schritt des Prozesses unterstützen wir mit einigen hilfreichen Ideen, um einen guten Abschluss zu finden.

Nun hast du als Scrum Master auch die Aufgabe, dich um deine Organisation (Kap. 8) zu kümmern und mit dieser zu arbeiten. Dieses Thema werden wir kurz erläutern und dir dann dabei helfen, deine Wirksamkeit (Kap. 9) nicht nur im Team, sondern auch am Produkt und in der Organisation besser erkennen zu können. Nachdem dieses Buch sicherlich keine erschöpfende Quelle allen Scrum-Master-Wissens ist, möchten wir dir abschließend helfen, deine Weiterentwicklung zu planen, und dir dafür hilfreiche Mittel und Referenzen an die Hand geben (Kap. 10).

1.2Wie du dieses Buch lesen kannst

Karl & Nieke – Begegnung

Es ist ein frühherbstlicher und sonniger Tag. Die Blätter wehen mit der typischen wundervollen rötlichen Färbung in den Bäumen und das Sonnenlicht dringt durch die Wipfel wie ein Vorhang. Eine leichte Brise streift über Karls Arme und die Sonnenstrahlen auf dem Rücken sorgen für eine wohlige Wärme. Karl lässt seine Seilpartnerin die letzten Meter ab und entscheidet sich, den wundervollen Herbsttag am Fels um einen kleinen Spaziergang zu bereichern. Er genießt die wundervollen Farben, die das abendliche Licht in den Wald zaubert. Vermutlich – denkt er – einer der letzten schönen Klettertage der Saison.

Etwas verträumt läuft er am Fuß des Felsens entlang. Trotz der Idylle geht ihm seine Arbeit nicht ganz aus dem Kopf. Er hat gerade neue Verantwortlichkeiten in einem kleinen Unternehmen übernommen und weiß noch nicht so recht, was ihn dort erwartet. Vor wenigen Tagen war er noch Softwareentwickler. Plötzlich soll er Verantwortung für ein Team übernehmen und dieses begleiten. So viele unbeantwortete Fragen schwirren durch seinen Kopf. Was genau erwarten seine Chefs eigentlich von ihm? Was das Team? Und wie kann er diesen Erwartungen entsprechen?

Plötzlich hört er ein lautes Peitschen kurz vor ihm am Boden. Ein Seil knallt unmittelbar vor seiner Nase auf den Boden. Gefolgt von einem sorgenvollen, ängstlichen Schrei: »Bist du taub?«

Karl sieht erschrocken auf und ist wieder ganz im Hier und Jetzt. Eine sportliche Frau steht nur fünf Meter entfernt von ihm und hat gerade das Seil abgezogen. Offenbar hat er ihren Warnruf überhört. Beinahe hätte es ihn erwischt. Die Frau kommt auf ihn zu und fragt fürsorglich: »Ist Ihnen etwas passiert?«

Karl erwidert: »Nein. Alles in Ordnung. Ich war gerade völlig in Gedanken und hatte nur meinen Job im Kopf.«

»Na, das muss ja ein spannender Job sein, den Sie da haben!«, entgegnet die Frau.

»Ja, sehr spannend! Besonders, weil der Job für mich ganz neu ist. Ich bin in meiner Firma gerade Scrum Master geworden. Ich weiß – das sagt Ihnen vermutlich nichts. Ich habe ja selbst noch kaum verstanden, was ich da genau zu tun habe!«

»Verrückt!«, entfährt es der Frau. »Ich bin schon seit einigen Jahren Agile Coach bei der Moloch AG! Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, als ich vor vielen Jahren das erste Mal die Verantwortlichkeiten eines Scrum Masters übernommen habe. Es ging mir offenbar genau wie Ihnen. Plötzlich sollte ich anderen Leuten Dinge beibringen, Meetings moderieren, das Team irgendwie führen, und das alles ohne formale Autorität. Und ich hörte viel darüber, dass ich jetzt die Rolle eines »Coaches« inne hätte. Ich war damals völlig überfordert. Und es hat tatsächlich einige Jahre gedauert, bis ich das Gefühl hatte, den Job halbwegs ordentlich zu machen. So ganz ist dieses Gefühl der Überforderung übrigens bei mir nie verschwunden. Aber ich habe mich inzwischen recht gut damit arrangiert! Ich merke schon – ich rede zu viel … Aber das ist wirklich ein sehr interessanter Job, den wir da haben. Mein Name ist übrigens Nieke.«

»Sehr erfreut! Karl. Damit hätte ich jetzt nicht gerechnet. Hier am Fels jemanden zu treffen, der sofort versteht, was ein Scrum Master tut.«

»Wo arbeitest du denn, Karl?«

»Ich arbeite bei Dynamic Solutions. Kennst du sicherlich nicht. Wir sind ein kleines Unternehmen mit nur 50 Personen. Kaum zu vergleichen mit der Moloch AG. Ihr habt ja bestimmt 50.000 Mitarbeiter, oder?«

»Ja – das trifft es ziemlich genau. Es würde mich sehr interessieren, wie die Verantwortlichkeiten eines Scrum Masters in einem so kleinen und überschaubaren Unternehmen gelebt werden. Ich habe zwar sehr viel Erfahrung in dieser Rolle gesammelt, aber meist in großen bis sehr großen Unternehmen. Ich fände es super spannend, von dir zu hören, wie sich das in einem so kleinen Unternehmen anfühlt.«

»Machen wir einen Deal«, sagt Karl, »ich erzähle dir von meinem Alltag und meinen Herausforderungen in meinem Kontext und du erzählst mir im Gegenzug von deinen Erfahrungen! Das wäre doch ein Gewinn für uns beide!«

Nieke reicht Karl die Hand und zwinkert mit einem Auge: »Deal!«

»So jetzt muss ich aber los. Wie kann ich dich denn erreichen?«

Nieke schreibt ihre Kontaktdaten auf einen Zettel und sagt: »Melde dich einfach in den nächsten Tagen, dann finden wir schon eine Gelegenheit.«

Karl schnappt sich den Zettel und kehrt zu seiner Seilpartnerin zurück. Er ist aufgeregt und freut sich innerlich schon darauf, Nieke bald zu kontaktieren und ihr die vielen Fragen stellen zu können, die ihn gerade umtreiben.

Während wir dieses Buch geplant haben, ist uns aufgefallen, dass der Scrum-Master-Job doch einige Parallelen zum Klettersport aufweist. Das liegt vielleicht daran, dass Martin seinen Lebensmittelpunkt schon immer in der Nähe der fränkischen Schweiz – einem Kletter-El-Dorado in Europa – hat. Auch Fabians Leidenschaft für das Klettern wird eine gewisse Rolle gespielt haben. Jedenfalls haben wir beschlossen, dem Buch etwas Persönlichkeit zu geben, indem wir die uns auffallenden Parallelen in einer Geschichte verarbeiten. Diese Geschichte von Karl und Nieke findest du zu Beginn eines jeden Kapitels. Du kannst sie entweder als Einstimmung auf das anstehende Thema lesen oder auch in einem Stück, wenn du die Inhalte der Kapitel dafür zunächst überspringst. Du kannst die Geschichte aber auch vollständig weglassen und wirst damit keine wichtigen Inhalte verpassen.

Wir haben uns auch entschieden, dich in diesem Buch konsequent mit »du« anzusprechen, da wir nicht nur theoretisches Wissen vermitteln möchten, sondern es dir auch ermöglichen wollen, das erworbene Wissen möglichst direkt anzuwenden. Dafür finden wir die direkte Ansprache passender als einen unpersönlich formulierten Text. Wir unterstreichen diesen Gedanken mit einem »Und jetzt du!«-Abschnitt am Ende eines jeden Kapitels, um dir Ideen dafür zu geben, was du sofort mit dem erworbenen Wissen praktisch angehen kannst.

Grundsätzlich ist unser Anspruch an dieses Buch, dass es sowohl für Einsteiger als auch für erfahrene Scrum Master ein Leitfaden in unterschiedlichsten Situationen sein kann. Die Struktur des Buches orientiert sich an den Phasen, die du in deinem Scrum-Master-Leben mit einem Team typischerweise durchläufst: Wir geben dir Ideen und Hilfsmittel an die Hand, wie du mit einem Team starten kannst, wie du es begleitest und wie sich ein guter Abschied gestalten lässt. Zusätzlich wirst du einige Inhalte zur Arbeit mit dem Kontext oder Umfeld und auch mit dir selbst finden. Da wir Wert darauf legen, möglichst praxisnah zu bleiben, ergänzen wir die Inhalte an verschiedenen Stellen um eigene Erfahrungen. Wir schreiben dann von »wir«, wenn wir beide die Erfahrung gemacht haben. Ansonsten markieren wir mit »ich (Name)«, wer von uns beiden das entsprechende Erlebnis hatte.

Du kannst dieses Buch von vorne bis hinten in einem Stück durchlesen. Es ist aber auch möglich, zu konkreten Themen Unterstützung und Ideen zu bekommen, indem du direkt in den Abschnitt springst, der dich gerade beschäftigt. Eine Grundidee des Scrum-Master-Kompagnons ist, dass er ein wirklicher Begleiter in deinem Job ist und dir in möglichst vielen Situationen hilfreich beiseite steht. Daher gibt es in diesem Buch auch ein ausführliches Inhaltsverzeichnis und einen Index, in denen du hoffentlich schnell die Stelle findest, die dir gerade helfen kann.

Last, but not least: Wir haben an vielen Stellen konkrete Workshop-Formate beschrieben, die du in den entsprechenden Situationen direkt anwenden kannst. Du findest diese einfach über das Thema im Inhaltsverzeichnis oder auch in der Workshop-Übersicht im Anhang des Buches.

Wir hoffen, unserer Vision, ein Buch zu schreiben, das ein hilfreicher, ständiger Begleiter für jeden Scrum Master sein kann, mit dem vorliegenden Werk gerecht zu werden. Darüber hinaus wünschen wir dir viel Spaß bei der Lektüre und vor allem der Anwendung deines Wissens in deinem Scrum-Master-Abenteuer!

2Deine Verantwortlichkeiten als Scrum Master

Karl & Nieke – Verbindung

Nieke hätte nicht gedacht, dass sie so schnell wieder von ihrem jungen Scrum-Master-Kollegen hören würde. Aber tatsächlich hatte er sich nur wenige Tage nach ihrem ersten Treffen per E-Mail bei ihr gemeldet. Er hatte vorgeschlagen, sich auf dem nächsten Agile Monday – einer offenen Veranstaltung für Menschen, die sich für Agilität interessieren – zu treffen und im Anschluss noch ein bisschen Erfahrungen auszutauschen. Und hier sitzen sie nun. Sie lauschen den letzten Worten des Redners, der einen Vortrag über »Die fünf Gesichter des Scrum Masters« hält. Nach dem abschließenden Applaus und einer kurzen Fragerunde wird es langsam leer im Coworking Space. Daher entscheiden sich Nieke und Karl, ihren Erfahrungsaustausch in ein nettes Café um die Ecke zu verlegen.

Beide haben bereits während des Vortrags immer wieder Parallelen zwischen der Scrum-Master-Tätigkeit und ihrem gemeinsamen Lieblingshobby – dem Klettern – gefunden. Nun kommen sie aus dem Vergleichen gar nicht mehr heraus, so offensichtlich und spannend ist der Zusammenhang.

»Sind wir nicht auch beim Klettern ein bisschen als Trainer unterwegs?«, stellt Karl die Frage in den Raum, um sie sofort selbst zu beantworten. »Wenn ich eine Route zuerst geklettert bin, erkläre ich doch auch meinen Partnern unten die schwierigen Stellen in der Route und gebe Tipps, wie diese umgangen oder gemeistert werden können. Das mache ich umso mehr, wenn ich mit Kletterneulingen unterwegs bin. Diese muss ich natürlich erst einmal in die Grundlagen des Kletterns einweisen sowie wichtige Regeln und den Rahmen erklären. Genau wie das ein Scrum Master mit einem neuen Team macht.«

Nieke erwidert: »Aber auch die Coaching-Rolle übernehme ich während des Kletterns regelmäßig, ohne groß darüber nachzudenken. Wenn meine Partnerin erst mal in der Wand hängt, kann ich ihr nicht mehr sagen, was sie als Nächstes machen soll. Vielmehr versuche ich mit hilfreichen Fragen zu unterstützen, z.B. ob sie irgendwo links oben einen Griff finden kann.«

»Alternativ mache ich meine Kletterpartner auf Verhaltensweisen aufmerksam, die sie selbst im Stress gerade nicht erkennen. So habe ich bei unserer letzten Klettertour eine Anfängerin darauf hingewiesen, dass sie die Armmuskulatur die ganze Zeit im vollen Einsatz hat und ihr schnell die Kraft ausgehen wird, wenn sie sich keine Pause gönnt«, führt Karl den Gedankengang fort.

»Ja, das kenne ich«, übernimmt Nieke wieder. »Doch manchmal sind auch Motivations-Interventionen gefragt, damit unsere Partner kurz vor dem Ziel nicht aufgeben. Wenn ich für jedes ›Los, einfach durchdrücken, dann hast du es geschafft!‹ zehn Euro bekommen hätte, dann wäre ich heute Millionärin.«

Karl schmunzelt und nickt zustimmend: »Und gleichzeitig liegt es allein bei unseren Seilpartnern, ob sie die gut gemeinten Hinweise und Fragen aufgreifen und verwerten. Denn letztlich kann ich als Kletterpartner nicht immer genau erkennen oder wissen, in welcher Situation sich die anderen gerade befinden und was jetzt für sie wirklich hilfreich ist.«

Inspiriert fährt Nieke fort: »Und natürlich gibt es auch frappierende Ähnlichkeiten bei den Herausforderungen, die sich beim Klettersport und im Scrum-Master-Job ergeben. In beiden Kontexten bin ich zum einen sowohl Lehrende als auch immer Lernende – egal, wie gut ich bin. Außerdem bin ich verantwortlich für ›die anderen‹ und gleichzeitig Teil des Ganzen. Ich bin sozusagen Trainerin, Coach, Moderatorin und Teammitglied gleichzeitig.«

Inzwischen ist es fast Mitternacht geworden und die beiden unterhalten sich immer noch sehr angeregt. Als Karl auf die Uhr schaut und ihm einfällt, dass er am nächsten Morgen einige wichtige Termine hat, sagt er: »Tut mir leid, Nieke, aber wir müssen unser Gespräch unterbrechen. Ich möchte dringend noch ein paar Stunden Schlaf bekommen, damit ich morgen früh fit bin.«

»Ja, klar. Ich will auch langsam mal zusehen, dass ich nach Hause komme«, erwidert Nieke. »Morgen wird auch für mich ein anstrengender Tag. Ich hoffe, wir setzen dieses Gespräch bald fort. Wie wäre es, wenn wir mal zusammen klettern gehen und uns dort weiter unterhalten? Wir hätten mehr Zeit und gleichzeitig frische Luft, die den Kopf und die Kreativität anregt!«

Karl ist begeistert von der Idee: »Klar! Das machen wir!« Die beiden zahlen und gehen müde, aber durch die interessante Diskussion beflügelt und mit neuer Energie ausgestattet nach Hause.

Manchmal vergessen wir, dass der Scrum Master eine ziemlich neue Erfindung ist. Scrum wurde in den 1990er-Jahren entwickelt, aber so richtig populär wurde es erst in den 2000er-Jahren. Und auch wenn heute wie selbstverständlich über die Verantwortlichkeiten des Scrum Masters gesprochen wird, ist die Rolle doch mit vielen Missverständnissen beladen. Im Folgenden möchten wir daher deine Verantwortlichkeiten als Scrum Master einmal unter die Lupe nehmen und betrachten, welche Aufgaben ein Scrum Master überhaupt hat.

2.1Der schwierigste Job der Welt

Da die Rolle nun mal noch sehr neu ist, ist es ganz natürlich, dass es nicht das eine Bild vom Scrum Master gibt, sondern – je nach Unternehmen und Kontext – viele verschiedene Bilder des Scrum Masters existieren. Natürlich trifft dieses Phänomen nicht nur auf den Scrum Master zu, sondern auch auf viele andere Jobbezeichnungen (denke einfach einmal darüber nach, in welchen Ausprägungen dir die Rolle »Projektleiter« schon in Unternehmen über den Weg gelaufen ist). Aber die Verantwortlichkeiten des Scrum Masters zu meistern, ist schon besonders herausfordernd. Zusätzlich zur üblichen Divergenz von Vorstellungen und der Neuheit der Rolle kommt hier erschwerend hinzu, dass es wenig vergleichbare Aufgaben gibt. Es ist etwas Besonderes, die Verantwortlichkeiten des Scrum Masters kennenlernen und womöglich sogar leben zu dürfen. Wir gehen sogar so weit zu sagen, dass diese Arbeit eine der schwierigsten ist, die man in Unternehmenskontexten übernehmen kann. Der Scrum Master hat ein bisschen was von einer eierlegenden Wollmilchsau. Der aktuelle Scrum Guide [SG] sagt über diese Verantwortlichkeiten wörtlich: »Der:die Scrum Master:in ist ergebnisverantwortlich für die Einführung von Scrum, wie es im Scrum Guide definiert ist. Er:sie tut dies, indem er:sie allen dabei hilft, die Scrum-Theorie und -Praxis zu verstehen, sowohl innerhalb des Scrum-Teams als auch in der Organisation. Der:die Scrum Master:in ist ergebnisverantwortlich für die Effektivität des Scrum-Teams. Er:sie tut dies, indem er:sie das Scrum-Team in die Lage versetzt, seine Praktiken innerhalb des Scrum-Rahmenwerks zu verbessern.«

Als Scrum Master sollst du also nicht nur Scrum erklären und motivieren können. Du sollst zusätzlich ein Team ohne formale Autorität führen. Gleichzeitig wird von dir Coaching und Unterstützung für alle Rollen erwartet. Das bedeutet, dass du ein sehr umfangreiches Wissen in vielen Gebieten brauchst. Auch das Thema Coaching ist nicht unbedingt etwas, was uns direkt in die Wiege gelegt wird. Dazu kommt, dass vom Scrum Master Dinge erwartet werden, die in unseren Unternehmenskontexten sehr herausfordernd sind. Die Organisation verändern, Menschen ihr Verhalten und die Konsequenzen spiegeln, aktiv aber nichts tun. Was bedeutet das überhaupt?

Mit all diesen Unklarheiten und Unsicherheiten gilt es, als Scrum Master heute umzugehen. Und das mit recht wenig Hilfe und Unterstützung. Schließlich gibt es nur sehr wenige Menschen, die in diesem Gebiet zehn Jahre Berufserfahrung mit sich bringen und diese einfach weitergeben können. Auch die zahlreichen Zertifizierungen am Markt sind nur bedingt hilfreich, da sie zwar im besten Fall wichtiges Wissen vermitteln, aber die viel wichtigere Erfahrung nicht lehren können. Solltest du noch nach einer Zertifizierung suchen, möchten wir dir nur folgenden Tipp geben: Wähle dein Training nicht anhand der Organisation aus, die die Zertifizierung anbietet, sondern prüfe, ob die Inhalte passend zu deinen Fragen sind, und suche nach Referenzen und Empfehlungen für die Trainer, die das Training durchführen. Die richtigen Inhalte, gut vermittelt, sind für dein Lernen immer hilfreicher als das Zertifikat welcher Organisation auch immer.

Aber das alles ist kein Grund zu verzweifeln. Denn Scrum Master zu sein, ist nicht nur einer der herausforderndsten Jobs der Welt, sondern gleichzeitig einer der spannendsten und interessantesten. In kaum einem anderen Job kannst du als Mensch so schnell wachsen und lernen wie in diesem. Stürzen wir uns also in das Abenteuer und schauen wir, wie wir die Herausforderungen meistern können!

2.2Deine Aufgaben als Trainer

Eine der Aufgaben als Scrum Master ist es, Wissen über Scrum und agile Methoden, Ideen und Konzepte zu vermitteln. Insbesondere am Anfang des Lebenszyklus eines Teams bist du dafür verantwortlich und es nimmt typischerweise einen großen Teil deiner Zeit ein. Du erklärst dem Team nicht nur Scrum und seine Regeln. Du unterstützt es auch dabei, sich Praktiken anzueignen, die ein agiles Vorgehen möglich machen oder erleichtern. Hinzu kommen die Ausbildung und Unterstützung des Product Owners. Das bedeutet, dass du die Tools, Hilfsmittel und Konzepte kennen solltest, die Product Owner für ihre Arbeit benötigen. Und nicht nur das. Du solltest diese Tools und Konzepte zudem anschaulich vermitteln können. Idealerweise bist du ein Meister der Visualisierung und kannst Menschen das Verinnerlichen der neuen, oft ungewohnten Konzepte erleichtern.

Darzustellen, was es braucht, um generell einen Trainerjob gut zu machen, und welche Hilfsmittel und Konzepte dafür wichtig sind, würde den Rahmen dieses Buches sprengen. Glücklicherweise haben sich hiermit schon andere ausreichend auseinandergesetzt. In diesem Zusammenhang können wir dir die Bücher »Training from the Back of the Room!« von Sharon Bowman [Bowman 2009] und »Scrum-Training« von Kai H. Simons und Jasmine Simons-Zahno ans Herz legen [Simons & Simons-Zahno 2021]. Wenn du zusätzlich noch deine Visualisierungstechniken verbessern möchtest, dann bieten die Bikablo-Bücher [Haussmann & Scholz 2009] einen guten Startpunkt.

2.3Deine Aufgaben als Coach

Eine große Herausforderung für viele Scrum Master ist die Verantwortlichkeit des Coaches, die du zumindest gegenüber dem Team einnehmen können solltest. Die Aufgabe des Coaches fällt vielen Scrum Mastern deshalb so schwer, weil eine solche Tätigkeit nur die wenigsten von uns von Natur aus beherrschen. Was tut ein guter Coach? Er macht seine Coachees erfolgreich. Wie tut er das? Zunächst einmal, indem er davon ausgeht, dass sie alle erforderlichen Ressourcen und Kenntnisse haben, um erfolgreich zu sein. Und indem er ihnen hilft, Perspektiven einzunehmen, die sie eigenständig und ohne Hilfe von außen entwickelt haben. Das ermöglicht den Coachees, selbst ihre Lösungsräume zu erweitern und neue Optionen zu finden. Diese Coach-Verantwortlichkeit unterscheidet sich schon in der einzunehmenden Haltung diametral von der einer Trainerin: Während die Trainerin annimmt, Expertin auf dem Gebiet zu sein und ihr Wissen zu vermitteln, sollte der Coach davon ausgehen, dass seine Coachees Experten auf dem Gebiet sind und er selbst »unwissend« ist.

Dafür sind die wenigsten von uns ausgebildet. In der Schule und in weiterführenden Ausbildungen wird selten von uns verlangt, andere bei der Lösungsfindung zu unterstützen. Meist gibt man uns eine Aufgabe und erwartet von uns die Lösung des Problems. Eine Denk- und Handlungsweise, die uns häufig jahre-, wenn nicht jahrzehntelang antrainiert wurde. Für einen Coach ist diese Herangehensweise nicht nur schwierig, sondern sogar hinderlich. Wenn du beginnst, Lösungen für die Probleme des Coachees zu entwickeln, dann kannst du dich zum einen nicht mehr auf den Coaching-Prozess konzentrieren und den idealen Rahmen für den Coachee schaffen, sein Problem selbst zu lösen. Zum anderen schränkst du mit Lösungen, die du dem Coachee lieferst, dessen Denkraum ein. Du leitest bereits in bestimmte Richtungen und versperrst somit vielleicht den Blick auf andere, möglicherweise für den Coachee bessere Alternativen.

Zwar gibt es einige Bücher zu diesem Thema, die sehr hilfreich und empfehlenswert sind, beispielsweise »Agile Teams lösungsfokussiert coachen« von Veronika Kotrba und Ralph Miarka [Kotrba & Miarka 2019] oder »Beratung ohne Ratschlag« von Sonja Radatz [Radatz 2018]. Allerdings ist diese Herausforderung für den Scrum Master kaum allein mit der Lektüre eines Buches lösbar. Inzwischen gibt es zum Glück eine große Menge von Coaching-Ausbildungen, deren Besuch einem Scrum Master durchaus anzuraten sind. Denn nur in vielen Übungsstunden und unter Anleitung erfahrener Coaches lassen sich hilfreiche Techniken und Haltungen tatsächlich nachhaltig erlernen, wie z.B.: gut zuhören, hilfreiche Fragen stellen, Stille aushalten, den anderen denken lassen, Akzeptanz dessen, was ist, Akzeptanz von Komplexität, wahrnehmen und aushalten von Emotionen, der Glaube an den Coachee und seine Fähigkeit, das Problem zu lösen, und vieles mehr.

Warum sollte ein Scrum Master über diese Fähigkeiten verfügen? Laut Scrum Guide [SG] ist »der Scrum Master verantwortlich für die Effektivität des Teams. Er tut das, indem er das Team in die Lage versetzt, seine Praktiken im Rahmen des Scrum-Frameworks zu verbessern«. Es gibt nun zwei gute Gründe dafür, dass er diesen Prozess in großen Teilen mithilfe von Coaching-Techniken unterstützt:

Menschen lernen mit am effektivsten, indem sie Erfahrungen selbst machen und mit anderen teilen

[Hattie 2011]

. Eine Anweisung oder ein Training kann Impulse dafür geben. Die Verfestigung des Wissens oder die Entwicklung eigenen neuen Wissens kann aber nur von innen heraus erfolgen. Unterstützen kann hier am besten ein Mensch, der hilfreiche Coaching-Interventionen einsetzt.

Er hat kaum eine andere Wahl, da er ja keine formale Autorität hat.

Selbst wenn der Scrum Master bereits ausgebildeter Coach ist oder hervorragende Coaching-Kenntnisse besitzt, ist es sehr hilfreich, sich in diesem Gebiet ständig weiterzuentwickeln. Dabei ist es ratsam, dir immer wieder Hilfe und Unterstützung von Kollegen einzuholen. Wir haben hier sehr gute Erfahrungen mit regelmäßigen Reflexionsrunden und Intervisionen gemacht. Einige unserer Kunden haben interne Communities of Practice aufgebaut, in denen auch Scrum Master derartige Formate umsetzen können. Eine gute Alternative sind die inzwischen an vielen Orten stattfindenden »Coach Reflection Days«[CRD]. Hier lassen sich Coaching-Fähigkeiten sehr gut in einem geschützten Raum üben und vertiefen.

2.4Deine Aufgaben als Moderator

Die wohl sichtbarste Tätigkeit des Scrum Masters ist die Moderation. Das geht so weit, dass die Verantwortlichkeiten des Scrum Masters in einigen Unternehmen in großen Teilen auf diese Aufgabe beschränkt wird oder sich Scrum Master selbst darauf beschränken, weil sie ihre Hauptaufgabe in der Moderation der Scrum-Events sehen. Zum einen, weil dies mit der leichteste Teil der Tätigkeiten des Scrum Masters ist, zum anderen weil es eben so offensichtlich ist.

Ist es tatsächlich der leichteste Teil? Nun ja, Moderation kann sehr einfach sein: Agenda aufstellen, dafür sorgen, dass Redeanteile gleich verteilt sind und jeder gehört wird, Ergebnisse nachbereiten. Es kommt allerdings vor, dass solche Termine überhaupt nicht einfach sind. Die Ursachen dafür sind vielschichtig. Das reicht von unklaren Zielen über individuelle Konflikte bis zu politischen Spielchen. Und wenn diese Faktoren ins Spiel kommen, dann kann auch die Moderationstätigkeit des Scrum Masters zur großen Herausforderung werden.

Wichtig für einen Scrum Master ist es, zu verstehen, dass er dabei Allparteilichkeit wahren sollte. Es gilt, die Verantwortung für das Ergebnis bei den Teilnehmenden des Meetings zu lassen und dies mit hilfreichen Moderationstools und Workshop-Formaten zu unterstützen. Einige dieser Tools wirst du im Verlauf dieses Buches kennenlernen. Wer tiefer in das Thema eintauchen möchte, dem sei das Buch »Facilitator’s Guide to Participatory Decision Making« von Sam Karner [Karner 2014] empfohlen.

Wenn der Scrum Master dann in Sachen Moderation fit ist, gehören zu seinen Aufgaben nicht nur die Moderation der Scrum-Events (Planning, Review, Daily, Retrospektive), sondern auch von Visions-Workshops, Team-Lift-offs, Konfliktgesprächen und vielem mehr. Und das nicht nur für das Team, dem er zugeordnet ist. Gute Scrum Master bieten ihre Fähigkeiten natürlich in der ganzen Organisation an, auch um mehr Übung zu bekommen. Damit helfen sie der Organisation, die Wichtigkeit von effektivem Austausch im Team zu verstehen, und zeigen Möglichkeiten dafür auf.

2.5Deine Aufgaben als Teammitglied

Häufig begegnet uns die Frage, ob der Scrum Master jetzt Teil des Teams ist oder eine außerhalb des Teams stehende Verantwortlichkeit wahrnehmen sollte. Aus unserer Sicht ist diese Frage gar nicht so einfach zu beantworten. Denn einerseits soll der Scrum Master ja als Coach fungieren und das Team auf diese Weise unterstützen, was aber bedeutet, dass er möglichst nicht »Teil des Systems« sein sollte. Auf der anderen Seite wird er von außen sicherlich mitverantwortlich gemacht für den Erfolg des Teams. Auch der Scrum Guide sagt, »das gesamte Scrum-Team [und dieses beinhaltet den Scrum Master] ist ergebnisverantwortlich (accountable), in jedem Sprint ein wertvolles, nützliches Inkrement zu schaffen«. Da stehst du nun – wie so oft – als Scrum Master mit einer ambivalenten Aussage da und darfst damit arbeiten. Jedenfalls ist jetzt klar, dass du nicht nur, aber auch ein Teammitglied bist.

Und welche Aufgaben obliegen dir im Team? Du unterstützt es direkt, indem du die Prinzipien im Team vorlebst, für die du stehst. Bevor du anderen erzählst, wie sie ihre Arbeit machen sollen, prüfst du erst einmal deinen eigenen Arbeitsablauf. Dabei hinterfragst du, wo du – im besten Falle sichtbar – agile Ideen, Methoden, Prinzipien und Werte anwenden und vorleben kannst. Dazu gehören ganz einfache, aber auch ganz schwierige Dinge, wie die folgende Auflistung zeigt:

Mut

Du erkennst und adressierst Konflikte und schwierige Situationen.

Kontinuierliche Verbesserung

Du nimmst dir Zeit für das eigene Lernen und deine Weiterentwicklung. Du lebst

Pair Working

vor.

Qualität

Indem du agile Entwicklungspraktiken wie beispielsweise

testgetriebene Entwicklung

1

oder

Pair Programming

erklärst und einführst.

Commitment

Indem du Zusagen einhältst und dich kümmerst.

Respekt

Indem du eine gute Kollegin bist, die die Teamwerte lebt und achtet.

Fokus

Indem du nicht alles anfängst und nichts zu Ende bringst, sondern dich fokussiert um ein Thema nach dem anderen kümmerst.

Offenheit

Indem du offenes Feedback gibst und nimmst.

Selbstorganisation

Indem du die Führung und Verantwortung übernimmst an Stellen, wo du besonders kompetent bist, und dich führen lässt und Verantwortung abgibst, wo andere mehr Kompetenz haben.

Erfolge erkennen

Du sorgst dafür, dass du Erfolge erkennen (messen) kannst und diese angemessen feierst.

Manchmal sind es die kleinen Dinge im Leben

Es hat noch keinem Scrum Master geschadet, seinem Team, das gerade im Stress ist, zur seelischen Unterstützung einen Kaffee zu holen oder einen Kuchen zu backen!

Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sollte dir aber einen ersten Eindruck vermitteln, wie du dich auch als Teammitglied einbringen kannst.

2.6Deine Aufgaben als Veränderungskraft in der Organisation

Als wären die Aufgaben innerhalb des Teams nicht bereits genug, warten zusätzlich viele Herausforderungen in der Organisation auf dich.

So gilt es, die Autonomie des Teams zu stärken und gleichzeitig genügend gemeinsame Ausrichtung zu gewährleisten. Denn wenn ein Team in Fahrt kommt und weniger innere Hindernisse seine Geschwindigkeit bremsen, werden immer mehr die Rahmenbedingungen und Abhängigkeiten nach außen zu limitierenden Faktoren. Dem gilt es entgegenzuwirken, so z.B. durch Weiterbildung oder Hinzunahme von Experten, die Schnelligkeit von Zulieferungen, Bereitstellung von Arbeitsumgebungen oder direkten Zugriff auf Kunden – diese Liste ließe sich endlos fortsetzen.

Ein weiterer Punkt, der Augenmerk erfordert, ist die Vermeidung lokaler Suboptimierung zugunsten einer Verbesserung des Gesamtsystems. Wenn z.B. in einer Multiteam-Umgebung ein Team bei einem Thema vollkommen in der Überlast ist, dann reicht es nicht, wenn die anderen einfach zuverlässig weiter liefern, sondern dann sind teamübergreifende Maßnahmen gefragt. Andere Beispiele sind die Auflösung von Team-Backlogs und die Etablierung wirklicher Product Backlogs. Auch hier sind die Ansatzpunkte unerschöpflich.

Außerdem ist in vielen Organisationen Aufklärungsarbeit zu leisten, warum ein Team Scrum als Arbeitsweise nutzt und was dies für dessen Umfeld bedeutet. Was können Menschen, die mit einem Scrum-Team zusammenarbeiten, erwarten, was nicht. Welche Verhaltensweisen sind für diese Zusammenarbeit eher hinderlich, welche eher förderlich. Die Palette potenzieller Adressaten ist lang. Typische Kandidaten sind Führungskräfte, Kunden, Betriebsrat, übergreifende Unternehmensbereiche, wie z.B. Corporate Design oder Architektur, sowie andere nicht nach Scrum arbeitende Teams.

Last, but not least ist es wichtig, für Aufgaben in der Organisation Mitstreiter zu finden. Dazu hilft dir ein gepflegtes Netzwerk innerhalb und außerhalb des Unternehmens sowie das Engagement in Communities of Practice – einerseits zum gemeinsamen Angehen von Herausforderungen, andererseits um voneinander zu lernen. Denn auch auf diese Weise kannst du in der Organisation wirksam sein: Als »Teilender« von Wissen und Erfahrung, als Lernender und Lehrender, als Fragen Stellender und Antworten Liefernder. Mitunter hilft dir der Tipp einer Kollegin (oder vice versa), nicht nur ein Hindernis deines Teams, sondern auch das von vielen anderen Teams zu lösen.

Wie du siehst, ist das Schicksal deines Teams untrennbar mit der Organisation verbunden. Du kannst also das eine nicht ohne das andere betrachten. Daher arbeite an beidem, habe Geduld und mach dir sowie anderen auch die kleinen Fortschritte transparent. Tipps zum Arbeiten an der Organisation und dem Kontext findest du in Kapitel 8.

2.7Konflikte zwischen den Verantwortlichkeiten

Wie du siehst, sind die Verantwortlichkeiten als Scrum Master geradezu überwältigend vielfältig. Nicht nur im Sinne der Aufgaben und Verantwortung. Es gibt eine Menge Perspektiven, die ein guter Scrum Master einnehmen können sollte. Daraus resultieren – gerade für diese Verantwortlichkeit – einige inneren Konflikte und Ambivalenzen. Einen dieser Konflikte haben wir uns bereits in Abschnitt 2.5 kurz angesehen. Du bist gleichzeitig im Scrum-Team und auch nicht. Daraus resultiert ein Konflikt zwischen den Polen »wir möchten möglichst viel liefern« und »wir möchten lernen, wie wir besser arbeiten können« (d.h. Liefern vs. Lernen). Zeit, die wir in das Produkt investieren, können wir schwierig gleichzeitig nutzen, um neue Praktiken und Ideen zu lernen. Zeit, die wir zum Lernen verwenden, können wir nicht mehr ins Produkt investieren.

Einen anderen Konflikt kannst du erkennen, wenn du die Abschnitte 2.2 und 2.3 liest. Als Trainerin bist du Expertin auf einem Gebiet und kannst anderen sagen, wie sie Dinge besser machen können. Als Coach gehst du davon aus, dass die anderen Experten auf dem Gebiet sind und du sie am besten durch hilfreiche Fragen und Perspektivwechsel unterstützt. Hier liegt ein Konflikt in der Verantwortlichkeit (Coach vs. Trainerin), die du abhängig von den Fähigkeiten und dem Lernen des Teams immer wieder neu gewichten darfst.

Immer wieder wirst du darauf stoßen, dass es dein Auftrag als Scrum Master ist, die Organisation so zu verändern, dass sie den agilen Teams den Rahmen für Erfolg schafft. Gleichzeitig hast du den Auftrag, dein Team vor unnötigen Störungen zu schützen, sprich einen gewissen Grad an Veränderung zu vermeiden. Auch zwischen dem Verändern und dem Bewahren liegt ein Ambivalenzfeld, mit dem ein Scrum Master immer wieder bewusst umgehen sollte. Aber wie kannst du das tun?

Darauf haben wir leider keine allgemeingültige Antwort. Es gibt hier meistens keine »richtigen« Entscheidungen, sondern vielmehr (innere) Dialoge, die zu einem Handeln führen. Die »richtige Balance« liegt zwischen den Extremen und ist hochgradig kontext- und situationsabhängig. Trotz dieser hohen immanenten Komplexität solcher Situationen gibt es etwas, was du tun kannst, um in solchen Bereichen besser vorwärtszugehen: Hol dir die Hilfe deiner Kollegen. Das Workshop-Format »Kollegiale Fallberatung« bewirkt oft Wunder und zeigt dir mit Sicherheit neue Handlungsoptionen auf.

Workshop 1:Kollegiale Fallberatung

Teilnehmerzahl

5–12

Zeit

60–90 Minuten (abhängig von der gewählten Zeitspanne im Ablauf sowie der Anzahl der Teilnehmenden)

Vorbereitung,Material

Stuhlkreis für alle Teilnehmenden, eine Metaplanwand, mindestens ein Flipchart, Post-its, Marker

Ablauf

Die Moderatorin führt die Teilnehmenden in das Format ein.Die Gruppe wählt einen Fall (und Fallgeberin).10 min: Die Fallgeberin beschreibt ihren Fall – die Gruppe schweigt und macht sich Notizen.10 min: Die Gruppe stellt Fragen und die Fallgeberin antwortet.10 min: Die Fallgeberin verschwindet hinter der Wand und hört nur zu. Die Gruppe bildet Hypothesen über den Fall. Die Hypothesen werden auf einem Flipchart notiert.10 min: Die Fallgeberin kommt hinter der Wand hervor und nimmt Stellung zu den Hypothesen. Die Gruppe schweigt. Die Fallgeberin artikuliert nochmals ihre Frage an die Gruppe.10 min: Die Fallgeberin verschwindet hinter der Wand. Die Gruppe brainstormt so viele Optionen wie möglich, was die Fallgeberin konkret tun könnte, um mit ihrer Frage besser umgehen zu können.10 min: Die Fallgeberin kommt hinter der Wand hervor und nimmt Stellung zu den Optionen.10 min: Die gesamte Gruppe reflektiert kurz über das Format und die Ergebnisse.

Anmerkungen

Die 10-minütigen Zeitslots sind sehr hilfreich, können aber – falls nur wenig Zeit ist – auch durch kürzere Zeitslots ersetzt werden. Wir haben sogar bereits hilfreiche Fallberatungen mit 3-minütigen Zeitslots absolviert.

WeiterführendeInformationen

Das Format ist ein fester Bestandteil der Community-Veranstaltung »Coach Reflection Day«, siehe [CRD]. Templates für die Verwendung des Formats im Online-Setting findest du unter [SMK].

2.8Scrum Master – eine Frage der Haltung

Was ist eigentlich Haltung und weshalb ist diese für Scrum Master wichtig? Für uns zeichnet sich Haltung durch verinnerlichte Grundüberzeugungen aus. Diese haben Einfluss sowohl auf unsere bewussten als auch unbewussten Verhaltensweisen und Handlungen. Letztere sind von allen Teammitgliedern immer wieder beobachtbar, sodass deine Haltung sozusagen durchscheint. Das hat sehr große Auswirkungen auf das Verhalten der beobachtenden Personen, denn Menschen lernen viel durch Imitation. Gut beobachten können wir das vor allem bei Kindern: Wenn Eltern überzeugte Sportler sind, werden deren Kinder sie deutlich öfter beim Sport wahrnehmen und das Verhalten als positiv werten. Die Kinder werden dann versuchen, das Verhalten zu imitieren. Tragischerweise funktioniert das gleiche Prinzip natürlich genauso mit Nikotin oder Alkohol. Wir sollten also mit gutem Beispiel vorangehen, wenn wir Menschen Veränderung nahebringen wollen. Dieser Weg kann nur gelingen, wenn die Haltung stimmt, denn kein Mensch kann dauerhaft gegen seine innere Überzeugung handeln und dabei gesund bleiben.

Und was ist nun eine förderliche Haltung für Scrum Master? Einen guten Leitsatz hat Norman L. Kerth mit seiner »Prime Directive« [Kerth 2013] für Retrospektiven geliefert:

»Unabhängig davon, was wir entdecken werden, verstehen und glauben wir aufrichtig, dass jeder sein Bestes in der gegebenen Situation, mit dem verfügbaren Wissen, den Ressourcen und unserem individuellen Kontext getan hat.« (Übersetzung der Autoren)

Die Prime Directive beschreibt eine Selbstaussage: Bist du in der Lage zu glauben, dass jeder sein Bestes gegeben hat? Bist du in der Lage, die positive Intention hinter einem vielleicht irritierenden Verhalten zu sehen? Kannst du stets interessiert und neugierig zuhören, anstatt vorschnell zu urteilen? Sich immer wieder in diese nicht urteilende Jeder-hat-sein-Bestes-gegeben-Haltung zu versetzen, ist eine wichtige Qualität eines guten Scrum Masters. Denn die Psychologie sagt uns, dass wir Menschen – wenn wir einmal eine Theorie über etwas oder jemanden gebildet haben – dazu neigen, uns selbst zu bestätigen (siehe »Theory Induced Blindness« in [Kahneman 2012]). Wenn wir also eine Kollegin als »schlechtes Teammitglied« eingeordnet haben, dann werden wir dazu neigen, diese Theorie zu festigen und »schlechtes« Verhalten an dieser Kollegin zu beobachten. Damit nehmen wir ihr die Möglichkeit, »gut« zu sein, und werden selbst zum Problem.