Selbst- und Fremdsabotage stoppen - Anke Precht - E-Book

Selbst- und Fremdsabotage stoppen E-Book

Anke Precht

0,0
29,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Von der erfolgreichen Transformation destruktiver Persönlichkeitsanteile in der Therapie - Schritt für Schritt: Saboteur:in definieren, befragen und transformieren - Ziel: An genau dem Punkt weiterkommen, an dem viele Therapien scheitern - Plus: Therapeutische Hausaufgaben, Wort-für-Wort-Anleitungen, Fallbeispiele, Sonderfälle und Pannen In der therapeutischen Arbeit erleben wir immer wieder, dass destruktive Persönlichkeitsanteile den Heilungsprozess sabotieren oder schon Erreichtes wieder zerstören. Besonders häufig geschieht das bei Patientinnen und Patienten mit komplexen Traumafolgestörungen, Menschen mit Sucht- oder aggressivem Verhalten – sich selbst oder anderen gegenüber. Die Transformation dieser destruktiven in gesunde Anteile ist entscheidend für den heilsamen Fortgang der Therapie und oft die ausschlaggebende Wendung. Der vorgestellte, schulenübergreifend anwendbare Ansatz eignet sich, um schwierigen therapeutischen Prozessen die ersehnte Lösung zu bringen. Vom Auflösen hartnäckiger Widerstände über Suchtdruck und Selbstabwertung bis zur Transformation von Täter-Introjekten bei schwer traumatisierten Menschen reichen die Anwendungsgebiete. Die Technik wird in hypnotherapeutischer Tradition in einer leichten Trance durchgeführt. Sie nutzt Erkenntnisse aus der Ego-State-Arbeit, der energetischen Psychologie und der buddhistischen Achtsamkeitstradition.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 278

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Dies ist der Umschlag des Buches »Selbst- und Fremdsabotage stoppen« von Anke Precht

Anke Precht

Selbst- und Fremdsabotage stoppen

Innere Saboteure therapeutisch transformieren

Schattauer

Impressum

Anke Precht

Steinstr. 28

77652 Offenburg

[email protected]

Besonderer Hinweis

Die Medizin unterliegt einem fortwährenden Entwicklungsprozess, sodass alle Angaben, insbesondere zu diagnostischen und therapeutischen Verfahren, immer nur dem Wissensstand zum Zeitpunkt der Drucklegung des Buches entsprechen können. Hinsichtlich der angegebenen Empfehlungen zur Therapie und der Auswahl sowie Dosierung von Medikamenten wurde die größtmögliche Sorgfalt beachtet. Gleichwohl werden die Benutzer aufgefordert, die Beipackzettel und Fachinformationen der Hersteller zur Kontrolle heranzuziehen und im Zweifelsfall einen Spezialisten zu konsultieren. Fragliche Unstimmigkeiten sollten bitte im allgemeinen Interesse dem Verlag mitgeteilt werden. Der Benutzer selbst bleibt verantwortlich für jede diagnostische oder therapeutische Applikation, Medikation und Dosierung.

In diesem Buch sind eingetragene Warenzeichen (geschützte Warennamen) nicht besonders kenntlich gemacht. Es kann also aus dem Fehlen eines entsprechenden Hinweises nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe

Schattauer

www.schattauer.de

© 2023 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Gestaltungskonzept: Farnschläder & Mahlstedt, Hamburg

Cover: Jutta Herden, Stuttgart

unter Verwendung einer Abbildung von © evgenzz/Adobe Stock

Abbildungen (S. 54 + 64) und Fotos (S. 63 ff.) von © Andreas Precht

Gesetzt von Eberl & Koesel Studio, Kempten

Gedruckt und gebunden von Friedrich Pustet GmbH & Co. KG, Regensburg

Lektorat: Silke Keil

Projektmanagement: Dr. Nadja Urbani

ISBN 978-3-608-40150-9

E-Book ISBN 978-3-608-12223-7

PDF-E-Book ISBN 978-3-608-20642-5

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhalt

1 Einleitung

2 Der innere Saboteur in der therapeutischen Praxis

2.1 Die vielen Gesichter des inneren Saboteurs

2.2 Wobei die Technik von Nutzen ist

2.3 Anwendungsbereiche

2.4 Der richtige Moment für die Anwendung

2.5 Wirkungsweise

3 Methodische Grundlagen

3.1 Hypnose und Hypnotherapie

3.1.1 Therapeutisch nutzbare Hypnose-Phänomene

3.1.2 Hypnose nutzt unbewusste Prozesse

3.1.3 Direktive und non-direktive Hypnose

3.2 Ego-State-Theorie

3.3 Energetische Psychologie

3.4 Der buddhistische Ansatz

4 Die praktischen Grundlagen und Prämissen

4.1 Ätiologie destruktiver Persönlichkeitsanteile

4.2 Transformation statt Integration oder Ausschluss

4.3 Die energetische Prämisse

4.4 Die buddhistische Prämisse

5 Behandlungsschema zur Transformation eines inneren Saboteurs

5.1 Basis der Arbeit mit dem inneren Saboteur

5.1.1 Voraussetzungen vonseiten des Patienten

5.1.2 Voraussetzungen vonseiten des Therapeuten

5.1.3 Voraussetzungen für eine gute therapeutische Dyade

5.2 Planung der Therapie und Vorbereitung des Patienten

5.2.1 Die Therapieschritte

5.2.2 Inhaltliche Vorbereitung

5.2.2.1 Die »Arschlochkinder«

5.2.2.2 Die Kunst des Tonglen

5.2.2.3 Öffnen für eine besondere Erfahrung

5.3 Den inneren Saboteur transformieren

5.3.1 Schritt 1: Den Saboteur definieren

5.3.1.1 Das Auffinden des inneren Saboteurs

5.3.1.2 Ob dissoziiert oder nicht: Saboteur ist Saboteur

5.3.1.3 Eigenschaften des Saboteurs

5.3.1.4 Visualisierung mit der Hollywood-Metapher

5.3.1.5 Erscheinungsformen innerer Saboteure

5.3.2 Schritt 2: Den Saboteur kennenlernen

5.3.2.1 Neues Setting

5.3.2.2 Unterstützende Berührung

5.3.2.3 Drei Fragen an den Saboteur

1. Konkreter Nutzen

2. Tiefstes unerfülltes Bedürfnis

3. Was wäre, wenn das Bedürfnis gestillt wäre?

5.3.3 Schritt 3: Die Transformation

5.3.3.1 Die benötigten Ressourcen visualisieren

5.3.3.2 Auffinden der Ressourcen im Leben des Patienten

5.3.3.3 Die Ressourcen sichtbar machen

5.3.3.4 Den Saboteur nähren

5.3.3.5 Realitätscheck

5.3.3.6 Integration und therapeutische Hausaufgaben

5.3.4 Ablaufschema der Methode zur Transformation innerer Saboteure

6 Sonderfälle, Pannen und unerwartete Entwicklungen

6.1 Der Saboteur erscheint zu bedrohlich

6.2 Der Saboteur erscheint als real existierender Mensch

6.3 Der Patient will den Saboteur nicht nähren

6.4 Dem Saboteur fehlt zu viel

6.5 Der Saboteur verschwindet und nichts Neues taucht auf

6.6 Das neue Wesen ist nicht konstruktiv

6.7 Der Saboteur verwandelt sich in etwas Unbelebtes

6.8 Der Saboteur offenbart Traumainhalte

6.9 Es agieren mehrere Saboteure

7 Fallbeispiele zur Transformation

8 Fazit: Alles, was wir brauchen, ist schon da

9 Wort-für-Wort-Anleitung für die Transformation innerer Saboteure

9.1 Die Tonglen-Atemmeditation

9.1.1 Vorbereitung

9.1.2 Die Übung

9.2 Saboteure visualisieren: Die Hollywood-Metapher

9.3 Das tiefste unerfüllte Bedürfnis finden

10 Dank

Anhang

Glossar

Literatur

Sachverzeichnis

1 Einleitung

Auch wenn wir sie bisher vielleicht nicht so genannt haben – fast jeder unserer Patienten1 trägt den einen oder anderen inneren Saboteur oder gar mehrere mit sich herum. Es handelt sich dabei um destruktive Persönlichkeitsanteile(1), die den eigenen inneren Überzeugungen, Zielen und Wünschen widersprechen und oft zu Handlungen führen, die dem Patienten selbst, aber auch Mitmenschen schaden.

Es sind zum Beispiel Anteile, die in die Vorhaben hineingrätschen, wenn sich die Patienten nach langem Anlauf endlich aufgerafft haben, die Steuererklärung zu machen. Plötzlich finden sie sich am Bügelbrett wieder oder auf dem Sofa mit Netflix und wissen gar nicht, wie sie da hingekommen sind. Anteile, die nach einer erfolgreichen Woche ohne Zigaretten kurz nach Mitternacht die Tankstelle anvisieren und den Rückfall(1) einläuten. Anteile, die im Innern Zweifel(1) und Missgunst säen, die die eigene Person oder andere Menschen abwerten und fertigmachen. Anteile, die aggressiv(1) sind und vielleicht sogar gewalttätig werden, obwohl der betroffene Mensch Gewalt(1) eigentlich ablehnt, hat er sie doch selbst schon viel zu häufig erfahren. Anteile, die Suchtdruck(1) aufbauen oder mit Engelszungen davon reden, dass der eine Riegel Schokolade doch nicht schlimm sei. Anteile, die Todessehnsüchte wecken oder die sich vor dem Leben ganz verstecken wollen. Anteile, die andere Menschen auf Distanz(1) halten und zur Flucht blasen, obwohl sich der Patient nichts sehnlicher wünscht als Nähe(1). Anteile, die eine erfolgreiche Therapie sabotieren: Endlich läuft es, eine wichtige Einsicht ist aufgetaucht, doch dann wird rationalisiert oder ein anderes Thema drängt als Notfall in den Vordergrund. Ein zentrales Trauma soll bearbeitet werden, der Patient will das auch, und trotzdem sagt er die Termine ab, vergisst sie oder kommt so spät, dass die geplante Arbeit nicht mehr möglich ist. Anteile, die alles dramatisieren. Kindliche Anteile(1), die trotzig sind oder in Hilflosigkeit regredieren, sobald der Computer nicht macht, was er soll. Jugendliche Anteile(1), die wegen jeder Kleinigkeit verzweifelt streiten, die rechthaberisch sind oder immer das Gegenteil von dem tun, was sie sollen, die zum Beispiel im Job mauern, wenn die Chefin eine Anweisung gegeben hat. Anteile, die den Stolperer auf der heimischen Treppe bewirken, so dass sich ein Sportler schon zum dritten Mal vor einem wichtigen Wettkampf den Knöchel verstaucht und die ganze Vorbereitung für die Katz war. Manische Anteile(1), die maßlos Geld ausgeben, den Job kündigen, weil sie überzeugt sind, für etwas Größeres geschaffen zu sein, oder die eine Firma gründen, welche dann anschließend von einem anderen Anteil vorhersehbar an die Wand gefahren wird. Anteile, die dann mit gutem Recht den Patienten als Komplettversager bezeichnen, als nutzlos, als wertlos, als schlecht oder nicht gut genug. Anteile, die nach dem dritten Bier die Schöne am Tresen anbaggern, obwohl der Patient wahrhaftig treu sein will.

In diesem Buch stelle ich eine Methode vor, mit der diese Persönlichkeitsanteile behutsam und respektvoll in etwas Gutes verwandelt werden können. Destruktive Anteile sind mit den gängigen Verfahren häufig schwer einzufangen und erst recht nur mühsam und meist nicht langfristig von ihrem negativen Wirken(1) abzubringen. Transformiert man sie, verändert sich die Persönlichkeit augenblicklich und eine schwere Last fällt den Patienten von den Schultern. Endlich ist die Abstinenz(1) möglich – und dazu noch ganz leicht. Endlich kommt die Steuererklärung rechtzeitig beim Finanzamt an, endlich bleibt das Geld auf dem Konto und die bipolare Störung (1)kann sich in einer stabilen Mitte zu etwas einpendeln, das ein gesundes Leben ermöglicht. Bisher unkontrollierbare Gefühle(1) sind verschwunden und stattdessen ein konstruktiverer Umgang mit den Problemen möglich, die sie bisher ausgelöst haben.

Als ich in einem Seminar des amerikanischen Psychologen Fred P. Gallo zum ersten Mal mit dieser Methode in Berührung kam, erlebte ich etwas, das mir wie ein Wunder erschien: Jahrelang hatte ich mich mit einer inneren Stimme herumgequält, die mich immer wieder in schwere Selbstzweifel(1) stürzte, für die es von außen betrachtet überhaupt keinen Anlass gab. Ich hatte sie bereits mehrfach therapeutisch im Fokus gehabt und konnte besser mit ihr umgehen, sie häufig zum Schweigen bringen. Aber mich ganz von ihr zu befreien vermochte ich nicht. Doch nach der Arbeit mit dem inneren Saboteur war sie plötzlich weg. Stattdessen hörte ich eine neue Stimme sagen: »Hey, das passt schon. Du musst nicht perfekt sein. Mach es einfach.« Zu dieser Stimme gab es eine Gestalt, ich spürte sie wie ein warmes Licht in meinem Herzen und fühlte mich wunderbar vollkommen. Und das nach nur einer dreiviertel Stunde Arbeit.

Heute habe ich schon Hunderte solcher Wunder mit meinen Patienten erlebt, und trotzdem bin ich jedes Mal von Neuem verzaubert. Seit einigen Jahren lehre ich die Methode auf Hypnosekongressen und ich bin dankbar, sie nun in Buchform fassen zu können. Sie gehört heute zu meinen wertvollsten Werkzeugen.

2 Der innere Saboteur in der therapeutischen Praxis

2.1 Die vielen Gesichter des inneren Saboteurs

Innere Saboteure können sich gegen die eigene Person richten – oder auch gegen andere. Wir begegnen ihnen immer wieder, wenn wir mit Menschen arbeiten, die sich uns mit ihren Problemen und Wünschen anvertrauen. Natürlich handelt es sich nicht bei jeder Verhaltensweise, die sich negativ auswirkt, noch bei jedem Gefühl, das Verletzungen(1) bewirkt, um die Aktivität eines inneren Saboteurs. Aber immer wieder stoßen wir auf Verhaltensweisen, die wie automatisiert in Erscheinung treten, wenn bestimmte Auslöser vorhanden sind: ein Misserfolg, ein Konflikt, vielleicht auch nur ein Blick in den Spiegel oder eine gut gefüllte Bar. Ich möchte zu Beginn einige Fälle aus der Praxis beschreiben, die dem einen oder anderen Leser sicherlich in ähnlicher Form schon begegnet sind, damit es leichter ist, sie in der Praxis wiederzuerkennen. Denn das ist der erste Schritt zur Transformation: bemerken, dass im Innern ein Saboteur am Werk ist. Der zweite Schritt ist, ihn in etwas Gutes zu verwandeln.

FALLBEISPIEL Erich2: Raucher(1) in Lebensgefahr

Als Erich in meine Praxis kommt, ist er 60 Jahre alt. Er hat schon viel erlebt. Aufgewachsen in einer bürgerlichen Familie, in der viel Sorgfalt darauf verwendet wurde, dass das Haus hübsch, die Kinder adrett und die Schulnoten gut sind, in der es aber wenig Verständnis für Gefühle und wenig Trost gab, hatte er in seiner Kindheit gelernt, seine Gefühle(1) zu unterdrücken. Gleichzeitig hatte er in der Pubertät begonnen, sich gegen seine Familie aufzulehnen. Am Familientisch saß er mürrisch, in der Schule zeigte er wenig Verständnis für Hausaufgaben und ging lieber auf die Straße, um in der Friedensbewegung gegen den Nato-Doppelbeschluss zu demonstrieren. In dieser Zeit begann er zu rauchen und Musik zu machen, die seine Eltern schrecklich fanden, und in der Familie entfremdete man sich mehr und mehr. Schließlich schlug Erich eine akademische Laufbahn ein, machte seinen Abschluss und arbeitet jetzt in einem Beruf, von dem er gut leben kann. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder, die mehr oder weniger gradlinig durchs Leben gehen. Er führt eine einigermaßen zufriedene Ehe, ist treu, verreist in den Ferien, trinkt gerne Wein, manchmal auch etwas zu viel, und er raucht immer noch eine halbe bis ganze Schachtel Zigaretten am Tag.

Bisher hat Erich das Rauchen nicht als Problem empfunden. Doch jetzt wurde bei ihm ein Blasenkrebs diagnostiziert. Höchste Zeit, mit dem Rauchen aufzuhören. Nur: Es gelingt ihm nicht. Obwohl er theoretisch die Notwendigkeit sieht und seine Frau sein Vorhaben unterstützt, ihn manchmal auch eindringlich darauf hinweist, schafft er es nicht. Warum, kann er gar nicht genau sagen. Als wir genauer hinsehen, finden wir zwei Auslöser:

Wenn jemand Erich drängt aufzuhören, wie zum Beispiel seine Frau oder der behandelnde Arzt, empfindet er das Rauchen als eine Art rettenden Widerstand(1), der ihn davor schützt, vereinnahmt zu werden. Er hat das Gefühl, sich selbst zu verlieren, wenn er das Rauchen lässt, und damit einem Druck(1) nachzugeben, den er als existenzielle Bedrohung seiner gesamten Persönlichkeit empfindet. Realistisch betrachtet ist das natürlich nicht der Fall. Dennoch ist dieses Gefühl übermächtig und er muss sich subjektiv dagegen wehren. Der Raucher in ihm empfindet das Rauchen als notwendige und lebenserhaltende Selbstverteidigung gegen die Vereinnahmung durch andere. Er rettet damit gefühlt seine eigene und unabhängige Identität.

Zweitens ist da noch eine innere Stimme, die die leisen Zweifel, die mit dem Wunsch verbunden sind, wieder gesund zu werden und noch ein paar gute Jahre zu leben, einfach wegwischt mit Sätzen wie: »Du hast so viele Jahre geraucht, da kommt es auf eine Schachtel mehr oder weniger auch nicht mehr an.« Oder: »Ist doch gleich. Es wird schon gutgehen.« Oder auch: »Das hat nichts miteinander zu tun. Der Krebs kommt nicht vom Rauchen. Und nach der Operation wird alles wieder gut.« Und gleichzeitig vergisst er den Krebs, der ihn nur dann belastet, wenn er im Kalender sieht, dass ein Untersuchungstermin ansteht.

Wenn sich seine Frau wieder sichtbar Sorgen macht, weil sie den Rückfall(2) riecht, den er vor ihr zu verheimlichen versucht, wird ihm klar, dass er ja eigentlich aufhören wollte. Und dann melden sich fast augenblicklich die inneren Saboteure, und Erich ist sauer auf sie, weil sie ihn so kleinlich gängelt.

Wir identifizieren also zwei unterschiedliche innere Anteile, die Erich durch ihren Einfluss auf sein Verhalten Schaden zufügen: den einen, der mit dem Rauchen etwas Rettendes verbindet, das aufzugeben Erichs Identität gefährden würde, und den anderen, der die Konsequenzen herunterspielt und ihn damit befähigt, mit einem leichten Gefühl weiterzumachen.

FALLBEISPIEL Emilia: Anorexie(1)

Emilia ist 14 Jahre alt und anorektisch(1). Sie war zu Beginn der Pubertät(1) ein bisschen pummelig, so dass ihre Umgebung zunächst sehr positiv reagierte, als sie an Gewicht verlor. Sie bekam dafür viel Lob und Anerkennung, beschäftigte sich intensiv mit Nahrungsmitteln und deren Kaloriengehalt und wurde zur Expertin im Zubereiten von Mahlzeiten, die überwiegend aus Luft bestanden. Sie lernte, Hunger zu ertragen, und wurde immer stolzer darauf, dass ihr das so gut gelang. Doch nach und nach wurde ihr geringes Gewicht zum Problem. Sie bekam ihre Periode nicht mehr, ihre Rippen wurden sichtbar, beim Sport verlor sie ihre frühere Leistungsfähigkeit. Sie schlief schlecht und in der Schule ließen die Leistungen nach, obwohl sie, ehrgeizig wie sie war, intensiv und verbissen lernte. Nur: Sich zu konzentrieren war ihr an manchen Tagen kaum mehr möglich, worüber sie sehr verzweifelt war.

Emilia sieht ein, dass ihr Gewicht ein Problem ist. Sie versteht, zumindest rational, dass es sinnvoll sein würde, wieder etwas zuzunehmen. Gleichzeitig erlebt sie – und kann das in der Therapie auch schildern –, dass verschiedene Stimmen im Kopf verschiedene Dinge von ihr fordern. Die eine, gesunde, sagt: »Iss etwas. Du hast Hunger. Dein Körper braucht das. Du willst nicht sterben.« Die andere entgegnet: »Du hast heute noch gar keinen Sport gemacht. Du brauchst jetzt nichts. Sei stark! Geh lieber auf dein Zimmer und lerne Spanisch für die Klassenarbeit. Du musst dieses Mal eine gute Note schreiben.« Und wenn Emilia sich im Spiegel betrachtet, ist sie stolz auf die vorstehenden Rippen und bemerkt gleichzeitig ein winziges Bäuchlein. »Das muss noch weg«, sagt eine weitere innere Stimme. »Dann ist es gut.«

Emilia weiß zumindest bewusst, dass das Bäuchlein, das sie als extrem dick wahrnimmt, nicht verschwinden wird. Würde sie noch mehr abnehmen, würde das am ganzen Körper geschehen, und die Proportionen würden sich nicht mehr verändern. Gleichzeitig ist dieses Wissen wie weggeblasen, wenn ihr beim Blick in den Spiegel ein anderer Teil sagt, dass sie dieses Bäuchlein noch eliminieren muss, um endlich am Ziel zu sein. Und während sie das erzählt, wirkt sie stark und stolz. Gleichzeitig weiß sie, dass ihr Gesundheitszustand kritisch ist. Sie möchte gesund sein und steckt in der Zwickmühle. Denn selbst, wenn sie versucht, sich zum Essen zu überwinden, was sie immer öfter tut, tobt in ihr ein innerer Kampf. Und sie verliert ihn immer wieder.

Wir identifizieren zwei innere Saboteure. Der erste ist geprägt durch einen brutalen Leistungsanspruch, der sich nicht um die Konsequenzen für ihre Gesundheit und ihr Leben kümmert. Sie muss noch schlanker werden, sie muss erfolgreich sein. Sie muss sich mehr anstrengen und mehr aushalten. Der zweite gaukelt ihr vor, dass das Ziel, perfekt zu sein, in greifbarer Nähe ist, obwohl sie eigentlich genau weiß, dass das nicht stimmt, und obwohl sie eigentlich gar nicht so dünn sein will. Er verzerrt ihr Bild im Spiegel und ist ausschließlich auf den winzigen Rest Fett am Bauch fokussiert, sodass sie sich dick fühlt und ihr Selbstbild der Realität nicht mehr entspricht.

FALLBEISPIEL Gerd: Gewaltausbrüche(1)

Gerd kann sich an seine Kindheit(1) nicht mehr erinnern. Er weiß gar nichts mehr. Das ein oder andere wurde ihm erzählt, zum Beispiel, dass er am Tag seiner Einschulung in eine Pfütze gefallen ist, dass er sich einmal im Schulsport den Arm gebrochen hat und nicht im Krankenhaus bleiben wollte, dass er Spinat mochte, aber kein Fleisch. Seine Eltern schildern seine Kindheit als schön, er sei ein normales und zufriedenes Kind gewesen. Nur – er selbst weiß nichts mehr davon. Er hat auch nie besonders darüber nachgedacht.

Doch Gerd erlebt immer wieder Momente, in denen ihn Kleinigkeiten massiv verletzen. Zum Beispiel, wenn seine Tochter frech wird und ihm seine eigenen Fehler unter die Nase reibt. Dann wird er wütend, schreit sie an, schickt sie auf ihr Zimmer und braucht lange, bis er sich wieder beruhigt. Wenn er Stress(1) bei der Arbeit hat, ist er ebenfalls schnell extrem aufgebracht und ärgert sich über seine Kollegen, die ihm schon wieder etwas auf den Schreibtisch gelegt haben. Manchmal gelingt es ihm bei der Arbeit, den Ärger nicht zu zeigen. Zuhause schafft er das nicht. Ähnlich aufgebracht reagiert er, wenn er im Sport nicht das erreicht, was er sich vorgenommen hat.

Manchmal ist er tagelang gereizt und lässt das seine ganze Familie spüren. Aber am schlimmsten wird es, wenn seine Frau ihn darauf hinweist und ihm sagt, wie er wirkt und wie sehr er alle anderen in der Familie stresst. Dann kommt es immer wieder zu Situationen, in denen sich ein Schalter in ihm umlegt und er seine Frau schlägt. Das Verrückte daran sei, so erzählt er, dass er sich hinterher an nichts mehr erinnern(1) könne. Er wüsste, dass er seine Frau geschlagen hat, weil sie weint und am nächsten Tag blaue Flecken hat. Sie habe auch schon von Trennung gesprochen und er bereue seine Taten zutiefst. Er wolle sie nicht verletzen. Dass er zuschlägt, geschehe gegen seinen Willen und ohne dass er irgendetwas dagegen tun könne. Er spricht danach mit seiner Frau, bereut, entschuldigt sich, fragt sie, was er getan und gesagt oder geschrien hat. Er schämt sich. Nur: Stoppen kann er es nicht. Es passiert immer wieder. Manchmal ein Vierteljahr nicht, dann wieder mehrmals hintereinander innerhalb kürzester Zeit.

Seine Frau drängt ihn zu einer Therapie und er ist einverstanden. Er möchte nicht gewalttätig sein, er verabscheut Gewalt, und sich selbst immer wieder als Gewalttäter(1) zu erleben, verwirrt und beschämt ihn.

Wir identifizieren einen dissoziierten, also vom normalen Bewusstsein getrennten Anteil, der wie aus dem Nichts die Kontrolle übernimmt und Gerd auf seine Frau losgehen lässt, als inneren Saboteur. Da sich Gerd selbst nicht erinnern kann an das, was er tut, und erst recht nicht an das, was er dabei vielleicht denkt oder fühlt, beschreiben wir seinen Saboteur anhand dessen, was Gerds Frau ihm geschildert hat: wie Gerd sich bewegt, wie sein Gesicht aussieht, wenn er schweigend und keuchend auf sie einschlägt, bis sie zusammenbricht.

FALLBEISPIEL Gabriele: Helfersyndrom

Gabriele ist Krankenschwester, weil sie es liebt, wie sie sagt, anderen Menschen zu helfen. Das tut sie nicht nur bei der Arbeit, wo sie immer wieder Schichten für Kollegen übernimmt oder länger bleibt, wenn es brennt. Sie hilft auch privat überall, wo nach Unterstützung gefragt wird. Manchmal greift sie auch vor, wenn sie merkt, dass sie jemandem helfen kann. Haben die Kinder eine Veranstaltung im Verein, steht sie am Kuchenstand und ist eine der letzten in der Spülküche. Sie fährt ihre Kinder zum Sport und zum Musikunterricht, obwohl diese auch den Bus nehmen könnten. Aber sie möchte nicht, dass sie an der Haltestelle warten müssen oder bei schlechtem Wetter unterwegs nass werden. Sie hilft ihnen bei den Hausaufgaben, macht klaglos den ganzen Haushalt, obwohl ihr Mann schon um 16 Uhr von der Arbeit kommt. Und sie hilft ihren Freundinnen in allen Nöten und natürlich auch ihren Eltern. Die Einzige, der nicht geholfen wird und die auch nie um Hilfe bittet, ist sie selbst.

Gabriele hat das bisher nie als Problem empfunden. Aber ihre Kinder machen Probleme. Der inzwischen pubertierende Sohn ist verschlossen und verlässt nur selten sein Zimmer. Sie schafft es kaum, ihn morgens aus dem Bett und in die Schule zu bewegen. Oft erreicht er die Schule zu spät, und wenn sie im Krankenhaus Frühschicht arbeitet, geht er manchmal gar nicht. Ihre Tochter zickt, behandelt sie schlecht, beschimpft sie, stellt Forderungen bezüglich Geld und Hilfe in einem Maß, dass es sogar Gabriele zu viel ist. Nun ist auch noch ihr Mann fremdgegangen, obwohl sie immer alles für ihn getan hat. Das stürzt Gabriele in eine schwere Krise(1), mit der sie zu mir kommt. Sie will sich von den Kindern nicht mehr alles gefallen lassen. Nur: Sobald diese aggressiv werden, tut sie doch alles, um den Haussegen wieder gerade zu rücken. Und Gabriele möchte die Enttäuschung über den Betrug ihres Mannes verarbeiten. Ihr Mann will keine Trennung, er möchte bei ihr bleiben, aber die andere ist immer noch da. Gabriele merkt, dass es an der Zeit ist, mehr für sich selbst einzustehen. Nur: Wie geht das? Und ist sie dann überhaupt noch sie selbst? Bisher hätte sie sich als eine Frau beschrieben, die gern für andere da ist, die dann glücklich ist, wenn es die anderen sind. Unbewusst ist sie davon ausgegangen, dass sie genauso behandelt wird wie sie andere behandelt. Diese Hoffnung hat sich nun aber zerschlagen.

Wir identifizieren einen inneren Saboteur, der so prägend ist, dass sie ihn bisher für ihre Kernpersönlichkeit gehalten hat: das Helfersyndrom(1). Sie sei, so sagt Gabriele, eine Mutter Teresa.

FALLBEISPIEL David: Prokrastination(1) bei der Arbeit

David kommt ins Coaching, weil es ihm nicht gelingt, bestimmte Aufgaben rechtzeitig zu erledigen. Er arbeitet als junger Anwalt in einer Kanzlei, hat eigene Fälle, die gut zu bewältigen sind, merkt aber, dass er immer wieder damit anfängt, andere Dinge zu tun. Zum Beispiel dann, wenn er sich an einen schwierigen oder langen Schriftsatz setzen soll, oder dann, wenn er noch unsicher ist, wie er einen Fall am besten angeht. Dann beantwortet er plötzlich unwichtige E-Mails ausführlich, räumt im Büro auf, telefoniert oder bespricht andere Fälle, nur nicht die, die ihm schwierig erscheinen. Manchmal surft er sogar im Internet. Was als Recherche begonnen hat, endet mit der Zeitungslektüre. Dass er das tut, ist ihm bewusst. Er merkt auch, wenn er mit der Ablenkung beginnt, steht aber gefühlt neben sich und kann nur beobachten, was passiert. Manchmal sagt er zu sich selbst, dass das nicht gut ist und dass er zur wichtigen Aufgabe zurückkehren sollte, aber die Stimme der Vernunft verhallt in seinem Innern ohne Wirkung. Und dann ist er auch schon mitten in der Ablenkung und darauf so fokussiert, dass er vergisst, was er eigentlich tun wollte. Oft wird ihm erst Stunden später bewusst, wie viel Zeit darüber vergangen ist. In der Regel ist es dann schon zu spät, um noch mit der umfangreicheren Aufgabe zu beginnen, und er erledigt nur noch Kleinigkeiten und geht dann nach Hause, fest entschlossen, die Aufgabe am nächsten Tag gleich als Erstes in Angriff zu nehmen. Das schlechte Gewissen ist sein ständiger Begleiter.

Seine Vorgesetzten wissen nichts von seinem Hang zur Prokrastination. Bisher hat er es immer geschafft, die Fälle fristgerecht zu bearbeiten, aber meistens hat er die großen Projekte dann kurz vor Ablauf der Fristen mit nach Hause genommen und dort am Wochenende bearbeitet. Das gefällt weder ihm noch seiner Familie. Außerdem hat er Angst, dass er in der Kanzlei »auffliegt«. Dort möchte er sich beweisen.

Wir identifizieren den Teil, der ihn erfolgreich von den schwierigen Aufgaben ablenkt, als inneren Saboteur: einen »Ablenker«. Außerdem einen zweiten Saboteur: das schlechte Gewissen. Denn das macht ihn zusätzlich fertig und mutlos und raubt ihm Energie, anstatt ihn zu motivieren und zu bestärken.

FALLBEISPIEL Freddy: Prokrastination(2) bei der Arbeit

Freddy arbeitet im Vertrieb eines industriellen Unternehmens. Er besucht Kunden, berät sie und soll natürlich verkaufen. Das klappt auch ganz gut, aber der Markt verändert sich. Sein Unternehmen hat bisher Güter produziert, die jetzt weniger nachgefragt werden, und hat deshalb einen Teil der Entwicklung und Produktion auf ein anderes Produkt umgestellt, das nun verkauft werden soll. Da es eine andere Zielgruppe betrifft, muss Freddy Kaltakquise betreiben. Das hat er aber schon immer gehasst.

Freddy hat sich bestimmte Zeiten im Kalender geblockt, in denen er mit potenziellen Kunden telefonieren möchte. Er hat bereits Adressen und teilweise detaillierte Kontaktdaten gesammelt. Nur: Er ruft nicht an. Wenn er sich dem Telefon nähert, bekommt er Herzklopfen und fühlt sich schrecklich. Dann sagt ihm eine innere Stimme: »Du kannst das auch morgen noch machen.« Und sie gewinnt.

Freddy weiß, dass er sich damit in die eigene Tasche lügt. Denn am nächsten Tag wird die innere Stimme die Anrufe wieder verschieben. Er müsste es einfach tun. Aber dann ist da wieder diese Nervosität. Vor der rettet ihn ja die innere Stimme, die ihn vom Telefon wegbringt.

Die innere Stimme identifizieren wir als Saboteur. Spannend ist: Selbst, nachdem wir das unangenehme Gefühl bearbeitet haben, das ihn befällt, wenn er sich dem Telefon nähert, ist die sabotierende innere Stimme immer noch da. Zeit, den Saboteur zu transformieren.

FALLBEISPIEL Maria: Streit in der Beziehung(1)

Nach einigen Beziehungen, in denen sie wie einst ihre Eltern immer wieder heftige Konflikte erlebt hat, findet Maria endlich einen Partner, der offen und kommunikativ ist und nicht gerne streitet. Er ist hervorragend darin, bei Konflikten konstruktive Bahnen einzuschlagen. Er schreit nicht, er schlägt nicht, er bleibt ruhig, und Maria findet ihn wunderbar.

Allerdings fällt ihr auf, dass sie selbst mit dem friedfertigen Zusammenleben Probleme zu haben scheint. Immer wieder bricht sie aus scheinbar nichtigem Anlass Streit vom Zaun, und wenn ihr Partner darauf nicht eingeht, macht sie trotzdem weiter. Manchmal provoziert sie ihn so lange, bis er dann doch sauer wird und sich in ein anderes Zimmer zurückzieht. Dort steht sie dann vor der Tür und beschimpft ihn in der Hoffnung, dass er herauskommt und sich ihr stellt. Das tut er nicht und sie hadert deshalb mit der Beziehung. Sie weiß, dass er ihr eigentlich guttut und das Richtige macht und dass sie eine Menge von ihm lernen könnte. Und dennoch ist da diese Wut. Es scheint ihr, als hätte sie einen eingebauten Radar, der immer wieder nach Gründen sucht, ihren Partner zu attackieren. Falls es keine gibt, erfindet sie sogar welche.

Den Teil, der Streit sucht und nach Gründen, die ihn rechtfertigen, identifizieren wir als inneren Saboteur.

2.2 Wobei die Technik von Nutzen ist

Die Transformation innerer Saboteure schließt eine Lücke im therapeutischen Handwerkszeug, die bisher immer wieder dazu geführt hat, dass Therapien gescheitert sind oder nur bis zu einem bestimmten Punkt erfolgreich waren. Ab da ging es nicht weiter, weil innere Prozesse(1) die Oberhand gewonnen haben, die vielleicht erkennbar und auch ansprechbar waren, nicht aber veränderbar. Häufig ist das der Fall bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen.

Oft ist es möglich, die Belastung zu verringern, bestimmte Verhaltensweisen zu kontrollieren und Strategien zu finden, mit denen der Patient besser leben kann. Die grundlegende Störung mit ihrer Selbst- oder Fremdabwertung(1) oder festen Überzeugungen hinsichtlich der eigenen Person, anderer Menschen oder der Welt an sich bleibt jedoch häufig grundlegend bestehen. Gelingt es, genau diese festgefahrenen Strukturen zu verändern, öffnet sich die Tür zu wahrhaftiger Heilung. Bipolare Störungen(2) werden überwunden, Menschen, die unter einem Borderline(1)-Syndrom gelitten haben, finden innere Balance und können sich auf wertschätzende menschliche Nähe einlassen. Die Mutter, der manchmal die Hand ausgerutscht ist, begegnet ihren Kindern liebevoller, ein traumatisierter Mensch, den ein Täterintrojekt(1) dazu bringt, zu verzweifeln und sich für so wertlos zu halten, dass er sich umbringen möchte, kann diesen Teil hinter sich lassen und beginnen, die eigene Schönheit und den eigenen Wert zu erkennen.

Gleichzeitig lässt sich die Transformation innerer Saboteure als Ergänzung in alle gängigen Therapieverfahren integrieren.

2.3 Anwendungsbereiche

Die Methode zur Transformation innerer Saboteure, die ich in diesem Buch vorstelle, ist kein eigenständiges Verfahren. In seltenen Fällen kann sie dennoch in einer einzelnen Sitzung für ein konkret umrissenes Thema auch außerhalb weiterer Interventionen angewandt werden, zum Beispiel dann, wenn ein grundlegend gesunder Mensch ein bewusst nicht steuerbares negatives Verhalten bei sich feststellt, das er gerne überwinden möchte.

In fast allen Fällen jedoch ist die Transformation von destruktiven Persönlichkeitsanteilen(2) Baustein eines umfassenderen therapeutischen Prozesses(1). Oft lässt sich bereits während der Anamnese erkennen, dass der Patient mit destruktiven Anteilen zu kämpfen hat, sodass man deren Transformation in die Therapieplanung mit einbinden kann. Es bietet sich an, damit zu beginnen, sobald der Patient ausreichend stabil ist und im Fall einer posttraumatischen Störung das Traumamaterial weitestgehend aufgearbeitet hat. Bei Süchten steigen die Erfolgschancen der Therapie dramatisch, wenn auch die inneren Saboteure transformiert werden. Denn ganz egal, ob es sich um substanzgebundene oder Verhaltenssüchte handelt: Bei Süchten spielen innere Saboteure immer eine gewichtige Rolle. Und sehr häufig sind destruktive Programme auch dann vorhanden, wenn Patienten immer wieder gewalttätig werden(2) – ganz besonders dann, wenn sie bekräftigen, das eigentlich gar nicht zu wollen. Auch bei Menschen mit einer bipolaren Störung ist die Methode überaus hilfreich, weil sie sowohl dabei helfen kann, die manische Seite zu verwandeln, als auch die erschöpfte und entmutigte depressive. Patienten, die immer wieder Streit vom Zaun brechen, übertrieben rechthaberisch sind, sich selbst fertigmachen, sich überfordern, regelmäßig in Selbstmitleid(1) verfallen oder in hilflose kindliche Anteile(2) regredieren, profitieren davon.

Manchmal stellt sich erst in Lauf eines therapeutischen Prozesses heraus, dass Sabotage im Spiel ist – zum Beispiel, weil ein Patient bereits erreichte Therapieerfolge oder Erfolge in der Lebensgestaltung wieder zerstört. Das kann durch destruktive Gedankenmuster wie auch durch Verhaltensweisen geschehen. Zum Beispiel, indem ein Patient mit langjährigen finanziellen Problemen kurz nachdem sein Konto nach der erfolgreichen Schuldnerberatung wieder im grünen Bereich ist, eine Runde im Kasino dreht und erneut hoch verschuldet nach Hause kommt.

Immer dann, wenn Menschen destruktive Verhaltensweisen oder Gedanken erleben, die sie selbst nicht oder nur sehr bedingt kontrollieren können, die »über sie« kommen, die »stärker sind als sie selbst«, oder die sie »wie ferngesteuert« etwas tun oder sagen lassen, was sie eigentlich gar nicht wollen, sollten wir an innere Saboteure denken. Ansätze, die versuchen, die destruktiven Tendenzen durch rationales Verständnis oder Willenskraft zu besiegen, scheitern bei diesen Patienten. Die darunterliegenden Strukturen sind zu stark verfestigt und zum Teil der Persönlichkeit geworden. Sie waren zu einem bestimmten Zeitpunkt im Leben zu wichtig, um einfach so zu weichen. Mit der hier vorgestellten Technik lassen sie sich sicher bearbeiten und so verwandeln, dass die in ihnen gebundene Energie frei wird für die wirklichen Ziele des Patienten – einschließlich seiner Genesung.

2.4 Der richtige Moment für die Anwendung

Destruktive Persönlichkeitsanteile (3)bestimmen das Verhalten eines Menschen entweder dauerhaft oder nur in konkreten Situationen, zum Beispiel, wenn sie in einen Konflikt geraten, wenn sie einen Misserfolg verarbeiten müssen oder wenn sie vor einer schwierigen Aufgabe stehen.

Meistens kommen jedoch Menschen in unsere Praxis, deren Probleme vielschichtiger sind und deren Ursprung weit zurückliegt. Patienten, die in ihrer Kindheit(2) erlebt haben, dass die Eltern keine Diskussionen zulassen und Fehler nicht entschuldigen, tun sich auch später oft schwer damit, auf Konflikte adäquat zu reagieren. So kann es sein, dass sie sich bei Konflikten in der Partnerschaft schmollend zurückziehen und den anderen schmoren lassen, anstatt den Konflikt zu lösen. Solange der Patient noch unter dem alten Schmerz(1) leidet, ist es sinnvoll, erst diesen aufzulösen. Das kann auf unterschiedliche Weise geschehen: Zum Beispiel durch einen achtsamen Umgang mit den eigenen Gefühlen und ihre bewusste Wahrnehmung. Das kann ermöglichen, dass der Schmerz erspürt wird und dann verklingen kann und das betrauert wird, was früher einmal gefehlt hat. Es kann durch Meditation geschehen oder durch Psychotherapie. Manchmal verschwindet das aktuelle destruktive Verhalten dann von selbst. Hat es sich aber selbstständig gemacht, überdauert die ungesunde Reaktion also das Vorhandensein des ursprünglichen Schmerzes, ist der Moment gekommen, in dem der damit verbundene Persönlichkeitsanteil transformiert werden sollte.

Bei Patienten mit traumatischen Erfahrungen(1) steht die Aufarbeitung der traumainduzierten Emotionen wie Angst(1), Scham(1), Wut(1) oder Verzweiflung(1) an erster Stelle. Damit wird dem destruktiven inneren Programm die Grundlage entzogen: Es ist nicht mehr notwendig, um den Patienten zu schützen oder sein Überleben zu garantieren. Das ist zum Beispiel der Fall bei Patienten, die schon bei geringen Anlässen aggressiv(2) oder gewalttätig werden(3), die sich vor Problemen verstecken oder die immer wieder regredieren. Hier gilt wie immer in der therapeutischen Arbeit: Für eine tiefgreifende Arbeit, vor der sich der Patient möglicherweise fürchtet, ist Vertrauen(1) in den Therapeuten eine grundlegende Voraussetzung. Es geht dann erst um eine ausreichende Stabilisierung, anschließend um die Aufarbeitung der traumatischen Erfahrungen, danach um die Integration. Die Transformation noch verbliebener innerer Saboteure ist Teil der Integration, also der dritten Phase. Soweit die Theorie.

Grundsätzlich kann man also sagen: Zuallererst braucht es eine tragfähige Beziehung(1), die etwas aushalten kann. Zweitens braucht es ausreichend Stabilität, um sich belastenden Seeleninhalten(1)