Seelen mit Methode -  - E-Book

Seelen mit Methode E-Book

4,9

Beschreibung

Ist Schauspielen eigentlich eine Kunst? Schauspieler(innen) sind die Fixpunkte der Aufmerksamkeit im Theater. Seit dreihundert Jahren nehmen Theoretiker die Herausforderung an, schauspielerisches Handeln zu definieren. In Schauspieltheorien wird danach gefragt, ob der Schauspieler sich selbst oder jemand anderes spielt, ob seine Gefühle echt oder nur vorgetäuscht sind, ob er seinen Körper kontrolliertund kühl einsetzt oder unbewußt und unter Feuer spielt. Über welche geistigen und körperlichen Voraussetzungen müssen Schauspieler verfügen, und wie kann man diese schulen? Die Lektüre von Schauspieltheorien verspricht Aufschlüsse darüber, welches Menschenbild zu einer bestimmten Zeit in Szene gesetzt wurde, welches Körperverständnis vorherrschte und wie diese Menschenbilder im Theater wiederholt, bestätigt, in Frage gestellt und erweitert wurden. Der Band versammelt zentrale schauspieltheoretische Texte vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Die Theorien von Franziscus Lang, Pierre Rémond de Sainte Albine, Francesco Riccoboni, G. E. Lessing, Denis Diderot, Johann Jakob Engel, J. W. Goethe, HeinrichTheodor Rötscher, William Archer, Max Martersteig, Georg Simmel, Konstantin S. Stanislawski, Bertolt Brecht, Helmuth Plessner, Richard Schechner u. a. werden in den historischen Kontext gestellt und erläutert. Eine systematische Einführung schafft den Überblick zu zentralen Kategorien der Schauspielkunst wie Nachahmung, Verkörperung, Natürlichkeit oder Emotionalität auf der Bühne.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 479

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
4,9 (18 Bewertungen)
17
1
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Seelen mit Methode

Schauspieltheorien vom Barock- bis zum postdramatischen Theater

Herausgegeben und mit einer Einführung von Jens Roselt

Dritte Auflage 2013

© by Alexander Verlag Berlin 2005

Alexander Wewerka, Fredericiastr. 8, D-14050 Berlin

info@alexander-verlag.com

www.alexander-verlag.com

Alle Rechte vorbehalten.

Jeder Abdruck und jede Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung durch den Verlag.

Lektorat: Christin Heinrichs und Katharina Broich

Druck und Bindung: Interpress, Budapest

Umschlag: Antje Wewerka unter Verwendung eines Fotos von Josef Kainz als Hamlet.

ISBN 978-3-89581-369-6 (eBook)

Jens Roselt, Theaterwissenschaftler und Dramatiker, Professor für Theorie und Praxis des Theaters an der Universität Hildesheim, zahlreiche Veröffentlichungen zur Theorie und Ästhetik des Theaters (u. a. Phänomenologie des Theaters, Fink 2008). Dramen beim S. Fischer Verlag (u. a. »Dreier«, in: Theater Theater – Aktuelle Stücke 12, Frankfurt am Main 2002). Dramatisierungen für die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin (»Erniedrigte und Beleidigte«, 2001) und das Theater Baden-Baden (»Rauch«, 2004). Übersetzung und Bearbeitung von Shakespeares »Der Sturm« und »Maß für Maß« (Münchner Kammerspiele) sowie »Der Kaufmann von Venedig« (Schauspielhaus Zürich).

INHALT

 

Jens Roselt

Seelen mit Methode. Einführung

SCHAUSPIELTHEORIEN VOM BAROCK- BIS ZUM POSTDRAMATISCHEN THEATER

Perfektion vom Scheitel bis zur Sohle – Franciscus Lang und das Barocktheater

Franciscus Lang: Abhandlung über die Schauspielkunst

Schicklich und empfindsam – Der ›heiße‹ Schauspieler bei Pierre Rémond de Sainte-Albine

Pierre Rémond de Sainte-Albine: Der Schauspieler

Kontrollierte Körper – Der ›kalte‹ Schauspieler bei Francesco Riccoboni

Francesco Riccoboni: Die Schauspielkunst. An die Madame *** durch den Herrn Franziskus Riccoboni den Jüngern

Im Gewebe von Körper und Emotionen – Gotthold Ephraim Lessing und die Hamburgische Dramaturgie

Gotthold Ephraim Lessing: Hamburgische Dramaturgie. Drittes Stück, den 8. Mai 1767

Schauspieler mit Verstand – Denis Diderot

Denis Diderot: Das Paradox über den Schauspieler

Über die allmähliche Verfertigung der Leidenschaften – Johann Jakob Engel

Johann Jakob Engel: Ideen zu einer Mimik

Ideale Schauspielkunst – Johann Wolfgang von Goethe

Johann Wolfgang von Goethe: Regeln für Schauspieler

Charaktere auf und hinter der Bühne – Heinrich Theodor Rötscher

Heinrich Theodor Rötscher: Die Kunst der dramatischen Darstellung

Schauspieler und Hypnose – Max Martersteig

Max Martersteig: Der Schauspieler. Ein künstlerisches Problem

To feel, or not to feel? – William Archer

William Archer: Masken oder Gesichter? Eine Studie zur Psychologie der Schauspielkunst

Erleben und Verkörpern auf der Bühne – Konstantin S. Stanislawski

Konstantin S. Stanislawski: Die Arbeit des Schauspielers an sich selbst

Der Tod des Schauspielers – Edward Gordon Craig und die Über-Marionette

Edward Gordon Craig: Der Schauspieler und die Über-Marionette

Verfremdete Figuren – Bertolt Brecht

Bertolt Brecht: Kurze Beschreibung einer neuen Technik der Schauspielkunst, die einen Verfremdungseffekt hervorbringt

Die Versinnlichung des Dramas durch den Schauspieler – Georg Simmel

Georg Simmel: Über den Schauspieler. Aus einer »Philosophie der Kunst«

Exzentrische Menschen – Helmuth Plessner

Helmuth Plessner: Zur Anthropologie des Schauspielers

Masken ab! Vom Schauspieler zum Performer – Richard Schechner

Richard Schechner: Environmental Theater

Das Spektrum der Darstellung – Michael Kirby

Michael Kirby: Schauspielen und Nicht-Schauspielen

Jens Roselt

An den Rändern der Darstellung – Ein Aspekt von Schauspielkunst heute

ANHANG

Zeittafel

Quellennachweise

Literatur

Personen- und Sachregister

Jens Roselt

SEELEN MIT METHODEEinführung

Eine eigenartige Kunst

»Meine Aufmerksamkeit richtet sich so sehr an das Spiel einiger Schauspieler, daß ich nicht an die Folge der Szenen denken kann.«1 Diesen Stoßseufzer eines Theaterkritikers konnten die Leser der Berliner Litteratur- und Theaterzeitung am 3. Juli 1784 vernehmen. Der Rezensent gesteht, daß er nicht in der Lage sei, »den genauen Ausgang des Stückes« mitzuteilen, weil er, statt auf die Handlung, in erster Linie auf die handelnden Schauspieler geachtet habe. Da es seinerzeit keine Schauspielführer gab, in denen er den Inhalt von F. L. Schröders Lustspiel Stille Wasser sind betrüglich hätte nachschlagen können, war der Kritiker auf seine eigene Wahrnehmung angewiesen. Schon im Mai, als er zum ersten Mal von der Aufführung schrieb, hatte er den Lesern angekündigt, daß er Verlauf und Ende des Dramas erst nach mehrmaligem Aufführungsbesuch würde mitteilen können. Er schätzte, daß er dafür noch dreimal ins Theater gehen müsse. Daß dies nicht ausgereicht hat, zeigt sein im Juli erfolgtes Geständnis, immer noch nicht auf etwas anderes als die Schauspieler geachtet zu haben.

Wer heutzutage eine Theaterkritik liest, kommt nicht selten zu einer gegenteiligen Beobachtung. Rezensenten teilen auch komplexe Handlungen problemlos mit und verstehen es sogar, Aussageabsichten von Autoren oder Intentionen von Regisseuren zu ermitteln und zu kommentieren. Allein die Frage danach, was die leibhaftigen Schauspieler auf der Bühne gemacht haben und vor allem, wie sie es gemacht haben, findet kaum Beachtung.

Was kann man über Schauspieler sagen, außer daß sie ›irgendwie‹ gut waren und daß sie von was auch immer überzeugten?

Zweifellos sind Schauspielerinnen und Schauspieler die Fixpunkte der Aufmerksamkeit des Publikums. Man erwartet ihren Auftritt, man folgt ihren Bewegungen und lauscht ihrer Stimme. Auf der Bühne stehen keine Dramen, sondern Körper. Man beobachtet keine Ideen, sondern handelnde Menschen. Die analytische Beschäftigung der Zuschauer konzentriert sich jedoch häufig auf diejenigen Beteiligten einer Inszenierung, die am konkreten Abend der Aufführung zumeist gar nicht im Theater sind: Regisseure, Autoren oder Bühnenbildner. Sie gelten als die verantwortlichen Macher, während Schauspielerinnen und Schauspieler als Ausführende im toten Winkel des Interesses verschwinden. Während Zuschauer ihre Sinne auf die leibhaftigen Darsteller richten, erwarten sie den Sinn in vorgefertigten Konzepten und fremden Ideen. Sosehr man auch von der Stimme einer Schauspielerin in Bann geschlagen sein mag, in der Reflexion wird das faszinierende Hörereignis schnell auf den gesprochenen Text reduziert.

Die Schwierigkeit, schauspielerische Leistungen in Worte zu fassen, ist nicht der Inkompetenz von Publikum und Theaterkritik geschuldet, sondern verweist auf eine Eigenart, die im Vorgang des Schauspielens selbst begründet ist. Die Beurteilung von Schauspielern wird nämlich dadurch heikel, daß dabei »die Verachtung der Kunst immer zugleich die Person streift«2. Was Johann Jakob Engel hier in seinen Ideen zu einer Mimik von 1785 über die Verachtung der Kunst sagt, gilt allerdings auch für deren Beachtung. Schauspieler sind Attraktionen. Der Anblick des Menschen auf der Bühne kann eine Wirkung entfalten, die durch Erotik, Scham oder auch Ekel gekennzeichnet ist und wegen ihrer Unmittelbarkeit stets aus dem ästhetischen Rahmen zu fallen droht. Wer sich über die Darstellung eines Schauspielers äußert, spricht nicht nur über ein Kunstprodukt, sondern zugleich über einen individuellen Menschen, der vor den Augen der Zuschauer seine Kunst ausübt. Ästhetische und ethische Aspekte können dabei nicht komplett getrennt werden. Schauspieler sind Macher und ›Gemachtes‹ in einer Person. Der Vorgang des Schauspielens ist Herstellungs- und Präsentationsakt in einem. Der französische Schauspieler Benoit Constant Coquelin (1841–1909) hat den Schauspieler deshalb als »double personality«3, als eine Art Doppelwesen, bezeichnet. In seinem zunächst auf englisch erschienenen Aufsatz Acting and Actors von 1887 begründet er diese Doppelheit damit, daß Schauspieler sowohl Spieler als auch gespielte Instrumente seien. Auch diese theoretische Unterscheidung kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß die schauspielerische Leistung nie von der individuellen Persönlichkeit eines Schauspielers abstrahiert werden kann.

Dieser Problematik ist sich die Schauspieltheorie stets bewußt gewesen. 1797 weist Friedrich Hildebrand von Einsiedel (1750–1828) in seinen Grundlinien zu einer Theorie der Schauspielkunst darauf hin: »Es ist schwer eine Kunst in ein System zu fassen, auf welche Konvenzion des Geschmacks, und individuelle Behandlungsart des Künstlers einen so wesentlichen Einfluß haben; die in ihrer Ausführung zu transitorisch ist, um überall so bestimmt zu seyn, daß keine momentane Willkühr dabey statt finden sollte; und deren feinste Gesetze oft nur dem leisen Takt’ eines inneren Sinnes offenbar werden kann.« Einsiedel macht darauf aufmerksam, daß Schauspieler neben der individuellen Behandlungsart auch auf gesellschaftliche und ästhetische Übereinkünfte und Regeln (»Konvenzion«) angewiesen sind, die festlegen, was sich auf den Bühnen schickt und was verpönt ist. Vor allem aber kennzeichnet er Schauspielkunst als transitorischen Akt. Der Begriff Transitorik wurde von Lessing für das Theater geprägt und meint die Flüchtigkeit von Aufführungen. Alles, was ein Schauspieler auf der Bühne macht, überdauert nicht den Moment seines unmittelbaren Vollzugs. Ob nun eine pathetische Geste der Arme oder ein unmerkliches leichtes Zittern der Mundwinkel – all diese Bewegungen existieren nur, wenn und solange der Schauspieler sie ausführt. Auch ein Satz wie Hamlets »Sein oder Nichtsein«, der im Drama aufgeschrieben die Zeiten überdauern kann, ist nur Teil der schauspielerischen Aktion, wenn der Hamletdarsteller ihn spricht. Durch seine Stimme wird aus dem Text erst Sprache, ein konkretes, durch vielfältige Nuancierungen gefärbtes Klang- und Hörereignis, das als solches keinen materiellen Bestand hat. Das ›Sein‹ des Satzes überdauert seine Aussprache nicht. Am Ende einer Theatervorstellung bleibt kein Werk zurück, kein Buch, das immer wieder aufgeschlagen und gelesen werden kann, kein Bild, das auch morgen noch an derselben Stelle hängen würde. Nur in der Erinnerung ihrer Zuschauer können sich Schauspielerinnen und Schauspieler verewigen. So spendet Heinrich Theodor Rötscher (1803–1871) 1841 in dem Schauspieler Trost, »dessen Werk seinen Schöpfungsakt nur im Gemüte des Zuschauers überlebt, in dem es die einzige Spur seines Daseins zurückläßt«. Die Flüchtigkeit ist somit nicht nur der besondere Ausweis der Schauspielkunst, sondern auch ihr Handicap: »Der dramatische Künstler ist also ganz an die Gegenwart gewiesen; sie ist seine Göttin; was sie ihm nicht gewährt, kann kein tröstender Hinblick auf spätere Zeit ihm ersetzen.«

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!