Seelenkinder und wie sie in ihrer Familie wirken - Sereina Heim - E-Book

Seelenkinder und wie sie in ihrer Familie wirken E-Book

Sereina Heim

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Beschreibung

Wenn Kinder unter Schlafproblemen, ADHS oder extremen Wutausbrüchen leiden, kann es eine Ursache geben, deren Bedeutung bisher nicht erkannt wurde: In der Familie gibt es ungeborene Geschwister, sogenannte Seelenkinder, die ihren Platz im Familiensystem suchen. Diese ungeborenen Seelen werden meist vergessen und emotional nicht in die Familie integriert. Die dadurch entstandene Lücke führt zu Spannungen, die sich auf das Verhalten der lebenden Kinder auswirken kann. Werden die Seelenkinder symbolisch und liebevoll angenommen, lassen sich viele Kinderkrisen ganz einfach lösen.

Dieses Buch liefert Erklärungen und Lösungen für auffällige Verhaltensweisen von Babys und Kindern und geht auf die spirituelle Dimension des Familienlebens ein.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 306

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Sereina Heim

Seelenkinder

und wie sie in ihrer Familie wirken

Einfache Hilfe für Babys und Kinder bei Einschlafproblemen, übermäßigem Schreien, Hyperaktivität, Geschwisterstreit und vielem mehr

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen. Copyright © 2018 Kösel-Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München Umschlag: Weiss Werkstatt München Umschlagmotiv: © shutterstock / TairA / BildNR. 275412197 © shutterstock / Pictures_for_you / BildNR. 554266567 Satz: Fotosatz Amann, Memmingen Lektorat: Mihrican Özdem, Landau ISBN 978-3-641-22199-7 V003 www.koesel.de

»Alles was ich erkenne, erkenne ich nur, weil ich liebe.«Leo Tolstoi

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Das Familiensystem

Die innere Verbundenheit

Die Bedingungen für das Leben

Die Familie als Netz

Jeder hat seinen Platz

Wenn Kinder Verantwortung übernehmen

Seelenkinder und ihre Bedeutung für die Familie

Der Begriff Seelenkinder

Die verlorenen Kinder in unserer Gesellschaft

Unbemerkte Schwangerschaften

Der verlorene Zwilling

Die Wirkung des Vergessens

Geschwister als Botschafter

Abtreibungen und ihre Folgen im Familiensystem

Wenn Seelenkinder auf das Leben verzichten

Die Wünsche der Seelenkinder

Die Integration der Seelenkinder

Rituale für das Seelenkind

Über das Seelenkind sprechen

Der positive Effekt des Wissens

Der emotionale Schmerz von Schreibabys

Die Diagnose Schreibaby

Die Geburt als Übergang

Von der Symbiose zur Eigenständigkeit von Mutter und Kind

Die Geburt als Trauma für das Kind

Die Geburt als Trauma für die Mutter

Sehnsucht nach dem verlorenen Zwilling

Warum schlafen so schwierig sein kann

Häufiges Aufwachen ist normal

Wie der Tod in der Familie den Schlaf beeinträchtigt

Angst vor plötzlichem Kindstod

Der Einfluss ungeborener Geschwister auf den kindlichen Schlaf

Schlaflos aus Liebe

Gestörter Schlaf durch Überreizung und mediale Wahrnehmungen

Imaginäre Freunde

Imaginäre Freunde als Problembewältigung

Das Seelenkind wahrnehmen

Wenn der Falsche anwesend ist

Das Seelenkind sichtbar machen

Die Selbstheilung des Trennungstraumas

Hyperaktive Kinder

Pränatale Erfahrungen prägen die Hirnentwicklung

Alles spüren können, außer sich selbst

Wenn Kinder auf dem falschen Platz stehen

Hyperaktivität als Folge künstlicher Befruchtung

Exkurs: Nicht verwendete befruchtete Eizellen

Sonderfall Samenspende

Wutausbrüche von Kindern

Die normale Wut

Das Trauma der Abweisung

Wut auf die Eltern

Vom Familiengeheimnis zum Familienschatz

Streit und Mobbing als Zeichen ungeklärter Geschwisterhierarchie

Streiten ist normal

Übermäßiger Streit unter Geschwistern

Mobbing als Folge des Vergessens eines Seelenkindes

Die Familiensituation als Grundmuster der Gruppenerfahrung

Krankheitssymptome als Zeichen für familiäres Ungleichgewicht

Krankheit als Botschaft der Seele

Übergewicht

Bettnässen

Heuschnupfen

Bauchschmerzen

Dauernde Müdigkeit

Magersucht

Weiterführende Anregungen

Die Lösung findet jeder für sich

Jede Erklärung erfasst nur einen Ausschnitt der Realität

Die spirituelle Dimension

Die mediale Wahrnehmung von Seelen

Tipps für Therapeuten

Schlusswort

Übersicht der Übungen

Übungen fürs Seelenkind

Übungen für die Eltern

Übungen für die Geschwister

Die zentralen Übungen des Buches

Übersicht aller Übungen nach Themen geordnet

Dank

Endnoten

Einleitung

Elternratgeber zielen normalerweise auf eine Änderung im Verhalten des Kindes ab. Dieser ist anders: Das Ziel ist eine Veränderung im Bewusstsein der Eltern. Denn durch die Korrektur des Familienbildes lässt sich auf wundersame Weise das Problem des Kindes lösen. Somit kommt dieses Rat gebende Buch ganz ohne Erziehungstipps aus.

Ich möchte Ihnen zeigen, wie Sie Ihrem Kind helfen können, wenn es unter Einschlafschwierigkeiten, Wutanfällen, hyperaktivem Verhalten oder körperlichen Beschwerden leidet. Viele Ursachen für kindliche Verhaltensauffälligkeiten sind bekannt. Doch bei einem nicht unerheblichen Teil der Kinder greifen keine Therapien, und die Eltern sind ratlos.

Ich möchte Sie mit diesem Buch ermuntern, die Probleme Ihrer Kinder aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Meine hellsichtigen Fähigkeiten ermöglichen es mir, hinter die Kulissen des Familienalltags zu schauen. So habe ich erkannt, dass in Familien mit Kindern, die nie geboren wurden, die lebenden Geschwisterkinder oft große Schwierigkeiten haben. Weil sie die Seelenkinder spüren.

Seelenkinder, das sind Kinder, die nur ein paar Tage oder Wochen im Mutterleib verweilen und aufgrund einer Fehlgeburt oder Abtreibung sterben. Den Begriff Seelenkinder habe ich gewählt, weil er mir für diese früh verstorbenen Kinder so passend erscheint. Ihre Seele bleibt mit der Familie verbunden, oft ohne dass dies der Familie bewusst ist. Die Geschwisterkinder entwickeln daraufhin problematische Verhaltensweisen.

Dieses Buch beschreibt aus der Geschwisterperspektive die Wirkung, die Seelenkinder auf ihre Familie haben können. Ausgehend von konkreten Problemen, mit denen viele Familien konfrontiert sind, möchte ich die spirituellen Zusammenhänge aufzeigen, die hinter den Problemen wirksam sind. Kinder spüren verborgene Familienthemen auf, als wären es die schönsten Schätze.

Meine Form der Familientherapie ist geprägt von einer »praktischen« Spiritualität gepaart mit pädagogischem Fachwissen. Es ist mir wichtig, ein problematisches Verhalten eines Kindes immer im familiären Zusammenhang anzuschauen. Es liegt mir aber fern, mit dem Finger darauf zu zeigen, was in Ihrer Familie vielleicht falsch läuft. Vielmehr ist es mir ein Anliegen, Ihnen zu zeigen, wie Sie allein durch die Veränderung Ihres Bewusstseins die Konstellation, die zu dem Problem geführt hat, ändern können. Was vorher blockierend war, wird zu etwas Stärkendem. Um familiäre Probleme zu lösen, genügt es oft, dass die Eltern ihre innere Haltung bewusst verändern. Dabei möchte ich Ihnen helfen. Ich zeige Ihnen konkrete Übungen, die Sie dabei unterstützen. Vor allem aber erkläre ich Ihnen die Welt Ihrer Kinder, wie Sie sie vielleicht noch nie gesehen haben.

Das Familiensystem

Bevor ich Ihnen mehr von den Seelenkindern erzähle, möchte ich auf die energetischen Zusammenhänge innerhalb einer Familie eingehen. Nur mit diesem Wissen können Sie später die Bedeutung der Seelenkinder für die Familie richtig erfassen und meine Argumentation nachvollziehen. Was bedeutet es, eine Familie zu sein? Weswegen ist die Familie für unser Leben so entscheidend?

Die innere Verbundenheit

Eine Familie ist keine Ansammlung zufällig anwesender Personen, sondern ein energetisches Gefüge, in dem jeder mit jedem verbunden ist. Der therapeutische Ansatz Bert Hellingers basiert auf diesem Verständnis. Seine Erkenntnisse fließen in meine Ausführungen hinein. Ich vermittle Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, hier eine ganzheitliche Sichtweise auf familiäre Schwierigkeiten, die systemisch begründet ist. Die Familie als ein System zu begreifen bedeutet, die einzelnen Personen nicht als unabhängige Einzelteile zu verstehen, sondern als Teile des großen Ganzen. Die Mitglieder einer Familie beeinflussen sich gegenseitig im Fühlen und Erleben. Bei Schwierigkeiten lohnt es sich deswegen, nicht isoliert auf das Problem zu schauen. Stattdessen sollte man versuchen, die Hintergründe zu erfassen, die zu dem Problem geführt haben. Sie können sich das vorstellen wie einen Eisberg, der aus dem Wasser ragt. Wenn ein Kind ein problematisches Verhalten zeigt und beispielsweise täglich mehrere Wutanfälle bekommt, sind die Wutanfälle unter Umständen nur die Spitze des Eisberges. Unter der Wasseroberfläche verbirgt sich ein komplexes Gefüge von ungelösten Themen, Traumata oder Verstrickungen, die in der Familie vorhanden sind und indirekt auf das Kind einwirken, auch wenn das Kind selbst nichts davon erlebt hat. Die Wutanfälle verweisen bloß auf den verborgenen Teil des Eisberges. Dies ist möglich durch die enge energetische Verbindung, die zwischen den einzelnen Familienmitgliedern besteht. Diese Verbindung entsteht nicht durch gemeinsam verbrachte Zeit oder geteilte Erlebnisse. Sie entsteht bei der Zeugung des Kindes.

Die Bedingungen für das Leben

Zwischen zwei Menschen, die sich begegnen, entsteht immer ein energetisches Feld. Wenn beide positive Gefühle füreinander hegen und sich voneinander angezogen fühlen, entsteht ein starkes Feld. Die stärkste Form, ein gemeinsames Feld zu erzeugen, ist die Sexualität. Die gegenseitige Anziehung findet in der sexuellen Handlung wortwörtlich ihren Höhepunkt. Dieses Feld wirkt ähnlich einem Magneten und zieht die Seele des Kindes an. Wenn das energetische Feld zwischen Mann und Frau sehr stark ist, hat es die Seele leicht, den Weg ins Leben zu finden. Wobei das Feld nicht nur durch die Sexualität entsteht, sondern auch durch die gegenseitige Liebe und Zuneigung. Nun kommen immer mehr Kinder durch künstliche Befruchtung zur Welt. Darauf komme ich später zu sprechen. Hier geht es mir darum, die Familienenergie und ihre natürliche Entstehung darzulegen. Eine Zeugung kann nur stattfinden, wenn ein dreifaches Ja gegeben ist: das Ja der Seele der Mutter, das Ja der Seele des Vaters und das Ja der Seele des Kindes. Die Entscheidung fällt die Seele, nicht der Verstand. Nur wenn alle drei Seelen das neue Leben bejahen, kann ein Kind gezeugt werden. Das heißt umgekehrt: Wenn nicht alle drei Seelen Ja zueinander sagen, findet keine Zeugung statt. Die Eltern entscheiden sich seelisch also immer für das Kind. Die Zustimmung zum Kind erfolgt, bevor die Eltern das Kind sehen oder spüren können. Somit ist diese Zustimmung bedingungslos und nicht an spätere Verhaltensweisen des Kindes oder Bedingungen der Eltern geknüpft. Das Kind kann sich die Zustimmung nicht verdienen, sie ist einfach da als Geschenk. Sie ist die Voraussetzung für das Entstehen des Kindes, und alles, was die Seele des Kindes dazu beitragen kann, ist, ebenfalls seine Zustimmung zu diesen Eltern, so wie sie sind, zu geben. Weil man auf seelischer Ebene Ja zueinander sagt, ist man eine Familie, die für immer zusammengehört. Die Zustimmung zueinander schafft die Verbindung, noch bevor das Kind geboren ist. Das heißt, die Verbindung ist ab dem Moment der Zeugung gegeben. Das Leben beginnt ebenfalls mit der Zeugung, das Ja des Kindes zu seinen Eltern ist gleichzeitig die Bejahung des Lebens und wirkt als Initialkraft, die es der Seele ermöglicht, sich dem Leben zuzuwenden. Daneben gibt es eine weitere Kraft, die das Leben ermöglicht, und zwar das Leben selbst. Das Leben möchte sich ausdrücken, entfalten und vor allem reproduzieren. Wir Menschen stehen im Dienst des Lebens, und stellen uns gewissermassen dem Leben zur Verfügung, so dass es sich vervielfältigen kann. Das ist etwas Unpersönliches, es geschieht einfach. Somit bestimmt das Leben, ob und wann und unter welchen Umständen ein Kind gezeugt wird. Die größeren Zusammenhänge bleiben unserem Verstand und unserem Gefühl verborgen. Warum kommt ein Kind ausgerechnet nach einer Vergewaltigung zur Welt? Vielleicht wird es später ein Heilmittel gegen Alzheimer entdecken und es ist darum sinnvoll, dass genau dieses Kind von genau diesen Eltern zu genau dieser Zeit empfangen wird und zur Welt kommt. Wieso bekommt ein liebevolles, gutsituiertes Ehepaar mit grossem Kinderwunsch trotz mehrerer In-vitro-Fertilisationen kein Kind? Vielleicht ist es die Aufgabe dieses Paares, sich um Pflegekinder zu kümmern, die sonst kein behütetes Zuhause hätten. Es gibt eine Dimension, die größer ist als unsere Wunschvorstellung, und das ist die Kraft des Lebens an sich. Ich möchte kurz zusammenfassen: Eine Familie entsteht aus der gegenseitigen Anziehung zweier Menschen, der inneren Zustimmung aller beteiligten Seelen und der Kraft des Lebens. Das Ja füreinander ist so lange gültig, bis die letzte Person der Familie stirbt. Das bedeutet also, dass das Ja für immer gilt, denn eine Familie ist dadurch gekennzeichnet, dass stetig neue Menschen in die Familie hineingeboren werden: Die Kinder bekommen eigene Kinder und diese wiederum eigene Kinder und so weiter. Ich konnte nur gezeugt werden, weil vor mir meine Großeltern Ja zu meinen Eltern gesagt haben und meine Urgroßeltern Ja zu meinen Großeltern. Mit meinem inneren Ja zu meinen Eltern gab ich auch die Zustimmung zu meinen Ahnen. Ich habe mich seelisch für dieses spezifische energetische Feld entschieden. Weil so viele Menschen zu einer Familie gehören und alle durch das Ja miteinander verbunden sind, spricht man auch von einem energetischen Netz.

Die Familie als Netz

Das energetische Netz können Sie sich so vorstellen: Wenn alle Ihre Familienmitglieder in einem Raum sind und Sie ein Wollknäuel nehmen und es von einer Person zur anderen weitergeben, wobei jeder den Faden in der Hand behält, so ergibt sich aus dem Wollfaden ein Netz. Die energetische Verbindung kann als Dichte und Beschaffenheit des Fadens verstanden werden, während die Beziehung bestimmt, welche Farbe der Faden hat. Der Faden bleibt immer bestehen, die Farbe kann sich verändern. Über dieses Netz fließt andauernd Energie von einem Familienmitglied zum anderen. Da das Netz aus Energie besteht, geht es über den Tod hinaus. Das heißt, der Faden reißt niemals ab, auch wenn ein Mensch stirbt. Energie geht nie verloren, sie wandelt höchstens ihre Qualität. Für das Familiensystem gilt das Gleiche, was für physikalisch geschlossene Systeme gilt: Die Gesamtenergie ändert sich nicht mit der Zeit. Dies ist der Satz der Erhaltung der Energie. Es ist nicht möglich, Energie zu vernichten. Aus einem dicken Familienfaden kann ein dünner werden, verschwinden kann er aber nicht.

Dieses Netz ist der Grund, weshalb die Familie im Leben eine so zentrale Rolle spielt. Wir können niemals aus dem Netz fallen. Ein Faden kann vielleicht einmal durchhängen, sodass man meint, nur noch lose verbunden zu sein. Selten gibt es auch einmal einen Knoten – wenn sich eine Familie tief in ein Problem verstrickt hat. Aber ob wir auswandern oder keinen Kontakt mit der Familie pflegen, das Netz ist immer da. Und gerade deswegen liegt darin, neben einem gewissen Konfliktpotenzial, auch eine große Kraft. Je freier die Energie durch das Netz fließen kann, umso besser geht es allen Beteiligten.

Kinder spüren, wenn sich der energetische Familienfaden verheddert hat oder durchhängt, auch wenn man nicht über die schwierige Situation spricht. Sehr häufig zeigen Kinder problematische Verhaltensweisen, weil sie ein Ungleichgewicht in der Familie spüren. Dann sind wir geneigt, das Kind als schwierig anzusehen. Das Kind schläft nicht. Das Kind schlägt in der Kita seine Spielkameraden. Das Kind schreit im Supermarkt so laut, dass sich auch noch der letzte Kunde umdreht. Es gibt viele Möglichkeiten, wie Kinder unbewusst versuchen, ein Ungleichgewicht auszudrücken.

Wird jemand aus der Familie ausgeschlossen oder gab es in vorherigen Generationen Streitigkeiten, kann dies das heutige Alltagsleben beeinträchtigen. Besonders schwere Schicksale wie Kriegserfahrungen, Krankheiten, frühe Todesfälle und Ähnliches haben auch auf nachfolgende Generationen Einfluss. Die Möglichkeiten, wie solche familiären Probleme wirken, sind sehr vielfältig. Ist der Energiefluss innerhalb der Familie gestört, so beeinträchtigt das die einzelnen Mitglieder. Weil wir uns miteinander verbunden fühlen und uns lieben, fühlen wir uns automatisch auch verantwortlich für die anderen. Dieses Verantwortungsgefühl entsteht nicht im Verstand. Es ist ein tiefes Gefühl, das bereits ganz kleine Kinder verinnerlicht haben. Sie können sich das als eine Art Mitgefühl vorstellen. Wir fühlen mit unseren Verwandten mit und solidarisieren uns innerlich mit ihrem Schicksal. Aus diesem Mitgefühl heraus lassen wir es zu, dass uns die Lebensgeschichte unserer Familienmitglieder beeinflusst. Wenn beispielsweise der Großvater seine künstlerische Seite nicht leben konnte, weil er fünf Kinder zu ernähren hatte und deswegen als Sattler gearbeitet hat, kann es sein, dass sein Enkel später alles darangibt, ein berühmter Bildhauer zu werden. Mit seinem Erfolg möchte er den Großvater und sein Engagement für die Familie ehren und gleichzeitig auch für ihn das Künstlerleben ganz auskosten. Oder wenn die Urgroßmutter früh verwitwet wurde und ihre Kinder allein großziehen musste, kann es sein, dass eine ihrer Nachkommen als junge Frau geschieden wird. Sie lebt damit unbewusst das Schicksal des Alleinseins der Urgroßmutter mit, die sehr unter ihrer Witwenschaft gelitten hat. In ihrem Unterbewusstsein sagt sie zu ihr: »Ich fühle mit dir mit.«

Unser Leben wird beeinflusst von den Lebensgeschichten unserer Ahnen. Insbesondere die schwierigen Erlebnisse früherer Generationen, die sich tief ins Familiennetz eingegraben haben, entfalten eine belastende Wirkung auf die Nachkommen. Mittels systemischer Aufstellungen kann man diese Einflüsse sichtbar und verständlich machen. Und sie im besten Fall auflösen, sodass man nicht mehr im Bann der Vergangenheit lebt.

Das Verantwortungsgefühl kann also die Art und Weise, wie wir unser Leben gestalten, beeinflussen. Oft merken wir nicht einmal, dass wir etwas aus Verantwortung für die anderen machen. Im Kleinen zeigt sich das in Situationen, in denen wir das Leben unserer Familienmitglieder verbessern möchten. Zum Beispiel gibt es Kinder, die versuchen, zwischen ihren Eltern zu vermitteln, wenn sie spüren, dass die Eltern sich emotional voneinander entfernen. Die Vermittlungsversuche sind durchaus kreativ. Ich habe schon Kleinkinder erlebt, die sich dauernd leicht verletzt haben, weil sie damit die Aufmerksamkeit der Eltern auf sich lenken konnten und die Eltern durch die gemeinsame Sorge wieder mehr Nähe zueinander gespürt haben. Ein Kind realisiert unbewusst, dass sich die Eltern innerlich nicht mehr verbunden fühlen und sucht ebenfalls unbewusst nach einer Möglichkeit, die Situation zu verändern. Mit seiner Einmischung drückt das Kind sein Verantwortungsgefühl aus.

Kinder übernehmen für ihre Eltern ganz viel. Der Mechanismus dabei ist folgender: Das Kind ist abhängig von seinen Eltern, weil nur die Eltern das Leben des Kindes sichern können. Das Kind ist in den ersten Lebensjahren nicht allein lebensfähig. So hat das die Biologie eingerichtet. Das Wohlbefinden des Kindes hängt davon ab, dass sich die Eltern (oder andere Bezugspersonen) liebevoll um seine Bedürfnisse kümmern. Damit die Eltern das können, muss es ihnen selbst gut gehen. Also hat jedes Kind die innere Logik »Ich muss dafür sorgen, dass es meinen Eltern gut geht, damit sie sich um mich kümmern können«. Das ist ein Überlebenstrick.

Viele Menschen brauchen im Erwachsenenalter intensive Persönlichkeitsarbeit, um sich diesen Mechanismus abzugewöhnen. Es ist schwierig, aus diesem Muster auszusteigen, wenn man sich mehr auf das energetische Netz als auf sich selbst konzentriert. Zumal man nicht nur mit dem Schicksal der Eltern mitfühlt. Es kann sein, dass man sich unbewusst für ein Familienmitglied verantwortlich fühlt, das bereits verstorben ist. Weil die Informationen seines Lebens immer noch im Familiennetz gespeichert sind. Wir können nicht bewusst entscheiden, mit welchen Themen unserer Familie wir in Resonanz gehen. Wir reagieren auf etwas, was in unserem Leben eine Art Echo findet. Ein Kind ohne musische Begabung wird sich kaum mit dem ungelebten Lebenstraum des Künstlerdaseins seines Großvaters identifizieren. Aber wenn es ein sehr pflichtbewusstes Kind ist, wird es vielleicht die Überzeugung mitnehmen, dass man hart arbeiten muss, um sein Leben zu sichern. Es ist immer ein Zusammenspiel zwischen eigenen Charaktereigenschaften, Interessen und Erfahrungen, die mit einem ungelösten Familienthema interagieren. So entsteht die Verstrickung mit einem Mitglied der Familie. Die Lösung liegt darin zu realisieren, dass ich zwar mit allen im Guten verbunden sein darf, mich aber nur um meine eigenen Angelegenheiten kümmern muss. Das gelingt, wenn ich weiß, dass jeder in der Familie seinen eigenen Platz hat und jeder selbst dafür verantwortlich ist, diesen Platz einzunehmen.

Jeder hat seinen Platz

In einer Familie hat jeder seinen Platz. Es ist wie auf einem Schachbrett. Im Moment der Zeugung bekommt man ein Feld zugewiesen, das einem allein gehört und das man mit niemandem teilen muss. Dieses Feld ist von den anderen Feldern klar abgegrenzt. Die einzelnen Plätze innerhalb der Familie sind gleichberechtigt im Sinne von gleich wichtig. Trotzdem gibt es unter den Geschwistern eine klare Reihenfolge. Denken wir einmal an althergebrachte Erbgewohnheiten. Der Erstgeborene erbt das Familienvermögen, weil er die Nummer eins ist. Sowohl im bäuerlichen Umfeld der vergangenen Jahrhunderte als auch bei Adelsfamilien oder reichen Wirtschaftsdynastien wird das so gehandhabt. Der Zweitgeborene wird mit einer Abfindung abgespeist, weil er nicht die Nummer eins ist. Es ist entscheidend, das wievielte Kind seiner Eltern man ist, nicht nur wenn es ums Erben geht. Das erstgeborene Kind hat in der Familie eine ganz andere Rolle als das jüngste. Das Aufwachsen ist geprägt von der Geschwisterhierarchie. Das älteste Kind muss vielleicht um Freiheiten kämpfen, die dem Jüngsten später einfach zugesprochen werden. Dafür traut man dem Kleinsten vielleicht nicht so viel zu wie seinen älteren Geschwistern, weil er eben der süße Kleine ist, um den sich alle kümmern möchten.

In energetischer Hinsicht ist es nicht wichtig, ob man der Erstgeborene, sondern ob man der Erstgezeugte ist. Von der Familienenergie her ist das Kind, das zuerst gezeugt wurde, die Nummer eins. Wenn es in einer Familie eine Fehlgeburt gegeben hat, kann es sein, dass die Reihenfolge vermeintlich durcheinandergerät.

Familie Bauer erwartet das erste Kind. In der achten Schwangerschaftswoche kommt es zu Blutungen und in der Folge zu einem Abort. Ein Jahr später erwartet die Familie ihr zweites Kind, Sophie. Als zwei Jahre darauf auch noch ein gesunder Junge, Felix, zur Welt kommt, ist das Familienglück perfekt. Im Alltag heißt das für Familie Bauer Folgendes: Sophie ist die Erstgeborene, die Nummer eins, und Felix ist der Zweitgeborene, folglich die Nummer zwei.

Aber so ist es nicht. Die Nummer eins ist das Kind, das im Mutterleib nicht weiterwachsen und geboren werden konnte. Es weilt nicht unter den Lebenden und doch ist das Seelenkind die klare Nummer eins. Sophie gehört auf den zweiten und Felix auf den dritten Platz.

Es kann auch sein, dass eine vermeintliche Nummer drei in Wahrheit die Nummer vier ist. Nämlich wenn man nach dem zweiten Kind ein Kind verloren hat und erst bei der vierten Schwangerschaft das dritte lebende Kind zur Welt gekommen ist. Vielen Eltern ist die richtige Reihenfolge ihrer Kinder nicht bewusst, weil sie nur die lebenden Kinder zählen. Damit vermitteln sie ihren Kindern ein falsches Familienbild.

Ich habe mit einer Freundin von mir, die Psychologin ist, über dieses Thema gesprochen. Da ist ihr eingefallen, dass sie als Kind ein besonderes Spiel für sich entwickelt hatte:

Florence wird als drittes von drei Mädchen geboren. Ihre Mutter hatte vor der Ehe ein Kind abgetrieben und ihren Kindern nie etwas davon erzählt. Florence erfuhr dies von ihrem Vater erst als erwachsene Frau, nachdem die Mutter verstorben war. Sie erinnert sich sehr genau, dass sie im Alter von vier bis fünf Jahren ein »magisches Ritual« als Spiel auf dem Heimweg vom Kindergarten mit sich selbst spielte. Sie lief auf dem Rand des Gehsteiges, der mit länglichen Bordsteinen gesäumt war. Sah sie von weitem ein Auto entgegenkommen, wollte sie unbedingt auf dem von ihr aus gesehen nächsten vierten Stein angekommen sein, wenn das Auto an ihr vorbeifuhr. Ist es ihr gelungen, empfand sie immer ein wohliges Gefühl der Genugtuung.

Florence spielte dieses Spiel ausschließlich auf dem Weg nach Hause. Die Magie des Erreichens des vierten Steines vermittelte ihr ein Gefühl von Sicherheit. Wenn Sie also auf dem vierten Platz stehen konnte, fühlte sie sich sicher. Obwohl sie als Kind nichts von der Abtreibung wusste, spürte sie instinktiv, welcher Platz für sie der richtige ist. Sie ist das vierte Kind und nicht das dritte. Die tiefere Bedeutung dieses Spiels offenbarte sich ihr erst im Erwachsenenalter.

Dies ist ein treffendes Beispiel für das ahnungsvolle Wissen von Kindern, die spüren, dass sie in der Familie einen falschen Platz zugewiesen bekommen. Auf dem falschen Platz stehen heißt nichts anderes, als dass die Eltern sich nicht bewusst sind, dass noch ein weiteres Kind in die Reihenfolge gehört. Es ist für das Wohlbefinden von Kindern entscheidend, dass sie die richtige Reihenfolge der Geschwister kennen. Weil sie sonst durch das äußere Ungleichgewicht auch innerlich nicht in der Lage sind, die Balance im Leben zu halten. Weil in der Familie jeder mit jedem verbunden ist, ist es absolut entscheidend, dass man seinen Platz kennt. Nur auf dem richtigen Platz kann man sein volles Potenzial entfalten und sich wohl fühlen.

Wenn Kinder Verantwortung übernehmen

Wenn ein Kind ein Verhaltensmuster entwickelt, das für das Kind selbst oder für die Personen in seinem Umfeld anstrengend wird, deutet das häufig auf ein Familienthema hin. Ich spreche hier nicht davon, dass ein Kind einmal einen schlechten Tag hat oder vor lauter Blödsinn im Kopf den Moment verpasst, sich wieder angemessen zu verhalten. Ich spreche von Problemen, unter denen Kinder über eine längere Zeit leiden und die trotz pädagogischer Maßnahmen und liebevoller Unterstützung der Eltern nicht gelöst werden können. Dies ist ein wichtiger Punkt meiner Argumentation: Kinderprobleme deuten oftmals auf ein Ungleichgewicht in der Familie hin. Weil sich das Kind unbewusst für das Glück der anderen verantwortlich fühlt, entwickelt es Probleme, die ähnlich einem Wegweiser auf versteckte Themen hindeuten.

Bevor ich einzelne Problemfelder und ihre Lösungsmöglichkeiten bespreche, möchte ich Ihnen eine Übung vorstellen, mit der Sie sich im positivsten Sinne von Ihren Liebsten abgrenzen können, ohne dabei die Zuneigung zu gefährden. Diese Übung entlastet Kinder, die vorübergehend oder langfristig von familiären Themen beeinflusst werden. Sie können die Übung einsetzen, wenn Sie das Gefühl haben, Ihr Kind übernehme zu viel Verantwortung innerhalb des Familienlebens. Wenn Sie in Ihrem Leben gerade mit großen Herausforderungen zu kämpfen haben, können Sie die Übung auch prophylaktisch einsetzen. Damit Ihr Kind gar nicht Gefahr läuft, sich von den Erwachsenenproblemen beeinträchtigen zu lassen. Die Übung schafft eine positive Abgrenzung, weil die energetische Verschmelzung beendet wird. Sie können sie auch mit Ihren eigenen Eltern und Geschwistern oder mit Personen außerhalb der Familie durchführen. Es ist eine Grundübung meiner Therapieform, die in jedem Fall eine entlastende Wirkung hat.

Übung »Ich bin ich – du bist du«

Nehmen Sie ein leeres weißes Blatt Papier ohne Linien. Zeichnen Sie eine große stehende Acht. In den unteren Kreis schreiben Sie Ihren eigenen Namen, mit allen Vor- und Nachnamen, die Sie haben. In den oberen Kreis schreiben Sie den Namen Ihres Kindes oder der Person, von der Sie sich abgrenzen wollen. Sie machen die Übung allein für sich. Nehmen Sie sich zwei bis drei Minuten dafür Zeit, möglichst ohne Ablenkung. Nun fahren Sie mit einem Stift die Acht nach und sagen dabei laut: »Ich bin ich. Du bist du.«

Wiederholen Sie das zwei Wochen lang jeden Tag auf dem gleichen Blatt Papier. Es ergibt sich daraus eine dicke Acht. Nach zwei Wochen nehmen Sie eine Schere und schneiden die beiden Kreise auseinander, sodass die beiden Kreise – der Kreis mit Ihrem Namen und der Kreis mit dem Namen der anderen Person – voneinander getrennt werden.

Die Übung versinnbildlicht die Idee, dass man alle eigenen Gefühle, Erlebnisse, Erfahrungen und Gedanken bei sich behält und das Kind ebenfalls ganz bei sich bleiben darf und sich nur um die eigenen Dinge kümmern muss. Das kann viele Gefühle auslösen und es können emotionale Reaktionen sowohl beim Ausführenden als auch beim Kind auftreten. Die Eigenständigkeit kann am Anfang ungewohnt sein. Vielleicht fühlen Sie sich im ersten Moment haltlos oder allein. Es kann auch sein, dass Ihr Kind zuerst besonders intensiv Ihre Nähe sucht, bis es sich an die neugewonnene Unabhängigkeit gewöhnt hat. Oder es reagiert Ihnen gegenüber zunächst ablehnend bis es spürt, dass die Liebe auch außerhalb der Symbiose spürbar ist.

Viele Menschen erzählen, dass die Beziehungsqualität nachher an Leichtigkeit gewinnt und man sehr liebevoll aufeinander zugehen kann. Sie müssen keine Angst haben, Sie könnten damit den Liebesfaden zwischen sich und der anderen Person durchtrennen. Ich erkläre diese Übung Müttern mit kleinen Babys, die zu sehr in eine Symbiose geraten sind. Sogar im ganz frühen Stadium des Beziehungsaufbaus kann es sinnvoll sein zu realisieren, dass das eigene Kind ein komplett anderer Mensch ist als man selbst. Das Kind hat eine eigene Geschichte und eigene Gefühle, und auch wenn die Liebe zum Kind groß ist, muss es nicht zu einer gefühlten Verschmelzung kommen.

Mit der Übung lösen Sie die negative Verstrickung und schaffen eine positive Abgrenzung. Sie helfen insbesondere Ihrem Kind damit, dass es sich weniger für Sie verantwortlich fühlt und besser bei sich bleiben kann. Das entlastet das Kind und kann helfen, dass sich das Kind entspannt und unbekümmert sein Leben lebt.

Kinder übernehmen nicht nur für die Eltern emotionale Verantwortung, sondern häufig auch für Geschwister, die nicht leben.

Seelenkinder und ihre Bedeutung für die Familie

Zur Familie gehören alle je da gewesenen Familienmitglieder – die lebenden und die toten, ja selbst die ungeborenen. Die Familie ist nur dann komplett, wenn alle zugehörigen Seelen als wichtiger Teil der Familienstruktur angesehen werden.

Der Begriff Seelenkinder

Sie haben bestimmt schon von Sternenkindern gehört. Sternenkinder sind die Kinder, die tot geboren werden oder unmittelbar nach der Geburt sterben. Eltern, die ihr Kind loslassen müssen, bevor es richtig gelebt hat, erleben eine schwere Zeit. Es ist ein unglaublich trauriges Thema, und doch weiß man über Sternenkinder und die Trauer der Eltern relativ viel, weil dazu einiges publiziert wird und vor allem weil darüber geredet wird.

Über den Verlust eines Kindes in der frühen Schwangerschaft wird viel weniger oder sogar gar nicht geredet. Obwohl es für die Familie so wichtig wäre! Es gibt bis jetzt auch keinen positiven Begriff für diese Kinder. Ich nenne sie Seelenkinder. Es sind die Kinder, die nur wenige Tage oder Wochen im Bauch der Mutter bleiben konnten. Sie sind bloß für eine kurze Weile ins Erdenleben eingetaucht. Es sind die Kinder, die man oft vergisst. Deswegen spricht man auch von verlorenen Kindern. Dazu passt die Geschichte von Peter Pan und seinen verlorenen Jungs:

Peter Pan, der Junge, der niemals erwachsen werden will, fliegt eines Tages aus dem Fenster seines Kinderzimmers hinaus, weil er überzeugt ist, dass er jederzeit zu seiner Mutter zurückkehren kann. Doch, oh weh, als er sich nach vielen Abenteuern auf den Rückweg macht, sieht er, dass vor dem Fenster dicke Gitterstäbe angebracht sind, und die Mutter bereits einen anderen Jungen liebevoll im Arm hält. Peter fliegt voller Panik vor dem Fenster auf und ab und versucht mit aller Kraft, an den Gitterstäben zu rütteln. Er ruft nach seiner Mutter und gebärdet sich ganz wild. Doch was er auch versucht, seine Mutter hört und sieht ihn nicht.

Enttäuscht zieht sich Peter Pan auf die Insel Nimmerland zurück und lebt da mit den verlorenen Jungs. Ihre Geschichte ist nicht weniger mitreißend. Es sind kleine Jungs, die während des Nachmittagsspaziergangs im Londoner Kensington Park aus dem Kinderwagen gefallen sind und von niemandem vermisst wurden. Nun leben sie alle gemeinsam auf der Insel, bis Peter eines Tages Wendy und ihre Geschwister nach Nimmerland bringt.

Anhand dieser Episode möchte ich die Wichtigkeit der Seelenkinder für die Familie aufzeigen. Es sind Kinder, mit denen wir nicht unser Leben teilen können, weil sie bereits in den ersten Schwangerschaftswochen verstorben sind. Wie der Name schon sagt, sind sie dennoch unsere Kinder, einfach auf seelischer Ebene. Seelenkinder auch deshalb, weil der Aspekt der Seele in ihrem Sein mehr betont ist als der Aspekt des Körpers.

Die Lebenskraft, die bei der Zeugung entstanden ist, kehrt sich bei einem Seelenkind nach kurzer Zeit um in Richtung Tod. Der Körper kann sich nicht entwickeln und stirbt, doch die Seele bleibt ganz. Ihr Sein entfaltet sich in der geistigen Welt und nicht in unserer. Die geistige Welt ist für mich die Welt, in der die Seele vor der Geburt und nach dem Tod zu Hause ist.

Durch die Verbundenheit zweier Menschen wird die Seele ins Leben gerufen – als Kind dieser Eltern. Der Ruf an sich ist entscheidender als die vollendete Entwicklung des Körpers. Deswegen können viele Frauen spüren, dass sie schwanger sind, noch bevor der Schwangerschaftstest positiv ist. Leider werden sie darin häufig nicht ernst genommen. Gerade wenn die Menstruation doch einsetzt, wird das Gefühl durch die medizinischen Fakten zerstört. Eine Geschichte aus meiner Praxis hat mich besonders berührt:

Martina hat das Gefühl, dass sie schwanger ist. Das Gefühl ist sehr stark, obwohl sie und ihr Partner immer verhüten. Eines Tages entdeckt sie in ihrem Slip einen herzförmigen Blutstropfen. Kurz darauf setzt die Regelblutung ein. Jahre später kommt Martina zu mir in die Behandlung, weil ihr kleiner Sohn ein Schreibaby ist. Als sie mir die Geschichte des Herztropfens erzählt, wird sie ganz ruhig und ist sich selbst auf einmal sicher, dass sie damals wirklich schwanger war. Ich bestätige ihr, dass ich ein Seelenkind bei ihr wahrnehmen kann. Ein sanftes Lächeln erscheint auf ihrem Gesicht und sie sagt: »Jetzt geht’s mir besser.«

Die Seelenkinder versuchen häufig, ihren Eltern Zeichen zu geben. Nur verstehen viele Eltern diese Zeichen nicht. Vielleicht weil wir in unserer technisierten Gesellschaft verlernt haben, die Sprache der geistigen Welt zu verstehen und Eingebungen als Fantasie abtun. Da wir aber nicht nur aus Körper, sondern ebenso aus Geist und Seele bestehen, ist unsere Realität mitunter vielschichtiger, als wir meinen. Und bereits eine gefühlte Schwangerschaft kann Einfluss auf das Gefühlsleben der Mutter, je nachdem auch des Vaters oder der Geschwister, nehmen, selbst wenn sie medizinisch nicht bestätigt wurde.

Eine bestätigte Schwangerschaft erst recht. Mit dem Aufleuchten des »Positiv«-Zeichens auf dem Schwangerschaftstest wird die Schwangerschaft real und man gerät unmittelbar in einen Gefühlsstrudel. Je nach Lebenssituation ist das unbändige Freude, Unsicherheit, Erleichterung oder Verzweiflung. Eine Schwangerschaft ist ab dem Moment, indem man sicher weiß, dass man schwanger ist, immer hochemotional. Es gibt im Leben wenig andere Momente, die innert kürzester Zeit so viele Gefühle auslösen.

Man stelle sich vor: Eine Frau erlebt die ersten Wochen einer Schwangerschaft. Sie freut sich auf das Kind, hat aber auch Zweifel, ob sie mit der Lebensveränderung umgehen kann. In einem Moment ist sie voller Zuversicht und im nächsten fühlt sie sich unsicher und hilflos. Plötzlich setzen Blutungen ein, die eine Fehlgeburt ankündigen. Der Arzt erkennt im Ultraschall, dass das Kind nicht gewachsen und kein Herzschlag hörbar ist. Mit einem Schlag ist alles anders. Die Gefühle müssen wieder neu sortiert werden, kaum dass die Frau sich an den Gedanken gewöhnt hat, bald Mutter zu werden. Der Gefühlsstrudel kommt zu einem abrupten Ende. Was bleibt, ist das Gefühl von Leere. Diese Leere macht sich unbemerkt auch in der Familie breit und hat eine Wirkung, die alle Familienmitglieder auf die eine oder andere Weise spüren. In den ersten zwölf Wochen kann von einem Tag auf den anderen die Schwangerschaft beendet sein und aus dem wachsenden Kind wird ein Seelenkind.

Fehlgeburten passieren sehr häufig. Schulmedizinische Studien belegen, dass 15 bis 20 Prozent aller Schwangerschaften in Europa mit einer Fehlgeburt während des ersten Schwangerschaftsdrittels enden.1 Vor der fünften Schwangerschaftswoche ist die Wahrscheinlichkeit für einen Abort noch höher. Da aber nicht alle Schwangerschaften so früh bemerkt werden, gibt es in diesem Bereich eine hohe Dunkelziffer. Eine österreichische Studie zeigte, dass bei 31 Prozent aller angelegten Schwangerschaften eine Fehlgeburt folgt.2 Das Universitätsklinikum Bonn rechnet gar mit einer Rate von 50 Prozent. Das bedeutet, dass etwa die Hälfte aller Schwangerschaften nur ein paar Wochen dauern und häufig gar nicht bemerkt werden. Die Frauen realisieren zu dem Zeitpunkt nicht, dass sie schwanger sind, und erleben einfach eine besonders starke oder verzögerte Regelblutung.

Wenn man sich anhand dieser Zahlen überlegt, wie viele Seelenkinder es gibt, ist das eine unvorstellbare Zahl. Und kein Mensch redet darüber. Wir sagen in solchen Momenten nicht, dass ein Kind gestorben ist. Wir reden von einer Fehlgeburt oder einem Abort. Auf die Frage, wie viele Kinder man hat, antwortet nach einer Fehlgeburt leider selten jemand: »Ich habe zwei Kinder auf Erden und eines im Himmel.« Wir erwähnen nur die Lebenden. Es scheint, als ob wir als Gesellschaft nicht wissen, wie wir mit dem frühen Verlust eines Kindes umgehen sollen. Deswegen ignorieren wir ihn einfach. Und die Eltern stehen mit ihren Gefühlen allein da.

Die verlorenen Kinder in unserer Gesellschaft

Jeder, der einmal Teil einer Familie war, gehört auch nach seinem Tod noch dazu. Das ist uns sehr bewusst, wenn jemand mit 85 Jahren stirbt und man viele liebe Erinnerungen an diesen Menschen hat. Wenn man sich gemeinsam Fotos ansehen und sagen kann: »Weißt du noch damals, als er sich an deinem Geburtstag als Clown verkleidet hat? Das war so lustig!« Wenn jemand nach vielen Jahren gemeinsam verbrachter Zeit stirbt, spricht ihm niemand die Zugehörigkeit zur Familie ab. Ist jemand nur ein paar Wochen oder sogar nur ein paar Tage physisch anwesend, sieht das anders aus. Dann vergisst man ihn gern.

Wenn ich in meiner Praxis Frauen darauf anspreche, ob sie eine weitere Schwangerschaft hatten, höre ich oft den Satz: »Ja, aber nur ganz kurz.« Dazu schütteln sie den Kopf oder machen eine wegwerfende Handbewegung, um zu verdeutlichen, dass sie das als Bagatelle ansehen. Als ob die Dauer eines Ereignisses etwas über seine Wichtigkeit aussagt. Weitere Beschreibungen, die ich zu hören bekomme, sind: »Ich hatte einmal eine Eileiterschwangerschaft, das ist ja keine richtige Schwangerschaft.« Oder auch: »Ich hatte einen Abort, das ist aber schon lange her.«

Das sind medizinisch korrekte Ausdrücke, die den Sachverhalt beschreiben, dass eine Schwangerschaft ein vorzeitiges Ende genommen hat. Doch damit sind sowohl die emotionalen Aspekte als auch die Bedeutung, die dieses Kind für die Familie hat, komplett ausgeblendet. Ich antworte auf solche Erwähnungen gern mit den Worten: »Aha, sie haben noch ein Kind.«Es ist immer wieder erstaunlich, was dieser Satz bei den Frauen auslöst. Man sieht im Mienenspiel, wie ihnen eine neue Wahrheit, die sie sich in dieser Betonung noch nie überlegt haben, bewusst wird. Oft beobachte ich, wie die Mütter auf einmal tiefer atmen, wie sich Erleichterung in ihren Gesichtern spiegelt. Nicht selten rührt es sie zu Tränen. Es ist, als ob ich das verlorene Kind im Kensington Park zurück in den Kinderwagen legen würde, damit die Mutter es endlich sehen kann. Ja, es ist ihr Kind, selbst wenn es nur für ganz kurze Zeit in ihrem Bauch war und sie es nie in ihren Armen halten konnte.

Der Begriff »verlorene Kinder« passt meiner Meinung nach so gut, weil einerseits die Mutter das Kind physisch verliert, andererseits sind sie auch deswegen verloren, weil sie aus dem Bewusstsein der Familie verschwinden. Niemand hat bemerkt, dass sie aus dem Kinderwagen gefallen sind, weil man sie noch nicht als Kinder wahrgenommen hat. Es war ja nur ganz kurz …

Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau irgendwann in ihrem Leben eine Fehlgeburt hat, ist enorm hoch. Ist es eingetroffen, fehlt auf allen Ebenen ein souveräner Umgang mit dieser emotional belastenden Situation. Eine Klientin sagte zu mir:

»Es war so schwer für mich. Ich dachte, da kann man ja nicht darüber reden! Aber ich musste mich einfach mit jemandem austauschen, und wissen Sie was? Drei meiner Kolleginnen haben auch ein Kind verloren. Das wusste ich gar nicht! Als ich das erfahren habe, hat es mir sehr geholfen.«