Seelenspiegel - Bernadette Klein - E-Book

Seelenspiegel E-Book

Bernadette Klein

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Beschreibung

Bei einem Arbeitsunfall wird der beste Freund der magiebegabten Gene querschnittsgelähmt – und sie ist schuld. Ihr Vater könnte ihn heilen, läge seine Magie nicht in den Klauen ihrer dämonischen Mutter. Diese bietet Gene einen Handel an, doch der einzige Weg, ihn zu erfüllen, ist ein Bündnis mit einem alten Feind. Und damit fangen die Probleme gerade erst an. In einer kompromisslosen Jagd durch fantastische Reiche bestreitet Gene im zweiten Teil der Reihe epische Kämpfe, erlebt zarte Romantik und erschütternden Verrat. Während sich der Zustand ihres besten Freundes mehr und mehr verschlechtert, muss sie sich der alles entscheidenden Frage stellen: Kann sie die Geister ihrer Vergangenheit überwinden, bevor das Dämonenreich sie für immer verschlingt?

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhaltsverzeichnis

E I N S

Z W E I

D R E I

V I E R

F Ü N F

S E C H S

S I E B E N

A C H T

N E U N

Z E H N

E L F

Z W Ö L F

D R E I Z E H N

V I E R Z E H N

F Ü N F Z E H N

S E C H Z E H N

S I E B Z E H N

A C H T Z E H N

N E U N Z E H N

E P I L O G

Danksagung

Bernadette Klein

Seelenspiegel

Seelenbande 2

© 2024 Bernadette Klein

Website: bessassin.com

Lektorat: Kell L. Conrad und Konstanze Hunold

Korrektorat: Gabriele Brandhuber

Coverdesign und Buchsatz : Alexander Klein

Handgezeichnete Szenentrenner: Sarah Klein

Verlagslabel: Triangular Square Publishing,

triangularsquare.de

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist die Autorin verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne ihre Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autorin, zu erreichen unter: Bernadette Klein,

Böhmerwaldstr. 16, 94431 Pilsting, Germany.

Für Alexander, meinen Seelengefährten.

E I N S

Im Grunde eine schöne Urlaubsregion, dachte ich noch, dann krachte ich durch das Dach des Schuppens.

Ich landete auf einem Holzstapel, schlitterte durch die Tür und konnte gerade noch einer umfallenden Sense ausweichen. Schwankend kam ich auf die Füße und sah mich um. Diana rannte auf mich zu, die Wangen gerötet, Atemwölkchen vor den Lippen und Besorgnis im Blick. »Bei der Urmutter, Gene!« Sie fasste mich mit eiskalten Fingern an, die aus ihrem stylischen, weißen Mantel hervorragten. »Ist dir was passiert?«

Für einen Augenblick war ich versucht zu nicken und mich Trost suchend an sie zu schmiegen. Dann aber zuckte ich mit den Schultern und deutete hinter mich. »Alles gut, bin sanft gelandet.«

Diana sah an mir vorbei und hob die Augenbrauen. »Sieht nicht danach aus.«

Ich grinste. »Auch wieder wahr, Birkenholz ist nicht annähernd so weich, wie immer behauptet wird.«

Diana schnaubte und tippte mir vor die Stirn. »Willst du es nochmal versuchen?«

Ich schielte in den wolkenverhangenen Novemberhimmel und dachte nach. »Hm, na, eigentlich nicht. Fürs Fliegen hab ich offensichtlich kein Talent.« Ich hielt immer noch ihre Hände fest und schloss die Augen. Anspruchsvolle Zauber wie das Lenken der Schwerkraft mochten mich vielleicht überfordern, aber den Glamour beherrschte ich recht gut. Diana sog erschrocken die Luft ein und zog ihre Hände weg. »Ach, Gene, was ist das denn für ein Gesicht? Du siehst ja aus wie ein Kerl! Noch dazu einer aus dem Fernsehen!«

Leider beeinflusste Glamour die Körpergröße nicht, weshalb Diana mich nach wie vor um einen Kopf überragte. Trotzdem schlenderte ich in bester Macho-Manier um sie herum. »Was denn, macht dich Keanu Reeves etwa nicht an?«

Lachend wich sie vor mir zurück. »Ganz und gar nicht!«

Ich strich ihr über die Schulter und sah ihr tief in die Augen, da packte sie mich bei den Hüften und zog mich zu sich heran. »Ich mag meine Gefährtinnen bartlos und mit sanften, weiblichen Kurven.«

»Hm.« Ich fuhr mit der Nasenspitze über ihren Busen und ließ die Maskerade fallen. »Dann brauchst du wohl immer ein bisschen Fantasie, wenn wir zusammen sind, hm?«

Ihre blonde Mähne strich über meine Wangen, als sie das Kinn auf meine Zottelbirne senkte. »Sei jetzt still und lass uns an einen wärmeren Ort gehen.«

»Hey!« Ein bulliger Kerl mit dem Gesicht eines Bügeleisens kam durch das Waldstück auf uns zu. »Was habt ihr hier verloren?«

Diana hob beschwichtigend die Hände und setzte ihr strahlendstes Haarpflegewerbungslächeln auf. »Entschuldigung, wir haben uns verlaufen. Wo geht es denn zurück zur Straße?«

Der Typ sah an ihr vorbei. »Deine Spuren beginnen zehn Schritte vom Schuppen entfernt, und ihre«, er deutete auf mich, »am eingestürzten Dach.« Mit zusammengekniffenen Augen kam er näher und sog tief die Luft ein. »Feen seid ihr nicht, dann bleibt nur noch …« In seinen Augen blitzte etwas Rotes auf. »Dämonen.« Er fuhr die Klauen aus und stürzte sich auf Diana. Sie kreischte, wich seinem Hieb aus und stolperte in eine Schneewehe.

»Wir sind Menschen«, rief ich und schubste ihn in die Richtung, aus der er gekommen war. »Ganz, ganz schlecht fürs Karma, uns anzugreifen. Kostet dich ‘ne Menge Macht.«

Er verzog das Gesicht. »Fuck. Menschen können fliegen? Seit wann?«

»Gefallene konnten es schon immer, und ich bin eben ein bisschen speziell.« Darauf bedacht, zwischen ihm und Diana zu stehen, sammelte ich Magie in Armen und Beinen, um meine Kraft zu verstärken, falls er so dämlich war, wie er aussah.

Sein Blick huschte unstet zwischen uns hin und her. »Warum seid ihr hier? Wer hat euch geschickt? Wenn ihr mich mitnehmen wollt, das könnt ihr vergessen. Ich hab seit zwanzig Jahren niemanden mehr gefressen, aber ich mach eine Ausnahme für euch, wenn ihr was versucht.«

»Wir versuchen nur, wieder zurück zur Straße und dann in unser Hotel zu kommen.« Ich hatte noch immer die Hände erhoben. »Wer oder was auch immer du bist, interessiert uns nicht.«

»Oh doch«, flüsterte Diana. »Er ist ein Dämon.« Sie hatte sich erhoben, ihr Gesicht schimmerte blass. »Aber nicht auf dem Pfad des Aufstiegs. Er darf nicht hier sein.«

Der Mann schnaubte abfällig und spuckte aus. »Ihr Gefallenen seid doch selbst nur einen Schritt von der Gefangenschaft im Dämonenreich entfernt. Ich wette, du würdest mich ohne zu zögern töten und dir meine Kraft einverleiben.«

Dianas Gesicht war zu einer harten Maske erstarrt. »Ja«, sagte sie. »Das werde ich.«

Ich wich zurück. »Äh, muss das sein? Ich kann dich mit so viel Magie versorgen, wie du willst, wir brauchen ihn nicht …«

»Er ist ein Dämon.« Dianas Stimme durchschnitt die Luft kälter als der Herbstwind. »Er hat im Menschenreich nichts verloren.« Ihre Fingernägel verlängerten sich zu Krallen, sie stürzte sich auf den Mann.

Wie ein Wiesel schoss der davon ins Wäldchen. Diana ihm nach. Einen Moment der Verwirrung später rannte auch ich zwischen den Bäumen hindurch in die Richtung, in die sie verschwunden waren. Ein Schatten tauchte seitlich von mir auf. Wie ein Geist schoss Diana durch mein Blickfeld. Ich hatte kaum den Kopf gewendet, da packte mich der Dämon und rammte mich mit dem Gesicht voran in den Boden. Ich bekam den Mund voll Schnee und Kiefernnadeln, konnte mich aber herumwerfen und trat ihn von mir runter. Er rollte sich ab und kam wieder auf die Beine. Er hatte die Maskerade fallen lassen und sah nun mehr wie ein Stier aus als wie ein Mensch. Zotteliges Fell, rot glühende Augen und spitze Hörner. Diana rammte ihre Krallen in seine Flanken und schleuderte ihn in eine Tanne. Borke platzte ab und Zapfen regneten auf mich herunter. Ächzend rutschte der Kerl zu Boden. In meinem Kopf ratterten im Schnelldurchlauf die hunderten Dämonen vorbei, die durch meine Hand gestorben waren. Es hatte sich immer falsch angefühlt, aber es war eben mein Job gewesen, als ich mir den noch nicht hatte aussuchen können.

Diana flitzte um den Dämonen herum wie ein lebendig gewordenes Katana und brachte ihm Dutzende Schnitte bei. Er heulte auf und schlug nach ihr, aber vergeblich. So war es auch immer gelaufen, wenn Telmara mit meiner Hilfe die Dämonen beschworen und ich sie dann erledigt hatte. Die meisten sahen furchteinflößend aus und hatten scharfe Klauen und Hörner, aber sie waren weder geschickt noch klug. Der Dämon wälzte sich durch den Schnee und galoppierte tiefer in den Wald. Diana setzte ihm nach. Ich folgte ihr. Wollte sie bitten, ihn in Frieden zu lassen. Doch dafür war es jetzt zu spät. Gefallene verspürten stets einen gewaltigen Hunger, und auch wenn ich Dianas Hunger auf sanftere Weise zu stillen wusste, würde sie der Jagdinstinkt nie verlassen. Außerdem hatte sie Recht, er durfte nicht hier sein. Wie auch immer er das geschafft hatte, es verstieß gegen die Gesetze der drei Reiche.

Ich rannte zwischen zwei Bäumen hindurch und sah sie. Diana kniete unter einer Kiefer, die weiße Jacke über und über mit Dreck bespritzt. Ihre Hände umgab eine Wolke dunkler Flocken, wie eine Mischung aus Schnee und Asche, die ihre Arme hinaufkroch und in ihrem Leib verschwand. Sie erzitterte und reckte den Kopf zum Himmel. Ein lang gezogenes, zufriedenes Seufzen entrang sich ihrer Kehle. Dann senkte sie den Kopf wieder und flüsterte: »Danke für deine Gaben, kleiner Dämon! Nun bist du wieder dort, wo du hingehörst.« Mit ihren riesigen blauen Augen sah sie mich an und lächelte. »Wir haben ein gutes Werk getan, aber jetzt bin ich müde. Gehen wir ins Hotel?«

Ich nickte stumm und reichte ihr die Hand.

Wohlige Wärme sickerte durch meinen Körper. Ich lag auf Dianas Bauch, in dem riesigen Doppelbett der Fürstensuite, und hielt die Augen geschlossen. Meine Brüste und Schenkel kribbelten noch immer von Dianas Küssen und all dem anderen, womit wir die letzten Stunden beschäftigt gewesen waren.

Sie wickelte eine meiner grünen Haarsträhnen um ihren Finger und kraulte mir den Rücken. »Die musst du mal nachfärben, da kommt überall die Blondierung durch. Das dunkle Grün steht dir so viel besser.«

Ich hob den Blick. »Was macht ein Dämon im Bayerischen Wald? Wie kam der hierher?«

Diana sah zum Fenster. Inzwischen war es draußen dunkel geworden, sodass sie im Licht der Deckenlampe wohl nur sich selbst sehen konnte. »Vielleicht dachte er, dass ihn in dem riesigen Naturschutzgebiet niemand behelligen würde. Oder dass er hier ungestört morden könnte.«

»Denkst du, er hat jemanden umgebracht?« Ich setzte mich neben sie und lehnte den Kopf an ihre Schulter.

»Dämonen können nicht aus ihrer Haut. Früher oder später töten sie jemand.« Sie fasste mein Gesicht und lächelte aufmunternd. »Es war gut, dass wir uns darum gekümmert haben, ja?«

Ich nickte.

Sie küsste mich und stand auf. »Wo wir gerade beim Thema sind – wie geht’s Kieran? Hast du noch Kontakt zu ihm?«

Ich zog die Bettdecke bis über den bloßen Busen hinauf und wünschte mir eine Kippe. Aber ich hatte ja versprochen aufzuhören, also hatte ich keine. »Es geht ihm gut. Bisschen einsam im finnischen Hinterland, aber er hat jetzt einen Job in einem Krankenhaus als Raumpfleger und lernt da wohl auch Leute kennen.«

Diana sah mich fragend an. »Als Raumpfleger?«

Ich nestelte an der Decke herum, weil der Drang, eine zu rauchen, schier unerträglich wurde. »Viktor lehrt ihn magisches Heilen, vielleicht kann er das irgendwann zu seinem Job machen, aber das muss wohl noch komplizierter als Fliegen sein.«

Diana setzte sich an den Frisiertisch und bürstete ihr Haar, das durch unser Liebesspiel in exquisite Unordnung geraten war. »Wie hast du es ihm gesagt?«

Ich rutschte tiefer ins Bett und zog die Decke über den Kopf. »Was meinst du?«

»Dass du nicht mehr seine feste Freundin sein willst?« Sie zeichnete mit den Fingern Gänsefüßchen in die Luft.

»Wir haben erstmal eine offene Beziehung. So eine Art Situationship. Bis ich mich entschieden hab.«

Diana ließ die Bürste sinken und sah mich an. Ich wusste es, obwohl ich sie durch die Decke nicht sehen konnte. »Was genau heißt das?«

»Ich darf noch zum Vögeln vorbeikommen«, murmelte ich.

Diana lachte. »Das passt zu dir.«

Seufzend schälte ich mich unter der Decke hervor und zog mich an. »Ich muss los. Ana auf eine Beerdigung fahren. Zu Hause, in München.«

Diana hatte etwas Mitleidiges im Blick, was mich augenblicklich wütend machte. »Schau mich nicht so an, ich kann sehr gut mit Beerdigungen umgehen.«

Sie stand auf und nahm mich in den Arm. »Oh Baby, das weiß ich doch. Soll ich mitkommen?«

»Nein.« Es kostete mich einige Überwindung, ihren warmen Körper wegzuschieben und in meine Jeans zu schlüpfen. »Ich schaffe das.«

»Soll ich dir meinen Chauffeur leihen? Ich brauche den Wagen erst morgen wieder.« Diana holte ihr Handy raus.

»Nein, ich nehm die Bahn, ist nicht eilig.« Ein letzter Kuss, dann eilte ich die Stufen zum Foyer hinunter und hinaus in den kalten Herbstabend.

Das Hotel lag etwas außerhalb von Bodenmais und damit nur ein paar Kilometer vom Bahnhof entfernt. Ich steckte die Hände in die Taschen meiner Jeansjacke und zog die Kapuze meines Judas-Priest-Hoodies über den Kopf. Der Dämon ging mir nicht aus dem Kopf. Drei Jahre lang hatte ich die Dämonenbeschwörungen und Gefallenenorgien bei Dr. Telmara erfolgreich verdrängt und ein einziger Dämon in der niederbayerischen Pampa brachte alle Erinnerungen mit Wucht zurück. Dabei hatte ich in der Zwischenzeit einmal im Monat versucht, meine dämonische Mutter zum Aufstieg ins Menschenreich zu bewegen – auf dem legalen Weg, den Viktor, mein Vater, und Kieran, mein … puh, Freund, irgendwie jedenfalls, schon erfolgreich gegangen waren – und dabei eine Menge Dämonen durch die Quelle rotieren lassen. Was ein Euphemismus für ich hatte siegetötet war. Aber für Dämonen bedeutete das eben nicht dasselbe wie für Menschen, sie kamen ja immer wieder. Geschwächt vielleicht, aber mit allen Erinnerungen, allen Fähigkeiten und allen Tricks. Kein Grund also, ihnen nachzutrauern. Beim nächsten Besuch bei Muttern waren sie wieder in alter Frische bereit, mich in Stücke zu reißen. Aber dieser hier, der hatte vielleicht einfach nur ein ruhiges Leben verbringen wollen, bis wir aufgetaucht waren und es ihm vermasselt hatten.

Ich kam an einem Zigarettenautomaten vorbei und beschleunigte meinen Schritt. Fuck. Warum nur hatte ich versprochen, das Rauchen aufzugeben? Auf dem Weg zum Bahnhof checkte ich meinen Dienstplan im Handy und stellte fest, dass ich diese Woche noch für zwei Umzüge eingeteilt war. Warum zogen so viele Leute im November um? Das machte im Sommer echt mehr Spaß. Aber im Grunde freute ich mich drauf: Verglichen mit Dämonenbeschwörungen war es eine Kleinigkeit, Waschmaschinen in den dritten Stock raufzuschleppen. Wenn nur diese Beerdigung schon hinter mir läge.

Als ich ein paar Stunden später vor unserem Wohnblock am Ostbahnhof München ankam, versperrte ein Siebeneinhalbtonner das Ende der Sackgasse. Dahinter parkte ein rotzgrüner Honda mit Freisinger Kennzeichen. Die Seligmann aus dem vierten Stock schob ihren Rollator zum Honda, wo ihr Sohn gerade seinem alten Herrn beim Einsteigen half.

Ich blieb stehen. »Servus, Hannes.«

Er erwiderte den Gruß.

»Haben deine Eltern im Lotto gewonnen und jetzt geht’s in die Eigentumswohnung auf Gran Canaria?«

Er seufzte. »Sehr witzig, Evi. Als wenn ihr nicht auch in den nächsten drei Wochen umziehen müsstet.«

Ich zuckte zusammen. Richtig, Ana hatte da was angedeutet. Aber war das etwa schon so bald? In der kühlen Muffigkeit des Treppenhauses unterbrach nur das Knarzen der Stufen die Stille, als ich hinauf zu unserer Wohnung eilte. Ich drückte die Tür auf, die dabei wie immer krachte, und trat in den Eingangsbereich mit dem Flamingoteppich und der abgewohnten Garderobe. »Ana?«, rief ich in die Dunkelheit. »Bist du da?«

Seit ich ihren inneren See vollständig mit Feenmagie gefüllt hatte, waren sämtliche Symptome der Psychose verschwunden, die sie so vielen Jahre an ihr Schlafzimmer gefesselt hatten. Die neugewonnene Lebensqualität hatte sie um Jahre verjüngt und zu allerlei Weltreiseplänen verführt, weshalb ich nie sicher war, ob ich sie antreffen würde, wenn ich heimkehrte.

Die Küchentür ging auf, eine Woge warmer Luft wallte in den Flur und Anas lächelndes Gesicht lugte heraus. »Evi, meine Liebe! Wie schön, dass du schon heute kommst, ich dachte, ich sehe dich erst morgen früh, wenn wir losmüssen.«

Ich zog das Unterlippenpiercing zwischen die Zähne und kaute darauf herum, während ich Ana umarmte. »Stimmt es, dass wir in drei Wochen hier raus sein müssen?«

Überrascht wich sie zurück. »Äh, nun …«

»Also ja?«

Sie sah weg. »Ich wollt dich nicht damit belasten. Mona kümmert sich um alles. Du bist so viel unterwegs und hast ja auch noch deine andere Wohnung, da dachte ich, wir lassen das auf uns zukommen.« Sie hob die Schultern.

»Aber warum?«, fragte ich. »Ich arbeite bei einer Umzugsfirma, ich hätte doch helfen können.«

»Weil der Block abgerissen wird«, sagte sie leise, wich meinem Blick aus.

»Der was? Wie? Wann!« Tränen drängten sich in meine Augenwinkel, ohne dass ich mir erklären konnte, wieso.

»Eine Immobiliengesellschaft hat den ganzen Straßenzug gekauft und will hier einen Wohnpark errichten.« Ana zog mich mit in die üppig geheizte Küche und drückte mich sanft auf den Stuhl beim Fenster. »In drei Wochen ziehe ich zu Tony.«

»Und Mona?«, fragte ich.

»Zieht zu Saskia. Und nach der Hochzeit dann nach London, wenn ich das richtig verstanden habe.« Sie stellte mir eine Tasse hin, füllte sie mit Tee und rundete mit einem kräftigen Schuss Rum ab. Ich starrte aus dem Fenster auf die alten Kastanien, unten denen sich meine gesamte Kindheit und Jugend abgespielt hatte. Ein Riss ging durch mein Herz. »Aber maman …« Ich schluckte. »Wohin soll ich denn dann? Ich hab doch nie ein anderes Zuhause gehabt.«

Spontan nahm sie mich in den Arm und drückte mich so fest, dass ich kaum schluchzen konnte.

»Es tut mir leid, Evi. Ich wollte es dir ja sagen, aber siehst du, genau das habe ich befürchtet.« Ana wischte mir die Tränen von den Wangen. »Ich hab schon mit Tony geredet. Er plant sowieso einen Anbau. Bis es so weit ist, teilen sich Melissa und Joseph ein Zimmer und du kannst das andere Kinderzimmer beziehen.«

Taubheit breitete sich in meinem Inneren aus. Ich vergrub das Gesicht an Anas Schulter. »Tony hasst mich.«

»Er hasst dich nicht. Er ist nur manchmal etwas überbehütend. Ich habe ihm gesagt, wenn er nicht nett zu dir ist, kann er es sich abschminken, dass ich auf die Kinder schaue, während er und Franziska in der Arbeit sind.«

»Ach, nein, nicht schon wieder!« Mona kam aus ihrem Zimmer, mit nichts als einer halb geschnürten, weißen Korsage und Unterwäsche bekleidet. »Kannst du mir mal helfen, maman? Ständig verheddert sich die verdammte Schnürung, wenn ich versuche, das Kleid zu schließen. Und ich muss es morgen spätestens zurückschicken, wenn ich es nicht behalten will.«

Siedend heiß fiel mir wieder ein, was Ana gerade gesagt hatte: »Warte mal, du ziehst nach London?«

Mona blinzelte. »Nach der Hochzeit, ja. Hab ich dir das nicht erzählt?«

Schwerfällig schob ich mich in die Höhe, doch da traf mich der nächste Hammer der Erkenntnis. »Du heiratest?«

Stirnrunzelnd beugte Mona sich vor und schnupperte. »Hast du gekifft? Du hast doch versprochen, das nicht mehr zu tun.«

Ich fühlte mich, als würde mir der Boden unter den Füßen weggezogen. Mona heiratete und zog nach London, Ana würde bald bei ihrem Sohn wohnen und das Haus meiner Kindheit wurde abgerissen. Nie hatte sich das Loch in meinem Herzen größer und leerer angefühlt. Nicht seit Bens Tod. Kraftlos sank ich zusammen. »Tut mir leid«, murmelte ich. »War alles bisschen viel in letzter Zeit.« Ich rieb mir übers Gesicht. »Am besten geh ich schlafen.«

»Gene, warte mal.« Mona berührte mich an der Schulter. »Du hast aber nicht vergessen, dass du Freitag mit Saskia und mir zum Tee verabredet bist, oder? Ich fände es blöd, wenn ihr euch auf der Hochzeit das erste Mal seht. Vor allem, weil du doch meine Brautjungfer bist.«

Ich lächelte gequält. »Klar trinke ich Tee mit dir und Saskia. Könnte mir absolut nix Schöneres vorstellen.«

Mona schnaubte und küsste mich auf die Stirn. »Du wirst sie mögen. Sie ist wirklich ein wundervoller Mensch.«

Den neuen Teil des Waldfriedhofs in Großhadern erreichte man von uns aus ganz gut über die Bundesstraße. Ana hatte sich hübsch gemacht, schwarzes Kleid, schwarzer Mantel und schwarze Handtasche. Einen Hut würde man meiner Pflegemutter nicht auf den Kopf bekommen, selbst bei dem ekelhaften Schnee-Regen-Gemisch, das schon seit Stunden auf München herabrieselte. Wofür gab es schließlich Regenschirme? Nur die Schuhe passten nicht ganz zum feierlichen Outfit, denn Ana legte nun mal Wert auf bequemes Schuhwerk, was auch immer der Anlass war. In dieser Hinsicht herrschte Einigkeit bei uns. Ich trug wie immer bei solchen Gelegenheiten meine »Behördigungsklamotten«: unbedrucktes, schwarzes Shirt und schwarze Jeans ohne Löcher – perfekt für Behördengänge, Beerdigungen und alles andere, wo man die Leute nicht so sehr verstören wollte. Denn wenn sie erstmal die Vorurteilskiste aufrissen und guckten, unter welchem satanischen Verein Battlebeast zu verbuchen wäre, oder den Powerwolf’schen Shirtaufdruck Metal is Religion als blasphemischen Angriff auf ihre Kultur interpretierten, fing die Stimmung an zu kippen. Normalerweise war das ja der Spaß daran, aber manchmal musste eben der eigene Spaß hinter der Liebe zu einer niedlichen, alten Frau zurückstehen. Sie strahlte mich an und strich über meine Schultern. »Gut siehst du aus, Evi.«

Wir quetschten uns in den blassgrünen Daihatsu, den Ana auch nach einem Vierteljahrhundert noch in Ehren hielt, ich legte den D-Gang ein und los ging’s.

»Ich hoffe, wir kommen nicht zu spät zur Kirche. Schrecklich, dieser Verkehr.« Ana sah mich sorgenvoll an. »Ist alles in Ordnung mit dir, Evi? Du scheinst etwas auf dem Herzen zu haben.«

»Mir geht’s gut.« Ich schluckte, setzte den Blinker und ordnete mich in den dichten Verkehr an der Grafinger Straße ein.

Ana sah traurig aus. »Es hat nichts mit dem Naches zu tun, der dich heimgesucht hat, oder? Trägst du auch immer das Auge?«

Ich legte die Hand auf das Amulett unter meinem T-Shirt. »Immer, Ma. Und nein, es hat nichts mit dem Gefallenen zu tun.« Jedenfalls nicht mit dem, den sie so treffend als bösen Geist bezeichnete. Der war ins Dämonenreich verbannt und würde so schnell nicht zurückkehren. Selbst bei meinen Besuchen bei Carolina hatte ich Augustus Hormezyor nie dort unten getroffen. Mochte er bleiben, wo das Dämonenmeer am tiefsten und dunkelsten war.

Wir erreichten die Trauerhalle gerade rechtzeitig, um das Eingangsgebet mitzusprechen. Ich sah mich um und versuchte, so wenig wie möglich anwesend zu sein. Gestorben war eine Elise Frommboise; wie sie zu Ana in Beziehung stand, hatte ich noch nicht verstanden. Eigentlich sehnte ich mich auch nur nach dem Moment, an dem ich diesen Ort wieder verlassen konnte. Seit Bens Tod jagte mir die stille Halle an dem kleinen See stechende Kälte in alle Glieder, wenn ich sie auch nur auf einem Foto sah. Direkt in ihr zu sein, lähmte mich geradezu. Ana fasste meine Hand und drückte sie, sodass ich schreien wollte, aber ich konnte sie ihr nicht entziehen, ohne brutal zu wirken, also ertrug ich die unerwünschte Mitleidsbekundung, so gut ich konnte. »Ich vermisse ihn sehr«, flüsterte Ana, als wüsste sie, dass ich permanent nur an Ben dachte und nicht an Elise, wer auch immer sie gewesen sein mochte. Und da wurde mir klar, dass sie meine Hand nicht hielt, um mich zu trösten, sondern um sich zu trösten. Ich legte auch die andere Hand auf ihre und lächelte. Es war kein echtes Lächeln und es reichte auch nicht, um die verfluchten Tränen zurückzudrängen, aber Ana nahm es klaglos an.

Während wir hinter dem Pulk Trauernder und dem Sarg hergingen, meine Beine so schwer, als würde ich durch hüfthohen Schlamm waten, fragte ich nach der Toten.

»Elise und ich haben uns letzten Sommer beim Wildwasserrafting kennengelernt«, sagte Ana. »Sie war eine wunderbare Frau. Dass sie dem Krebs so lange standgehalten hat, schrieb sie unter anderem unserer Raftinggruppe zu.« Ana schniefte und betupfte ihre Augenwinkel. Sie schien ehrlich traurig zu sein, während in meinem Kopf hartnäckig die Grindcore-Version von »Für Elise« lief, um die Dauerschleife der Erinnerungen an Bens Beerdigung zu betäuben. Hatte mich das ständige Kämpfen mit Monstern im Dämonenreich zu sehr abgestumpft, um die Trauer über den Tod einer alten Elise zu verstehen, die Ana nur aus dem Urlaub kannte?

»Letztlich kommt der Tod zu uns allen.« Ana blickte in die Richtung, in der irgendwo in einem der Urnengrabfelder ein kleines Schildchen mit dem Namen Ben Douhedani stand.

Ich biss die Zähne zusammen. Bitte lass uns nicht jetzt dorthin gehen, ich kann nicht, ich will nicht.

»Elise war nicht mehr jung, aber was macht das für einen Unterschied? Letztlich ist es doch immer zu früh, wenn ein Mensch von uns geht. Nicht wahr?«

Ich nickte stumm.

»Aber weißt du, woran mich Beerdigungen immer erinnern?« Sie hakte sich bei mir unter und lehnte den Kopf an meine Schulter. »Es erinnert mich daran, wem ich mein Leben verdanke.« Ihr fluffiges, graues Haar kitzelte meinen Hals und sandte einen wohligen Schauer durch meinen Körper. Ich legte den Arm um sie. »So wie ich meines dir«, flüsterte ich und drückte sie an mich.

Nach dem Leichenschmaus und den Kondolenzbekundungen fuhr ich Ana wieder nach Hause.

»Hast du immer noch diese gut bezahlte Stelle in Garching?«, fragte sie.

»Ja«, log ich.

»Wäre es unverschämt, wenn ich dir von meinen Reiseplänen für den Sommer erzähle? Elises Tod hat mich daran erinnert, dass ich schon lange nicht mehr beim Rafting war.«

Ich wand mich in meinem Sitz. »Ana, du weißt, dass ich dir keinen Wunsch abschlagen kann, und am Geld wird es nicht scheitern, aber warum ausgerechnet Rafting? Warum nicht irgendwas Ungefährliches wie, weiß nicht, Wellness im Chiemgau oder Strandurlaub auf den Malediven?«

»Weil du dich auch immer für die ungefährlichsten Aktivitäten entscheidest, meinst du?«

Touché. »Na schön. Machen wir es so: Du fliegst für vierzehn Tage auf die Malediven und machst mal so richtig einen auf Entspannung. Und wenn du danach immer noch Raften gehen willst, dann zahle ich dir das auch. Gut?«

Ana lachte. »Macht dir das wirklich nichts aus? Ich will nicht, dass du wegen meiner Eskapaden in finanzielle Schwierigkeiten gerätst.«

Ich winkte ab. »Ist ja nicht so, als würde ich dafür eine Niere verkaufen müssen.«

Ana drückte mein Knie und lächelte mich dankbar an. »Du bist das Beste, was mir je passiert ist«, sagte sie und schon wieder brandete das warme Kribbeln durch mein Inneres.

Nachdem der Daihatsu wieder an seinem angestammten Platz auf dem vorletzten Parkplatz ganz hinten in der Sackgasse stand, verabschiedete ich mich von Ana.

»Du kommst nicht mit rauf?«, fragte sie.

»Hab ein Bewerbungsgespräch.« Ich gab ihr ein Küsschen auf die Wange. »Und danach muss ich zu einem Umzug.«

Ana runzelte die Stirn. »Du nimmst noch eine dritte Stelle an? Wird das nicht langsam … Evi, du musst nicht meinetwegen so viel arbeiten, wir lassen das mit den Malediven einfach gut sein…«

Ich unterbrach sie mit einer Geste. »Ma, ich mach das nicht wegen dir. Ich hab einfach Lust auf einen Stellenwechsel, weil, ich will ja nicht bis an mein Lebensende Waschmaschinen für reiche Leute schleppen. Ich werd nicht drei Jobs arbeiten, versprochen.«

Sie drückte mich. »Einverstanden. Was ist das für eine Stelle, auf die du dich bewirbst?«

»Was vollkommen Legales«, erwiderte ich und wusste gleich, dass sie sich nun noch mehr Sorgen machte, als hätte ich gleich im Puff gesagt.

Ana aber nickte nur tapfer und sagte: »Pass auf dich auf, ja?«

»Immer«, erwiderte ich.

Z W E I

Hart schlug ich auf den Boden des Boxrings auf. Ich wischte mir das Blut von der Unterlippe und zwang mich, aufzustehen. Meine Gegnerin versuchte, ihre Erschöpfung hinter einem Lächeln zu verbergen. Sie hob die Arme, um ihren Kopf zu schützen, und versetzte mir zwei schnelle Kicks, die ich mit dem Unterarm blockte. Ich reagierte mit zwei angetäuschten Schlägen gegen den Kopf und dann einem Schwinger in den Magen. Mit einem uff entwich die Luft aus ihren Lungen und sie sackte zusammen. Cherry sprang von ihrem Caféhausstuhl und trat an den Ring. »Gibst du auf?«

Meine Gegnerin stützte sich auf Hände und Knien und nickte mehrmals.

»Gut gekämpft, Sibyl. Geh duschen und nimm dir den Rest des Tages frei.« Cherry setzte sich wieder auf den Stuhl und leerte ihren Gin Tonic.

Ich reichte Sibyl die Hand und half ihr auf. »Danke für die Gelegenheit, gegen dich anzutreten, du hast es mir echt nicht leicht gemacht«, sagte ich mit einem Lächeln.

Sie schnaubte. »Dass du überhaupt noch stehst. Hast du eine Stahlplatte im Kopf? Du bist echt nicht kaputt zu kriegen.«

Ich drückte die Ringseile auseinander, sodass sie hindurchschlüpfen konnte, und rieb mir dabei die Flanke. Die Frau hatte üble Dropkicks drauf. Ich wünschte, meine Technik wäre nur halb so gut. Gemessenen Schrittes schlenderte ich zu Cherry rüber. Mit überschlagenen Beinen und verschränkten Armen saß sie an dem Caféhaustisch, der dem Boxring am nächsten stand.

»Und?«, sagte ich. »Was denkst du?«

»Ich denke, dass da viel mehr Wumms hinter deiner Fassade ist, als du durchblicken lässt. Du hast dich die ganze Zeit zurückgehalten, oder? Nicht mal der letzte Schlag hatte echte Energie dahinter. Hast die arme Sibyl einfach kaputtgespielt, bis ihr die Kraft ausging. So viel wie du eingesteckt hast, bin ich froh, nicht für deine Krankenversicherung zahlen zu müssen.«

Ich runzelte die Stirn. »Tut mir leid, aber ist das jetzt gut oder schlecht?«

Sie griff in die Tasche ihrer Lederjacke und zog eine Schachtel Zigarillos heraus. »Kommt drauf an. Gut, wenn du dich mal gegen eine Gruppe größerer, stärkerer Gegner verteidigen musst.« Sie zündete einen Zigarillo an und blies den fruchtigen Rauch in meine Richtung. »Schlecht, wenn du in der Wounder-Bar als reguläre Kämpferin auftreten willst.«

»Warum?« Ich lehnte mich gegen den Rand des Boxrings und ließ den Blick über die ehemalige Wunder-Bar schweifen. Bis auf den Boxring hatte Cherry nichts am Interieur verändert. Es wirkte immer noch wie eine Kreuzung aus Esoterikladen und Art-House-Café.

»Zwei Gründe. Erstens, du verlierst nicht, vermutlich schon aus Prinzip nicht. Ich müsste also das Konzept von Mixed Martial Arts auf Wrestling umstellen, damit das Ganze nicht dröge fürs Publikum wird. Andernfalls wäre ich darauf angewiesen, dass du das Highlight des Abends wirst.« Sie wedelte mit den Händen. »Wer versucht heute, die große Gene Sommer zu schlagen? Wird sie wieder dominieren? Auch gegen Brutus den Berserker?«

Ich schmunzelte. »Ziemlich sicher ja, aber ich hätte auch mit Wrestling Kayfabe kein Problem. Ich muss nicht immer gewinnen.«

Sie zog wieder an dem Zigarillo und schüttelte den Kopf. »Schon klar. Aber das eigentliche Problem ist Punkt zwei. Leute wie du«, sie stach mit ihrem knallrot lackierten Zeigefingernagel in die Luft vor mir, »verschwinden.«

Ich hob die Augenbrauen. »Äh … was?«

»Sie kommen ein paar Mal zu spät zur Arbeit, dann sind sie eine Woche weg und irgendwann verschwinden sie ganz.« Cherry überschlug die Beine wieder und wippte mit dem Cowboystiefel. Die Nieten reflektierten das Licht und malten blinkende Punkte an die Decke, die noch immer in den ayurvedischen Farben der Chakrameditation bemalt war.

»Ich nicht. Ich gebe niemals auf.«

Cherry lachte. »Und genau da liegt das Problem. Du bist absolut rücksichtslos gegen dich selbst. Weil du stark bist, kannst du dir das leisten. Aber eines Tages kommt eine, die ist stärker als du. Du jedoch gibst nicht auf, und du holst dir auch keine Hilfe, nicht wahr? Leute wie du holen sich nie Hilfe.« Sie zog an dem Zigarillo und blies eine weitere Rauchwolke in die Luft. »Und das wird dein Untergang sein. Dann bist du im Knast oder schlimmstenfalls unter der Erde und ich steh da mit meinem MMA-Freitag und ohne Champion.« Sie drückte den Rest der Kippe in den Ascher und stand auf. »Das Risiko geh ich nicht ein, nicht so kurz nach der Eröffnung.« Sie reichte mir die Hand. »Danke für deine Zeit.«

So schnell war ich wieder auf der Straße vor der Wounder-Bar, dass ich fast in einen Radfahrer geprallt wäre. Ich hob den Kopf und starrte das Schild an, in dem Cherry lediglich eine prall rote Kirsche zwischen das W und das U von Wunder hatte malen lassen. Und den neuen Untertitel der Bar Fight for your right to party. Ich fragte mich, ob Mona und Ana wussten, was sie nach dem Verkauf aus der Wunder-Bar gemacht hatte. Vermutlich wollten sie es gar nicht wissen. Vielleicht war es ihnen auch egal. Mona schien Dinge viel besser loslassen zu können als ich und Ana erinnerte sich womöglich gar nicht mehr. Ich war froh, dass es ihr endlich besser ging und sie das Leben genießen konnte, nach all den Jahren der Qual.

Allerdings nervte es mich, dass Cherry mich hier nicht arbeiten lassen wollte. Wochenlang hatte ich mich bemüht, alles umsonst. Seufzend kickte ich eine leere Coladose vor mir her, bis ich den Mülleimer an der Bushaltestelle erreichte, und warf sie hinein. Bis zum Beginn des Umzugsjobs waren es noch drei Stunden und bis nach Hause eine Viertelstunde zu Fuß. Ich hätte also heimgehen können, aber seit ich wusste, dass sie den Block abreißen würden, fühlte es sich an, als würde ich einen sterbenden Freund besuchen, und wenn es etwas gab, was ich überhaupt nicht verkraftete, dann sterbende Freunde.

Die Sonne verschwand hinter der Wounder-Bar und sofort wurde es kalt.

Ich fühlte mich ausgelaugt und hatte Hunger. Dementsprechend wusste ich genau, wo ich jetzt hinmusste: Es gab wenig Speisen, die so dazu geeignet waren, düstere Gedanken zu vertreiben, wie Falafel mit extra Scharf von Habibi.

Doch die Wirkung der köstlichen Kichererbsenbällchen war so mittel – hungrig war ich nicht mehr, aber besser gelaunt auch noch nicht. Ich checkte mein Handy und stellte fest, dass der Umzug in Großhadern begann.

Ach, fuck.

Als ich aus der U-Bahn stieg und die Adresse anstarrte, wo Hubert schon den LKW geparkt hatte und Ingo die rotweiß gestreiften Hütchen aufstellte, obwohl es erst in zwei Stunden losging, wendete ich spontan und ging rüber zum Friedhof. Inzwischen war es komplett dunkel geworden und ich fühlte mich an einen schlechten Horrorfilm erinnert, als ich im Licht der Laternen, von denen eine in unregelmäßigen Abständen flackerte, die Friedhofsmauern passierte.

Langsam schritt ich an der Reihe schmuckloser Urnenerdgräber entlang, bis ich das Schildchen mit Bens Namen fand. Obwohl seit Tod bereits sechs Jahre zurücklag, hatte ich erst vor drei Jahren den Mut aufgebracht, ihn zu besuchen. Gleich nachdem ich erfahren hatte, dass Bens Seele jetzt meiner kleinen Nichte Melissa gehörte. Ein Stück Rasen mit einem kleinen Messingschild, mehr war nicht von seinem früheren Leben geblieben. Mehr hatte ich ihm nicht gelassen. Ich schluckte hart. Ich hatte mehrfach versucht, mit Melissa darüber zu sprechen. Sie schien sich auf gruselige Weise an Teile ihres früheren Lebens zu erinnern, war aber doch nur ein Vorschulkind, sodass ich lieber hierherkam, wenn ich mit Ben reden wollte. Das Ganze blieb unglaublich surreal und verwirrend. Denn mit wem sprach ich hier, wenn Bens Seele schon längst weitergezogen war und wahrscheinlich gerade gummibärchenkauenderweise Pokémon Silber auf der Switch spielte?

»Hi«, sagte ich und hob die Hand. Ich hockte mich vor das Grab und erzählte von meiner Woche. »Dieser Dämon geht mir nicht aus dem Kopf«, sagte ich. »Was macht der hier? Wie ist er aus dem Dämonenreich entkommen? Ich dachte immer, du brauchst für ein Tor Feenmagie, und dass nur ein Aufstiegswilliger und eine Königin gemeinsam ein solches Portal öffnen können. Oder eben eine verrückte Wissenschaftlerin wie Telmara und ein Adnexus wie ich. Feen haben da sicher auch ihre Methoden, aber Dämonen? Wie hat er’s geschafft und was bedeutet das für …« Ich stand wieder auf und schüttelte den Kopf. Nein, ich würde Carolina sicher nicht einen Weg bieten, ohne Aufstieg ins Menschenreich zu wechseln. Das wäre ja noch schöner, dann würde sie Viktor vermutlich niemals sein Unterpfand zurückgeben.

»Eine interessante Frage, Evgenia.« Doktor Telmara erschien wie aus dem Nichts hinter mir und trat neben mich an das Grab. Im Gegensatz zu mir hatte sie einen üppigen, pietätvollen Blumenstrauß dabei.

»Was, wenn deine leibliche Mutter in all ihrer Pracht plötzlich durch das beschauliche München wanderte? Weiß sie von dieser luxuriösen Möglichkeit, das Beste aus buchstäblich allen Welten zu ergattern? Ihre dämonische Kraft, die Feenmagie deines Vaters und die Fülle ahnungsloser und schutzloser Menschen, die sie ungehindert ausbeuten könnte, als wäre sie …«

»… eine skrupellose Gefallene, die bei der Verfolgung ihrer Ziele über Leichen geht? Wie die meines Bruders? Was zur Hölle wollen Sie hier?« Sicherheitshalber wich ich zurück. Auch wenn es mir stank, offen Respekt zu zeigen, aber manchmal war der Unterschied zwischen Freiheit und Gefangenschaft nur einen Schritt breit, und ich wollte verdammt sein, wenn ich aus Überheblichkeit auf diesen Schritt verzichtete.

»Wo ein Habermann-und-Söhne-Lkw steht, ist eine Evgenia oft nicht weit. Und ich wollte an einem Ort mit dir sprechen, an dem ich nicht Gefahr laufe, zu vielen alten Feinden gleichzeitig zu begegnen.« Sie lächelte dünn. »Warum gehst du nie ans Telefon, wenn ich anrufe?«

»Weil Sie ein verlogenes Miststück sind und man Ihnen nicht trauen kann!« Ich ballte die Fäuste und verzichtete nun doch auf den Schritt, um Telmara meine Wut direkt ins Gesicht zu schreien.

Sie hob den Zeigefinger an die Lippen. »Das hier ist ein Friedhof. Etwas Respekt gegenüber den Toten.«

Ich hob die Faust, sie aber wich behände aus, brachte sich hinter mich und drehte mir den Arm auf den Rücken.

Scheiß Magie! Warum konnte ich das nicht so gut wie sie?

Mit einem Ächzen versuchte ich, zu entkommen, aber keine Chance.

»Ich bin gekommen, um dich zu warnen, Evgenia. Die Feen führen Krieg gegeneinander, was nur bedeuten kann, dass die Urmutter bald einen neuen Champion wählen wird. Diesmal aber ist der Aufruhr darum größer als je zuvor. Wesen aus allen Reichen werden instrumentalisiert und verheizt; und besonders universelle Magieanwender wie du, dein Vater oder der junge Mann, der mir mein rechtmäßig ergaunertes Imperium abspenstig gemacht hat, sind für manche Fraktionen sehr interessant. Also gib gut auf dich acht, Evgenia, und wähle weise, wem du dein Vertrauen schenkst. Du tätest gut daran, deine Haltung zu mir noch einmal zu überdenken. Ich bin vielleicht die Einzige, die noch zwischen dir und einem unrühmlichen Ende zwischen den Fronten steht.« Damit schubste sie mich, sodass ich mehrere Schritte nach vorn stolperte und unsanft auf den Knien landete. Ich krallte die Finger in den feuchten Erdboden und schoss in die Höhe. Doch als ich mich umdrehte, war sie bereits irgendwo zwischen den Bäumen verschwunden. Suchend rannte ich umher, konnte jedoch keine Spur von ihr entdecken.

Fuck! Fuck, fuck, fuck, fuck!

Zurück beim Umzugswagen empfing mich Peter mit ausgebreiteten Armen. »Na, bereit für einen fetten Nachtzuschlag?«

Ich zuckte nur mit den Schultern. »Klar.«

Er merkte, dass etwas nicht stimmte, aber weil Peter ein echter Kumpel und mein Held war, fragte er nicht nach, sondern klopfte mir nur freundschaftlich auf die Schulter. »Wird schon wieder.«

Mein Handy weckte mich mit dem charakteristischen Schrei von Yannis Papadopoulos zu Beginn des Refrains von Beast in Black. Ich hatte den Ton für Nachrichten von Mona eingestellt, denn meistens, wenn meine Schwester etwas von mir wollte, war es entweder dringend, ätzend oder eine Katastrophe. In diesem Fall war es alles drei. Sie schrieb: Komm bisschen später, bestellt ruhig schon mal was.

Ich hatte absolut keine Lust auf die Verabredung mit ihr und Saskia, aber sie würde es mir bestimmt nicht verzeihen, wenn ich einfach liegen blieb. Also zog ich mich an, joggte zum Ostbahnhof und nahm die S-Bahn Richtung Innenstadt.

Wir trafen uns in einem Café am Sendlinger Tor, weil das nur fünf Minuten zu Fuß von Saskias Kanzlei lag. So konnte ich außerdem jederzeit einen dringenden Anruf faken und mich in die U-Bahn flüchten, wenn genau das passierte, was immer geschah, wenn ich mit spießigen Millenials konfrontiert wurde: Jemandem platzte eine Zornesader – für gewöhnlich mir. Ich hatte mir auch keine Mühe gegeben, jemand sein zu wollen, der ich nicht war, und trug zu meinen strategisch durchlöcherten Jeans ein Judas-Priest-T-Shirt und in den Ohren Piercings mit Totenschädeln, Spinnen, Spikes und einem Chaosstern. Nur die runden Stahlpiercings im Gesicht hatte ich so gelassen, wie sie waren. Seit ich sie nicht mehr für Telmaras Beschwörungen herausnehmen musste, verzichtete ich dankend auf die Frickelei. Auch Saskia hatte nichts unternommen, um weniger wie eine fleischgewordene Sparkassenwerbung auszusehen. Die dunklen Locken zu einem strengen Zopf zusammengefasst, saß sie in einem burgunderfarbenen Kostüm auf der anderen Seite des runden Tischchens und verzog das Gesicht zu einem Lächeln. »Du bist also Gene. Erzähl doch ein bisschen von dir.«

»Mona sollte jeden Moment hier sein, kein Grund für Smalltalk, würd ich sagen.« Ich biss mir auf die Lippe. Ups, das klang ausgesprochen viel fieser als es gemeint war. »Ich meine, äh, ich red nicht gerne über mich. Erzähl du mir lieber was von dir.«

Saskia kam der Aufforderung mit erschreckender Begeisterung nach und berichtete mir von ihrem Kindheitstraum, Anwältin zu werden, den Herausforderungen eines Jurastudiums an der LMU und ihrem Lieblingshobby Reenactment.

»Was für ‘n Dings?«

»Du kennst doch diese Mittelaltermärkte auf Burgen und Schlössern?«

»Nein.«

Saskia räusperte sich. »Wir wählen uns einen Ort und eine Zeit in der Vergangenheit, zum Beispiel 1783–85 in Ostbayern, und fertigen dann Kleidung, Accessoires et cetera entsprechend der Epoche an. Bei Veranstaltungen tragen wir diese dann und spielen Rollen. Ich stelle am liebsten die Baronin von …«

»Mona!« Ich sprang auf und umarmte meine Schwester. »Wie schön, dass du endlich hier bist!«

Saskia ließ sich nicht aus dem Tritt bringen, begrüßte Mona mit einer liebevollen Umarmung und einem Küsschen und rutschte auf den Platz neben mir, damit Mona sich setzen konnte. »Tut mir leid ihr beiden.« Sie klang atemlos. »Ich musste noch mit dem Umzugsunternehmen sprechen, weil sie doch die Wohnung am Montag ausräumen sollen. Ich sag’s euch, so ein Chaos hab ich selten erlebt. Ist das bei euch in der Firma auch so?«

»Ja, absolut. Alle total inkompetent, vor allem die Leute, die die Möbel schleppen. Die lassen da sogar Frauen unter Eins Sechzig arbeiten, Zustände, sag ich dir.« Ich kippelte mit dem Stuhl.

Mona hob abwehrend die Hände. »Das meinte ich gar nicht, ich hab ja nicht mit den Möbelpackern selbst gesprochen, sondern nur mit deren Büro.«

»Du arbeitest als Möbelpacker?« Saskia machte große Augen.

»Ja. Was dagegen?«

Sie wurde rot. »Nein, gar nichts dagegen. Du siehst nur … äh …«

»Viel zu klein und spillerig aus, um eine Miele-Waschmaschine alleine in den Aufzug zu wuchten? Mach ich aber zweimal die Woche.« Ich nickte in Richtung Bedienung. »Will mal jemand das Herzchen herrufen? Ich hab Durst.« Sommer war nicht nur mein Nachname, sondern auch meine Lieblingsjahreszeit und meine Novemberstimmung nicht nur von Saskias Spießigkeit geprägt.

»Ja, sicher!« Mona winkte den milchgesichtigen Typen mit dem Kringelzopf herbei. »Einen Eiskaffee und ein Stück Schokoladenkuchen, bitte. Und du, Schatz?«

Saskia bestellte einen Earl Grey und ein Stück Apfelkuchen und ich ein Helles und das Club-Sandwich. Ich hatte die Hände in die Hosentaschen gesteckt und starrte den brummenden Heizpilz vor uns an, während Saskia und Mona sich über ihren Vormittag austauschten.

»Also, du hörst gerne Heavy Metal, ja?«, fragte Saskia mich schließlich.

»Ist das so offensichtlich?«, fragte ich. Diese Frau ging mir schon durch ihre bloße Existenz tierisch auf den Zeiger.

»Ich finde ja, dass Rob Halford ein toller Kerl ist«, sagte Saskia.

»Ach echt?« Ich hörte auf zu kippeln. Dass sie den Judas-Priest-Sänger mit Namen kannte, hatte ich ihr nicht zugetraut. Vielleicht war sie ja doch nicht so spießig, wie sie rüberkam.

»Ja! Ein bibeltreuer Christ, seit sechsunddreißig Jahren trocken und einer der prominentesten Vertreter der Queer Community. Und er ist Brite.« Sie verdrehte schwärmerisch die Augen. »Ich freu mich schon so auf London.« Spontan küsste sie Mona.

Wow. Saskia konnte sogar den Metal God wie ein Lämmchen charakterisieren. Und warum ausgerechnet diese verblödete Stadt auf dieser dummen Insel? Ich würde Mona nur noch bei Familienfeiern sehen – bei Tony, verdammt – und wenn diese nervige Anwaltstrumpe dabei war. »Muss mal kurz schiffen«, sagte ich und verschwand ins Innere des Cafés.

In dem winzigen Bad mit rosenverziertem Porzellanwaschbecken sperrte ich mich in eine der beiden Kabinen ein und vergrub das Gesicht in den Händen. Was war bloß los mit mir? Ich berührte mein Sonnengeflecht und gab Magie hinein, um auf die Seelenebene zu wechseln. Strahlend blauer Himmel begrüßte mich über dem inneren See. Die Wasseroberfläche kräuselte sich unter meinen nackten Zehen, es herrschte Frieden. Das erschien mir wie Ironie, denn ich hatte mich in letzter Zeit selten so angespannt und gereizt wie heute gefühlt. Dem See schien das schnuppe, er spiegelte lediglich den Zustand meines Karmas wider – und das wirkte im Gegensatz zu meinem Alltag vollkommen im Gleichgewicht. Ich rief die Seelenapfelsine hervor – jenen leuchtenden Kern, der unsere ureigenste Essenz enthielt und uns mit allen anderen Seelen verband, die wir je berührt hatten. Bestimmt hatte das Ding irgendeinen wohlklingenden Namen im Fachsprech, wie Chi oder Chakra oder Chocobo, aber ich fand Seelenapfelsine ziemlich eingängig. Die Fäden, die mich mit der Welt verbanden, erstreckten sich bis zum Ende der Seelenebene. Ich berührte jenen, der mich mit Mona verband und gab etwas Magie hinein. Kieran hatte mich das gelehrt, und ich hatte versprochen, damit kein Schindluder zu treiben. Aber da kleine Sünden im Gegensatz zur landläufigen Meinung nicht sofort bestraft wurden, sondern recht leicht wiedergutzumachen waren, konnte ich mir im vorherrschenden Karmawetter wohl eine solche erlauben. Ein Fenster öffnete sich vor mir und zeigte mir Mona, die mit betretenem Gesichtsausdruck Saskias Handrücken streichelte. »Ich habe ihr so viel zu verdanken. Sie verdient es, Brautjungfer zu sein, auch wenn sie ein bisschen ungehobelt ist.«

Saskia lachte auf. »Ein bisschen ungehobelt? Deine Nichte Melissa ist ein bisschen ungehobelt. Deine Pflegeschwester ist mehr auf Krawall gebürstet als ein Trupp Klimakleber.«

»Nenn sie nicht so.«

»Na, hör mal, ich werde bestimmt nicht deren euphemistische Selbstbezeichnung benutzen. Das sind Terroristen, ganz einfach.«

»Nein, ich meine Gene. Sie mag es nicht, wenn man betont, dass sie eigentlich nicht zur Familie gehört.« Mona sah zur Theke, als erwarte sie jeden Augenblick meine Rückkehr.

»Na ja, aber das tut sie doch auch nicht, oder? Ich meine, das sieht man schon allein daran, dass sie überhaupt nichts mit dir gemeinsam hat. Sie ist klein, grünhaarig und angezogen wie ein Straßenkind. Du hingegen bist wunderschön wie die aufgehende Sonne über dem London Tower.« Saskia streichelte Monas Wange.

»Haha, mit Komplimenten warst du schon immer gut.« Mona küsste sie. »Versuch einfach, mit ihr klarzukommen. Sie ist mir wichtig.«

Saskia hob die Augenbrauen und spitzte die Lippen. »Du weißt, dass du in ein paar Wochen nicht mehr auf ihr Geld angewiesen bist, oder? Sollten wir uns nicht lieber eine Brautjungfer suchen, bei der keine Gefahr besteht, dass sie mitten in der Zeremonie mal kurz schiffen muss? Ich meine, wer trinkt denn zum Nachmittagstee ein Bier?«

Entnervt unterbrach ich die Verbindung und kehrte in die Realität zurück. Was tat ich hier eigentlich? Ich wusch mir Hände und Gesicht und ging hinaus. »Ayo, war nett, dich kennenzulernen, Saskia.« Ich leerte das Bierglas in einem Zug, griff mir das Sandwich und warf einen Zehner auf den Tisch. »Vielleicht sucht ihr euch trotzdem ’ne andere zum Schleppe tragen, kann ja Melissa machen oder so. San Frantschüssko.«

Mona sprang auf. »Warte mal, wo willst du denn hin?«

Ich winkte nur und verzog mich in Richtung U-Bahn.

Mona kam mir nachgelaufen. »Gene, was ist denn los?«

Ich ließ die Schultern hängen. »Saskia hat Recht. Ich passe echt nicht auf diese Hochzeit. Aber keine Sorge, ich bezahl das Kleid und das Zelt und den Barkeeper, wie ich’s versprochen hab.«

Mona hatte die Stirn gerunzelt und wollte mich berühren, doch ich wich aus. »Und genau deshalb muss ich jetzt zu meinem Job.«

»Der bei der Wissenschaftlerin? Du arbeitest immer noch für sie?« Mona blieb hartnäckig.

»Manchmal …« Verdammt, wie ich Lügen hasste!

Mona fasste mich bei der Schulter. »Gene, ich weiß nicht, was du gehört zu haben glaubst, aber ich will dich als meine Brautjungfer. Und es ist mir egal, ob du den Barkeeper bezahlst. Na gut, vielleicht nicht egal, aber das kriege ich auch so hin, darum gehts mir nicht!«

»Ich weiß.« Seufzend wandte ich mich ab. »Aber sonst hab ich ja nix zu bieten, also lass mir wenigstens das.« Ich ließ sie stehen und beeilte mich, in die U2 zu springen, bevor sie noch was sagen konnte, das meine Meinung änderte.

Am Hauptbahnhof stieg ich um und fuhr direkt raus nach Manching. Wenn ich mich weiterhin als Brotverdiener profilieren wollte, sollte ich mal besser etwas Brot verdienen gehen.

Die Klinik am Wasserthal lag auf einer kleinen Erhebung, etwa zwei Kilometer nördlich vom Bahnhof. Tarkevczik hatte die Nachricht, die ich ihm auf der Fahrt geschickt hatte, sofort beantwortet und mich zu sich gebeten. Wahrscheinlich konnte er sein Glück kaum fassen und wollte nicht riskieren, dass ich mir einen anderen Metzger suchte. Ich rieb mir über die Flanken und versuchte, mich gedanklich auf das Bevorstehende einzustellen. Kurz überlegte ich, ob ich nicht doch wieder eine andere Persona mittels Glamourzauber anlegen sollte. Aber nachdem mich Tarkevczik schon bei unserem zweiten Treffen vor fast drei Jahren mit einem wissenden Lächeln begrüßt hatte, das nur jedes Mal, wenn eine »neue« Spenderin in seine Klinik kam, amüsierter wurde, konnte ich mir die Mühe wohl sparen.

An der Rezeption bat man mich, zu warten, bis Tarkevczik mich nach einer Viertelstunde persönlich abholte. »Der OP ist schon vorbereitet«, sagte er. »Schön, dass Sie heute unverkleidet kommen. Ich weiß Ihr Vertrauen zu schätzen.« Während er vor mir her schlurfte, schob er die Brille hoch auf seinen Nasenrücken und strich sich das schüttere Haar zur Seite.

»Woher haben Sie’s gewusst?«, fragte ich.

»DNA lässt sich nur schwer fälschen, schon gar nicht durch einen einfachen Illusionszauber.« Er führte mich in ein Krankenzimmer, wo ich mich ausziehen und in das grüne OP-Leibchen schlüpfen konnte, während er sich im Nebenraum vorbereitete. »Außerdem sind Sie nicht mein erster Adnexus. Kommen Sie bitte, wenn Sie so weit sind.«

Auf nackten Füßen tapste ich in den OP, die schweißnassen Handflächen an die Oberschenkel gedrückt.

»Ich nehme an, Sie wollen wieder eine Periduralanästhesie statt einer Vollnarkose?«

Schnell nickte ich und kletterte auf den OP-Tisch. Die Vorstellung, vollkommen eingeschläfert darauf zu liegen, machte mir Angst. Ich drehte mich auf die Seite und erwartete die Nadel im Kreuz. Tarkevczik arbeitete sorgfältig und behutsam, ich spürte fast nichts.

»Die Wirkung setzt nach etwa zwanzig Minuten ein. Bis dahin würde ich Sie schon mal festschnallen.« Er legte Gurte über mich und zog sie straff, um sich gegen unwillkürliche Bewegungen abzusichern. »Trotzdem muss ich Sie bitten, sich vollkommen ruhig zu halten und mich sofort zu informieren, wenn Ihnen unwohl wird oder Sie abbrechen wollen, um unnötige und gefährliche Verletzungen zu vermeiden.« Das musste er sagen, nahm ich an, denn er dürfte so gut wie ich wissen, dass er mir nichts dergleichen zufügen konnte. Während wir darauf warteten, dass die Narkose wirkte, pfiff er ein Liedchen.

»Wer war er, der Adnexus?«, fragte ich. »Oder sie?«

»Patientengeheimnis«, erwiderte er. »Ist auch schon viele Jahre her. Sie kennen ihn sicher nicht.« Er schob einen Wagen heran, auf dem er Skalpelle, Klammern, Spreizer, Tupfer und einen frischen Transportbehälter mit Trockeneis bereitgestellt hatte.

»Was ist mit ihm passiert?« Unruhe breitete sich in mir aus.

»Er starb. Aber nicht auf meinem Tisch, also bleiben Sie ruhig, ja?« Tarkevczik räusperte sich. »Ich fange jetzt an.«

Es kostete mich eine Menge Selbstbeherrschung, mich nicht auf dem Tisch zu winden.

Tarkevczik nahm eines der Skalpelle zur Hand und öffnete meine Flanke. Ich spürte nur einen festen Druck und wie er den Einschnitt mit den Spreizern offenhielt. Für einen alten Kerl arbeitete er verdammt gut solo, ich war mir sicher, dass nicht jeder Arzt ohne OP-Hilfen an seiner Seite so geschickt eine Niere entfernen konnte. Ich hielt die Augen geschlossen, presste die Lippen fest zusammen und konzentrierte mich auf den inneren See. Die Magie sammelte sich an der Wunde, wollte sie schließen, kämpfte gegen das Metall, das die Ränder des Einschnitts voneinander fernhielt. Es kostete mich eine Menge Konzentration, die Magie von dort wegzuhalten, bis der Arzt fertig war. Kaum, dass er die Spreizer entfernt hatte, schloss sich die Wunde. Ich atmete tief durch. Es war getan.

Während Tarkevczik das Organ auf den mystischen Pfaden der Schattenbürokratie an den zukünftigen Besitzer versendete, wartete ich in einem leeren Behandlungszimmer darauf, dass die Betäubung ihre Wirkung verlor und der Schmerz zurückkehrte.

Als Tarkevczik wiederkam, reichte er mir den Umschlag mit meinem Geld. »Hören Sie, Gene, oder wie auch immer Sie heißen, ich kann Ihnen noch weit mehr zahlen, wenn Sie bereit wären, höherwertige Organe zu verkaufen. Eine Leber. Eine Bauspeicheldrüse. Ein Herz.«

Die Taubheit in meinem unteren Rücken hatte sich noch nicht ganz aus den Beinen zurückgezogen, sodass ich beim Aufspringen stolperte und fiel. »Wozu brauchen Sie denn ein Herz?«, fragte ich, was die Pumpe in meiner Brust sofort heftiger schlagen ließ. Als würde ihr bewusst, welches Schicksal ihr drohte.

Der Arzt fasste mich unter und half mir aufzustehen. »Im Augenblick warten siebenhundert Menschen in Deutschland auf eines, wussten Sie das? Einen davon kenne ich persönlich und kann Sie seiner grenzenlosen Dankbarkeit versichern, wenn Sie sein Leben mit Ihrer Spende um ein paar Jahre oder Jahrzehnte verlängern.«

Mit seiner Hilfe setzte ich mich wieder auf die Liege, wenn auch sprungbereit. Die Magie zirkulierte auf meinen Willen hin schneller durch mein Blut und neutralisierte das Betäubungsmittel mit Hochdruck.

»Hundertfünfundzwanzigtausend«, sagte er. »So viel kann ich Ihnen zahlen. Ich habe ein Team, das Stillschweigen bewahrt und kann Ihnen ein schönes Hotelzimmer für Ihre Rekonvaleszenz bieten. Wenn es gut läuft, hätte ich noch ein paar Kandidaten, die verzweifelt …«

Abwehrend hob ich die Hände. »Ganz langsam, Doc, ich weiß ehrlich nicht, ob Sie die Pumpe einfach ausbauen können, und ich bin vielleicht verzweifelt, aber nicht lebensmüde.«

»Es ist machbar, das weiß ich mit Sicherheit.«

Eilig rutschte ich von der Liege und watschelte zur Tür. »Der andere vor mir hat Sie sein Herz rausnehmen lassen?«

Er nickte. »Mehrfach. Und es war jedes Mal nach ein paar Stunden vollständig regeneriert.«

Mit zusammengekniffenen Augen starrte ich ihn an. »Und er starb nicht auf Ihrem Tisch?«

»Nein.«

»Woran dann?«

»Patientengeheimnis.«

Ich schnaubte. »Vergessen Sie’s. Ich komm vielleicht nicht mal wegen einer Niere wieder. Servus.«

Er lächelte knapp. »Sie werden wiederkommen. Aber denken Sie gern über alles nach und entscheiden Sie in aller Ruhe. Ich bin hier. Jederzeit.«

Meine Schritte wurden zunehmend fester, je näher ich dem Klinikausgang kam. Und schneller. Das letzte Stück bis zur Rezeption rannte ich und hätte fast einen finster dreinblickenden Typen mit dem Käppi eines Pizzalieferdienstes umgenietet. Er trug genau so eine Box unter dem Arm wie die, in der meine Niere lag. Seine stahlgrauen Augen fixierten mich. Ich wich ihm aus und sah schnell auf mein Handy. War das einer der Typen, die die Organe für Tarkevczik vertickten? Ich merkte mir den Namen des Lieferdienstes, um mich mal über die zu informieren. Wäre gut, wenn die nicht plötzlich vor meiner Tür stünden und sich die nächste Niere ohne Bezahlung holten.

Mir war schwindelig und ich überlegte, wo ich am besten was zu essen bekam, ohne nach meiner bleichen Gesichtsfarbe und der Schonhaltung gefragt zu werden. Ich sehnte mich nach einem warmen Körper, an den ich mich kuscheln konnte, bis der Schmerz vergangen und die Niere nachgewachsen war, aber ich wollte nicht riskieren, dass Diana wütend auf mich wurde, weil ich lieber eine Niere spendete als mich von ihr freihalten zu lassen, und Kieran war viertausend Kilometer entfernt mitten im finnischen Nirgendwo. Außerdem war es mit ihm gerade sowieso kompliziert, was mir nur mal wieder bestätigte, dass feste Beziehungen eine dämliche Idee waren.

Ich kehrte nach Hause zurück, um mich auf mein Bett zu legen. Weder Mona noch Ana waren da, doch im Treppenhaus begegnete mir Karim aus dem vierten Stock. »Hey.« Er nickte mir zu. »Hab gehört, ihr zieht zu deinem Bruder. Glückwunsch, das ist ’ne tolle Sache. Raus aus der maroden Drei-Zimmer-Wohnung, rein in die Vorstadtidylle.«

Ich lachte müde. »Juhu, was kann es Schöneres geben?«

»Du solltest dich freuen, ehrlich. Ich teile mir ab Januar ein Zimmer mit meinen drei Brüdern, bis die mit Studieren fertig sind. Das wird die Hölle. Ich würd gerne mit dir tauschen.«

Ich maß ihn mit prüfendem Blick. »Sehen die alle so gut aus wie du? Dann können wir gerne tauschen.«

Karim lachte laut und herzlich. »Ein willkommenes Kompliment in dieser unschönen Situation, danke. Arbeitest du nicht bei einer Umzugsfirma? Du könntest mir beim Tragen helfen, dann lernst du die Bande kennen.«

Verlegen kratzte ich mich am Hinterkopf. »Hatte gerade ’nen kleinen Eingriff in der Klinik, aber morgen gerne.«

Karim sah erschrocken aus. »Hoffentlich nichts Ernstes?«

Ich winkte ab. »Nur eine äh … Routine-OP. Du weißt ja, mit Medizinzeugs kenn ich mich nicht so aus.«

Er nickte. »Wenn der Arzt deines Vertrauens es für nötig hielt, war es das sicher auch. Dann gute Besserung. Man sieht sich!«

»Ja, bis dann.«

In meinem Zimmer legte ich mich vorsichtig aufs Bett. Bevor ich die Augen schloss, suchte ich ein paar Reiseangebote für Anas Maledivenurlaub heraus und schickte sie auf ihr Handy. Nach allem, was sie hatte durchstehen müssen, hatte sie es verdient, das Leben endlich ein bisschen zu genießen.

D R E I

Obwohl ich von der Operation durch und durch erschöpft war, wollte der Schlaf nicht kommen.

Unruhig wälzte ich mich hin und her. Ich hatte noch keine Gelegenheit gehabt, über Telmaras seltsame Warnung nachzudenken. War es wirklich eine Warnung gewesen? Oder eher eine Drohung? Beobachtete sie mich etwa die ganze Zeit? Wusste sie über jeden meiner Schritte Bescheid? Das gab mir ein mulmiges Gefühl. Und es war noch nicht mal das gruseligste der Ereignisse diese Woche. Der Dämon im Bayerischen Wald und Tarkevcziks Andeutung zu einem toten Adnexus und meiner Zukunft als nachwachsendes Organlager eigneten sich mindestens genauso gut, mich um den Schlaf zu bringen. Ich zog die Knie unters Kinn und schlang die Arme darum. Ich musste damit aufhören. Es musste einen anderen Weg geben, mit wenig Arbeit viel Geld zu verdienen. Trotzdem waren all diese Dinge nicht annähernd so furchteinflößend wie die Aussicht darauf, in Melissas Kinderzimmer zu enden. Nicht nur, dass die Tochter von Anas ältestem Sohn viel zu aufmerksam, findig und eloquent für ihre sechs Jahre war. Sie war die Reinkarnation meines verstorbenen Bruders Ben. Woran auch immer sie sich erinnerte, seit sie zur Schule ging, bereitete es ihr ein diebisches Vergnügen, mich mit meinen Schuldgefühlen zu manipulieren.

»Tante Evi, wolltest du mir nicht ein Eis kaufen?« – »Wollte ich das?« – Entschiedenes Nicken.

Ich musste lächeln. Genauso stellte ich mir Ben als kleinen Jungen vor, lange bevor ich in seine Familie gewalzt war, bevor er meinetwegen aus dem Leben gerissen wurde. Er war abgesehen von Ana der Einzige gewesen, der mir immer das Gefühl gegeben hatte, dazuzugehören. Verdammt, ich liebte ihn und deshalb liebte ich auch Melissa, aber ich wollte auf keinen Fall in ihrem Zimmer schlafen, selbst wenn sie ganz woanders schlief.

Wohin aber sollte ich ziehen? In München eine bezahlbare Wohnung zu finden, war schon schwierig, wenn man nicht für die teuren Eskapaden zweier Frauen verantwortlich war, die in dem festen Glauben lebten, man würde vier Riesen nach Steuern im Monat verdienen. Allerdings wären Monas Wünsche ja bald Saskias Problem, wie sie selbst gesagt hatte. Die blöde Kuh. Seufzend drehte ich mich auf die nicht operierte Seite und zog das Kissen über den Kopf. Selbst ohne Mona gab es mehr als genug Ausgaben. Ich würde lügen, behauptete ich, mich in der Rolle der wackeren Brotverdienerin nicht wohlzufühlen. Aber seit ich nicht mehr für Doktor Telmara und ihre ganzen reichen Gefallenenfreunde arbeitete, war es ungleich schwerer geworden, die Rechnungen zu bezahlen. Wieder dachte ich an Tarkevcziks Angebot. Wenn ich mal all die red flags übersah, waren hundert Riesen doch ein fucking verlockendes Angebot. Davon konnte man selbst in München eine ganze Zeit wohnen. Man könnte sogar was Kleines davon kaufen. Okay, was ziemlich Kleines, Feuchtes, ohne Heizung, aber hey, was Eigenes. Nur, wie wollte er das vertuschen? Er schien diesbezüglich vollkommen unbesorgt. Eine Niere konnte von überall herkommen, aber ein Herz? Wenn da keine Fragen gestellt wurden, steckte sicher mehr dahinter als nur ein bisschen Schattenbürokratie. Nein, das musste aufhören. Keine Organspenden mehr. Wenn nur Telmara die verfluchten Münchner Gefallenen nicht so fest im Griff haben würde, dass seit der Sache vor drei Jahren niemand mehr mit mir zu tun haben wollte! Außer Diana natürlich, aber die war damals gerade erst hergezogen und stand von Anfang an weder auf Telmaras noch auf Hormezyors, sondern fest auf meiner Seite. Ach, Diana. Wenn es jemals ein perfektes Situationship gab, dann unseres. Einfach nur Sex und Chillen, kein Drama, kein Anspruchsdenken, keine Verpflichtungen. Nur ab und zu mal Luxusurlaub auf ihre Kosten. Ich stöhnte. Großartig, jetzt hatte ich mich selbst so heiß auf Diana gemacht, dass ich erst recht nicht schlafen konnte.

Ich stand auf und holte mein Handy heraus. »Hey, was machst du heute Abend?« Im Hintergrund hörte ich sanfte Musik und fröhliches Geplapper.

Diana kicherte. »Ach, Gene, du weißt doch, dass Freitag immer mein Mädelsabend ist. Möchtest du vielleicht vorbeikommen? Ich bin sicher, dass du Spaß hättest.«

Ich dachte an die anderen beiden wunderschönen Frauen, die sich wahrscheinlich gerade auf den weichen Sofas des Blumenauer Penthouses räkelten und ihre Social-Media-Profile polierten. Stimmt ja, es gab noch zwei Gefallene, die sich immer freuten, mich zu sehen. »Bin gleich da.«