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Die Osternacht ist für den Autor dieses Büchleins, Henning Schröder, der Höhepunkt des gottesdienstlichen Lebens im Verlauf des Kirchenjahres. Er ist evangelischer Pfarrer und für ihn ist es wichtig, dass zum gesprochenen Wort das anschauliche Bild hinzukommt. So gestaltet er zum Bibeltext, über den er predigt, ein Bild in Wachs auf der Osterkerze; manchmal auch zusammen mit Konfirmanden oder Jugendlichen. Zwölf Predigten und die dazugehörigen Bilder sind in diesem Band gesammelt.
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Seitenzahl: 92
Veröffentlichungsjahr: 2015
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Dieses Büchlein ist all denen gewidmet, die mit mir zusammen die Osternacht vorbereiteten und feierten zum Lob des Auferstandenen.
Diese Nacht ist nicht wie andere Nächte
1. Das Geheimnis der Taufe
2. Steine beiseite räumen
3. Der Weg zum neuen Leben
4. Aus der Dunkelheit zum Licht
5. Das Wort, das Leben schafft
6. Ein Herz aus Stein – ein Herz aus Fleisch
7. Gottes Atem macht lebendig
8. Aus dem Wasser gerettet
9. Leid klagen befreit
10. Die Tür steht offen
11. Die vollkommene Freude
12. Großen Frieden haben
Begreifen können wir es nicht, wenn wir an Ostern hören: „Jesus ist auferstanden!“ Wir können es höchstens ein Stück weit erahnen, in Symbolen, in Erlebnissen. Ein besonderes Erlebnis ist der Osternachtgottesdienst.
Wir feiern ihn so: Am frühen Ostermorgen, die Kirche ist innen noch fast dunkel, kommen nach und nach die Menschen herein. Helfer und Helferinnen überreichen freundlich die weißen, dünnen Osternachtskerzen. Es ist still; einige flüstern. Das gewohnte Glockenläuten am Anfang des Gottesdienstes fehlt. Aus der Dunkelheit und Totenstille heraus soll sich das Licht der Auferstehung und die lautstarke Freude über neues Leben langsam entwickeln. Plötzlich hören wir, in die Stille hineingesprochen: „Noch ist Nacht, noch herrschen die düsteren Schatten, noch bewohnt die Angst unser Dunkel, noch können Schrecken erschrecken, Drohungen drohen, Bedrückungen drücken.“
Wir hören, wie Menschen der Bibel erfahren haben, dass aus Angst und Hoffnungslosigkeit das Leben neu wurde. Dann wird die große brennende Osterkerze nach vorn zum Altar getragen. „Christus, unser Licht!“ schallt es durch den Kirchenraum. „Er war verlassen wie wir in der Nacht des Todes. Aber Gott griff nach ihm und brachte ihn ans Licht.“ Er ist das Licht des Lebens. In ihm haben wir das Leben. Von der großen Osterkerze ausgehend gibt einer dem anderen das Licht weiter. Es wird hell in der Kirche. Von draußen dringt der Gesang der Amseln in die Stille des Kirchenschiffes. Die Gemeinde singt ein Morgenlied ohne Orgelbegleitung. „Frohlocket nun, ihr Engel, ihr himmlischen Heere und rühmet die großen Taten Gottes“, stimmt nun der Kantor den österlichen Lobgesang an. Endlich liest der Pfarrer das Osterevangelium von der Auferweckung Jesu. Langsam bricht die Freude auf in dem Wechselgesang: „Der Herr ist auferstanden! Halleluja! - Er ist wahrhaftig auferstanden! Halleluja!“ Jetzt braust die Orgel das erste Mal auf: „Christ ist erstanden“ singt die Gemeinde. Die Taufe eines Konfirmanden, das Abendmahl, frohe Osterlieder und Gebete preisen die Kraft des Lebens, die an das Licht drängt und sich entfalten will. Nach dem Schlusssegen gehen wir unter Glockengeläut nach draußen und wundern uns, wie hell es geworden ist. Beim gemeinsamen Frühstück im Gemeindehaus lassen wir es uns schmecken. Es ist noch früh, der ganze Tag steht vor uns, wir freuen uns darauf und er hat gut angefangen: Das aufgehende Licht, die Lieder und die Gemeinschaft haben uns froh gemacht.
Die folgenden Predigten aus verschiedenen Osternachtgottesdiensten zu selbst gestalteten Osterkerzen versuchen, das Geheimnis der Auferstehung anschaulich zu machen. Ergründen können sie dieses Geheimnis nicht, aber sie können einladen zum Glauben, zur vertrauensvollen Hinwendung zum Gott des Lebens.
Römer 6,3–5
Wisst ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft? So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in einem neuen Leben wandeln. Denn wenn wir mit ihm verbunden und ihm gleich geworden sind in seinem Tod, so werden wir ihm auch in der Auferstehung gleich sein.
Ist das so klar, was mit der Taufe geschieht? In den Tod Christi hineingetaucht? Mit ihm begraben? Mit seiner Auferstehung verbunden? Das sind Worte, die sind mir gar nicht klar, sondern eher unbegreifbar, geheimnisvoll. Ich will versuchen, mich vorsichtig an die Bedeutung der Taufe heranzutasten. Ich fange mit etwas ganz Konkretem und Greifbarem an, nämlich mit dem Wasser, das ja bei der Taufe ganz wichtig ist.
Wasser bedeutet Leben! Es gibt nichts Lebendiges ohne Wasser. Trockene Sommer zeigen: Wassermangel ist tödlich! Ausreichend Wasser aber lässt die Pflanzen gedeihen und Früchte wachsen. Wenn Menschen und Tiere genügend frisches Wasser zu trinken haben, geht es ihnen gut. Wasser bedeutet auch Tod! Im Wasser können Lebewesen ertrinken. Hochwasser zerstört Wohnraum von Mensch und Tier. Wasser zerstört selbst den härtesten Stein.
Diese beiden Bedeutungen des Wassers erklären auch die Bedeutung der Taufe. Martin Luther fragt im Kleinen Katechismus:
„Was bedeutet denn solch Wassertaufen?“
Er gibt selbst die Antwort und schreibt:
„Es bedeutet, dass der alte Adam in uns durch tägliche Reue und Buße soll ersäuft werden und sterben mit allen Sünden und bösen Lüsten; und wiederum täglich herauskommen und auferstehen ein neuer Mensch, der in Gerechtigkeit und Reinheit vor Gott ewiglich lebe.“
Als Paulus seinen Brief an die Christen in Rom schrieb, sahen die Taufen noch ganz anders aus: Damals hörten erwachsene Menschen von dem neu entstandenen Glauben, waren fasziniert von der Botschaft der Auferstehung und beeindruckt von den kleinen Christengemeinden, die sich zusammenfanden. Sie nahmen am Taufunterricht teil, um noch mehr von dem Glauben und der neuen Gemeinschaft zu erfahren und ließen sich schließlich, nach etwa einem Jahr Taufunterricht, in der Osternacht in einem Fluss oder See taufen. Sie wurden ganz und gar untergetaucht. Das war ein Zeichen dafür, dass alles Alte von ihnen abgewaschen war und sie aus der Wassertiefe als neue Menschen wieder auftauchten. Mit diesem Untertauchen erlebten sie für einen Moment die Angst vor dem Tod und im Auftauchen die Freude über das neu geschenkte Leben. Die Taufe war ein Neubeginn ihres Lebens. Und so wollten sie jetzt auch neu leben: mit dem neuen Glauben, in einer tragenden Gemeinde, mit neuer Liebe, neuer Ehrlichkeit, neuer Hingabe. Sie empfanden es vielleicht so ähnlich, wie wir es nach einer schweren, bedrohlichen Krankheit erleben, wenn wir wieder gesund geworden sind. Dann hat das Leben eine neue Qualität, jeder Tag wird bewusster erlebt, der Blick ist schärfer geworden, um das Schöne und Erfreuliche zu entdecken. So etwa ging es den neu getauften Christen damals. Sie sahen ihr Leben neu an und setzten andere Maßstäbe als vorher.
Christen sind wir von dem Tag der Taufe an. Das Wasser der Taufe hat die Macht, all das zu ertränken, was uns Angst macht oder unser Leben zerstören will. Das ist „der alte Adam“ wie Luther ihn nennt, der Mensch, der den Ängsten und Sorgen nichts entgegenstellen kann und sich entweder zurückzieht oder gewalttätig wird. Der neue Mensch dagegen, das ist der, der in jeder Lebenslage neu zu verstehen lernt, was Vertrauen heißt, Vertrauen in die Kräfte des Lebens, Kräfte, die heilen und Mut machen zur Versöhnung. Christ sein heißt, immer wieder neu zu leben, Fesseln abzuschütteln, die uns an Unwichtiges ketten. Christ sein heißt, Mächten der Traurigkeit, der Hoffnungslosigkeit, der Trägheit zu widerstehen, die unser Leben aushöhlen. Alles Böse dieser Welt kann mir nicht mehr schaden, mich nicht mehr trennen von Jesus, dem Lebendigen, der sagt: „Ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende!“ Verbunden mit Jesus durch die Taufe begegnen wir auch den Menschen um uns herum anders: Dem Gewalttäter und Spötter sagen wir: „Nein! So bitte nicht. Wir machen nicht mit!“ Dem Fremden sagen wir: „Du bist Gottes Geschöpf und willkommen! Du sollst nicht gejagt werden. In meiner Nähe hast du Schutz.“ Dem Behinderten begegnen wir mit Geduld und helfen ihm - wir denken an Jesus, der den Blinden und die Gelähmten sah und zu ihnen ging und sie nicht gering schätzte. Dem Streitenden legen wir nahe, sich zu besinnen und es mit Versöhnung zu versuchen und wir helfen ihm dabei im Geiste Jesu, neue Wege zu finden. Es ist schwer, sich zu versöhnen, aber er, Jesus, zeigt gangbare Wege.
Wir denken uns, wie Jesus wohl in all den Konflikten und Sorgen handelte, die uns jeden Tag zu schaffen machen. Und wir versuchen, nach seinen Regeln und nach seinem Vorbild zu leben. Wir merken oft, wir schaffen es nicht. Aber da können wir uns ihm anvertrauen, seinen kraftvollen Worten, mit denen er uns zusagt: „Siehe, ich mache alles neu.“ Mit der Auferstehung von Jesus verbunden sind wir durch die Taufe und so ist die Feier der Auferstehung heute auch eine Erinnerung an die Bedeutung unserer Taufe. Die Eigenschaften des Wassers machen uns deutlich, was Taufe für uns sein kann.
Auch das Licht ist so ein Symbol für neues Leben. Wir haben im Dunkeln angefangen, unseren Gottesdienst zu feiern und jetzt leuchten unsere Gesichter im Licht der Kerzen. „Siehe, ich mache alles neu.“ Ein neuer Tag fängt an, neues Leben. Auferstehung, ein großes Geheimnis!
Wir brauchen Symbole und Bilder, um eine Ahnung davon zu bekommen. Unvollkommene Bilder, die nur ein Hinweis sind: Da kommt etwas ganz Großes und Unbegreifliches auf euch zu: Der Tod hat keine Macht mehr über euch! Das Leben ist stärker!
Die Bilder auf der Osterkerze versuchen, solche Zeichen zu sein: Ganz oben die Kanne mit dem Taufwasser; das Wasser verbindet mit Jesus, der am Kreuz starb, der auferstand. Das Grab ist leer. Die Taube als Symbol für die Kraft des Heiligen Geistes: Ihr werdet frei. Und wir werden an die Taufe Jesu selbst erinnert: Wie der Himmel sich auftat und der Geist Gottes wie eine Taube auf Jesus kam und Gott sagte: „Dies ist mein lieber Sohn.“ Aus dem leeren Grab ein Strom von Menschen, die Israeliten, die durch das geteilte Meer laufen, das Grab der Gefangenschaft hinter sich lassend, vor sich die Freiheit und das Ziel, das uns die Bibel vor Augen malt: Das Land, wo Milch und Honig fließen, war es für Mose und seine Leute. Johannes beschreibt das Neue Jerusalem, die Stadt aus durchsichtigem Gold mit dem Wasser des Lebens, das durch sie hindurchfließt. Dazu die Bäume des Lebens, deren Früchte ein für allemal satt machen und deren Blätter von allen Krankheiten heilen. Und so sehen wir auch hier die Bedeutungen des Wassers, das auf die Taufe übertragen ist: Wasser, das die Feinde vernichtete und den Weg in die Freiheit offen legte, Wasser des Lebens. Und die Tore des Neuen Jerusalems stehen offen. Es gibt keine Gewalt mehr, vor der Menschen sich schützen müssen, keine Angst, keine Tränen. Ein Bild, das nicht unsere Wirklichkeit darstellt, wie wir sie erleben. Ein Bild aber, in dem eine große Kraft der Hoffnung steckt, eine Kraft, die uns heute schon ermutigt, gegen Gewalt und Unrecht anzugehen.
Ereignisse und Bilder der Bibel stehen hier nicht in zeitlicher Abfolge hintereinander, sondern vermischt und gleichzeitig als Zeichen für die Gegenwart des lebendigen Gottes, der Menschen zu allen Zeiten begleitet und der nicht an Zeiten gebunden ist, sondern als der Ewige die Quelle des Lebens ist. Aus dieser ewigen Quelle werden heute zwei Menschen getauft. Und ein ganz besonderes Ereignis ist, dass, fast wie in der Urkirche, heute zwei junge heranwachsende Menschen die Taufe empfangen werden. Zwei Konfirmanden, Johann und Tillmann.