Sein größter Flop - Brigitte Löcher - E-Book

Sein größter Flop E-Book

Brigitte Löcher

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Beschreibung

Entspricht die überlieferte Geschichte der Wahrheit? Oder ist sie, wie John Malkovich einmal sagte, nur "die Summe dessen, was uns verschwiegen wird"? Wird uns tatsächlich etwas verschwiegen? Und wenn ja, was wird uns verschwiegen, und warum wird es uns verschwiegen? Und wer schweigt da eigentlich? Weiß am Ende überhaupt jemand, wie es wirklich gewesen ist? An den von Historikern und Biografen zusammengetragenen Daten, Fakten und Zahlen zur Weltgeschichte können und wollen wir nicht rütteln. Es war uns jedoch ein Versuch wert, den Begebenheiten der Geschichte und ihrer "Helden" ein bisschen mehr Lebendigkeit zu verleihen und einen Blick "hinter die Kulissen" zu werfen. Durch unsere Art der Darstellung wird Geschichte nicht unbedingt wahrhaftiger, aber ihr oft vielsagendes Schweigen wird gebrochen. Die vermeintlich großen Helden der Geschichte werden als groteske Gestalten des Weltgeschehens gezeigt, als tragikomische Helden, die nicht selten durch puren Zufall, durch Missgeschicke oder nur durch die tatkräftige Hilfe anderer zu Ruhm und Größe gelangt sind - Geschichte als bunte Mixtur aus Fiktion und Wirklichkeit.

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Seitenzahl: 306

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Inhaltsverzeichnis

Prolog

Genesis Genialis

Der Bergwanderer

Oh Isis, Oh Osiris, Oh...

Erste olympische Disziplin: Irrfahrten

Askese bevorzugt

Wie der Vater so der Sohn

Mission impossible I.

Der Kamelflüsterer

Schal? Gral? Egal!

Der Narr und sein König

Franz (und Sisi) von Assisi

Mission impossible II.

Breitbandvisionen

Isch bin de Maddin

I‘m Henry the VIII., I am...

God save the Queen

Versailler Perückenattacke

Friedrich und Fritz - oder preußische Tugenden

Don‘t worry ...

Ein Kleiner ganz groß

Teatime

Frankenstein?!

Eine (r)evolutionäre Theorie

Vom Traumprinzen zum Märchenkönig

Zack Zack

Nastrovje, ihr Proleten !

Mit Freud und Leid...

... durch Raum und Zeit

Sieg(fried) Heil

Towarischtsch, JFK!

Impossible Dreams

Make love ... not war!

HMPF ...

Chaos in der Leere

HMPF ... HMPF ... HMPF ...

Die Papst GmbH (Gesellen mit beschränkter Haftung)

Bus(c)his(s)mus

Danksagung

Prolog

Entspricht die überlieferte Geschichte der Wahrheit?

Oder ist sie, wie John Malkovich einmal sagte, nur „die Summe dessen, was uns verschwiegen wird”?

Wird uns tatsächlich etwas verschwiegen?

Und wenn ja, was wird uns verschwiegen, und warum wird es uns verschwiegen? Und wer schweigt da eigentlich?

Weiß am Ende überhaupt jemand, wie es wirklich gewesen ist?

An den von Historikern und Biografen zusammengetragenen Daten, Fakten und Zahlen zur Weltgeschichte können und wollen wir nicht rütteln.

Es war uns jedoch ein Versuch wert, den Begebenheiten der Geschichte und ihrer „Helden” ein bisschen mehr Lebendigkeit zu verleihen und einen Blick „hinter die Kulissen” zu werfen.

Durch unsere Art der Darstellung wird Geschichte nicht unbedingt wahrhaftiger, aber ihr oft vielsagendes Schweigen wird gebrochen. Die vermeintlich großen Helden der Geschichte werden als groteske Gestalten des Weltgeschehens gezeigt, als tragikomische Helden, die nicht selten durch puren Zufall, durch Missgeschicke oder nur durch die tatkräftige Hilfe anderer zu Ruhm und Größe gelangt sind -

Geschichte als bunte Mixtur aus Fiktion und Wirklichkeit.

Genesis Genialis

Am Anfang war das Wort. Falsch! Am Anfang war nichts! Keine Zeit, kein Raum – einfach gar nichts. Aus dem Nichts entstand ...

Energie – geboren aus sich selbst ...

... und gleichzeitig – ein Gedanke:

„ICH BIN!”

Und dann geschah ... erst mal gar nichts!

Äonen später war der Gedanke immer noch:

„ICH BIN ...” Gääähn.

Dieser Gedanke überdachte sich selbst und kam zu dem Schluss:

„ICH BIN immer noch ...”, und je mehr er darüber nachdachte, desto klarer wurde es ihm:

„ICH BIN überall ...”

Dabei hätte er es bewenden lassen sollen, dann wäre uns einiges erspart geblieben.

Aber nein, wie es nun mal mit Gedanken so ist: einmal aufgetaucht, lassen sie nicht mehr locker.

Und so kreiste dieser Gedanke um sich selbst und begann, über sich nachzudenken.

Ins Grübeln gekommen, brauchte dieser Gedanke weitere Äonen, um sich darüber bewusst zu werden, was er gerade gedacht hatte. Es war eben noch alles so neu, und fast wäre dieser Gedanke wieder entschwunden, wenn er nicht genau im richtigen Moment gedacht hätte:

„Sein oder nicht Sein! ICH BIN ...” Und so war’s.

Der Gedanke hatte sich nun endgültig festgesetzt und war nicht mehr wegzudenken.

Eine lange Weile beschäftigte sich das ICH BIN mit dem Sein und war ganz einfach nur.

Da ereilte es der Gedanke:

„Wie langweilig. Das kann doch nicht alles sein! ICH BIN ... und jetzt mach ich mal was. Ich erschaffe ... also bin ich Schöpfer!”

Sofort sprudelten abertausende Gedanken aus ihm heraus.

Das ICH BIN, sortierte sie und begann damit zu spielen.

„Ganz schön dunkel hier – kann mal jemand Licht machen? Also: Es werde Licht!”

Geblendet, aber vollkommen erleuchtet spielte es mit dem Licht und verstreute es um sich herum.

„Oh ... wie ist das alles so schön bunt hier. ICH BIN ... zufrieden ... oder?”

War dies etwa schon der Anfang des Endes vom dem bisschen Frieden, der bis dahin existiert hatte? Scheint so! Denn nur der Zufriedene braucht und will doch keine Änderung, oder?

Das ICH BIN aber war nicht zufrieden: „Nein, ich will mehr ...” dachte dieser Egoist, setzte sein Gedankenspiel fort und erschuf ... auf Teufel komm raus:

„Hoppla ... Wer bist du denn?” wunderte sich das ICH BIN.

„Ich bin der, der du nicht bist, also bin ich du, denn du bist der Alleinige, wir sind eins, und ICH BIN AUCH! Lass es uns gemütlich machen und gemeinsam weiter schaffen.”

Und sofort wirbelten und kreisten die Gedanken. Es ging so richtig rund, bis ...

„Oh, wird‘s mir schlecht. Ich kann sie nicht mehr halten. Ich muss mich übergeben ... würg ...!

Uff ... jetzt ist sie draußen ... die Materie!”

Und da es sowieso gerade rund ging, blieb der soeben von ICH BIN ausgespieenen Materie nichts anderes übrig, als sich dieser Bewegung zu unterwerfen.

„Oh, wird‘s mir schlecht. Ich kann sie nicht mehr halten. Ich muss mich übergeben ... würg ...!

Uff ... jetzt ist sie draußen ... die Antimaterie!” stöhnte das ICH BIN AUCH.

Auch diese musste sich der Bewegung unterwerfen. Gemeinsam betrachtete man entzückt die zwischenzeitlich entstandenen Universen mitsamt ihren Galaxien und Sonnensystemen und versank in liebevoller Selbstbetrachtung.

„Ach ist das gut ... und ich liebe es!”

Das ICH BIN war für kurze Zeit zufrieden und freute sich an allem, was es bisher geschaffen hatte.

Aber schon bald meldete sich das ICH BIN AUCH zu Wort:

„Mir ist stinklangweilig. Könnten wir nicht ein bisschen Spaß haben?”

„Spaß? Ich bin Liebe!”

„Super, dann lass uns lieben!”

„Äh ... hm, darüber muss ich erst mal nachdenken ...”

„Oh nein. Bei dir kann das dauern. Und was machen wir, während du denkst?”

„Das mit dem Spaß gefällt mir, den könnten wir ja schon mal erfahren.”

Und so begann das ICH BIN nochmal von vorne:

„Es werde Licht ...”

„Halt! Nicht noch einmal dieselbe Leier!”, unterbrach das ICH BIN AUCH genervt.

„Leier? PLING! Diese Idee hätte von mir sein können!

PLING gefällt mir, das klingt und schwingt so schön.

PLONG! ...”

Und schon tönte es in den unendlichen Weiten aller Galaxien:

„Er gehört zu mir ...”

”That’s the way, aha aha, I like it, aha aha ...”

„Ich bin so schön, ich bin so toll, ICH BIN ...”

”... but ... I can get no satisfaction ...”

„Let’s dance ...”

Materie und Antimaterie drehten sich wie Diskokugeln im Universum.

Dieses Fest im All (später auch Festival) hatte so viel Restmaterie aufgewirbelt, dass erst mal Ordnung geschaffen werden musste.

Noch während die letzten Bässe verklangen, kehrte das ICH BIN den Müll ordentlich zu einem unförmigen Haufen zusammen. Und als es gerade liebevoll diesen leblosen Schrott betrachtete, kam ihm eine grandiose Idee: Es formte Gestalten ... und verteilte diese auf unterschiedliche Planeten.

Nachdem alle verteilt waren, klebte immer noch ein wenig Restmüll unter den Fingernägeln, und da nichts jemals verloren geht, kratzte das ICH BIN auch den noch zusammen und formte die allerletzte Gestalt ... nach seinem Bilde, nicht ganz so vollkommen, dafür aber umso liebenswerter. Dieses Ebenbild setzte es zärtlich auf einen wunderschönen blauen Planeten. Mit einer Prise göttlichen Odems hauchte das ICH BIN seinem Ebenbild das Leben ein.

„Und jetzt tief durchatmen! Wusst‘ ich’s doch – es funktioniert!” „Seufz!”, seufzte das Ebenbild, ein lebendiges atmendes Wesen.

Das ICH BIN freute sich über seine erste wirkliche Erfahrung des Lebens und beschloss, auf diesem blauen Planeten als Ebenbild weitere Erfahrungen zu sammeln. Und weil das Ebenbild im Atmen noch total unerfahren war, schluckte es dabei mehr Luft, als ihm gut tat und ... FURRRRZZZZ!

Dieser ersten Lebenserfahrung teilhaftig konterte das ICH BIN mit einem allumfassenden, universellen

FURRRRRZZZZ!

Ein Knall hallte durch sämtliche Universen.

„HAHAHA! DER URKNALL!!”

Das Ebenbild dachte: „Urknall? – das sollte ich mir merken!”

„Ich sehe schon, das wird gut!” stellte das ICH BIN voller Vorfreude fest.

Stille über den Wassern ...

„Hallo? Hört mich jemand? Kann mich irgendeiner hören?”, jammerte das Ebenbild orientierungslos und scheinbar völlig allein gelassen vor sich hin.

„Na klar!”, kam die prompte Antwort von oben.

„Huch, wer bist du denn?”, erschrak das Ebenbild.

„Das weißt du doch, oder hast du das etwa schon vergessen, mein Kind?”, wunderte sich sein Schöpfer.

„Ach ja, wie konnte ich das vergessen, wir sind ja alle eins – da bin ich ja gar nicht allein, Gott sei Dank!”

„HÄ? Wer ist Gott?”

„Na wir alle!”, erinnerte man sich gemeinsam.

„Und jetzt?” fragte das Ebenbild.

„Jetzt erfahren wir weiter!”

„Und was?”

„Das Leben!”

„Ist ja ganz nett hier, so grün und blau, aber hier ist noch so viel Platz!”, mäkelte das Ebenbild ganz unzufrieden.

„Dann lass dir mal was einfallen”, sprach das ICH BIN.

„Okay”, sagte das Ebenbild und dachte sich lebendiges Getier, ein jedes nach seiner Art, und so geschah es!

„Ich muss schon sagen, was ich da sehe – ich find’s gut! Und jetzt lasst uns erst mal ausruhen!”

(Inzwischen waren zig Millionen Jahre vergangen, genauer gesagt sechs Erdentage)

„Schlafen wir noch? Schluss – genug geschlafen! Wir wollen mehr erleben!”, tönte es von oben.

Das Ebenbild erwachte im gleichen Moment und fing sofort an, sich zu beschweren:

„Moment mal, du ICH BIN! Wir sind zwar alle eins, aber hier in der Materie fehlt mir was! Hier auf der Erde bin ich ganz allein.”

„Na und ... wo ist das Problem. Sind wir nun Schöpfer oder nicht? Erschaffe es doch!”

Nach kurzer Überlegung kam das Ebenbild auf die Idee, aus sich heraus zwei Körper zu erschaffen ...

Mit einem kleinen Unterschied ... wow!

Interessiert betrachtete man sich von Kopf bis Fuß.

Dem Gesetz der körperlichen Anziehung folgend, bewegten sich die beiden aufeinander zu ... und schon ging die Post ab.

„AAAAH ... ist das gut, welch’ göttliche Erfahrung!”, stöhnte das ICH BIN, alias Gott.

„AAAAH, MMMMH ... STÖHN ... OOOOH ... tut das gut, das macht Spaß, das nenne ich Liebe machen”, drückte sich die göttliche Erfahrung körperlich aus.

Gott war mal wieder zufrieden, die Sterne funkelten, die Universen drehten sich, die Erde auch, im Wechsel von Tag und Nacht. Zur Sonne gesellte sich der Mond, die Ebenbilder liebten sich (und

zwar ständig ... es war doch so schööön), das Getier auch, und sogar das Grünzeug fing damit an.

„Ach, bin ich gut – ist es nicht schön? Gääääähn! Ich bin ganz schön erschöpft vom Erschaffen.”

SONNTAG

RUHETAG schnarch .....

MONTAG

GEÖFFNET

„Jetzt hör auf, dich auf unseren Lorbeeren auszuruhen, ist ja alles ganz nett, aber reicht uns das? Es gibt bestimmt noch viel mehr zu erfahren”, meldete sich das ICH BIN AUCH.

„Noch mehr?”

„Bestimmt!”

„Stimmt!”

Gleichzeitig auf der Erde.

Gerade hatten die Ebenbilder noch sorglos vor sich hin geliebt, als sie ein merkwürdiges Gefühl beschlich.

Sie fingen an, sich Sorgen zu machen.

„Was? Noch mehr erfahren?” Die Liebesaktivität erschlaffte sofort.

„Macht euch keine Sorgen und vergesst nicht: das hier ist ein Spiel!” versicherte das ICH BIN.

„Oh! Ja! Das macht Spaß ...”

„... aber vergesst nicht: Zum Spaß gehört auch Ernst!”

„Was? Wer ist Ernst?”

„... und nur bei euch da unten, in der Materie findet Leben statt

... und hier muss es auch enden ... mit dem Tod!”

„Oh Gott, das ist ernst!”

„Ah, ja! Ich bin Gott ... und ihr?”

„Wir? Wir sind hier Mensch, weil wir hier sein können. Und wenn wir hier sein können, können wir hier auch machen, was wir wollen.”

„Wie Ihr wollt, meine Kinder.”

„Genau Vater!”

„Wie nett!”

Während die Menschen auf der Erde begannen, allen Dingen einen

Namen zu geben, schaute Gott im Himmel liebevoll auf seine Geschöpfe. Der große Regisseur lehnte sich in seinem Stuhl zurück, überließ den Menschen die Bühne zur freien Verfügung und freute sich auf das, was da kommen würde.

Die Rollen waren verteilt, der Vorhang hob sich und gleichzeitig senkte sich der Schleier des Vergessens über die Menschheit. Das Spiel des Lebens konnte beginnen!

Während die einen noch im Bewusstsein der göttlichen Eintracht wandelten, vergaßen die anderen ihre Herkunft und verfingen sich mehr und mehr in der Materie ...

Zwietracht, Streit, Schmerz, Leid, Eifersucht, Gier und Neid machten sich auf der Erde breit ...

... und setzen sich fort, bis hin zum Brudermord!

Und so lebte es sich mehr oder weniger bewusst oder unbewusst, gut oder schlecht, bequem oder unbequem.

Man hatte zum größten Teil vergessen, woher man kam, wer man war, was man hier wollte, was man hier sollte ... und dass man sich freiwillig auf dieses Spiel eingelassen hatte.

Manche konnten ab und zu kurzfristig hinter die Kulisse blicken und wussten zeitweilig, wo es lang ging. Die Meisten aber wussten nicht, wo es lang ging und suchten jemanden, der ihnen sagen sollte, wo es lang zu gehen habe.

Führer fanden sich in rauen Massen, und das Tolle daran war:

Wer nicht mehr wollte, brauchte sich ab sofort um nichts mehr Gedanken machen und konnte sich auch gleich noch seiner Verantwortung entledigen.

Wofür hatte man denn einen Führer!

Und schon tummelten sich zahlreiche Gottheiten mit den verschiedensten Aufgabenbereichen im „Himmel” wie auch auf Erden. Das war „die” Chance für Führungspersönlichkeiten. Da sie für das Volk dachten und gleichzeitig die Verantwortung für es übernommen hatten, fiel ihnen so auch gleich noch die Macht über die Menschen in die Hände.

Selbige reibend, erhoben sie sich auch noch zu Dolmetschern der Götter, wobei es nicht darauf ankam, deren Sprache zu verstehen. Die Übersetzungen erfolgten frei ... nach eigener Vorstellung und

oft zum eigenen Vorteil. Nachdenken war in manchen Gruppierungen verpönt, in anderen wurde es sogar mit dem Tode bestraft.

Und Gott war entzückt. Während er sich an Erfahrung bereicherte, bereicherten sich einige Führer an Macht und irdischen Gütern. Andere machten sich tief greifende Gedanken über den Sinn des Lebens und versuchten, ihre Erkenntnisse an ein paar Interessierte weiterzugeben.

Die Geschichte nahm ihren Lauf ...

Der Bergwanderer

Eine heute noch bekannte Geschichte erzählt von einem Mann, der mit seinem Volk frisch aus Ägypten in das gelobte Land unterwegs war.

Nachdem er und sein Volk dem Zoff mit dem Pharao und dem täglichen Stress der Sklavenarbeit entronnen waren, musste er sich zu allem Übel auch noch tagelang das ständige Genörgel und Gezeter seiner Mitreisenden anhören.

Völlig entnervt und fertig mit der Welt lagerte er mit der ganzen Truppe am Fuß eines großen Berges. Um endlich Ruhe zu haben, beschloss er, alleine eine Bergwanderung zu machen. Die anderen sollten sich einfach solange mal ausruhen und auf ihn warten.

Da es damals noch keine Wanderkarten und auch keinen Wetterbericht gab, ist es nicht verwunderlich, dass er ruckzuck vom Weg abkam. Nach stundenlangem Umherirren machte er in der Nähe eines Dornenbuschs Rast.

„Irgendwie kommt der mir doch bekannt vor. Kann der nicht auch sprechen? Hallo? Sprich doch zu mir! Du hast mir das alles eingebrockt, jetzt hilf mir auch weiter”, sagte er und harrte der Dinge, die da kommen würden, als plötzlich und unerwartet just in diesem Moment ein Blitz vom Himmel fuhr und den Dornenbusch entflammte.

„Jetzt ist es gleich soweit ...”

Immer noch entspannt, in sich ruhend, eins mit allem, vollkommen in seiner Mitte und sich seiner selbst bewusst, verwunderte es ihn nicht, dass Gott ihm in Form eines brennenden Buschs ein Gespräch aufzwang:

„Hallo, ICH BIN‘s!”

„Ach, gibt es dich also doch.”

„Na klar, wir haben uns doch schon mehrfach unterhalten.”

„Und ich dachte immer, du existierst nur in meiner Vorstellung.”

„Da auch, denn ICH BIN überall.”

„Das glaubt mir wieder keiner.”

„Ich weiß! Deshalb gebe ich dir eine Botschaft von mir mit, an die sie dann glauben können. Der Glaube an mich wird euch weiterhelfen, solange bis ihr euch wieder erinnert, denn im Moment seid ihr die Meister des Vergessens. Hör mir gut zu.”

„Ja, ich höre.”

„Also:

Du brauchst dir von mir kein Bild machen. Ich hab meine Finger sowieso überall drin!

Bete nichts und niemanden an, spar dir die Umwege. Rede einfach mit mir, denn wenn du in deiner Mitte bist, kannst du mich hören.

ICH BIN der ICH BIN. ICH BIN in dir und du in mir.

Ruht euch auch mal aus. Denn nur in der Ruhe liegt die Kraft und die Würze und der Weg zu mir.

Liebe die Liebe und das Leben und alles, was damit zusammenhängt. Denn aus der Liebe heraus bist du entstanden.

Du solltest besser nicht töten, denn was du nicht willst, das man dir tu, das füg‘ auch keinem andern zu!

Bleib‘ wenigstens dir treu, in allem, was du tust.

Sei auch mal zufrieden mit dem, was du hast, denn du hast immer alles, was du gerade brauchst.

Sei vor allem ehrlich zu dir selbst und auch mal zu den anderen.

Liebe dich selbst und auch alle anderen, so wie ich ALLES liebe. Hab’ einfach Spaß und genieße das Leben!

Ende der Durchsage.”

„Das soll ich mir alles merken?”

„Na gut, ich schreib’s dir auf. Hast du mal ein Stück Papier?”

„Hä? Papier?”

„Ach so, das kommt später. Vergiss es einfach wieder. Ich hau’s dir schnell in Stein. Ich hoffe, du kannst meine Klaue lesen. Damit du nicht so schwer tragen musst, benutze ich keinen Granit.”

Und schon lagen zwei auf Vorder- und Rückseite beschriebene Steinplatten zu Füßen des tapferen Wandergesellen.

Dankbar klemmte sich dieser die Steinplatten unter den Arm, drehte sich um und wollte sich gerade auf den Rückweg machen, als er über eine vorwitzig aus dem Boden ragende Wurzel des berühmtberüchtigten Dornenbuschs stolperte.

Tja, das war’s dann mit den Steinplatten. Dieser Tollpatsch! Granit wäre eben doch besser gewesen.

„So leicht kann man meine Gebote halt nicht nehmen.”

Gelächter tönte aus der Richtung des Dornenbuschs.

„Hoppla, bist du aus deiner Mitte gefallen? Du sollst eben nicht am falschen Ende sparen.”

(Aus irgendeinem Grund wurde dieser Hinweis, der eigentlich einer der üblichen Scherze Gottes war, wohl falsch verstanden ... denn noch heute befinden sich im Anschluss an die zehn Gebote haufenweise Zusatzgebote und Gesetze, die Gott nicht ernst gemeint haben kann. Oder kann sich irgendeiner vorstellen, dass es für Gott wichtig war, ein Gebot für die Kleidung der Priester oder eins über das Verhalten bei unreinem Ausfluss zu erlassen?)

Wie dem auch sei: Unser Wanderer kam ohne seine Steintafeln am Fuß des Berges an, wo ihn das Volk bereits in heller Aufregung erwartete, hatte man doch eine ganze Zeit lang Donner, Blitz und Rauch über dem Berg wahrgenommen.

Atemlos und ziemlich entkräftet versuchte unser Bergwanderer alias Mose (es lässt sich jetzt nicht mehr länger verheimlichen), die Geschehnisse wiederzugeben ... was beim Volk Furcht, Angst, Unglaube, Erstaunen, Freude, Begeisterung und weitere emotionale Reaktionen hervorrief. Letztendlich fehlte ihm allerdings der schwer wiegende Beweis.

Also machte sich Mose noch einmal auf den Weg. Er war ja nun schon sehr geübt und wusste genau, wo er hinzugehen hatte.

Kaum angekommen, nahm er seine übliche Meditationshaltung ein und versuchte, den Kontakt wieder herzustellen. Aber Gott, dieser Schelm, ließ ihn erst einmal zappeln. Tagelang suchte Mose nach seiner Mitte, krampfhaft konzentrierte er sich darauf, all seine Gedanken loszulassen, aber wie man ja weiß, kann das so nicht funktionieren. Als er gerade aufgeben wollte (es war ihm inzwischen egal, ob da noch was kommt), kam etwas.

Eine dunkle Wolke senkte sich auf ihn herab und hüllte ihn ein.

„Warum strengst du dich so an?”

„Äh, ich hab da was vergessen ...”

„Klar doch, Meister des Vergessens! Ich weiß.”

„... und außerdem brauche ich handfeste Beweise, das Volk verlangt danach.”

„Ich weiß. Sie sind schon so weit von mir entfernt, dass sie für meine Existenz Beweise fordern.

Na gut, wenn es ihnen hilft, sollen sie sie haben. Ich werde dir meine Gebote dieses Mal diktieren, denn was man selbst geschrieben hat, prägt sich besser ein.”

„Oh Herr, nicht doch ... nicht alles in Stein hauen ... verschon mich. Lass’ ein Wunder geschehen!”

„Was heißt hier Wunder. Hast du nicht ein Stück Papyrus einstecken?”

„Nein, das hab ich in Ägypten vergessen.”

„Also Meister, frisch ans Werk. Das wirst du dann nicht mehr so schnell vergessen.”

Und schon materialisierten sich Hammer und Meißel neben Mose. „Dein Wille geschehe ...” Er ergab sich seinem Schicksal und hämmerte los. Ganze dreißig Tage dauerten die Aufzeichnungen. Mit Blasen und Schwielen an Händen und Füßen, aber zufrieden mit sich und Gott, kam er nach vierzig Tagen wieder unten an, diesmal mit in Stein geschlagenen Beweisen: die ZEHN GEBOTE.

Endlich konnten sich alle beruhigt auf den Weg ins gelobte Land machen, denn Gott war ja nun mit ihnen ... und zwar, wie sie meinten, nur mit ihnen.

Aber Gott hatte selbstverständlich Kontakt mit all seinen Schäfchen, auch wenn es diese Schafe nicht immer bemerkten.

Oh Isis, Oh Osiris, Oh...

Apropos Kontakt. Kehren wir nochmal kurz zurück nach Ägypten, ins gepriesene Land am Nil, reich an Gold und auch an Göttern.

Amenophis IV., Einzelgänger und Mitregent von Gott-Pharao Amenophis III., hatte mal wieder überhaupt keine Lust, seinen Vater in den Tempel des Amun zu begleiten, um dort den üblichen Opferritualen beizuwohnen. Aber auch diesmal hatte er keine andere Wahl.

Gebläht von den üppigen Speisen der allabendlichen Gelage seines Vaters und geplagt von einem juckenden Hautausschlag, ausgelöst durch das schwere Lotusparfüm seiner Mutter Teje (die von allem immer etwas mehr auflegte, um so ihre bürgerliche Abstammung zu übertünchen), trottete er missmutig hinter einem hohen Aufgebot von Wichtigkeiten in Richtung Tempel her.

Ihm wurde jetzt schon schlecht, wenn er nur an den penetranten Gestank des Weihrauchs und an das scheinheilige Getue der Priester dachte, die ständig um seinen Vater herumschwänzelten.

„Mit mir nicht”, brummte Amenophis. „Sollte einmal mein Vater in das Haus der Ewigkeit eingehen, wird hier ein anderer Wind wehen!” PFFFFT. Eine Blähung entwich zischend und unterstrich die Ernsthaftigkeit seiner Zukunftsvisionen.

Doch das eintönige Trommeln und ständige Rasseln der Sistren störte mal wieder seinen Gedankenfluss. Er ließ sich aber auch zu leicht ablenken.

„Äh ... was wollte ich eigentlich? Ach ja ...” Rassel ... „Äh? Wie soll man bei diesem Lärm kontemplieren?” Murmel, murmel ... sing, sang ... „Endlich ... vorbei.”

Angeführt von Gott Pharao stürmte der gesamte Tross zu einem üppigen Brunch in den Palast zurück. Im Laufschritt rannte Amenophis III. erwartungsfreudig (besonders freute er sich auf seinen Hekat Wein, was damals ungefähr 4,78 Liter waren) die Sphingen-Allee entlang, wobei seine zellulitären Oberschenkel von den im Wind flatternden Leinenröcken bis hin zum göttlichen Obelisken freigelegt wurden.

Verächtlich beobachtete sein Sohn dieses Treiben und bog kurz vorm Betreten des Palastes in Richtung Nil ab. Bei dem Gedanken an diesen fettreichen Fraß wurde es ihm schon wieder schlecht, und er übergab sich kurzerhand in den nächsten Lotusteich.

An seine Lieblingsbeschäftigung, nämlich das Lustwandeln an den Ufern des Nils und stundenlanges Philosophieren über die Götter und Ägypten war jetzt nicht mehr zu denken. Unser vergeistigter Papyrusstängel schlich also zurück in seine Gemächer, wo er sich völlig entkräftet die Perücke von seinem enthaarten Haupt riss und auf sein mit Blattgold überzogenes Nachtlager sank. Nachdem er eine Handvoll Schwarzkümmel gekaut hatte, schlief er selig ein und wachte erst wieder mitten in der Nacht auf.

Der sternenbeglänzte Himmel zog ihn hinaus an seinen Lieblingsplatz, zu den Ufern des Nils, wo er, wie schon erwähnt, ungestört sinnieren konnte ...

„Oh Isis, oh Osiris, oh Seth, oh Thot, oh Hathor, oh Horus, oh Maat, oh Sobek, oh ..., seid mit mir”, flehte Amenophis. Er bat wie immer um Erleuchtung und göttliche Führung.

„Was heißt hier Isis, Osiris und oh und bla bla bla bla ... Schrei doch nicht so ... mit mir kannst du ganz normal reden. Ich bin doch immer bei dir, merkst du es jetzt endlich?”

Diese plötzliche Illumination haute den noch etwas schwächlichen Jüngling glatt von den Füßen. Er sank auf die Knie und verbeugte sich ehrfürchtig, wie er es von den Tempelritualen gewohnt war.

„Lass doch diese gymnastischen Übungen, die schaden ohnehin nur deinem Meniskus ...”

„Ähem ... wie jetzt? Hab’ ich da was falsch gemacht? Wusst’ ich’s doch, diese fetten Priester haben keine Ahnung ...”

Während er sich aufrichtete, fiel sein Blick auf die Sonne, die sich gerade über den Horizont erhob.

„Oh Lichtbringer, oh göttliches Licht, oh ...”

„Jetzt hör aber mal auf mit deinem Geohe!”

„Oh ...”

„Schluss!”

„Ja, aber ... wie soll ich dich nennen? Zu wem soll ich beten? Wem soll ich meine Opfer darbringen?”

„Häh ...? Nennen, beten, opfern? Was soll denn das? Das brauchst du doch alles gar nicht.”

„Ja, aber wie soll ich dich nennen, wenn ich dich anrufen will?”

„Das ist ja unglaublich, was diese Priester da angerichtet haben. Aber wenn du es unbedingt willst, such dir halt einen Namen aus.”

„Oh ... Oh ... Oh ja! Lass mich nachdenken.”

„Denken ist nicht der richtige Weg ... fühle!”

Er fühlte ... fühlte die heißen Sonnenstrahlen ... dachte kurz nach und brach in den Jubelschrei „OH ATON” aus.

„Du bist es, du bist der Alleinige. Du bist das Licht, das Leben und der Weg. Du bist der, der über allem steht, dir will ich folgen.”

(Dieses menschliche Missverständnis begründete zwar eine revolutionäre Religion, beendete aber schlagartig den Kontakt.)

„Oh ... oh ... oh Einfältiger.”

Gott winkte ab und hoffte auf später.

Wie wir wissen, musste der gichtgeplagte Vater von Echnaton, wie sich Amenophis IV. ab sofort nannte, schneller umziehen als beabsichtigt – in das Haus der Ewigkeit.

Lichtdurchflutet und voller Tatendrang übernahm Echnaton die Regentschaft und machte sich sofort daran, alle Priester und Götter ihrer Ämter zu entheben. ATON (die Sonne) und Echnaton (was soviel heißt, wie: Er nützt dem Aton) herrschten ab sofort über Ägypten und die dort bekannte Welt.

Zwar war diese Idee nicht schlecht, aber da sie auf Glauben und nicht auf Wissen beruhte, sollte sie ihren Begründer nicht überleben.

Schon bald tummelten sich wieder die alten Götter über dem Land und auch die Priester konnten wieder ihre gewohnten Tätigkeiten aufnehmen.

So viel zu Ägypten.

Aber auch andere Länder hatten ihre Götter ... andere Götter und andere Helden. So auch in der Wiege des Abendlandes: in Griechenland...

Erste olympische Disziplin: Irrfahrten

Mit einem lauten Krachen warf eine leicht auslaufende Welle der Ägäis den morschen, immer noch unter zerfetzten Segeln gehissten Kahn, samt seiner abgewrackten und unter extremen Alkoholeinfluss stehenden Besatzung, an Land.

„... hixs ... jamas ... rülps ... hixs ... kalimera ... hixs ... ja ... ne ... wo bin isch’n eigentlisch gelandet ... hier ... hixs... rülps.” Furz ...

Der strahlende Held, hinter dem eine lange und abenteuerliche Odyssee lag, ahnte nicht, dass er am Ende seiner immerhin zehnjährigen Reise angekommen war.

Nur undeutlich nahm er die Konturen einer am Strand sitzenden Gestalt wahr und torkelte auf diese zu.

„Wo bin isch’n hier ...?”, wollte er von dem Mann wissen, der das Landemanöver des alten Wracks schon seit fast zwei Stunden interessiert beobachtet hatte.

„In Ithaka, mein Herr!”, antwortete Homer, Angler und erfolgloser Hobbydichter.

„Jungs, hisst die Segel, und lasst uns sofort wieder in See stechen”, schrie Odysseus seinen treuen Gefährten zu.

Aber so schnell war da nichts zu machen. Die Überreste des Schiffs waren zu morsch, die Jungs zu besoffen, die Segel zu zerfetzt, und auch Äolus, der Gott des Windes, war um diese Tageszeit nicht mehr ganz nüchtern und wollte sich nicht einmal mehr zu einer sanften Brise überreden lassen.

So ließen sich die Gefährten nach einem letzten Schlückchen Ouzo auf Deck nieder und sanken schon bald in Morpheus Arme, während Odysseus es sich in Homers Hütte bei Schafskäse, Oliven und Retsina gemütlich machte.

In weinseliger Laune lallte der Gast dem Gastgeber seine komplette Lebensgeschichte ans Ohr.

„... und Schuld an allem ist dieses Weib, diese Helena.

Weiber und Alkohol, mein Freund, sind der Untergang des Abendlandes. Glaubst du vielleicht, ich wäre freiwillig in den trojanischen Krieg gezogen? Aber ich hatte es Menelaos versprochen. Ich hab’ so getan, als sei ich verrückt. Ich wollte einfach nicht ... zu Hause war es doch so gemütlich, da hatte ich mein Gewohntes. Aber Palamedes ist mir auf die Schliche gekommen. Und so machten wir uns dann doch auf den Weg, um diese von Paris entführte Schlampe zu befreien ...

Glaub mir, ich hätte sie bei Paris gelassen, dann wäre uns dieser Krieg erspart geblieben. Irgendwann kam ich auf die Idee mit dem hölzernen Pferd. Es sollte doch ein Geschenk sein. Ein Geschenk für die Trojaner. Im Bauch des Pferdes befanden sich 30 meiner besten Männer. Die sollten dann, sobald die Trojaner die Tore geöffnet hatten, die Stadt einnehmen. Aber die Trojaner trauten dem Frieden nicht. Sie beschossen das kunstvoll angefertigte riesige Holzpferd mit brennenden Pfeilen, bis es Feuer fing und mitsamt meiner besten Krieger verbrannte. Uns anderen blieb nur noch die Flucht. Was ist eigentlich aus Helena geworden?”

Homer erinnerte sich vage: „Sie ist frei gekommen, hab’ ich gehört. Aber wenn ihr sie nicht befreit habt, wie man bisher erzählte, hat Paris sie wohl satt gehabt, diese Ziege mit ihrem ewigen Gemeckere.”

Der Schiffbrüchige erhob sich kopfschüttelnd, um einem menschlichen Bedürfnis hinter der Hütte nachzugehen.

Interessiert hatte Homer den Worten des Fremden gelauscht, der nur Odysseus sein konnte. Odysseus, König von Ithaka, der nach langen Jahren in seine Heimat zurückgekehrt war.

Ein freudiger Schauer überlief den Dichter.

Viele Geschichten hatte man sich inzwischen von Odysseus und seinen Gefährten erzählt, aber bisher waren es eben nur Sagen und Mythen. Das alles konnte kein Zufall sein. Homer hatte sich schon länger mit dem Gedanken befasst, die Abenteuer des Odysseus zu einer Geschichte zusammenzutragen, aber leider war der Stoff dazu bisher recht dürftig.

Und jetzt? Jetzt saß der Held persönlich in seiner bescheidenen Hütte und packte aus. Endlich, die Wahrheit. Und dieses mal die ganze Wahrheit. Homer rieb sich erwartungsfroh die Hände, holte sein Schreibwerkzeug und dankte den Göttern, dass er noch vor kurzem den letzten freien Platz eines Stenografiekurses hatte belegen können.

Kurze Zeit später kam der immer noch torkelnde Gast in die Hütte zurück.

„Äh ... wo waren wir ... äh, ich ... stehen geblieben? Ach ja, Weiber.” Und so musste sich Homer zähneknirschend alles noch einmal anhören, weil Odysseus den roten Faden nur am Anfang seiner bereits erzählten Geschichte wiederfinden konnte.

„... und dann hab ich mich mit zwölf Schiffen und 500 Mann auf den Weg nach Hause gemacht. Leider haben wir uns verirrt und gingen an der thrakischen Küste an Land. Aber die Thraker waren Freunde der Trojaner, und so mussten wir schon wieder kämpfen. Nachdem ich weitere 72 Mann verloren hatte, beschlossen wir, uns umgehend aus dem Staub zu machen. Nun ja ... so begann eine lange Zeit des Inselhoppings, woran wir aber schon nach kürzester Zeit Gefallen fanden.

Es war ein schönes Spiel. Wir hissten die Segel und überließen dem Zufall und dem Wind, wohin es uns trieb. Und da es auf jeder Insel, auf die wir trafen, Braten, Wein, Weiber und Gesang in Hülle und Fülle gab, hätte keiner der Männer nicht mal im Traum daran gedacht, nach Hause zurück zu kehren, wo ihre alten Pflichten auf sie warteten.”

Schaudernd erinnerte sich Odysseus, wo er nun gestrandet war.

„Äh ... wo war ich stehen geblieben? Äh, also ...?” Fragend suchte der Abenteurer nach seinem roten Faden. Bevor er jedoch wieder von vorne beginnen konnte, gab ihm Homer, der bis dahin alles aufgeschrieben hatte, die Stichworte: „Braten, Wein, Weiber und Gesang!”

„Ach so, ja: Also da hatte uns doch ein Sturm erwischt, und unser Schiff zerschellte an dem einzigen Felsen, der in der Bucht der Insel Ogygia aus dem Meer ragte.

Als ich wieder zu mir kam, lag ich nackt in einer kleinen Grotte, direkt am Strand, und eine sehr üppige, schwarzhaarig gelockte Griechin, mit dunklem Flaum über der Oberlippe, starrte mich lüstern an. Zunächst war ich begeistert, es gab Sex ohne Ende. Aber irgendwann, mein Freund, ist auch der wildeste Bock gezähmt. Ich konnte einfach nicht mehr und wollte nur noch weg. Aber diese Nymphomanin wollte mich nicht aus ihren Fängen lassen. Glücklicherweise bekamen wir eines Tages Besuch von einem gewissen Hermes, Heinz oder so ähnlich. Und schon stürzte sich Kalypso auf den armen Kerl, der eigentlich nur die Post vorbei bringen wollte. Das war meine Chance. Ich schnappte mir sein gelbes Boot und segelte mit voller Kraft hinaus aufs Meer. Selbst Äolus war auf meiner Seite, denn noch nie stand der Wind so günstig.”

Odysseus nahm einen kräftigen Schluck Ouzo und konnte auch gleich anknüpfen: „Und so schipperte ich als nächstes in das Land der Phäaken, wo ich wohlwollend aufgenommen wurde. Hier hatte ich zunächst eine wunderschöne Zeit. Feiern ohne Ende, Essen satt und Weiber, kann ich dir sagen, alles Jungfrauen. Und diese Nausikaa ...

Aber irgendwann kannte ich die Insel in- und auswendig. Ich wusste, es gab noch so viele schöne Inseln in dieser Gegend. Also schenkte mir Alkinoos ein stattliches Schiff, und die Besatzung war auch schnell gefunden, da es hier eine Menge abenteuerlustiger Seefahrer gab, die schon lange von einer Kreuzfahrt in der Ägäis geträumt hatten. Und so brachen wir zu neuen Abenteuern auf.”

Homer konnte nur noch mühsam seine Augen offen und den Stift halten und hoffte, endlich mal was anderes zu hören, als von irgendwelchen Weibergeschichten und Völlerei. Er braute sich ein starkes Getränk aus gebrannten Bohnen, um einigermaßen wach den weiteren Erzählungen seines Gastes folgen zu können. Das Mitschreiben hatte er aber inzwischen aufgegeben.

Auch Odysseus trank von dem Gebräu und erzählte weiter:

„... nachdem wir die Lotophagen, die nichts anderes als Lotosfrüchte essen, verlassen hatten, steuerten wir die nächste Insel an, um nach Proviant zu suchen ...”

„Oh nein, schon wieder eine dieser öden Inselgeschichten,” dachte Homer und horchte erst wieder gespannt auf, als er das Wort „Riese” hörte.

„... als wir diesem Riesen begegneten. Na ja, Riese ist vielleicht ein bisschen übertrieben. Aber groß war er schon, na so zwei Meter. Und fett war der ... hatte ja auch ‘ne Menge zu fressen. Überall lagen Knochenreste von Schafen und Ziegen herum, und über dem Feuer drehte er einen ganzen Hammel am Spieß. Uns allen lief das Wasser im Mund zusammen, hatten wir uns doch seit Tagen nur von Lotosfrüchten ernähren können. Wir näherten uns dem Kerl, der uns bisher noch nicht bemerkt hatte, und konnten erst aus der Nähe sehen, dass er nur ein Auge hatte, das sich in der Mitte seiner Stirn befand und leicht getrübt war. Ich begrüßte den Dicken, in der Hoffnung, er würde uns zum Essen einladen.

Erschrocken fragte er: „Wer ist da?“, und ich antwortete:

„Niemand!“

„Das ist aber schön, Niemand, dass du mich besuchst. Ich bin Polyphem Kyklop, der Einäugige. Komm, setz dich mit deinen Freunden zu mir. Ich schabe euch allen eine ordentliche Portion Gyros vom Drehspieß ab. Ihr habt doch bestimmt Hunger. Ich hätte auch noch ein bisschen Knoblauchsoße. Zaziki, selbst gemacht.“

Das ließen sich die Männer nicht zweimal sagen und hauten rein.

„Ist das schön, mal wieder Besuch zu haben. Wisst ihr, ich lebe hier nämlich ganz allein mit meinen Ziegen und Schafen. Ach, wie wär’s denn mit ein paar frischen Oliven?“

Ohne auf die Antwort zu warten, erhob er sich mühsam und setzte seine von Gicht geplagten Knochen in Bewegung.

Der überaus gastfreundliche Polyphem steuerte auf einen wunderschönen, volltragenden Olivenbaum zu und noch bevor er die dicksten Früchte mit seiner ausgestreckten Hand greifen konnte, wurde er von einem herausragenden spitzen Ast gebremst. Ich konnte nicht einmal mehr „Achtung!“ rufen, da hatte sich der kleine Ast auch schon mitten in sein Auge gebohrt. Mit einem markerschütternden Schrei befreite sich Polyphem und torkelte wimmernd auf uns zu.

„Niemand, hilf mir!“

Wir verzichteten auf die Oliven und verarzteten notdürftig dieses arme Schwein. An Schlaf war in dieser Nacht nicht mehr zu denken, denn das Gejammere des Polyphem war nicht auszuhalten. Also bedankten wir uns am nächsten Morgen bei dem Pechvogel und verabschiedeten uns, jedoch nicht ohne heimlich einen Teil seiner Schafe als Proviant mit an Bord zu nehmen. Die Schreie des Polyphem waren so laut, dass wir ihn noch auf hoher See hören konnten. Man hätte meinen können, er hätte Poseidon aus dem Tiefschlaf gerissen, so heftig war der Sturm, der bald darauf losbrach.”

Und Odysseus erzählte von seinem Abenteuer mit dem Furzkissen des Äolus, vom Besuch bei der bezaubernden Kirke, die ihn täglich aufs Neue bezirzte, die er aber bald verlassen musste, weil sich seine Freunde wie die Schweine aufführten.

Er erzählte von seinen Irrwegen in den dunklen Höhlen auf irgendeiner ihm unbekannten Insel, wo er beinahe über die knochigen Füße des blinden und schon fast toten, an Altersdemenz leidenden Propheten Tiresias stolperte, der schon lange Zeit in dieser Unterwelt saß und dort mit seinem Schicksal haderte.

Abenteuer dieser Art in Hülle und Fülle folgten bis zum Morgengrauen. Als die Sonne am Horizont erschien, griff Odysseus noch einmal zur Ouzoflasche, leerte diese mit einem Zug, rollte sich zusammen und schlief endlich ein.

„Der hat sich doch nur von Insel zu Insel durchgefressen, durchgesoffen und nichts anbrennen lassen, dieser geile, versoffene Sack. So wird das nichts mit meinem Heldenepos. Aber aus dieser langweiligen Story kann ich bestimmt was machen. Ich muss mir nur was einfallen lassen.

Oh, ihr Götter, seid mir gnädig!”