Seelengefährten auf vier Pfoten - Wilma, Dr. med. vet. Staffa - E-Book

Seelengefährten auf vier Pfoten E-Book

Wilma, Dr. med. vet. Staffa

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Beschreibung

Unsere Haustiere fungieren als Fährtensucher zu uns selbst. Sie kennen den Weg zu einem erfüllten Leben, und wir täten gut daran, ihnen zu folgen. Doch manchmal verstehen wir die Sprache unserer geliebten Gefährten nicht. Und so ist dieses Buch auch ein Dolmetscher, der uns mit den verschlüsselten Botschaften unseres Haustiers vertraut macht. Dr. Wilma Staffa erzählt ergreifende und inspirierende Geschichten aus ihrer Tierarztpraxis, die deutlich machen, dass die Krankheit oder das "sonderbare Verhalten" von Katze oder Hund häufig darauf hinweist, dass das eigentliche Problem beim Menschen liegt. Sie zeigt, wie wir uns dessen bewusst werden und gesund und froh mit unseren Haustieren leben können – aber auch, wie wir uns eines Tages liebevoll von ihnen verabschieden können, ohne den Tod und die Trauer zu verdrängen.

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Seitenzahl: 241

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Dr. Wilma Staffamit Shirley Michaela Seul

SEELENGEFÄHRTEN

AUF VIER PFOTEN

Eine Tierärztin zeigt,was unsere Haustiere über uns verraten

Dieses Buch ersetzt keinen Tierarztbesuch, und auch die Therapien sind nicht übertragbar auf andere Patienten. Wie jeder Mensch, so ist auch jedes Tier einzigartig. Die Fallgeschichten habe ich verfremdet, um Tiere und ihre Angehörigen zu schützen.

Das eBook einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten.

1. eBook-Ausgabe 2020

© 2020 Scorpio Verlag in Europa Verlage GmbH, München

Lektorat: Katharina Lisson

Umschlaggestaltung: Guter Punkt

Umschlagfoto: Katrin Hoyer, FOTOAtelierHOYER

Satz und Layout: Danai Afrati

Konvertierung: Bookwire

ePub-ISBN: 978-3-95803-324-5

Alle Rechte vorbehalten.

www.scorpio-verlag.de

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

Die Nutzung unserer Werke für Text- und Data-Mining im Sinne von §44b UrhG behalten wir uns explizit vor.

Ansprechpartner für ProduktsicherheitEuropa Verlage GmbHMonika RoleffJohannisplatz 1581667 Mü[email protected]+49 89 18 94 [email protected]

Inhalt

Der Tanz der Liebe

Tinos Lunge geht in die Knie

Die Wende

Verhaltensauffälligkeiten

Emmas neue Hundehütte

Rollenwechsel

Lilly und der Stuhl

Da ist der Wurm drin

Auf dem Schirm

Willi, Milli und die Blutsauger

Bitte blutig!

Der kleine Prinz und die große Salami

Alarmsignale

Vom Nein zum Ja

Tiere haben kein dickes Fell

Die süßen Katzen

Die Dolmetscherin

Finns Hobby

Jedes Tier sucht sich seinen Menschen aus

Was Tiere für uns tragen und welche Symptome sie spiegeln

Heilung braucht Zeit und Mut

Nie mehr einsam!

Der kleine Hund mit dem großen Herzen

Nie ohne Beschäftigung!

Die Kaninchenmeditation

Ruhepole

Rastlos

Nie mehr schutzlos!

Haarsträubende Probleme

Trauertropfen

Des Pudels Kern

Der Hund der Witwe

Der Champion

Ich brauch dich!

Hier wache ich!

Die geheime Sprache der Tiere

Abschied

Einschläfern oder Einschlafen?

Der Sterbeprozess

Ich bin bei dir

Artgerecht ist herzgerecht

Morle darf nicht sterben

Loslassen

Molls Pizzaparty

Das treue Frauchen

Der letzte Unterschlupf

Schock

Wenn etwas an die Nieren geht

Der Nachfolger

Die Geburt

Die Regenbogenbrücke

Zum Weiterlesen

Der Tanz der Liebe

Eines Abends nach einem langen Tag in meiner Praxis stand ich am Fenster. Eben erst hatte sich die Tür hinter dem letzten Patienten geschlossen. Meine Mitarbeiterinnen waren bereits zu Hause. Kurz genoss ich die Stille nach all den Tieren, Tränen, Tabletten. Da sah ich die beiden, Frau Moltke und Rex. Seit’ an Seit’ gingen sie durch den nebligen Dezemberabend. Aber sie liefen nicht rund, sie hinkten. Beide! Es wirkte, als tanzten sie ihre ganz eigene Choreographie. Der sechsjährige Schäfer hatte seit zwei Jahren Arthrose. Eigentlich zu früh. Wenn es nass und kalt war, verschlimmerten sich seine Symptome, deshalb war Frau Moltke heute bei mir gewesen. Und wie immer hatte sie gefragt: »Kann man denn da gar nichts machen?«, und ich hatte zusätzlich zur Schmerztherapie ein Präparat empfohlen für den Knochenaufbau. Neulich hatte ich eine Studie gelesen, die mir vielversprechend erschien. Frau Moltke wollte das Präparat gern ausprobieren.

»Der Rex ist meine einzige Freude am Arbeitsplatz«, erzählte sie mir. »Ich habe ihn jeden Tag dabei. Er liegt unter dem Schreibtisch. Ohne den Rex würde ich es im Büro gar nicht aushalten.« Das sagte Frau Moltke oft. Denn eigentlich wollte sie gar keine Beamtin im Bauamt sein. Am liebsten wäre sie Landschaftsgärtnerin. Aber es wäre verrückt, den Beamtenstatus aufzugeben und noch einmal von vorne anzufangen. Und so machte sie weiter wie bisher, ging Tag für Tag in ihre Behörde, und Rex, die treue Seele, humpelte neben ihr. Frau Moltke hatte sein Humpeln übernommen oder … hatte sie damit begonnen, humpelte sie schon länger, und war der Hund ihr in dieses Bewegungsmuster gefolgt? Ich betrachtete den Tanz von Frauchen und Hund, mittlerweile ein Schattenspiel in der Dämmerung. Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Und als wären sie leibhaftig anwesend, tanzten einige Paare durch meine Praxis: Herr Scholz mit seinem Kater, der nervöse Snoopy und sein Frauchen, die allergische Minka und ihre Familie, Ben, der sich dauernd übergab, und Frau Weber … hatte sie in der Vormittagssprechstunde nicht sogar gesagt: Ich finde gerade alles zum Kotzen? Und Ben als braver Hund folgte ihr? Kann ein Hund mehr Mitgefühl mit seinem Frauchen zeigen?

Ich öffnete das Fenster. Frau Moltke und Rex waren nur noch Schemen, und dann verschluckte der Nebel sie ganz. Bei mir lichtete er sich an diesem Abend im Dezember. Und als ich kurz darauf mit meiner Familie am Tisch saß und die Kinder mich fragten, was ich heute erlebt hätte – als Jungs liebten sie spannende Geschichten aus der Praxis wie spektakuläre Operationen nach verschluckten Gegenständen –, sagte ich: »Vielleicht wissen Tiere viel mehr, als wir ahnen.«

Diese Erkenntnis überraschte meine Kinder nicht. Sie schauten mich auffordernd an. Wann kam die richtige Geschichte?

Für mich war das bereits die richtige Geschichte. In gewisser Weise habe ich an diesem Abend aufgehört zu humpeln. Doch es dauerte noch drei Jahre, bis ich meinen neuen Schritt ganzheitlich vollzogen hatte in meiner eigenen Choreographie in die Naturheilkunde. Die tiermedizinische Praxis ist meiner heutigen Auffassung nach nämlich nur ein Standbein, und mit dem komme ich nicht vom Fleck. Aber ist Leben nicht genau das, sich fortbewegen, entwickeln? Idealerweise wie in einem Tanz geschmeidig dem Rhythmus des Lebens folgen? Und wenn wir einmal aus dem Takt kommen, helfen uns unsere lieben Haustiere zurück in die Melodie unseres Lebens.

Ich bin fest davon überzeugt, dass Tiere spüren, wenn wir Menschen uns von uns selbst entfernen, und sie tun alles, manchmal opfern sie sogar ihr Leben dafür, dass wir wieder in die Spur kommen. Das ist das größte Geschenk, das Tiere uns machen. Wissen wir das überhaupt? Und wie gehen wir damit um?

Heute behandle ich meine Patienten am liebsten in ihrer gewohnten Umgebung – bei ihren Besitzern zu Hause. Da benehmen sich die Tiere anders, sie verraten mir mehr … auch über ihre menschlichen Angehörigen. Die Zweibeiner sind in der Behandlung einer Erkrankung beim Vierbeiner oder bei einem sonderbaren Verhalten des Tieres für mich Teil der Heilung. Tier und Mensch bilden in ihrer Bezogenheit aufeinander eine Einheit. Wenn ich nicht bloß an Symptomen herumdoktern möchte, muss ich mein Blickfeld erweitern.

Wir alle stehen in Beziehung zueinander, vor allem mit unseren nächsten Menschen und … Tieren. Seit einiger Zeit wird niemand mehr für absonderlich gehalten, wenn er sein Haustier Familienmitglied nennt. Zum Tod eines Tieres wird kondoliert, natürlich, es war ja ein Familienmitglied. Es gibt nicht nur einen gigantischen Markt an Produkten und Futtermitteln für Haustiere, sondern auch Friedhöfe und Bestattungsunternehmen, die den lieben Angehörigen würdevoll verabschieden, weil er seinen Menschen im Laufe seines Lebens ans Herz gewachsen ist. Diese Entwicklung gefällt mir sehr gut, wenngleich ich der Überzeugung bin, dass die enge Bindung zum Tier kein Ziel sein sollte, sondern lediglich ein Entwicklungsschritt. Ich glaube an die Evolution. Vor 500 Millionen Jahren spielte sich das Leben vollständig im Wasser ab. Die Welt sah völlig anders aus, die Kontinente, wie wir sie heute kennen, existierten noch nicht. Teile von Europa lagen nah am Südpol. In dieser Welt entstanden im Meer die Vorläufer der Wirbeltiere. Anfangs besaßen sie nur ein Skelett, später auch einen Schädel und schließlich einen Kiefer. Aus den ersten Wirbeltieren entstanden nach und nach verschiedene Klassen von Wirbeltieren wie Fische, Amphibien, Vögel und endlich Säugetiere, zu denen auch wir Menschen gehören. Wir sind aber noch nicht angekommen im Land der Liebe … und noch brauchen wir die Tiere als Fährtensucher zu uns selbst. Sie zeigen uns, wo es langgeht. Sie kennen den Weg zu einem erfüllten Leben, und wir tun gut daran, ihnen zu folgen.

Doch manchmal verstehen wir die Sprache der Tiere nicht. Und so soll dieses Buch auch ein Dolmetscher sein. Unsere lieben Gefährten zeigen uns, was wir nicht erkennen können. Um Sie, meine lieben Leserinnen und Leser, mit dieser neuen Sprache, den geheimen Botschaften der Haustiere, vertraut zu machen, erzähle ich auch einige Fallgeschichten, in denen Krankheitssymptome beim Tier ursächlich in seinem Besitzer wurzeln. Und ich zeige, wie wir gesund und froh mit unseren Tieren leben und wie wir uns eines Tages liebevoll von ihnen verabschieden können.

Im Grunde genommen wissen wir selbst, was uns guttäte. Doch viel zu oft verstößt es gegen die Gesetze, die wir uns auferlegt haben, die wir glauben, befolgen zu müssen – Glaubenssätze. Fleißig sein, viel leisten, immer freundlich bleiben, schlank sein, Ordnung halten, Zeit haben für Freunde mit Problemen und so weiter und so weiter. Jeder hat seine eigenen Gesetze und Listen, die er abarbeitet. Aber ist das Leben nicht ein bisschen mehr, als es abzuarbeiten? Daran erinnern uns unsere lieben Gefährten – und deshalb werden sie immer wichtiger für viele Menschen. In fast jedem zweiten deutschen Haushalt lebt ein Haustier, Tendenz steigend. Wir halten rund 34 Millionen Tiere, darunter fast 14 Millionen Katzen und mehr als 9 Millionen (steuerlich gemeldete) Hunde. Dazu 6 Millionen zumeist in Kinderzimmern lebende Kleintiere wie Kaninchen, Hamster, Chinchillas und Meerschweinchen sowie gut 5 Millionen Ziervögel. Rund eine Million Pferde kommen in Freizeit und Sport zum Einsatz. Zusätzlich tummeln sich in 4 Millionen deutschen Aquarien, Terrarien und Teichen etwa 100 Millionen Fische und Reptilien. Was glauben Sie? Haben die alle eine Seele? Für mich steht das außer Frage und mehr noch: Ihre Seele spiegelt uns, und mit ihren Befindlichkeitsstörungen und Krankheiten weisen sie uns den Weg zu unserer – und ihrer – Heilung.

Wir brauchen die Tiere, um unser Leben intensiver zu erfahren. Als Erinnerung an das, was uns guttut, und als Verbindung zu einer Natur, die immer seltener ursprünglich sein darf. Darüber hinaus zeigen unsere Haustiere uns auch, welche Krankheiten wir Gefahr laufen zu bekommen, wenn wir unsere Bedürfnisse missachten. Sie nehmen sie nämlich vorweg, tragen sie in ihrem eigenen Körper aus. Und da wir möchten, dass es unseren Tieren gut geht – oft achten wir mehr auf sie als auf uns selbst –, kümmern wir uns erst dann wirklich. Erst wenn wir für unsere Tiere sprechen, trauen wir uns, die Wahrheit zu sagen. Wir erklären: Am liebsten liegt die Minka mit mir auf dem Sofa. Ja, mit der Katze dürfen wir das. Da sind wir ja nicht faul, sondern tierlieb, die Katze gibt uns die Erlaubnis, alle Fünfe gerade sein zu lassen.

Wir sagen: Am liebsten würde ich manchmal alles hinwerfen im Büro. Dann hätte ich auch mehr Zeit für den Rex.

Wir sagen: Wenn wir am Wochenende lange Spaziergänge machen, ist die Luna glücklich.

In Wirklichkeit kümmern wir uns um uns selbst. Wenn uns das bewusst ist, verändert sich unser ganzes Leben.

Ich selbst habe dazu viele Jahre gebraucht. Als Tierärztin war ich angetreten zu heilen, doch immer öfter fragte ich mich, ob Tumoren zu operieren und Tabletten zu verschreiben der richtige Weg zur Heilung war. Zumal mich ja keiner meiner Patienten freiwillig aufsuchte. Kein Hund, keine Katze und kein Kaninchen hatten bei mir angerufen und einen Termin vereinbart, sondern ihre Besitzer. Sie machten sich Sorgen, ihnen war etwas Beunruhigendes aufgefallen, sie standen verzweifelt vor mir, manchmal mit Tränen in den Augen. Bitte helfen Sie meinem Liebling! Ich hörte meist noch etwas anderes heraus: Bitte helfen Sie mir! Mit einem kalten Hauch zog die allergrößte Angst durch den Raum: dass das geliebte Geschöpf sterben könnte.

Es dauerte lang, bis ich die Verantwortung sehen konnte, die so manches Tier auf seinem zarten Rücken trug. Und noch länger dauerte es, bis ich auf die heilsame Verbindung zwischen Tieren und ihren Menschen stieß. Eines Tages hatte ich so viele Fälle gesammelt, dass ich mir sicher war: Die Erkrankungen der Tiere können eine Folge der Befürchtungen, Sorgen, Lebensumstände, ungelösten Konflikte ihrer Besitzer sein. Was dahintersteckt und wie ich diesen Fährten folgte, möchte ich Ihnen auf den nächsten Seiten erzählen.

Was uns Menschen betrifft, suchen wir durchaus nach Erklärungen für unsere Erkrankungen. Viele Hinweise finden wir in unserer Sprache: Etwas geht einem an die Nieren, man hat die Nase voll, das Herz stolpert, jemand ist hartnäckig, etwas schlägt auf den Magen – und oft fällt es uns wie die berühmten Schuppen von den Augen. Den Kreis dieser Bedeutungen möchte ich erweitern auf unsere Haustiere, die mit zum System gehören und uns wertvolle Hinweise geben, wo wir Verborgenes nicht erkennen können, wo wir ansetzen sollen, um glücklicher zu leben und gesünder.

Mit jedem Tier, das wir bei uns aufnehmen, zieht eine Chance der Heilung bei uns ein. Es liegt an uns, ob wir sie annehmen, bis wir eines Tages vielleicht gar keine Tiere in unserer Nähe mehr brauchen, weil wir es ohne ihre »Pfoten- und Krallenzeige« schaffen. Dann sind wir wirklich frei – und unsere Tiere auch.

Vorher haben wir noch ein bisschen was zu lernen. Das ist der Sinn unseres Lebens – Entwicklung, wie ihn auch die Evolution vorzeichnet. Letztlich macht diese Herausforderung das Leben erst so richtig spannend.

Tinos Lunge geht in die Knie

Frau Schmitts Tierarzt war im Urlaub, so lernte ich sie in meiner Bereitschaftsdienstwoche kennen. Tino, ein kleiner, struppiger blonder Hund aus dem Tierheim, hatte plötzlich ganz laut geatmet, dann sogar geröchelt. Frau Schmitt war in höchster Sorge und hatte sofort den tierärztlichen Notdienst angerufen. Sie war Mitte fünfzig, Buchhalterin, und Tino war ihr erster Hund und »großes Glück«, wie sie mir ungefragt erzählte. Seit zwei Jahren waren sie »ein Herz und eine Seele«.

Ich untersuchte Tino und stellte ein leichtes Atemgeräusch fest.

»Ist es schlimm?«, fragte Frau Schmitt atemlos.

»Nein«, sagte ich. Zahlreiche Möpse und andere Hunde aus Qualzuchten leiden lebenslang unter deutlich stärkeren Atemproblemen, weil ihnen die Zucht im wahrsten Sinne des Wortes die Kehle zudrückt. Tino brauchte meine Hilfe im Moment nicht. Ich hätte mich sofort verabschieden können. Doch ich hatte das Gefühl, Frau Schmitt brauchte noch ein wenig Zuwendung. Es würde ihr besser gehen, wenn ich Tino eine Spritze gab. Dann könnte Frauchen sich entspannen. Da ein Hustenreiz bei Tino auslösbar war, suchte ich in meiner Arzttasche nach einem homöopathischen Präparat. Meistens greife ich zu Globuli. Diese können im akuten Krankheitsfall auch stündlich gegeben werden. Bei Hunden empfehle ich, die Globuli im Bereich der rechten Lefze einzulegen. Manche Hunde schlecken die Kügelchen auch gern von der Hand. Man muss allerdings aufpassen, dass sie von der Zunge nicht durch die Luft geschleudert werden. Außerdem ist es besser, wenn die Globuli nicht sofort geschluckt, sondern nach und nach über die Mundschleimhaut aufgenommen werden. Im Fall von Tino wollte ich Aconitum mit einer Injektion verabreichen.

»Es ist nämlich so«, begann Frau Schmitt, während sie jeden meiner Handgriffe aufmerksam verfolgte; ich klopfte an die Ampulle und brach sie auf. »Morgen muss ich in den Urlaub.«

Komische Formulierung, dachte ich.

»Tino würde ich währenddessen zu einer Freundin bringen. Die kennt er schon lange. Die mag er auch. Aber …«, sie zögerte.

»Ja?«, fragte ich, während ich die Spritze aufzog.

»Er war doch noch nie über Nacht woanders. Also nur einmal«, verbesserte sie sich. »Als ich wegen meiner Zahngeschichte ins Krankenhaus musste. Aber das war nur eine Nacht, und es war ein Notfall.«

Nun, das war ihr bevorstehender Urlaub wohl auch. Ich drückte den Kolben der Spritze, damit die Luft entwich.

Frau Schmitt seufzte schwer. »Eigentlich sollte Tino jetzt schon bei meiner Freundin sein. Aber dann hat er so komisch geatmet.«

»Und das ist vorher noch nie aufgetreten?«

»Nein, noch nie. Man sagt doch, dass Tiere das spüren, wenn sie weggegeben werden, wenn Menschen verreisen?«

»Sie spüren es, wenn etwas Ungewöhnliches vonstattengeht«, bestätigte ich, und vor meinem inneren Auge materialisierte sich allmählich die Ursache für Tinos Atemnot.

»Ich weiß ja gar nicht, ob ich das überhaupt schaffe«, sagte Frau Schmitt. »Wo mir das Knie doch so weh tut. Weil ich vor einem Monat die Treppe runtergefallen bin und bumm«, sie klatschte in die Hände, »direkt auf das Knie. Ich weiß gar nicht, ob ich mit dem Knie wandern kann. Aber wir haben es schon so lange ausgemacht. Und meine Neffen sehe ich ja sonst nie. Auch die Ferienwohnung habe ich schon bezahlt, und da kann man jetzt nicht mehr stornieren. Das ist viel zu spät. Außerdem hat meine Schwester für so etwas kein Verständnis.«

»Warum nehmen Sie den Tino denn nicht mit?«, fragte ich.

»Nein, das mit dem Fliegen will ich ihm nicht antun, und eine Zugfahrt dauert über acht Stunden bis Südtirol, das ist zu lang für ihn.«

Nachdem ich Tino gestreichelt und ihm unauffällig die Spritze verabreicht hatte, er zuckte nicht einmal, entspannte Frau Schmitt sich.

»Jetzt kriegt er wieder Luft«, sagte sie erleichtert, obwohl Tino auch vorher gut geatmet hatte. Dann sackte sie zusammen und seufzte schwer. »Also muss ich ihn jetzt abgeben und zum Wandern, es hilft ja nichts.«

Frau Schmitt wollte nicht nach Südtirol. Das traute sie sich aber nicht zu sagen. Sie wollte ihre Schwester nicht enttäuschen, und der Urlaub war bezahlt. Aus dieser Misere half ihr Tinos Unpässlichkeit.

»Meinen Sie, ich kann wirklich beruhigt fahren?«, fragte sie mich, und ich hörte deutlich, dass sie sich ein Nein wünschte.

»Tinos Zustand ist kein Hinderungsgrund«, erwiderte ich. »Aber ob Sie beruhigt fahren können, das weiß ich nicht.«

»Nein, ich glaube nicht«, stimmte sie zu. »Bloß … wenn ich zu meiner Schwester sage, dass ich wegen Tino nicht komme, das versteht die doch nicht. Tino ist schließlich kein Mensch. Ja, wenn mit den Neffen was wäre, würde ich schon Verständnis haben«, fügte sie trotzig hinzu. »Aber wenn ich unterwegs beim Wandern schlappmache. Wenn das Knie plötzlich wieder weh tut. Unsere längste Etappe dauert vier Stunden. Das ist schon eine ordentliche Strecke.«

Ich hatte den Hund untersucht, die Spritze gegeben, ich hätte gehen können. Stattdessen blieb ich noch eine halbe Stunde, und Frau Schmitt erzählte von Tino und ihrem Knie, und dass sie keine war, die einfach so aufgab. So sei sie auch erzogen worden: immer die Zähne zusammenbeißen. In ihrer Firma hatte sie sechshundert Überstunden angehäuft, obwohl sie eigentlich eine Kur benötigte. Am Ende sagte sie: »So ein Zwangsurlaub wäre gar kein Urlaub. Aber daheimbleiben kann ich auch nicht.«

Sie wollte bis zum Mittag eine Entscheidung treffen. Ich war gespannt, was sie tun würde. Durch die Angst hindurch oder doch lieber einen Schritt zurück. Einen Rat gab ich ihr nicht. Ich bin Tierärztin, keine Menschenpsychologin. Doch als Tierärztin versicherte ich ihr, dass Tino kein akutes Problem hatte, sie könnte ihn unbesorgt zu ihrer Freundin bringen.

Meistens erfahre ich das Ende einer Geschichte nicht. Es ist, als würde ich Bücher lesen und sie im ersten Drittel oder nach der Hälfte zuklappen. Einen kompletten Verlauf kenne ich nur bei meinen Stammkunden, oder wenn ich ein Tier bis zum Tod begleite. Frau Schmitt jedoch rief mich einige Wochen nach unserem Kennenlernen an, und ich erfuhr, dass sie den Urlaub angetreten, aber auf die große Wanderung verzichtet hatte. Jetzt stand wieder eine Reise an, und abermals hatte Tino gehustet. Ihr Haustierarzt hatte keine ernsthafte Erkrankung festgestellt. Meine Hypothese, dass der Hund wegen Frauchens Knie und ihrer Angst vor Neuem röchelte, fand er albern.

Das kränkte mich nicht. Besonders was die Deutungen betrifft, höre ich oft, das sei alles an den Haaren herbeigezogen. Stimmt, sage ich dann. Aber die Haare sind Fell. In dem Moment, wo ein Mensch der Erkrankung seines Tieres eine Bedeutung gibt, die in seinem eigenen Leben wurzelt oder Auswirkungen darauf hat, sollten wir aufmerksam werden. Etwas, was ihn beschäftigt, womit er sich gerade herumschlägt, hat eine Stimme gefunden. Morgen könnte es etwas anderes sein. Doch das ist selten, denn unsere Themen beschäftigen uns meistens für eine Weile, und manchmal dauert es Jahre, bis wir gewisse »Baustellen« aufgeräumt haben. Es ist ein Prozess, und der war auch bei Frau Schmitt in Gang gekommen.

»Ich glaube, mein kleiner Tino zeigt mir, wenn ich Angst habe«, fragte sie mich, »oder?« Das also war der Grund ihres Anrufs. Sie wollte eine Bestätigung hören, die ihr Haustierarzt verwehrte.

»Ja, das ist möglich«, sagte ich.

»Letztes Mal war ich ganz schön stolz auf mich, dass ich es geschafft habe nach Südtirol zu fahren.«

»Das können Sie auch sein.«

»Dann mach ich das diesmal wieder so.« Ihr Strahlen drang durchs Telefon: »Ich lass mich von der Angst doch nicht ins Bockshorn jagen.«

»Ja, das ist eine gute Idee. Und vielleicht sagen Sie dem Tino, dass er sich keine Sorgen zu machen braucht. Dass Sie auch ohne ihn gut zurechtkommen«, gab ich ihr doch noch einen Rat.

»Das spürt der dann, oder?«

»Ich glaub schon. Wenn es Ihnen gut geht, dann geht es auch Ihrem Hund gut«, damit sagte ich das, was mir früher einmal eine Kinderärztin mit auf den Weg gegeben hatte: Wenn es Ihnen gut geht, dann geht es Ihren Söhnen gut …

»Es ist also besser«, gluckste Frau Schmitt, »ich mache einen Kniefall vor meinem Tino, als dass ich aufs Knie falle.«

»Das ist ganz bestimmt in Tinos Sinn«, ließ ich mich auf ihren scherzhaften Ton ein. »Sonst können Sie ja auch nicht mehr mit ihm nach draußen.«

Es geht uns immer gut, wenn es den Geschöpfen, die wir lieben, gut geht, und wir leiden, wenn sie leiden. Manchmal zeigen sie uns durch ihr Leiden, dass es uns doch nicht so gut geht, wie wir gern glauben möchten …

Die Wende

Mein Vater war Tierarzt. Als Kind liebte ich es, ihn zu seinen Hausbesuchen zu begleiten, wenngleich sie eher Stallbesuche waren. In meiner Kindheit in der DDR hielten die Menschen keine Haustiere wie heute, meist liefen die Hunde, Katzen, Kaninchen und was auch immer einfach irgendwie mit. Sie wurden häufig von Resten ernährt anstatt mit teurem Spezialfutter, und wenn jemand auf die Idee gekommen wäre, mit seinem Haustier zur Physiotherapie oder Homöopathin zu gehen, wäre er für verrückt erklärt worden. Man hielt keine Tiere zur Freude, sondern zum Nutzen. Hunde bewachten den Hof, Katzen jagten Mäuse, Kühe gaben Milch, Schweine Fleisch, Schafe mähten den Rasen.

Die Patienten meines Vaters waren Nutztiere. Ich war sehr stolz auf ihn, und wie er mit wenigen präzisen Griffen schwierigste Lagen lösen konnte. Mein Vati rettete kleinen Lämmern und Zicklein das Leben, deren Kopf sich im Geburtskanal verkantet hatte. Einmal behandelte er sogar einen Elefanten aus einem Zirkus, der bei uns gastierte. Manchmal war ich anderer Meinung als er und fiel ihm bei der Diagnose schon mal ins Wort: »Lieber erst mal röntgen«, sagte ich oder: »Gib mal eine Spritze.« Ich mochte es gern, wenn er mit tierärztlichen Gegenständen hantierte, und vor Blut hatte ich keine Angst. Die umstehenden Erwachsenen lachten gutmütig.

»Na, Wilma, wirste ooch mal Tierarzt?«, fragten sie mich.

Nein, das wollte ich nicht, obwohl ich im Lauf der Jahre einen kleinen Privatzoo aufzog. Einmal fand ich ein flügellahmes Rotkehlchen, das ich verarztete. Es blieb bei mir bis zu seinem Tod. Ich schaute meinem Rotkehlchen gern beim Fliegen zu und lauschte seinen Melodien. Aber ich fragte mich damals schon: Ist es richtig, einen Vogel zu behalten? Mein Rotkehlchen konnte nicht gut fliegen. Es war auf meine Hilfe angewiesen. War das ein schönes Leben? Wenn ich mich in das Vöglein hineinversetzte, wollte es vielleicht gar nicht so gern gerettet werden?

Mit solchen Gedanken blieb ich allein. In meinem Umfeld war niemand, dem ich sie anvertrauen wollte, und ich hörte schon viel zu oft, dass ich komische Fragen stellen würde. Die Antworten der Erwachsenen waren zwar einfach, ich empfand sie aber nicht immer als richtig.

Ich wuchs auf einem Bauernhof auf im Kreis meiner Familie und naher Verwandten. Auf dem Vierseithof lebten auch Tanten und Onkel, insgesamt waren wir sieben Kinder. Nach dem Mauerfall eröffnete mein Vater eine eigene Tierarztpraxis. Vorher war er angestellt beim staatlichen Veterinärwesen. Meine Tante war Landwirtin und hatte keine Zeit, sich um Lämmer zu kümmern, die das Mutterschaf nicht annahm. Ich zog sie mit der Flasche groß – mit dem Resultat, dass sie blökten, sobald sie mich oder andere Zweibeiner sahen. Gutmütig beschwerte sich mein Onkel, der abends oft mithalf, bei mir: »Jetzt bläkt das bleede Schaf. Und alle bläken mit. Kemma nie eemal unsre Ruhe ham?«

Ich rechne es ihnen bis heute hoch an, dass sie meine Lämmer nicht irgendwann zum Verstummen brachten. Und später freuten sich alle über die großen Schafe, zu denen sie herangewachsen waren.

Rund dreißig Milchkühe lebten auf dem Hof. Gern half ich bei der Arbeit im Stall und auf dem Feld mit. Glücksmomente waren es, wenn ich in der riesigen Scheune irgendwo zwischen den vielen Strohballen ein Hühnernest mit einem warmen Ei fand. Es in der Hand halten und spüren, dass daraus neues Leben, ein winziges Küken entstehen könnte … Wenn ich es nicht zu meiner Mama brächte … Einmal hatten wir Kinder ein Zicklein auf dem Hof, wir liebten es heiß und innig, ich übte sogar kleine Kunststücke mit ihm ein, leider nur bis kurz vor Weihnachten. Dann fuhr mein Vater es in den Zoo, wo es angeblich ein viel schöneres Leben hätte als bei uns. Als er heimkam, hatte er Würste dabei, die meine Mutter nicht essen wollte, was mich wunderte.

Nach der Schule machte ich eine Ausbildung zur Kinderkrankenschwester, denn in der Arbeitsgemeinschaft junge Sanitäter hatte es mir sehr gut gefallen. Später arbeitete ich ehrenamtlich beim Roten Kreuz. Eigentlich wollte ich Hebamme werden, doch die Ausbildungsplätze waren knapp. Nachdem ich vier Jahre im Drei-Schicht-System als Kinderkrankenschwester gearbeitet hatte, wollte ich noch tiefer in die Medizin einsteigen. Nach der Arbeit lernte ich am Abendgymnasium für das Abitur, um Humanmedizin zu studieren. Doch dann kam die Wende, ich wurde Mutter und studierte Tiermedizin, weil ich mein Leben als Tierärztin freier gestalten konnte als in einer Hausarztpraxis oder an einer Klinik. Als Tierärztin würde ich nur Privatpatienten behandeln, es gab keine Vorschriften einer kassenärztlichen Vereinigung und kein kompliziertes Abrechnungssystem. Mein Vater freute sich sehr über meinen Entschluss und bot mir an, in seine Praxis miteinzusteigen. Schnell merkte ich, dass ich lieber Haustiere behandelte als Nutztiere. Als Tierärztin für Nutztiere wurde ich oft als Richterin befragt. Lohnt sich das noch, dass wir das Euter heile machen oder soll ich die Kuh zum Schlachter bringen?

Tja. Lohnt sich das Leben mit einem entzündeten Euter? Für die Kuh vermutlich schon, vorausgesetzt sie lebt einigermaßen artgerecht. Für den Landwirt jedoch nicht, der sich die Frage gar nicht stellte, ob er artgerecht lebte. Er musste genauso wie ich Aufgaben erfüllen, die ihm nicht gefielen. Um meinen Kredit als Jungtierärztin abzuzahlen, arbeitete ich zusätzlich als Fleischbeschauerin für das Veterinäramt und führte Lebensmittelkontrollen durch. Ich fuhr zu Bauern, die Hausschlachtungen abhielten, und untersuchte zuerst das lebende Tier – ob es gesund genug war, um gegessen zu werden – und begutachtete später den Kadaver. Komisch, dachte ich manchmal. Beim Menschen sind es Leichen, bei den Tieren Kadaver. Menschen haben einen Mund und Tiere ein Maul. Menschen gebären und Schweine ferkeln, Tiere werfen. Aber im Grunde war das alles ziemlich ähnlich. Mit einem Schwein ist der Mensch genetisch fast identisch. Und sehen sie uns nicht sogar ähnlich mit ihrer rosafarbenen Haut? Auch diese Gedanken behielt ich für mich, beziehungsweise benutzte ich das Vokabular, das ich gelernt hatte: Fressen und Saufen, Maul und Schnauze, auch wenn das bei Menschen Schimpfwörter sind. Nun, vielleicht hat die Krone der Schöpfung das nötig, um sich vom Tier abzugrenzen, das die Wissenschaft in letzter Zeit immer näher beim Menschen verortet. Der Gehirnaufbau von Hund, Katze, Elefant, Löwe und so weiter stimmt bis auf minimalste Abweichungen mit dem des Menschen überein. Wir unterscheiden uns von den meisten anderen Tieren nur durch einige kleine Einheiten in den jüngsten Gehirnbereichen – Frontalkortex, oder Stirnlappen –, die für die Flexibilisierung emotionalen Verhaltens zuständig sind. Wir können davon ausgehen, dass Säugetiere Emotionen differenziert wahrnehmen. Selbst bei einfachen Wirbeltieren wie Vögeln, Krokodilen und Fröschen finden wir die Voraussetzungen, um Emotionen zu erleben, wie wir Menschen sie kennen. Wir gehen sogar bei Insekten davon aus, dass sie Grundemotionen wie Schmerz erleben können und aufgrund eines Schmerzerlebens Gefahr meiden. Professorin Bettina Pause fasst den Stand der Forschung in ihrem Buch Alles Geruchssache folgendermaßen zusammen: »Kein seriöser Wissenschaftler würde heute noch behaupten, dass es im Denken und Fühlen, also im gesamten Erleben, feste Grenzen zwischen Tier und Mensch gibt.«

Verhaltensauffälligkeiten

Ich war von morgens bis abends am Rennen, denn ich wollte nicht nur eine gute Tierärztin, sondern auch eine gute Mutter, Ehefrau, Tochter, Freundin, Cousine, Nichte, Enkelin, Köchin, Hausfrau, Gärtnerin, Gesprächspartnerin und so weiter sein. Ich dachte nicht an das Leid der Nutztiere. Ich rechnete, wann meine Praxis schuldenfrei wäre. Heute glaube ich, dass ich damals in gewisser Weise auch ein Nutztier war. Ich funktionierte rund um die Uhr, und viele zählten auf mich. Nach dem frühen Tod meiner Mutter versuchte ich mit meiner Schwester, meinen Vater zu stützen. Ich war auch Ansprechpartnerin für meine Mitarbeiterinnen und bei Notfällen rückte ich mitten in der Nacht aus. Ich hetzte so atemlos in meinem Hamsterrad, dass ich gar keine Zeit hatte, mal nach rechts und links zu schauen.