Selbst denken, selbst machen, selbst versorgen - Markus Bogner - E-Book

Selbst denken, selbst machen, selbst versorgen E-Book

Markus Bogner

4,9

Beschreibung

Sein Name ist Markus Bogner. Sein Beruf: Bauer. Nicht Bauer aus Tradition, sondern Bauer aus Leidenschaft. Hoch über dem Tegernsee bewirtschaftet er ein winziges Stückchen Land – vielfältig, biologisch und erfolgreich. Ob Fernsehsender, Süddeutsche Zeitung oder das Magazin Landidee, alle stehen sie Schlange, um über ihn und seinen Boarhof zu berichten. Bogner ist das, was man einen 'Typen' nennt, einer, der sich der 'Alternativlosigkeit' nicht beugen will. Schon lange stand er dem Mantra der Agrarlobby, wonach nur überleben kann, wer 15 000 Hühner im Stall hat oder die Saat in Glyphosat ertränkt, kritisch gegenüber. Vor sechs Jahren hat er seine Philosophie der Permakultur wahrgemacht – und siehe da: Es funktioniert! Was auf dem Boarhof wächst, verkauft er direkt ab Hof. Die Menschen genießen den Einkauf bei ihrem Bauer des Vertrauens oder besuchen seine Seminare zum Brotbacken oder Saatgutziehen. Wer wissen will, wie man sein Leben selbst in die Hand nimmt, wie gut es tut, mit der Natur zu arbeiten, findet in Markus Bogners Buch Inspiration und Hoffnung. Wo sich andere in Theorie verlieren, beweist der Bauer vom Boarhof durch die faktische Macht des Einfach-nur-Tuns, dass eine andere Agrarkultur möglich ist. Tag für Tag. Immer wieder neu.

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Markus Bogner
Selbst denken,selbst machen,selbst versorgen
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2016 oekom, Münchenoekom verlag, Gesellschaft für ökologische Kommunikation mbHWaltherstraße 29, 80337 München
Satz und Layout: Tobias Wantzen, BremenLektorat: Uta Ruge; Christoph Hirsch (oekom verlag)Druck: Bosch-Druck GmbH, ErgoldingUmschlaggestaltung: Büro Jorge Schmidt, München
E-Book: SEUME Publishing Services GmbH, Erfurt
Alle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-96006-133-5

Inhalt

Vorwort
Statt eines PrologsEin Arbeitstag im Frühjahr: säen, pflanzen – es werde!
Erstes KapitelWas ist ein gutes Leben – oder: wie wir zum Boarhof kamen
Selbermachen 1 – Einen Garten pachten
Zweites KapitelWachse oder weiche – wie Landwirtschaft heute »funktioniert«
Selbermachen 2 – Die eigene Saat züchten
Drittes KapitelDer Boarhof – spezialisiert auf Vielfalt
Selbermachen 3 – Brotbacken
Viertes KapitelWeltbevölkerung – Wachstum – Würde: Wie passt das zusammen?
Selbermachen 4 – Urlaub als Hobbybauer
Fünftes KapitelDer Globalacker – oder: mit 2.000 Quadratmetern die Welt ernähren
Selbermachen 5 – Kompost aus der Wurmkiste
Selbermachen 6 – Terra Preta herstellen
Sechstes KapitelDie Sache mit dem Fleischkonsum
Siebtes KapitelWir haben bereits mehr als genug – für alle!
Selbermachen 7 – Basics des Haltbarmachens
Selbermachen 8 – Kröten statt Schneckenkorn
Achtes KapitelDer Weltagrarbericht – eine Blaupause für eine andere Landwirtschaft
Selbermachen 9 – Obstbaumpflege im Gartenjahr
Neuntes KapitelDer Kassenbon als Wahlschein des 21. Jahrhunderts
Zehntes KapitelGenug statt immer mehr, anders statt immer gleich
Selbermachen 10 – Hühnerhaltung im Hausgarten
Selbermachen 11 – Gurkenanbau – von der Saat bis ins Glas
Elftes KapitelUnser gemeinsamer Weg zum Wandel
Selbermachen 12 – Die wundersame Kartoffelvermehrung
Sechs Ideen für eine bessere Welt
Statt eines EpilogsEin Arbeitstag im Herbst: sehen, ernten – es ist!
Für
Maria und Peter BognerMaria und Rudi LautenbacherKatharina und Christoph von MalaiséMargit und Sepp Brunner
ohne Euch wären wir nichtwo wir sind,was wir sind undwie wir sind.

Vorwort

50 Mal habe ich mir die Enzyklika von Papst Franziskus »Laudato si« gekauft. 49 Mal habe ich das Buch verschenkt, in der Hoffnung damit Bündnispartner für den darin skizzierten Weg der Verbundenheit zu finden.
In seiner Enzyklika formuliert Franziskus den Gedanken, dass die globalen ökologischen und sozialen Probleme zwei Seiten derselben Medaille sind, denn in beiden Fällen glaubt der Mensch, Herrscher zu sein – einmal über die Natur, das andere mal über die Schwächeren seiner Art.
Ich finde diese Beobachtung sehr treffend, gibt sie doch einen Hinweis auf die uns fehlende (oder zumindest beschädigte) Verbundenheit zur Natur und zu den Armen.
Im Falle der Natur kann man sich so etwas wie Verbundenheit ganz gut vor Augen führen: denkt man an ein Stück Natur, das man besonders gerne hat (ich glaube, jede/r kennt so ein Plätzchen), tut es weh, wenn es zerstört wird. In dieser Verbundenheit sind wir sofort bereit »dafür« zu kämpfen.
Die soziale Seite illustriert eine Geschichte, von der ein Bürgermeister einer Hafenstadt am Mittelmeer unlängst berichtet hat. Er erzählt von Fatima, deren Mann im Krieg umgekommen ist. Ihr Leben mit ihren zwei Kindern ist zwischen den Fronten rivalisierender Kriegsbanden immer unerträglicher und gefährlicher geworden. Irgendwie gelingt ihr die Flucht. Ihr letztes Geld gibt sie einem Schlepper, der sie mit einem desolaten Boot übers Mittelmeer bringt. Schwimmend, die beiden Kinder hängen an ihr, erreichen sie den rettenden Steg an der Südküste Europas.
Am Schluss der Geschichte fragt der Bürgermeister: »Würden Sie es schaffen, diese Frau mit ihren Kindern ins Meer zurückzustoßen?« Nein. Natürlich würden wir das nicht schaffen. Nicht einmal die Ängstlichen, die sich vor den großen Flüchtlingsströmen fürchten, würden es schaffen. Warum nicht? … weil allein durch den Anblick dieser Frau und Mutter eine Verbundenheit entsteht, die alles wendet. Und selbst die Radikalsten, die täglich die Ängste schüren und die Ängstlichen noch ängstlicher machen, würden es nur schwer schaffen, sie ins Meer zurückzustoßen.
Der Weg der Verbundenheit weist in eine andere Richtung. Nicht die Angst ist unser Handlungsmotiv, sondern das Wissen, dass wir nur in Kooperation mit Mensch und Natur anstelle eines alles zerstörenden Wettbewerbs überleben können.
Ich habe das feste Vertrauen, dass in jedem von uns, – in dir, in mir – ein Talent für diese Verbundenheit wohnt. Vielleicht ist dieses Talent verschüttet. Vielleicht schlummert es. Aber es ist immer da – wir müssen es nur wecken.
Markus Bogner ist einer, der diese Verbundenheit zu Mensch und Natur mit Herz, Hirn und Hausverstand lebt. Er lässt uns miterleben, wie er als Bauer mit der Natur umgeht und was er von der Natur lernt. Markus ist nicht nur ein kluger Landwirt. Er ist auch ein Weltbürger, der seine Verantwortung wahrnehmen will. Auf der Grundlage seiner Erfahrungen, die er auf seinem Stückchen Erde macht, denkt er über die Welt nach. Wir haben »nur« diese eine Erde und diese Erde beschenkt uns mit Schönheit und genug Lebensmitteln. Wir müssen »nur« die Herausforderungen der Bodenpflege und des Teilens annehmen und meistern lernen. Gandhis berühmter Satz »die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier« weist uns den Weg.
Nun werde ich auch dieses Buch von Markus Bogner 49 Mal verschenken, denn seine Methode des »mit Herz, Hirn und Hausverstand« ist ein handfester und bodenständiger Weg ein bisschen mehr vom Geheimnis der Welt zu verstehen. Diese Art des Vorgehens ist gut dafür geeignet auch größere und große Probleme in Angriff zu nehmen und diese zu meistern.
Heini Staudinger
Geschäftsführer der Waldvierteler Schuhwerkstatt (www.gea.at)
PS:  Achtung! Dieses Buch kann die in Ihnen schlummernden Talente für Verbundenheit wecken.

Statt eines PrologsEin Arbeitstag im Frühjahr: säen, pflanzen – es werde!

Nichts wird,nichts ist,nichts bleibtim Himmel und auf Erdenals diese zwei:das eine ist TUN, das andere WERDEN.
– Daniel Czepko von Reigersfeld, deutscher Poet
Ein Mittwochmorgen im Mai. Noch bevor ich mit meiner Frau und den Kindern frühstücke, mache ich kurz einen Rundgang zu den Tieren. Fast jeden Tag, wenn ich morgens zur Haustür hinausgehe, überwältigt mich, was ich sehe.
Da ist zuallererst unser Hausgarten mit den vielen Kräutern und Blumen. Um diese Zeit bedeckt noch Tau alle Pflanzen. Doch mit den ersten Sonnenstrahlen trocknen sie und fangen sofort an zu duften. Dahinter liegt eine Wiese mit Weiher, dem kreisförmig angelegten Gemüsegarten und einem kleinen Acker. Diesem Acker habe ich den Muskelkater zu verdanken, der mich heute früh schon seit dem Aufwachen mächtig plagt. Wenn ich den Acker jetzt aber so sehe und mich erinnere, dass wir hier gestern unsere Kartoffeln gelegt habe und daran denke, welch üppige Ernte wir hoffentlich im Herbst erhalten werden, lässt mich das den Muskelkater fast vergessen.
Hinter dem Garten sehe ich ein kleines Stück vom Tegernsee, und an dessen Ende erheben sich gleich die Alpen. Das komplette Panorama der Tegernseer Berge kann man von der Haustüre aus sehen. Ein paar Gipfel werden schon von der Morgensonne angestrahlt, andere warten noch auf das erste Licht. Um diese Zeit herrscht noch eine ganz eigene Ruhe. Manchmal bilde ich mir ein, man könne diese Ruhe, dieses Unverbrauchte des Tages sogar in der Luft riechen. Und dann fällt mir auf, dass es so ruhig gar nicht ist. Hunderte, wahrscheinlich sind es eher Tausende Vögel veranstalten ihr allmorgendliches Konzert. Mit den tollsten Melodien buhlen die Herren der Vogelschöpfung um die Gunst eines Weibchens.
Herrn Kuckuck habe ich vor einer Woche zum ersten Mal wieder gehört. Ich bin mir sicher, dass es derselbe Kuckuck ist wie schon in den Jahren zuvor. Unser Kuckuck stottert nämlich. Seinen Ruf würde ich unter allen anderen heraus kennen. Familie Kuckuck ist dieses Jahr spät aus ihrem Winterquartier zurückgekommen. Hoffentlich nicht zu spät. Die anderen Vögel waren dieses Jahr viel früher da als sonst. Hoffentlich findet Frau Kuckuck noch ein Nest, in das sie ihr Ei legen kann.
Dann gehe ich in den Stall, mache das Fenster bei den Hühnern auf, damit die ins Freie können. Die beiden Hähne bedanken sich draußen prompt mit lautem Krähen. Die Laufenten dürfen auch raus. Nach einem kurzen Bad im Weiher beginnen sie sofort mit der Schneckenjagd. Die Schnecken brauchen sie im Moment dringend, weil sie fast jeden Tag ein Ei legen und die Schnecken hierfür ein willkommener Eiweiß- und Kalklieferant sind. Unser altes Gänsepaar folgt den Enten auch Richtung Weiher, nur viel, viel langsamer. Sie haben ihre Gänseküken im Schlepptau. Stolze Eltern mit ihren drei Kindern. Im Juli kommen noch mindestens 30 kleine Adoptivkinder dazu. Bis dahin dürfen sie frei herumlaufen, dann müssen sich die Gänse auf der Weide wieder an einen Zaun gewöhnen.
Jetzt muss ich noch schauen, ob bei den Weideschweinen, den Rindern, den Hähnchen und den Pferden alles in Ordnung ist. Nachsehen, ob alle genügend Wasser haben und ob die Zäune in Ordnung sind – und schon steht einer Tasse Kaffee und einem Frühstück nichts mehr im Weg. Um unsere Kätzchen brauche ich mich nicht zu kümmern. Die werden von unseren Kindern noch vor der Schule ausgiebig bemuttert. Das genießt auch die Katzenmama sehr.
So richtig viel Zeit bleibt heute aber nicht für das Frühstück. Gerade jetzt, kurz nach den Eisheiligen – also in der Zeit, in der es bei uns oft nochmals so richtig kalt wird –, hat die Arbeit im Garten und auf dem Acker Hochsaison. All die Pflanzen, die seit Wochen im Gewächshaus oder im Haus vorgezogen wurden, werden jetzt in den Garten gepflanzt. Die Chance, dass ein letzter Nachtfrost oder eine unerwartete Rückkehr des Schnees die zarten Jungpflanzen erwischt, wird von Tag zu Tag kleiner.
Heute ist Fruchttag. Wir sind zwar keine Demeter-Bauern, aber auch wir orientieren uns an planetaren Konstellationen und richten unsere Arbeit großteils nach dem Aussaatkalender von Maria Thun. Vor allem die Einflüsse des Mondes auf Pflanzen und Boden spielen hier eine große Rolle. Gestern war Wurzeltag, das heißt, an so einem Tag sind alle Arbeiten mit denjenigen Pflanzen besonders günstig, bei denen das Hauptaugenmerk auf der Wurzel liegt, also Karotten, Rote Bete oder Kartoffeln. Und heute ist es eben für diejenigen Pflanzen günstig, bei denen es eher um die Frucht geht, wie Tomaten, Gurken, Melonen, Zucchini, Kürbis usw.
So haben wir gestern Karottensamen gesät, und heute pflanzen wir die Karotten, die wir den Winter über in Sandkisten gelagert hatten. Das heißt, wir stecken ein paar Karotten, die wir im vergangenen Herbst geerntet haben, wieder zurück in den Boden. Immer wenn ich so etwas tue, stelle ich mir vor, was da einer denken könnte, der vom Gemüsebau keine Ahnung hat. Dabei ist es ganz einfach: Diese Karotten sind nicht mehr zum Verzehr vorgesehen. Karotten blühen erst im zweiten Jahr und bilden dann Samen aus. Diese Samen brauchen wir, um sie in den nächsten Jahren wieder zu säen. Und weil die Samen die Früchte der Karotte sind, pflanzen wir sie heute. Genauso wie die anderen Pflanzen, von denen wir die Frucht ernten wollen. Das sind sowohl die Früchte, die wir essen, als auch die Früchte, deren Samen wir für die neue Saat wieder brauchen.
Neben Frucht- und Wurzeltagen gibt es noch Blatt- und Blütetage. Blatttage sind für alle Kohlgewächse, Salate, Spinat oder Petersilie sehr günstig, Blütetage für alle Blumen, aber auch für Brokkoli und manche Ölfrucht.
Und dann gibt es auch noch Tage, an denen die planetare Konstellation günstig ist, um – nichts zu tun. Auch daran halten wir uns. Wer nach dem Mondkalender sät, pflanzt und erntet, muss sich gelegentlich schon mal die eine oder andere spöttische Bemerkung gefallen lassen. Aber der Aussaatkalender hilft uns auch dabei, nicht immer gleich den ganzen Berg an Arbeit zu sehen. Denn vor allem jetzt, da alle Pflanzen ins Freie wollen, ist dieser Arbeitsberg ganz schön hoch. Heute sind aber zum Glück nur die Pflanzen interessant, die an einem Fruchttag an der Reihe sind – und schon wird der Berg um ein ganzes Stück kleiner.
Trotzdem haben wir ein bisschen Zeitdruck. Morgen wäre zwar auch noch Fruchttag, aber da müssen wir uns um den Hofladen kümmern. Da geht es schon frühmorgens mit dem Brotbacken los, der Laden muss bestückt, Kuchen gebacken und Aufstriche müssen zubereitet werden. Denn ab Donnerstag, 14 Uhr, kommen unsere Kunden und wollen viel von dem, was wir ein paar Stunden, aber auch Tage, Wochen und Monate vorher vor- und zubereitet haben, einkaufen.
Bis zum gemeinsamen Mittagessen mit unseren Kindern sind wir heute mit dem Karottensäen schon ganz schön weit gekommen. Die Arbeit in unserem Gemüsegarten bedeutet sehr viel Hand-Arbeit. Auch das Säen der Karotten ist reine Handarbeit. Da häufeln wir die Erde an, legen die Samen in eine kleine Furche und bedecken sie sogleich mit etwas Erde. In den letzten Tagen hat es nicht geregnet. Da ist sogar unser sonst so schwerer Boden schön krümelig. Wenn wir wieder ein paar Reihen fertig haben, mulchen wir die Zwischenräume. Mulchen heißt, wir bedecken den offenen Boden. Wir machen das mit Heu. Das schützt den Boden vor Austrocknung und Abtragung und hindert die meisten Beikräuter am Keimen. Bei all der vielen Arbeit sind uns die gemeinsamen Mahlzeiten sehr wichtig. Erstens sind das feste Pausen, und zweitens geben sie uns Raum für Austausch und Kommunikation.
Am Nachmittag geht es weiter, wir pflanzen den Rest und werden dabei von unseren Gänsen, den Enten und den Rindern immer wieder aufmerksam beäugt. Zwischendrin treibt mich die Neugier zum Brutkasten. Dort liegen Hühnereier und werden künstlich ausgebrütet. Heute schlüpfen die kleinen Küken. Es ist immer wieder beeindruckend zu sehen, wie die Kleinen sich aus der Enge der Eierschale befreien. Wenn ihr gelber Flaum trocken ist, kann man sich kaum mehr vorstellen, dass diese kleinen Geschöpfe noch vor wenigen Minuten in einem Ei steckten.
Am frühen Abend haben wir es geschafft. Alle Pflanzen sind im Garten und im Gewächshaus, genau da, wo sie hingehören. Jetzt heißt es hoffen, dass diese Arbeit im Laufe des Jahres bis zum Herbst gute Früchte trägt. Eigentlich wäre heute auch die Zeit für einen Pflegeschnitt der Obstbäume sehr günstig, besonders für die Apfel- und Birnenbäume. Fruchttage eignen sich auch dafür besonders gut. Gleich nach der Blüte, wenn die Früchte noch ganz klein sind, schneide ich die Obstbäume am liebsten. In den meisten Büchern zum Thema Obstbaumschnitt wird ein Pflegeschnitt im Winter empfohlen. Da reagiert der Baum meistens mit unheimlich vielen neuen Ästen. Wenn ich aber erst jetzt nach der Blüte schneide, schickt der Baum seine ganze Kraft in die Früchte. Aber für den Schnitt bleibt heute sowieso keine Zeit mehr.
Nach einer gemeinsamen Tasse Kaffee mit meiner Frau auf einer Bank an unserem Weiher betrachten wir unser Tagwerk. Jetzt heißt es noch mal kurz alle Kräfte bündeln und einen Teil der Teige für den morgigen Backtag vorbereiten. Viele unserer Teige »gehen« über Nacht im Kühlen. Das macht vor allem die schweren Roggenteige viel bekömmlicher. So gegen 18 Uhr sind sie fertig, der Holzofen ist schon mit Brennholz bestückt und wartet darauf, irgendwann zwischen zwei und drei Uhr nachts angefeuert zu werden. Dann hat der Ofen so gegen sechs Uhr die richtige Temperatur für die ersten Brote.
Der Tag endet, wie er begann – im Stall. Die Gänse, Enten und Hühner sind ganz selbstständig wieder in den Stall zurückgekommen. Das ist für mich ein täglicher Vertrauensbeweis unserer Tiere. Die Gänse wären in der Lage zu fliegen, sogar weit zu fliegen. Und trotzdem kommen sie täglich zurück in den Stall. Offenbar wissen sie, dass sie dort vor Fuchs & Co. sicher sind. Nun die Tiere im Stall versorgen, Hühner und Gänse füttern, Eier aus den Nestern der Hühner holen und noch mal nach den kleinen Hühnerküken sehen. Achtzehn Küken sind heute schon geschlüpft. In den nächsten Stunden werden es sicher noch mehr. Diese kleinen Tiere brauchen in den ersten Tagen weder Futter noch Wasser. Sie saugen den Dottersack im Ei auf, bevor sie schlüpfen. Diese Mahlzeit reicht für die ersten 48 Stunden.
Draußen müssen noch die Schweine gefüttert werden. Die bräuchten eigentlich nichts. Sie holen sich ihr Futter auf der Weide. Aber ein bisschen altes Brot, Salatabfälle, Obst- oder Gemüsereste helfen, dass sich die Tiere daran gewöhnen, auf mein Rufen sofort zu mir zu laufen. Sollten die Schweine mal einen Ausflug machen – irgendwohin, wohin sie eigentlich nicht sollten –, hilft das Trainieren mit ein bisschen Futter ungemein. Nun noch nach den Rindern und Pferden sehen, kontrollieren, ob die Zäune in Ordnung sind – Feierabend.
Wenn es die Temperaturen zulassen, verbringen wir den restlichen Abend gerne draußen. Da lassen wir dann die Natur auf uns wirken, die Landschaft, die wir als Bauern ein Stück weit mitprägen. Auch das ist eine Art von Ernte.

Erstes KapitelWas ist ein gutes Leben – oder: wie wir zum Boarhof kamen

Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte.Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen.Achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten.Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter.Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal.
– Aus dem babylonischen Talmud
So ein Frühlingstag hier bei uns auf unserem Bauernhof ist für mich und meine Familie wie Balsam für die Seele. In der Natur sein, sich die Zeit nehmen, Dinge wachsen zu sehen, zu beobachten, wie aus winzigen Samen Lebens-Mittel werden – das einfache und doch so folgenreiche TUN. Ich freue mich, Ihnen noch viel mehr Einblicke in mein, in unser Bauernleben geben zu können. Denn für mich und meine Familie ist es das beste Leben, das wir uns vorstellen können.
Bauer – nicht aus Tradition, sondern aus Leidenschaft
Doch zuerst einmal möchte ich mich Ihnen vorstellen: Mein Name ist Markus Bogner. Ich bin Landwirt, Bauer – nicht aus Tradition, sondern aus Leidenschaft. Zusammen mit meiner Frau Maria und unseren drei Kindern bewirtschaften wir einen Bio-Bauernhof am Tegernsee.
Geboren wurde ich im April 1974 in München. Laut Statistik war ich zu diesem Zeitpunkt der 3.981.170.249. Mensch auf unserem Planeten. Im zarten Alter von sechs Tagen beendete ich mein Großstadtleben und zog zu meinen Eltern aufs Land nach Weßling, einer kleinen Gemeinde zwischen Starnberger See, Ammersee und München. So begann meine Karriere als ausgesprochenes Landei. Sie dauert bis heute an.
Meine Mutter war gelernter Verlagskaufmann, für die Bezeichnung »Verlagskauffrau« fehlte damals den Männern noch der Sinn. Mein Vater war überzeugter Banker. »Bankbeamter« hat man damals sogar zu den Bankern gesagt. Mein Vater war sogar Oberbeamter. Er war zwar kein wirklicher Beamter, der Titel sagt aber eine ganze Menge über den Status des Berufs in der damaligen Zeit aus.
Lebensmittel kauften wir direkt beim Bauern. Wo auch sonst?
Die Ortschaft, in der ich aufgewachsen bin, war damals noch stark bäuerlich geprägt. Lebensmittel wie Milch, Eier und Kartoffeln kauften wir direkt beim Bauern. Wo auch sonst? Schuhe kaufte man beim Schuster, das Brot beim Bäcker, Fleisch und Wurst beim Metzger, und den Rest bekam man in einem gut sortierten Tante-Emma-Laden. Zur Tankstelle fuhr man nur, wenn man tanken musste. Doch die Nähe Weßlings zur Stadt München hat in den letzten Jahrzehnten dafür gesorgt, dass von der bäuerlich geprägten Dorfstruktur nicht viel übrig geblieben ist.
Schon sehr früh war mir klar, dass ich nicht in die beruflichen Fußstapfen meiner Eltern treten würde. Allein der Gedanke an eine Krawatte schnürte mir den Hals zu. Mich zog es immer viel mehr Richtung Handwerk. So machte ich eine Berufsausbildung zum Elektroniker.
Nach meiner Lehre absolvierte ich den Zivildienst als Rettungssanitäter. Gegen Ende dieser Zeit war da eine innere Stimme, die hat zwar nichts befohlen, aber sie hat gefragt: Was macht dich glücklicher? Dein erlernter Beruf oder die Arbeit im Rettungsdienst? Der Verstand hat zwar gesagt: Nach dem Zivildienst gehst du zurück in den erlernten Beruf. Das Gefühl aber sagte etwas anderes. So blieb ich weitere zehn Jahre Rettungssanitäter. Eine sehr erfüllende Arbeit. Man lernt viele Menschen kennen. Die meisten von ihnen befinden sich im Moment unserer Begegnung in einer Notsituation. Sie selbst oder einer ihrer Angehörigen ist krank oder verletzt. Auch der Tod war nicht selten mit dabei.
Der Mangel, den viele spüren, ist nicht der Mangel an Dingen
So ein Kennenlernen war für mich immer wieder etwas ganz Besonderes. Es war fast immer geprägt von einer einzigartigen Ehrlichkeit. Die Arbeit im Rettungsdienst zeichnet aber auch aus, dass man die Menschen, die man gerade erst getroffen, mit denen man intensive Gespräche geführt hat, nach kurzer Zeit wieder aus den Augen verliert – und meistens nie wieder sieht. Vermutlich ist gerade das die Basis für die große Ehrlichkeit des Moments. In diesen kurzen, intensiven Gesprächen habe ich sehr viel über die Sorgen und Nöte der Menschen gehört. Schon damals habe ich festgestellt, dass der Mangel, den viele spüren, nicht der Mangel an Dingen ist, wie es uns tagtäglich suggeriert wird.
1998 lernte ich als 24-Jähriger meine zukünftige Frau kennen. Sie kam aus einem noch viel kleineren Dorf als ich, und sie stammte direkt von einem Bauernhof. Der Bruder meiner Frau führte damals bereits den elterlichen konventionellen Milchviehbetrieb, den man zu dieser Zeit mit seinen 50 Milchkühen durchaus als großen, modernen Bauernhof bezeichnen konnte, jedenfalls hier in Oberbayern. In einigen anderen Bundesländern waren damals schon Betriebe mit einigen Hundert Kühen keine Seltenheit.

Auf die Alm, der Liebe wegen

Schon kurze Zeit nachdem ich meine Frau kennengelernt hatte, beschloss sie, ihren erlernten Beruf der Steuerfachgehilfin vorerst an den Nagel zu hängen und einen Sommer lang als Sennerin auf einer Alm am Tegernsee zu arbeiten. In diesem Sommer zog die Liebe auch mich viele Male auf die Alm. Dort schien die Welt seit vielen Jahrzehnten unverändert, man lebte ohne Strom, ohne Telefon, ohne fließend warmes Wasser. Das nächste Handynetz war fünf Kilometer weit entfernt. Kochen auf dem Holzherd, Abende mit Kerzenschein, nicht nur der Romantik wegen. Ein Leben Tür an Tür mit den Tieren – Kühen, Kälbern, Hühnern und Schweinen. Ein Leben mit der Natur und auch von der Natur. Kurzum: ein Leben mit ganz viel Arbeit und einer absoluten Reduktion auf das Wesentliche, was den eigenen Komfort betraf. Das hatte damals schon sehr viel von dem, was ich heute als »das gute Leben« bezeichnen würde.
Der ständige Wechsel zwischen der Welt da oben auf der Alm und der Welt da unten, in der alles Technische und Komfortable und aller Konsum so selbstverständlich waren, brachte mich zum Nachdenken über so ziemlich alles, was ich als »normal« betrachtete. Bei näherem Hinsehen war einiges dann plötzlich aber gar nicht mehr so »normal«. Ich begann mein ganzes Leben zu hinterfragen. Wie viele Dinge haben und benutzen wir, wie viele Handgriffe machen wir, wie viele Rituale befolgen wir jeden Tag, als wäre all das in Stein gemeißelt – ohne die Regeln, nach denen das funktioniert, je zu hinterfragen.
In den folgenden Jahren verbrachten meine Frau und ich zwei weitere Sommer gemeinsam auf dieser Alm, einen zusammen mit unserer ersten Tochter, den nächsten dann schon mit zweien.
Und am Ende eines jeden Almsommers stand die Rückkehr in die sogenannte Zivilisation. Wieder dieses Hinterfragen des eigenen Lebens, nur noch viel intensiver als zuvor. Dieses Hinterfragen gewinnt mit eigenen Kindern noch einmal enorm an Dringlichkeit. Es führt einen immer tiefer in ein Geflecht neuer Fragen hinein – und bietet zunächst nur wenige Antworten.
Unser Traum war es, ein Leben wie das jener hundert Tage auf der Alm zu führen
Glücklicherweise haben wir sehr schnell gemerkt, dass es auf all diese Fragen, die uns so sehr umtrieben und teilweise bis heute beschäftigen, für uns nur eine einzige Antwort gibt: das einfache TUN.
Während dieser Almsommer wurde für mich der Gedanke an eine Rückkehr in mein altes Berufsleben als Rettungssanitäter immer fremder. Ich fühlte eine immer größer werdende Diskrepanz zwischen meiner Ansicht von dem, was den Patienten guttun würde, und dem, was ihnen von unserem Gesundheitssystem angeboten wird.
Unser Traum war es, ein Leben wie das jener hundert Tage auf der Alm zu führen, ohne jedes Mal diesen Zivilisationsschock erleben zu müssen. Wir hörten einfach auf unser Herz, auf die innere Stimme – und es stellte sich das Gefühl ein, auf dem richtigen Weg zu sein.

Bauer werden ist nicht schwer – oder doch?

So nutzten wir die Chance, als wir eine Stellenanzeige für ein Verwalterehepaar auf einem kleinen, konventionell bewirtschafteten Milchviehbetrieb am Tegernsee lasen. Und obwohl diese Almsommer so ziemlich das Einzige waren, was wir an Berufserfahrung vorzuweisen hatten, bekamen wir den Zuschlag.
Wir brachen die Zelte ab und lebten ab 2004 als Verwalter auf diesem Milchviehbetrieb. Es wurden insgesamt fünf Jahre daraus, in denen wir die Landwirtschaft in einem globalisierten Europa des 21. Jahrhunderts kennenlernten, eine Landwirtschaft, die aus unserer Sicht wieder mehr Fragen aufwarf, als sie Antworten parat hatte. Auf diese Fragen hätten wir gerne mit kreativen Lösungsversuchen reagiert, aber das war an diesem Ort und in einem Angestelltenverhältnis nicht möglich. Als dann unser Sohn geboren wurde, war das für uns nochmals eine dringliche Mahnung und Erinnerung daran, dass wir diese Welt doch eigentlich nur von unseren Kindern und Enkelkindern geliehen haben und dass wir mehr unternehmen müssen, sie in einem »enkelfähigen« Zustand zu übergeben. Wir haben unsere Verwalterstelle gekündigt, ohne zu wissen, wie genau es weitergehen sollte.
In unserem Arbeitsvertrag stand eine Kündigungsfrist von ganzen zwölf Monaten, und am Anfang dieser zwölf Monate wussten wir nicht, womit wir in einem Jahr unseren Lebensunterhalt verdienen, geschweige denn, wo wir wohnen würden. Trotzdem war uns klar, dass wir es tun mussten, damit wir für den Weg, auf dem wir weitergehen sollten, die Augen und Ohren und vor allem das Herz offen haben. Wir wollten einstehen für das, was sich uns in den letzten Jahren eröffnet hatte, nämlich für einen respektvollen Umgang mit der Natur und all ihren Lebewesen.
Einen Garten pachten
Oft kommen wir mit Menschen in Kontakt, die ihrem Leben eine neue Richtung geben wollen. Sie suchen einen kleinen Bauernhof, um sich dort eine Existenz als Selbstversorger aufzubauen. Immer wieder werden wir gefragt, wie und wo man so einen Bauernhof findet. Ich weiß es nicht!! Uns ist der Boarhof auch nur »zugeflogen«. Es gibt sicher tausend Wege, um zu so einem Bauernhof zu kommen. Aber muss es denn überhaupt ein Bauernhof sein?
Eigentlich sollte man meinen, dass es angesichts des Höfesterbens in Deutschland ein Kinderspiel sein müsste, einen Hof günstig zu kaufen. Ist aber nicht so. Denn die Wiesen und Felder der aufgelassenen Höfe werden an andere Landwirte verpachtet und die Hofstellen zu Wohnraum umgebaut. Also geht es in erster Linie um Grund und Boden, mit dem man das Projekt Selbstversorgung angehen kann. Und da muss das Haus ja nicht zwingend mittendrin stehen.
Ohne Tierhaltung genügen für eine kleine Familie 1.000 bis 2.000 Quadratmeter Garten, um sich mit Obst und Gemüse selbst zu versorgen und Wintervorräte anzulegen. Selbst für ein paar Hühner ist noch genügend Platz.
Einen Gemeinschaftsgarten pachten kann man über die Webseite www.meine-ernte.de/gemuesegarten-mieten.
Im süddeutschen Raum ist das Projekt »Sonnenäcker« des Netzwerks »Unser Land« eine gute Anlaufstation: www.unserland.info/projekte/sonnenaecker.
Die 5-Zonen-Planung
Wenn Sie einen Garten gefunden haben, geht es ans Planen. Ist es Ihr eigener Garten sind Sie darin natürlich freier. In der Permakultur gibt es fünf Zonen, in die so eine Fläche aufgeteilt wird:
Zone 1 – ist der Bereich, der die intensivste Pflege braucht, also der Küchengarten;
Zone 2 – z. B. der Gemüsegarten, braucht nicht mehr ganz so intensive Pflege;
Zone 3 – will Sie nur gelegentlich sehen; hier stehen z. B. Obstbäume;
Zone 4 – benötigt minimale Pflege, wie das Weideland oder der Wald;
Zone 5 – ist der Teil, an dem die Natur einfach nur Natur sein darf. Zone 5 ist der Platz für Inspiration oder Meditation.
Gönnen Sie sich zu Anfang eine große Zone 5. Nichts demotiviert mehr, als sich gleich zu Anfang zu überfordern. Lassen Sie so einen Garten wachsen, und wachsen Sie mit Ihrem Garten!
Nur wenige Wochen nachdem wir gekündigt hatten, wurde uns in unmittelbarer Nachbarschaft ein wunderschöner alter Bauernhof zur Pacht angeboten. Dieses Anwesen, den Boarhof, der im Jahr 1496 erbaut wurde und damit einer der ältesten Bauernhöfe am Tegernsee ist, haben wir nun seit 2009 gepachtet und wurden dadurch Biobauern.
Und für mich steht seither fest: Die Frage »Was ist ein gutes Leben?« beantwortet sich auf diesem wunderbaren Fleck Erde täglich aufs Neue.
»Was ist ein gutes Leben?«
Was wir hier betreiben, ist Kleinstlandwirtschaft, und das bedeutet auch, wir können ausprobieren und experimentieren, immer wieder, Tag für Tag – und zeigen, dass Landwirtschaft auch anders funktionieren kann. Mittlerweile sind wir sogar der Überzeugung, dass in unserer Art der Landwirtschaft gleichzeitig die Chance, die Keimzelle für eine bessere, eine »enkeltaugliche« Welt steckt. Dieser kleine Bauernhof bietet Lösungen für viele Probleme, die uns auf globaler Ebene immer stärker beschäftigen.
Wie diese Art der Landwirtschaft aussieht, was wir auf dem Boarhof alles herstellen und welche Antworten auf unsere vielen Fragen wir hier schon gefunden haben, davon möchte ich Ihnen in diesem Buch gerne erzählen.

Zweites KapitelWachse oder weiche – wie Landwirtschaft heute »funktioniert«

Sei du selbst die Veränderung,die du dir wünschst für diese Welt.
– Mahatma Gandhi
Es war im Jahr 1872, als der Münchener Erzgießer Ferdinand v. Miller den Boarhof in Holz, einem Weiler am Nordufer des Tegernsees, gekauft hat, einen stattlichen Bauernhof aus dem 15. Jahrhundert. Bemessen an der Größe der Stallungen, war die zugehörige Fläche an Wiesen auch für damalige Verhältnisse wohl sehr klein. So kaufte Ferdinand v. Miller in den folgenden Jahren zwei weitere benachbarte Anwesen samt ihrer Weiden hinzu. Vom Boarhof aus wurden die gesamten Flächen bewirtschaftet und das Vieh auf die drei Bauernhöfe verteilt. Bis in die 1960er-Jahre hinein bewirtschafteten die Familie Miller und deren Nachkommen den Boarhof selbst. Die beiden anderen Anwesen existieren nicht mehr als Landwirtschaften, die zugehörigen Wiesen gehören nach wie vor zum Hof.
Im Jahr 1966 wurde der Boarhof erstmals verpachtet. Seither prägten mehrere Pächter mit ihren Ideen und Visionen das Erscheinungsbild des Hofs und das der umliegenden Flächen – so auch wir, die nun die Pächter des Hofs sind.

Nie ist zu wenig, was genügt!

Allerdings bewirtschaften wir nur rund die Hälfte der Flächen, die zum Hof gehören. Die andere Hälfte ist an benachbarte Bauern verpachtet. Uns wurde natürlich diese andere Hälfte auch zur Pacht angeboten, und auf den ersten Blick war die Versuchung groß, diese Wiesen zu bewirtschaften. Gott sei Dank haben wir schnell begriffen, dass uns diejenigen Wiesen und Felder genügen, um die wir uns aktuell kümmern.
Genug – das ist erst einmal nur ein Wort, ein Pronomen. Die Bedeutung des Wortes ist laut Duden: »in zufriedenstellendem Maß«. Das Gegenteil von »genug« ist logischerweise »immer mehr«. Folgerichtig ist dann auch die Definition von »immer mehr«: »in unzufriedenstellendem Maß«. Genug zu haben bedeutet, zufrieden zu sein, immer mehr zu wollen bedeutet, unzufrieden zu sein. Nun ist es nicht mehr schwer zu erahnen, dass hinter diesen beiden Begriffen »genug« und »immer mehr« zwei Lebenshaltungen, zwei Kulturen stecken, die wohl unterschiedlicher nicht sein können.
Mit der Kehrseite des »genug« wurden wir zu Beginn unseres Bauernlebens ausgiebig konfrontiert, denn wir besuchten natürlich die eine oder andere Fortbildungsveranstaltung. Wir waren davon überzeugt, dass so eine Ausbildung nötig sei, damit wir gute Bauern sein können. In vielen unterschiedlichen Kursen, die an den staatlichen Landwirtschaftsschulen angeboten werden, lernten wir, welches Gift gegen welches Unkraut hilft, wie man die Mastzeiten von Tieren verkürzen und wie man den Ernteertrag auf Wiesen und Feldern verbessern kann, wie viele Kühe, Hühner oder Schweine man halten muss, damit ein Bauernhof wirtschaftlich funktioniert, oder wie viele Hektar Land ein existenzfähiger Betrieb bewirtschaften muss.
Die Kurzformel, die in fast all diesen Kursen mehrfach genannt wurde, hieß: Wachse oder weiche! Vergrößere deinen Bauernhof, oder hör auf!
In keinem der Kurse haben wir gelernt, wie man Lebensmittel in möglichst hoher Qualität herstellt