Seminare authentisch leiten - Liv Larsson - E-Book

Seminare authentisch leiten E-Book

Liv Larsson

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Beschreibung

Lernen und Lehren – ein wechselseitiger Prozess Gewaltfreie Kommunikation in Kombination mit dem Wissen zur Dynamik von Gruppenprozessen: Ein solches Buch hätte sich Liv Larsson zu Beginn ihrer Laufbahn als Trainerin gewünscht. Alle diejenigen, die GFK-Seminare oder andere Gruppen leiten, profitieren nun von ihren Erfahrungen und finden viele Anregungen und praktische Vorschläge. Liv Larsson sieht sich aber selbst immer noch als Lernende. Und diese Offenheit möchte sie auch ihren Leserinnen und Lesern vermitteln. Es geht nicht darum, eine perfekte „Show“ hinzulegen, sondern authentisch zu sein und selbst zu leben, was man lehrt. Themen, die behandelt werden: - Präsentationsskills à la GFK - Über das Sprechen vor einer Gruppe – einige Mythen - Innere Vorbereitung - Seminarplanung – ja oder nein? - Probleme und Herausforderungen nähren das Wachstum - Unter Wölfen und Giraffen: Rollenspiele - Eine Gruppe leiten: Bedürfnisse als Basis „Ich denke nicht, dass man ein Thema voll und ganz beherrschen muss, um es zu unterrichten oder mit anderen zu teilen. Wichtiger als das Wissen selbst ist das Verlangen, es mit anderen zu teilen. Und gleichzeitig müssen einem die eigenen Wissenslücken bewusst sein, und dass man sie schließen kann, indem man gemeinsam mit der Gruppe lernt.“ – Liv Larsson

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Seitenzahl: 299

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Liv LarssonSeminare authentisch leitenGewaltfreie Kommunikation und Gruppendynamik

Über dieses Buch

Lehren und Lernen – ein wechselseitiger Prozess 

Gewaltfreie Kommunikation in Kombination mit dem Wissen zur Dynamik von Gruppenprozessen: Ein solches Buch hätte sich Liv Larsson zu Beginn ihrer Laufbahn als Trainerin gewünscht. Alle diejenigen, die GFK-Seminare oder andere Gruppen leiten, profitieren nun von ihren Erfahrungen und finden viele Anregungen und praktische Vorschläge. Liv Larsson sieht sich selbst immer noch als Lernende. Und diese Offenheit möchte sie auch ihren Leserinnen und Lesern vermitteln. Es geht nicht darum, eine perfekte „Show“ hinzulegen, sondern authentisch zu sein und selbst zu leben, was man lehrt. 

Themen, die behandelt werden: 

Probleme und Herausforderungen nähren das Wachstum Unter Wölfen und Giraffen: Rollenspiele Eine Gruppe leiten: Bedürfnisse als Basis 

„Ich denke nicht, dass man ein Thema voll und ganz beherrschen muss, um es zu unterrichten. Wichtiger als das Wissen selbst ist das Verlangen, es mit anderen zu teilen. Und gleichzeitig muss einem bewusst sein: Ich habe Wissenslücken, und ich kann sie schließen, indem ich gemeinsam mit der Gruppe lerne.“ – Liv Larsson

Liv Larsson ist CNVC-zertifizierte GFK-Trainerin. In Schweden sowie in europäischen und asiatischen Ländern gibt sie ihre GFK-Kenntnisse an viele Menschen weiter: an Führungskräfte, UN-Mitarbeiter, Friedensarbeiter, Mediatoren, Theatergruppen, Ärzte, Lehrer u. v. m.

Copyright © der deutschen Ausgabe: Junfermann Verlag, Paderborn 2020

Copyright © der Originalausgabe: Liv Larsson 2019

Erschienen bei Friare Liv, Mjösjölidvägen 477, 946 40 Svensbyn, www.friareliv.se

Originaltitel: Walk Your Talk. Tools and Theories to Share Nonviolent Communication

Übersetzung: Annett Zupke

Coverbild: © TODOR TSVETKOV – iStock

Covergestaltung / Reihenentwurf: Junfermann Druck & Service GmbH & Co. KG, Paderborn

Satz, Layout & Digitalisierung: Junfermann Druck & Service GmbH & Co. KG, Paderborn

Alle Rechte vorbehalten.

Erscheinungsjahr dieser E-Book-Ausgabe: 2020

ISBN der Printausgabe: 978-3-95571-842-8

ISBN dieses E-Books: 978-3-95571-932-6 (EPUB), 978-3-95571-934-0 (PDF),  978-3-95571-933-3 (MOBI).

Übungsverzeichnis

Das Jammer-Café (Wolfs-Café)

Der Bittenkreis

Der GFK-Dialog

Der Kommunikationscocktail

Einige Überlegungen für Rollenspiel-Neulinge

Empathie-Stühle

Erwartungen und Forderungen an sich selbst

Gedanken zum Unterbrechen mit Empathie

Grundlegende Empathie-Fähigkeiten

Ihr inneres Klima vorbereiten

Mithilfe der GFK „Nein“ sagen – ein Training

Sich selbst auf ein „Nein“ von jemand anderem vorbereiten

Über ein misslungenes Rollenspiel hinwegkommen

Verwandeln Sie Ihre Wut

Vier Wahlmöglichkeiten: Die vier Arten des Zuhörens

Welche Bedürfnisse möchten Sie sich erfüllen, indem Sie Trainings und Workshops leiten?

Weltanschauungen – Vorstellungen über Menschen und das Leben

Wenn es sich schwierig anfühlt, vor und mit einer Gruppe zu sprechen (äußere Auslöser)

Wie wirken sich Etiketten aus?

Zwischen Bedürfnissen und Strategien unterscheiden, um Bedürfnisse zu erfüllen

Zwischen Beobachtungen und Interpretationen unterscheiden

Zwischen Gedanken und Gefühlen unterscheiden

Zwischen machbaren und nicht machbaren Bitten unterscheiden

Einleitung

„Wir müssen der Wandel sein, den wir in der Welt sehen wollen.“

(Mahatma Gandhi)

Vielen von uns fällt oft schwer, das umzusetzen, was Gandhi hier vorschlägt. Doch wir haben Gelegenheit, just dieser Wandel zu sein – nämlich dann, wenn wir unser Verständnis der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) weitergeben. Wie? Indem wir bestmöglich versuchen, genau das praktisch umzusetzen, worüber wir beim Vermitteln der GFK gerade sprechen. Es kann zuweilen schwierig sein, den Ansatz der GFK modellhaft vorzuleben, aber auch sehr anregend. Mir eröffnen sich so ständig Gelegenheiten zum vertieften Lernen.

Wann immer ich mich in ein Thema vertiefe, nutze ich die Gelegenheit, mit anderen das zu teilen, was ich bereits darüber weiß. Durch das Lehren – egal ob formell im Unterricht oder Workshop oder informell in einem privaten Gespräch – gewinnen „Lehrende“ in der Regel zusätzliche Einsichten in das Thema. Ich glaube nicht, dass man ein Fach vollends beherrschen muss, um andere darin zu unterrichten. Was man aber braucht, ist eine Sehnsucht, das zu teilen, was man bereits weiß. Dazu gehört auch, offen an den Stellen zu sein, wo man selbst noch dazulernen kann, und das dann gemeinsam mit der Gruppe zu tun.

Dieses Buch habe ich in der Hoffnung geschrieben, all jenen Anregungen zu geben, die die GFK in einer Lerngruppe oder einem Workshop vermitteln wollen. Ich hätte selbst gerne ein solches Buch zur Hand gehabt, als ich damals anfing, mein Verständnis der GFK weiterzugeben.

Wie Sie dieses Buch verwenden können

Sie suchen nach Möglichkeiten, einen Vortrag / ein Seminar zu eröffnen? Dann lesen Sie

Kapitel 1

, und hier besonders den

Abschnitt 1.6

, in dem ich davon erzähle, wie ich selbst einen Anfang finde, und einige Anregungen dazu gebe.

Sie hätten gern Anregungen dazu, wie Sie zur Verbindung beitragen und Ihr Publikum / Ihre Teilnehmer*innen einbeziehen können? Dann lesen Sie bitte in Kapitel 1 die Abschnitte

1.4

,

1.5

und

1.6

.

Sie machen sich Sorgen über mögliche Fragen, die Teilnehmer*innen Ihnen stellen könnten? Hier empfehle ich, dass Sie zunächst für sich überlegen, wie Sie selbst auf die Fragen antworten möchten, um dann Ihre eigenen Vorüberlegungen als roten Faden Ihrer Präsentation zu nutzen. Mehr dazu in 

Kapitel 4

 unter der Überschrift: „Wenn Ihnen herausfordernde Fragen gestellt werden“.

Sie suchen nach Übungen oder Schwerpunktthemen und Hilfe bei der Auswahl? Dann finden Sie ein Planungswerkzeug und eine Reihe von Übungen in 

Kapitel 3

.

Macht Sie die Vorstellung nervös, vor einer Gruppe zu stehen? Dann sollten Sie vielleicht im Vorfeld üben, wie man mit schwierigen Situationen umgeht. In diesem Fall lesen Sie 

Kapitel 2

, in dem es um die innere Vorbereitung geht.

Sie wollen tiefer verbunden sein mit dem, was in Ihnen vor sich geht, während Sie Gruppen leiten? Hierfür ist 

Kapitel 3 

besonders geeignet.

Sie sind neugierig, wie man einen bedürfnisorientierten Führungsstil entwickelt? Mehr dazu in 

Kapitel 7

.

Sie möchten die theoretischen Konzepte der Gewaltfreien Kommunikation besser verstehen? Dann nutzen Sie den Anhang zum Thema Schlüsselunterscheidungen.

Sie möchten an Ihrer Fähigkeit arbeiten, Rollenspiele und Simulationen zu entwickeln, um sie dann als Lernmittel und zur Heilung einzusetzen? Dann schauen Sie in 

Kapitel 5

 nach im Abschnitt „Unter Wölfen und Giraffen“.

TEIL I: SICH SELBST VORBEREITEN

1. Vortragskunst à la Gewaltfreie Kommunikation

1.1 Die Gewaltfreie Kommunikation

Die Gewaltfreie Kommunikation (GFK) lässt sich als Kombination aus Denken und Kommunizieren beschreiben oder als Ansatz, der unseren Umgang mit Macht beleuchtet. Die GFK zielt auf das Herstellen einer zwischenmenschlichen Verbindungsqualität, die die Bereitschaft weckt, zu den Bedürfnissen aller beizutragen. Sie ist deshalb ein Ansatz, bei dem die Bedürfnisse aller Beteiligten in gleicher Weise wertgeschätzt werden und gegenseitigem Respekt und Autonomie Schlüsselrollen zukommen. Die beiden letztgenannten Punkte sind notwendig, um eine wirksame Zusammenarbeit zu erreichen und Konflikte effektiv anzugehen.

1.1.1 Grundannahmen, auf denen die Gewaltfreie Kommunikation beruht

Die GFK wird oft als reine Kommunikationsform wahrgenommen, sie ist aber mehr als das. Sie basiert auf einer Reihe von Grundannahmen, und die folgenden drei bilden oft das Herzstück meiner Vorträge und Präsentationen. Sie schaffen Klarheit und stärken zudem meine Fähigkeit, mit herausfordernden Fragen umzugehen.

Es ist leichter, eine Verbindung zwischen Menschen herzustellen, …

wenn wir versuchen, uns mit dem Gedanken zu verbinden, dass alles, was Menschen tun, ein Versuch ist, universelle Bedürfnisse zu erfüllen.

wenn wir davon ausgehen, dass Menschen mit Freude zu unserem Wohlergehen und dem Wohlergehen anderer beitragen.

wenn wir davon ausgehen, dass Menschen gerne etwas beitragen, solange sie dies als freiwillig erleben.

1.1.2 Gefühle mit Bedürfnissen verbinden

Die folgende Abbildung setze ich häufig ein, um die GFK zu beschreiben. Diese kreisförmige Darstellung gefällt mir viel besser als lineare Abbildungen des Prozesses. Durch die Kreisform kommt das Schema einem tatsächlichen Kommunikationsverlauf viel näher. Mir gefällt auch, dass alle vier Komponenten der GFK als für die Kommunikation wichtige Elemente dargestellt und dass sie miteinander verbunden sind.

Im Zentrum der Grafik steht „Verbindung“, was sehr schön illustriert, dass eben diese Verbindung das Hauptziel der Gewaltfreien Kommunikation ist. Mithilfe dieser Abbildung können wir auch verdeutlichen, dass über die vier Komponenten Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis und Bitte oft ein viel kürzerer Weg in die Verbindung führt, als es über Forderungen, Androhungen, Analysen und Interpretationen je möglich wäre. Und ganz wichtig: Ich spreche von einem kürzeren, nicht von „dem richtigen“ Weg. An dieser Unterscheidung liegt mir sehr viel. Auch jemand, der Forderungen stellt oder andere verurteilt, möchte womöglich mit anderen in Verbindung gehen, er wählt dafür aber eine Art des Kommunizierens, die die Dinge häufig verkompliziert.

Menschen, die etwas über die GFK lernen möchten, tun dies in der Regel mit der gleichen Einstellung, mit der sie auch an andere Themen herangehen. Die meisten von uns haben gelernt, dass es eine „richtige“ und eine „falsche“ Art gibt, Dinge zu tun. Wenn wir die Gewaltfreie Kommunikation jedoch aus einer solchen Haltung heraus anwenden, ist sie weniger nützlich. Ich erinnere deshalb meine Teilnehmer*innen oft daran, dass es einen Unterschied macht, ob ich es für „richtig“ halte, die Komponenten der GFK anzuwenden oder ob sie für mich ein „hilfreiches Werkzeug“ sind, um Verbindung herzustellen. Durch diese Unterscheidung wird mir viel deutlicher, was das Herzstück der Gewaltfreien Kommunikation ist.

Ich möchte zum einen mit anderen teilen, was für mich eine effektive Art der Kommunikation ist. Gleichzeitig möchte ich auch offen gegenüber der Möglichkeit sein, dass sich Verbindung auf verschiedene Art und Weise herstellen lässt, häufig sogar ganz ohne Worte. Beim Weitergeben des GFK-Prozesses betone ich, wie wichtig es ist, unsere Gefühle mit unseren Bedürfnissen zu verbinden. Manchmal verwende ich das Bild eines Baums, um die Beziehung zwischen Gefühlen und Bedürfnissen zu verdeutlichen. Ich nutze die folgende Grafik und bitte die Teilnehmer*innen, die Worte, die Gefühle beschreiben (diese habe ich auf die Zweige geschrieben), mit den Begriffen für Bedürfnisse zu verbinden (die ich den Wurzeln zugeordnet habe). Wenn z. B. an einer Baumwurzel das Bedürfnis-Wort „Integrität“ steht, frage ich etwas wie: Was könnten Sie fühlen, wenn Ihr Bedürfnis nach Integrität erfüllt wäre?

Oder: Was könnten Sie fühlen, wenn dieses Bedürfnis nicht erfüllt wäre?

Auch für die umgekehrte Richtung arbeite ich mit der Metapher des Baums und der Verbindung zwischen den Ästen und Wurzeln. Dann frage ich: Welche Ihrer Bedürfnisse sind vielleicht nicht erfüllt, wenn Sie sich enttäuscht fühlen?

Oder: Welche Bedürfnisse könnten erfüllt sein, wenn Sie sich glücklich fühlen?

Abbildung 1(www.friareliv.se)

1.2 Die Anwendungsmöglichkeiten der Gewaltfreien Kommunikation

Oft kommt die Frage auf, wann die GFK angewendet werden soll. Als „Spezialwerkzeug“ in bestimmten Momenten, beispielsweise in Konfliktsituationen? Oder generell im Alltag? Oder ist die GFK eher ein Ansatz, um die zwischenmenschliche Verbindung oder Persönlichkeitsentwicklung zu fördern?

Die GFK verfolgt das Ziel, Verbindung herzustellen, und deshalb können wir sie in allen Situationen einsetzen, in denen es um Verbindung geht. Wir versuchen dafür, die Bedürfnisse freizulegen, die laut der GFK universell sind. Durch diese Verbindung auf der Bedürfnisebene können wir einander leichter als ganze Menschen wahrnehmen. Wollen Sie jedoch andere zum Gehorchen bringen oder wenn Ihnen daran liegt, dass sie so handeln, wie sie Ihrer Meinung nach handeln sollten, gibt es dafür andere und weitaus wirksamere Wege. Angst vor Strafe kann Menschen dazu bringen, ihr Verhalten an Ihre Erwartungen anzupassen. Nur lernen sie auf diese Weise vielleicht nicht das, was Sie ihnen wirklich vermitteln wollen. Genauso verhält es sich mit Belohnungen: Die Aufmerksamkeit der Menschen liegt stärker auf dem, was für sie herausspringt, als darauf, wie sie für andere einen Beitrag leisten können.

In den folgenden Situationen erweisen sich GFK-Fähigkeiten als nützlich:

In Konfliktsituationen, wenn Sie entweder selbst Teil eines Konflikts sind oder als dritte Seite vermitteln wollen.

Wenn Sie Wertschätzung und Dankbarkeit ausdrücken möchten.

Um sich selbst besser zu verstehen, etwa wenn Sie sich nur schlecht zwischen zwei Möglichkeiten entscheiden können oder sich einer Herausforderung gegenübersehen.

Im Umgang mit Gewalt oder in anderen bedrohlichen Situationen.

Im Umgang mit Wut, Scham und Schuld.

Zur Stärkung der Verbindung und des Miteinanders, innerhalb der Familie und am Arbeitsplatz.

Um sich mit Menschen zu verbinden, die anderer Meinung sind, andere religiöse Überzeugungen und Lebensweisen haben.

Organisationen auf verschiedenen Ebenen dahingehend zu beeinflussen, dass sie sich stärker auf Bedürfniserfüllung fokussieren.

Um gesellschaftlichen Wandel anzuregen.

1.3 Die Vortragskunst à la Gewaltfreie Kommunikation

„Niemand weiß, was er kann, wenn er es nicht versucht.“

(Publilius Syrus)

Ihr Herz pocht, Sie schwitzen, und Ihr Mund fühlt sich staubtrocken an. Vielleicht sind Sie gar völlig gelähmt vor Angst. Warum hat sich etwas, das ursprünglich Freude bringen und sinnhaft wie inspirierend sein sollte, in einen Albtraum verwandelt? Womöglich fühlen Sie sich so unsicher, dass Sie überzeugt sind, gleich alles zu vergessen, was Sie dem Publikum eigentlich hätten mitteilen wollen. Doch nicht nur Sie allein empfinden das Sprechen vor großen Gruppen als Herausforderung. Mir sind Menschen auf allen Stufen der „Nervositätsskala“ begegnet.

Wissenschaftliche Erkenntnisse belegen, dass für viele die Vorstellung, vor einer großen Gruppe zu sprechen, genauso beängstigend ist wie der Gedanke an das Sterben oder die Aussicht, jemand Nahestehendes könnte schwer erkranken. Weshalb ist das so? Was lässt den Gedanken, vor einer Gruppe zu stehen, derart beängstigend erscheinen? Liegt es vielleicht daran, dass alle anderen ihre Aufmerksamkeit auf Sie richten und Sie nicht wissen, ob die anderen auf „Ihrer Seite sind“ oder doch eher Feinde, vor denen Sie lieber fliehen sollten?

Vielleicht aber verspüren Sie bei dem Gedanken, vor einer Gruppe zu sprechen, nicht die geringste Aufregung. Vielleicht ist da eher ein Gefühl der Gleichgültigkeit, und kein Funke von Leidenschaft lässt sich entfachen, wirklich etwas präsentieren zu wollen. Sie wissen nicht, woher Sie die Motivation nehmen sollen oder wie Sie sich auf die Situation einlassen können. Ist es vielleicht unmöglich, entspannt und zugleich präsent zu sein?

Ich möchte Ihnen im Folgenden nicht erzählen, was Sie sagen sollen. Mir geht es vielmehr darum, Sie für das Wie zu inspirieren. Ich hoffe, Sie werden Kraft und Inspiration gewinnen, um …

sich zu trauen, vor einer Gruppe von Menschen zu sprechen, auch wenn Sie das noch nie gemacht haben;

Ihre momentan verschüttete Leidenschaft wieder neu zu entdecken;

Gruppen so zu führen, dass Sie damit zufrieden sind.

1.3.1 In Beziehung sein versus etwas darstellen wollen

„Perfektionismus ist nicht dasselbe wie das Bemühen, dein Bestes zu geben. (…) Perfektionismus ist die Überzeugung, dass wir, wenn wir perfekt leben, perfekt aussehen und perfekt handeln, den Schmerz von Schuldzuweisungen, Verurteilungen verringern oder vermeiden können. Er ist ein Schutzschild. Perfektionismus ist ein Zwanzig-Tonnen-Schild, den wir mit uns herumschleppen im Glauben, er würde uns schützen, während er uns in Wirklichkeit daran hindert, die Flucht zu ergreifen.“

(Brené Brown)1

Sobald wir vor einer Gruppe stehen, sind viele von uns mit einem Dilemma konfrontiert: Wir meinen nämlich, etwas auf eine bestimmte Art und Weise präsentieren zu müssen – und dabei sollten wir auch noch gut rüberkommen. Mithilfe der GFK und einiger Tools hoffe ich jedoch, Sie dazu anzuregen, dass Sie sich nicht mehr so sehr auf die Darstellung konzentrieren, dafür mehr auf die Beziehung. Können wir uns nämlich von der Vorstellung lösen, dass wir etwas darstellen müssen, dann kann die Qualität unseres Kontakts zu den Teilnehmer*innen zum Beispiel für gelebte GFK werden. Indem wir die Prinzipien der GFK anwenden, um Verbindung herzustellen, veranschaulichen wir damit gleichzeitig ihre Prinzipien.

Vor einer Gruppe zu sprechen kann so selbstverständlich sein wie ein Essen im Kreis der Familie und gleichzeitig so aufregend wie das größte Abenteuer Ihres Lebens. Auf die Verbindung zu vertrauen, sich quasi in sie hinein zu entspannen, bedeutet keineswegs den Verlust von Klarheit oder Direktheit. Sie können auch weiterhin gut in dem sein wollen, was Sie tun, allerdings liegt Ihr Hauptaugenmerk nun auf der Verbindung – zu sich selbst und zu Ihrem Publikum. Und Verbindung stellen Sie her, indem Sie sich auf die Beziehung konzentrieren. Es geht darum, das zu kommunizieren, was im jeweiligen Moment lebendig ist, und offen für Verbindung zu sein.

Ich werde oft gefragt, welche Techniken und Kniffe ich anwende. Sicherlich tragen all die Erfahrungen, die ich im Lauf der Jahre gesammelt habe, dazu bei, dass mir die Verbindung mit anderen gelingt. Das Wichtigste sind jedoch die Absicht, meine Beziehungen mit anderen wertzuschätzen, und die Bereitschaft, mit einem anderen Menschen eine Verbindung aufzunehmen. Ich gehe häufig auch von der Annahme aus, dass hinter allem, was ein Mensch sagt, wichtige menschliche Bedürfnisse stehen. Sich daran zu erinnern erleichtert die Verbindung, selbst bei Beschwerden oder Beleidigungen.

Wenn Sie beim Vermitteln der GFK das leben, was Sie lehren, vollziehen Sie einen Wandel: weg von der Performance, hin zum In-Beziehung-Treten.

1.3.2 Elevator Speech

Stellen Sie sich vor, Sie sind in einem Fahrstuhl, und jemand fragt Sie dort: Was ist denn eigentlich Gewaltfreie Kommunikation? In der kurzen Zeit, bis der Aufzug auf Ihrer Etage hält, möchten Sie eine Antwort geben, mit der das Gegenüber etwas anfangen kann. Dafür ist es sinnvoll, zu verstehen, was diese Person hören muss, damit sie einschätzen kann, ob die GFK für sie nützlich sein könnte. Wählen Sie also eine Situation, die der anderen Person vermutlich vertraut ist, zum Beispiel:

Wissen Sie, morgens, wenn die Kinder manchmal alles Mögliche tun wollen, nur nicht das, worum Sie sie bitten, kann Ihnen die GFK in dieser Situation helfen, sich mit ihnen zu verbinden. Auf diese Weise wird eine Form der Kooperation möglich, die für alle Beteiligten funktionieren kann.

Oder: Wenn Sie in einer Arbeitsgruppe oder in einer Beziehung keinen Weg sehen, eine Einigung zu erzielen, kann die GFK Ihnen helfen, eine Lösung zu finden, die die Bedürfnisse und Wünsche aller Beteiligten berücksichtigt.

Das Einüben von sogenannten Elevator Speeches für Situationen, in denen Ihnen jemand diese Frage stellen könnte, erweist sich oft auch für die eigene Klarheit als hilfreich. Allerdings löst der Gedanke, dass dies als Vorschlag zu einer Art „Propaganda“-Vorbereitung bei Ihnen ankommen könnte, gerade etwas Unbehagen in mir aus. Mit geht es tatsächlich mehr darum, denjenigen, die wissen möchten, was die GFK ist, prägnante Informationen zu geben. Dann können sie selbst entscheiden, ob das Erlernen der GFK etwas für sie sein könnte.

1.3.3 Hören Sie zu, während Sie reden

In seinem Buch Be Heard Now behauptet Lee Glickstein, das Problem, vor einer Gruppe zu sprechen, sei eigentlich kein „Sprechproblem“, sondern vielmehr ein „Hörproblem“.2 Wenn wir jedoch aufmerksam sind für Zeichen, in welcher Weise die Teilnehmer*innen etwas beitragen und uns unterstützen wollen, wandelt sich unsere Art, mit ihnen in Beziehung zu treten. Glickstein betont die Wichtigkeit des Zuhörens und meint damit, dass wir zuhören, ehe wir sprechen, während wir sprechen und auch zuhören, nachdem wir gesprochen haben. Wenn wir so zuhören, wie Glickstein es empfiehlt, können wir leichter entscheiden, was gerade guttun würde: Verlangsamen? Eine Pause machen? Eine Frage stellen? Oder etwas anderes tun, das zu mehr Verbindung mit den Teilnehmer*innen führt?

Ich empfehle Ihnen, mit einer Gruppe über die GFK (oder worüber Sie auch immer sprechen mögen) genauso zu sprechen, wie Sie es in einem persönlichen Gespräch tun würden. Als Erstes verbinden Sie sich mit der anderen Person, um herauszufinden, was sie von Ihnen will. Die Verbindung mit einer Gruppe beruht auf dem gleichen Prinzip. Das heißt, Sie hören den Teilnehmer*innen zu und teilen ihnen mit, was sich in Ihnen regt. Offen mit dem umzugehen, was in Ihnen vor sich geht, ist ebenso wichtig wie Zuhören.

Auch wenn es unmöglich erscheint zuzuhören, während wir mit einer Gruppe sprechen: Beides kann tatsächlich gleichzeitig geschehen. Wir hören auf Körpersprache, Gesten und Worte und zeigen unsere Bereitschaft, das uns so Mitgeteilte aufzunehmen. Wenn wir anderen zuhören, ist es wahrscheinlicher, dass sie auch uns zuhören wollen. Und dann spielt es keine Rolle, ob wir es mit einer einzelnen Person oder eine Person in einer Gruppe zu tun haben. Alle wollen gehört und ernst genommen werden.

Eine weitere wichtige Fähigkeit ist der Umgang mit Stille; der Mut, auch dann in Verbindung zu bleiben, wenn keine Worte fallen. Damit meine ich nicht etwa rhetorische Pausen, die man als Technik einsetzt, um das Interesse an etwas Bestimmtem zu steigern. Ich meine die Art von Stille, die auftreten kann, wenn wir uns von Mensch zu Mensch verbinden.

Es ist nicht unsere Aufgabe, die Frustration oder Verwirrung unserer Zuhörer auszuräumen. Wir schenken ihnen unsere Aufmerksamkeit und beantworten ihre Fragen. Wir laden sie ein, sich mitzuteilen. Dann hören wir ihnen zu, wenn sie das zum Ausdruck bringen, was für sie gerade von Bedeutung ist. Wenn wir merken, dass die zur Sprache gebrachte Sache gerade kein hilfreicher Beitrag für die ganze Gruppe ist, können wir die betreffende Person auch darum bitten, dies später persönlich mit uns zu besprechen.

1.3.4 Lauschen Sie mit Ihren Ohren, Ihren Augen, Ihrem Intellekt und Ihrem Herzen

Der Begriff „zuhören lernen“ könnte irreführend sein. Es geht vielmehr um die Bereitschaft, jemandem unsere volle Aufmerksamkeit zu schenken, „mit unserem Herzen zu hören“, einfach nur da zu sein, ohne ein bestimmtes Ziel damit zu verfolgen. Dabei lernen wir vielleicht, unsere Aufmerksamkeit zu konzentrieren. Wenn wir zum Beispiel die GFK-eigenen Tools anwenden, hören wir in erster Linie auf die Bedürfnisse und Gefühle anderer sowie darauf, worauf sie Wert legen und wovon sie träumen. Vielleicht sagen wir während des Zuhörens auch etwas, als Hilfestellung für die Person, der wir gerade zuhören; damit sie ihre eigenen Worte finden kann, um selbst ihre Gefühle und Bedürfnisse auszudrücken. Wir geben vielleicht auch mit unseren Worten unser Verständnis wieder. Dadurch zeigen wir den anderen unser Bemühen, sie wirklich so zu verstehen, wie sie verstanden werden möchten. Diese Art des Zuhörens hilft nicht nur den anderen, präsenter zu sein, sondern verhilft auch uns dazu, im Hier und Jetzt zu sein.

Wenn wir – um die Verbindung zu erleichtern – etwas von dem mitteilen, was sich in uns regt, wählen wir unsere Worte so, dass es dem anderen möglichst leichtfällt, mitfühlend zu hören. Wenn wir, statt die andere Person zu analysieren, über uns selbst sprechen und über das, was wir brauchen, fällt es unserem Gegenüber normalerweise leichter, uns mit Empathie zuzuhören.

Wenn wir vor einer Gruppe sprechen, sind viele von uns mit der Aufmerksamkeit bei dem, was in uns vor sich geht: Das Herz schlägt schneller, die Beine zittern, und wir analysieren alle Möglichkeiten, wie wir wahrgenommen werden. Vielleicht versuchen wir, uns zu beruhigen oder unsere Nervosität zu verbergen. Würden wir uns stattdessen darauf konzentrieren, uns zu verbinden, könnte das zu einer ganz anderen Art von Präsenz führen.3

Vor einer Gruppe sprechen: Einige Mythen

Die ersten beiden Mythen stammen aus Lee Glicksteins hervorragendem Buch Be Heard Now! Tap Into Your Inner Speaker and Communicate With Ease. In diesem Buch gibt er noch weitere Beispiele für sich hartnäckig haltende Überzeugungen mit Blick auf den Auftritt als Redner. Das dritte Beispiel habe ich etwas abgewandelt.

Mythos 1: Bei dem Halten einer Rede geht es darum, den Auftritt zu meistern und das Publikum durch Stil und Technik für sich einzunehmen.

Mein Vorschlag: Wenn wir ausdrücken, was in uns „lebendig“ ist, hilft uns das bei unserer Verbindung mit dem Publikum. Wenn wir zudem bereitwillig zeigen, dass wir entweder für uns selbst sorgen oder um Unterstützung bitten können, wird sich dies ebenfalls förderlich auf die Präsentation auswirken.

Mythos 2: Lampenfieber gilt es zu bezwingen oder zu überwinden.

Mein Vorschlag: Lampenfieber lässt sich bewältigen, indem wir in Kontakt mit unseren Gefühlen kommen und diese mit unseren Bedürfnissen verbinden. Auf diese Weise findet sich ein Weg, diese Bedürfnisse zu befriedigen. Um das Lampenfieber zu überwinden, müssen Sie es also zunächst anerkennen.

Mythos 3: Ich muss lustig sein und die Leute zum Lachen bringen.

Mein Vorschlag: Menschen lachen gerne, wenn sie das Gefühl haben, dass sie hier Freiheit haben. Die Leute haben auch gern Spaß, und sie lachen mehr, wenn sie entspannt sind und Unterstützung erfahren.

1.3.5 Meine erste Einführung in die GFK

Ich sage oft – halb im Scherz –, dass meine erste GFK-Einführung meine beste Präsentation aller Zeiten war. Warum? Weil ich nervös war, absolut ehrlich mit meiner Nervosität umgegangen bin und die Verantwortung dafür übernommen habe.

Da die GFK das Thema der Einführung war, nutzte ich meine Gefühle und sprach sie direkt an und führte so einige wesentliche Teile der GFK ein. Ich erzählte dem Publikum, dass dies das erste Mal war, dass ich vor einer Gruppe über die GFK sprach. Die GFK und ihre Wirkung auf mich waren mir immer wertvoller geworden, weshalb das Vermitteln der GFK eine ziemlich verletzliche Erfahrung für mich darstellte. Ich sprach meine Verletzlichkeit und meine Angst davor an, in dieser für mich so wichtigen Situation vielleicht nicht anzukommen. Ich sagte der Gruppe, dass ich nervös war, vielleicht nicht ausreichend deutlich machen zu können, was für mich am GFK-Prozess am wertvollsten war. Und dass ich dennoch bereit war, es auszuprobieren.

Rückblickend glaube ich: Dank meiner Bereitschaft, so frühzeitig meine Menschlichkeit zu zeigen, konnte eine Verbindung entstehen, die das Gespräch fließen ließ. Es wurde so ein sehr entspannter Workshop, der sehr viel Spaß machte. Später erkannte ich, dass es mir gelungen war, meine Verbindung zwischen meinem inneren Selbst, meiner eigenen Nervosität und die Verbindung mit den Teilnehmer*innen ins Gleichgewicht zu bringen. Zum Auftakt sagte ich etwa Folgendes:

Ich fühle mich nervös, hier zu stehen, und gleichzeitig genieße ich es sehr. Ich genieße es, weil ich mit Ihnen etwas teilen werde, das für mich sehr wertvoll ist. Und ich bin nervös, weil ich nicht weiß, ob ich in der Lage sein werde, so klar zu sein, wie ich es gerne wäre. Es gibt etwas, das mich unterstützen und mir auch helfen würde, mich mehr mit Ihnen zu verbinden. Und das wäre, von drei oder vier von Ihnen zu hören, was Sie heute über Kommunikation lernen wollen. Gibt es jemanden, der dazu etwas sagen möchte?

Nachdem ich einige Bitten von mehreren Personen gehört hatte und auf diese eingegangen war, fuhr ich fort:

Was ich mit Ihnen teilen möchte, ist mein Verständnis der GFK. Ich bin inspiriert von Marshall Rosenberg, und was ich mit Ihnen teilen möchte, ist meine Interpretation und mein Verständnis dessen, was er GFK nennt.

Nach dieser Einführung spürte ich mich stark mit der Gruppe und mit mir selbst verbunden. Ich fühlte mich ruhiger und sicherer, so, wie ich es nie gewesen wäre, wenn ich versucht hätte, so zu tun, als wäre ich nicht nervös. Meine Ehrlichkeit über meine Nervosität und über mein Bedürfnis nach Verbindung und Sicherheit ebnete den Weg für die Verbindung während des Workshops.

1.3.6 Perfekt sein – ein Ding der Unmöglichkeit

Wenn Sie ein GFK-Seminar leiten, geht es nicht darum, alle Fragen rund um das Thema Kommunikation beantworten zu können. Vielmehr geht es um den Mut zur Verletzlichkeit. Seien Sie ehrlich mit dem, was in Ihnen vor sich geht, und seien Sie bereit, von anderen zu hören, was sich in ihnen regt. Zu üben, wie unsere Sprache in möglichst vielen Situationen eingesetzt werden kann – und nicht nur „darüber zu reden“ –, ist für die Teilnehmer*innen meist gewinnbringender.

Wenn ich meine Bereitschaft zeige, Verantwortung für meine Gefühle zu übernehmen, indem ich sie mit meinen Bedürfnissen verbinde, wird meine Offenheit Vertrauen und Sicherheit für die ganze Gruppe schaffen. Das ist etwas anderes, als den Teilnehmer*innen einfach nur zu sagen, dass ich mich nervös fühle, und dann nicht zu zeigen, dass ich auch in der Lage bin, mich selbst um diese Gefühle zu kümmern. Letzteres führt nämlich oft dazu, dass die Teilnehmer*innen auch nervös oder unkonzentriert werden.

Natürlich ist eine gute Vorbereitung von Vorteil. Vor allen Dingen dann, wenn wir uns nicht wohl dabei fühlen, offen mit unseren inneren Regungen umzugehen. Einige Leute fühlen sich von den Grundannahmen der GFK eher provoziert. Daher werden Sie, wenn Sie über die GFK sprechen, sicherlich auf Menschen treffen, die einiges kritisch hinterfragen. Es ist eine große und anregende Herausforderung, diese Reaktionen mit Empathie zu hören, ohne dabei defensiv zu werden. Meistens begrüße ich diese Herausforderung. Sie ermöglicht mir nämlich zu zeigen, wie ich mit der GFK eine Verbindung erreichen kann, auch mit Menschen, die anderer Meinung sind als ich.

1.4 Verbindung herstellen

Egal, worüber ich vor Publikum spreche, über die GFK oder ein anderes Thema: In erster Linie möchte ich Verbindung herstellen. Die Grundlage hierfür sind empathisches Zuhören und die ehrlich-verletzliche Selbstmitteilung. Das Hauptanliegen der GFK ist eine verbindungsstiftende Art des Kommunizierens, und deshalb bietet das Vermitteln dieses Ansatzes eine Gelegenheit, den Prozess zu „leben“ und nicht nur darüber zu sprechen. Wenn Sie von Anfang an zeigen, dass Sie auf die Bedürfnisse aller hören wollen, demonstrieren Sie damit bereits den Kern dessen, das Sie zu vermitteln suchen. Und Sie zeigen Ihre Bereitschaft, das zu leben, was Sie lehren. Für Ihrer Zuhörer*innen wird das, was Sie präsentieren, sicher interessanter, und sie ziehen vermutlich eher in Erwägung, den vorgestellten Prozess zu erlernen.

Zur GFK gehört auch eine Form der Trauerarbeit. Wenn mal etwas nicht ganz „perfekt“ war, wenn Sie die eigenen Bedürfnisse (oder die Bedürfnisse anderer) nicht erfüllt haben, ist es wichtig, darüber nachzudenken. Das gilt vor allem dann, wenn Sie feststellen, dass Ihre Motivation abnimmt, die GFK zu vermitteln, weil Sie mit einer Präsentation oder einem Training nicht so glücklich waren.

Die Verbindung zwischen Ihnen und den Teilnehmer*innen sendet eine Botschaft, die ebenso wichtig ist wie das, was Sie in Worten sagen. Wenn die Menschen in der Gruppe sehen, dass Sie gewillt sind, in Verbindung mit ihnen zu kommen, werden sie eher auf Ihre Bereitschaft vertrauen, sie als Menschen zu sehen. Sich daran zu erinnern ist lohnenswert, insbesondere dann, wenn Sie einer großen Gruppe gegenüberstehen. Vielleicht hat man auch Ihnen einmal beigebracht, dass es darauf ankommt, jeder einzelnen Person ins Gesicht zu schauen, damit sich alle gesehen fühlen. Ich empfehle hingegen, dass Sie sich auf die Verbindung konzentrieren und nicht auf den Einsatz einer bestimmten Technik. Sobald wir unseren „kleinsten gemeinsamen Nenner“ gefunden haben, unsere Menschlichkeit, unsere Bedürfnisse, fällt es leichter, Verbindung herzustellen. Wir konzentrieren uns auf das, was wir alle gemeinsam haben, und erkennen so, wo wir uns ähnlich sind. Und aus diesem Erkennen entsteht reines Mitgefühl. Wenn dieses Mitgefühl einmal da ist, habe ich großes Vertrauen, Verbindung zu anderen herstellen und diese aufrechterhalten zu können. Es geht nicht darum, die Sichtweise einer anderen Person zu übernehmen oder etwas aufzugeben, woran man glaubt. Vielmehr geht es um die Verbindung auf der Ebene der Bedürfnisse.

Hier sind einige Fragen zum Thema Verbindung, die Sie sich selbst vor einer Präsentation stellen könnten:

Wie kann ich zur Verbindung zwischen mir und den Teilnehmer*innen beitragen?

Wie kann ich um die benötigte Unterstützung bitten, um zur Verbindung beizutragen?

Wie kann ich den Teilnehmer*innen helfen, eine Verbindung untereinander aufzubauen?

Wie kann ich die Qualität der Verbindung unterstützen, die es leicht macht, die Bedürfnisse aller zu hören?

1.5 Wovon gehe ich aus?

Unsere Gründe dafür, anderen etwas vermitteln zu wollen, sind vielfältig. Für die Präsentation eines Themas ist es hilfreich, eine Art Grundlage zu haben, auf der Sie aufbauen können. Zudem sollten Sie wissen, welcher „Baustein“ Ihnen besonders wichtig ist, um diesen ausführlich zu beschreiben.

Normalerweise teile ich meine Grundannahmen mit, sodass andere leichter erfassen können, warum ich sage, was ich sage. Wenn sie wissen, von welchen Annahmen ich ausgehe, fällt es den meisten Menschen leichter, Fragen zu stellen, weil sie mehr Sicherheit haben. Doch auch für mich ist es entspannter, meine Annahmen zu benennen. Ich kann so auch fokussierter bleiben und bin dichter an meiner Sehnsucht, das zu teilen, was für mich selbst hilfreich ist.

Sind meine „Bausteine“, z. B. meine Annahmen über die „menschliche Natur“, einmal bekannt, hilft das den Zuhörer*innen, sich in dieser Frage selbst zu verorten. Hoffentlich regt es sie dazu an, über ihre eigenen Annahmen über die menschliche Natur nachzudenken, anstatt sich gezwungen zu fühlen, dieselben Annahmen zu treffen wie ich. Wenn ich während der Präsentation immer wieder auf meine ursprünglichen Annahmen zurückkomme, können mir die Teilnehmer*innen leichter folgen und verstehen, was ich damit meine. Auch wird klarer, was ich teilen möchte und warum.

Eine der Grundannahmen, die ich oft als Ausgangspunkt für die Einführung in die GFK verwende, lautet: Ich finde es leichter, andere zu verstehen, wenn ich mich auf den Gedanken konzentriere, dass hinter jeder Handlung eines Menschen einige Bedürfnisse stehen, die er sich zu erfüllen versucht.

Formulieren Sie für sich aus, welche Annahme Sie vertreten wollen, und tun Sie das möglichst in ein bis zwei Sätzen, sodass die Teilnehmer*innen sich leichter daran erinnern können. Entscheiden Sie sich für eine Annahme, die mit Ihren Werten und Überzeugungen übereinstimmt, und schreiben Sie diese auf ein Flipchart oder verteilen Sie im Vorfeld ein Handout dazu. Damit Sie Klarheit für die Zuhörer*innen schaffen, kommen Sie so oft wie möglich darauf zurück.

Wenn Sie sich gleich zu Beginn eines Seminars oder eines Workshops den Teilnehmer*innen öffnen, indem Sie etwas von sich mitteilen oder Fragen stellen, führt dies in der Regel zu mehr Verbindung. Sie möchten z. B. verdeutlichen, dass eine Ihrer Annahmen besagt: Wir alle haben die gleichen Grundbedürfnisse, und das Engagement der Teilnehmer*innen hilft Ihnen, Ihr Bedürfnis nach Gemeinschaft zu erfüllen. Dies kann auf verschiedene Art und Weise geschehen. Achten Sie jedoch bitte darauf, dass für viele Menschen tiefer menschlicher Kontakt eine verletzliche Erfahrung sein kann. Einige mögen schüchtern oder verlegen sein, wenn sie anderen mehr als erwartet näherkommen. Das ist nicht überraschend! Sich mit jemanden tief zu verbinden wirft häufig ein anderes Licht auf das, was sich in uns regt. Daher fühlen wir uns häufig bloßgestellt und verletzlich.

Verbindung ist ein universelles Bedürfnis. Ist es erfüllt, empfinden wir das häufig als äußerst bedeutungsvoll und lebensspendend. Jemand anderem näherzukommen ist schon ein Schritt, und wenn wir ihn wagen, kann uns diese Verbindung als der sicherste Ort der Welt erscheinen.

Vorgehensweise in Kleingruppen: Laden Sie die Gruppe ein, einen Kreis zu bilden, und bitten Sie alle, sich namentlich vorzustellen und zu erzählen, was sie über das Thema lernen möchten und warum.

Vorgehensweise in größeren Gruppen: Sagen Sie, dass Sie die Beweggründe zur Teilnahme am Seminar ein bisschen besser verstehen und dazu gern von zwei oder drei Teilnehmer*innen etwas hören möchten.

Ich würde gerne mehr darüber erfahren, warum Sie zu diesem Workshop gekommen sind. Es ist im Moment nicht möglich, die Gründe aller zu hören, aber ich würde gerne von mindestens zwei oder drei von Ihnen etwas dazu hören. Ist jemand bereit, mir zu sagen, was Sie zum Kommen motiviert hat?

Einige Menschen scheuen sich, sich in größeren Gruppen zu Wort zu melden. Andere Leute zögern aus anderen Gründen, sich einzubringen. Ehe Sie die Bitte in der großen Gruppe äußern, könnten Sie die Teilnehmer*innen einladen, sich zu zweit darüber auszutauschen, weshalb sie in den Workshop gekommen sind, woran sie interessiert sind und was sie lernen möchten. Wenn die Teilnehmer*innen auf diese Weise aufgetaut sind, fällt es ihnen vielleicht leichter, etwas vor dem Rest der Gruppe zu sagen.

Sollte dennoch niemand vor der Gruppe sprechen wollen, können Sie ausdrücken, was Sie genau in diesem Moment fühlen und welche Bedürfnisse Sie haben, und dann eine neue Bitte vorbringen. Fangen Sie neu an, in dem Sie dem Schweigen der anderen mit einer mitfühlenden Vermutung begegnen. Diese könnte in etwa so klingen:

Vielleicht ist es für Sie schwierig, herauszufinden, was Sie über das Thema erfahren wollen, wo ich noch überhaupt nicht angefangen habe, stimmt’s?

Oder: Vielleicht sind Sie auch etwas nervös und möchten sich gerne sicherer fühlen, ehe Sie etwas sagen?

Wenn man versucht, sich in ihre Lage zu versetzen, hilft das oft den Nervösen und Zurückhaltenden, etwas zu sagen. Auch die Sitzordnung kann sich darauf auswirken, ob die Teilnehmer*innen etwas sagen wollen oder nicht. Bei einer sogenannten Konferenzbestuhlung – hintereinander angeordnete Stuhlreihen – schauen alle auf Sie, aber untereinander können die Teilnehmer*innen ihre Gesichter nicht sehen, und das kann die Interaktion erschweren. Viele Menschen werden still, wenn sie so sitzen. Es fühlt sich einfach nicht so sicher an. Vielleicht fühlen sie sich auch an ihre Schulzeit erinnert, in der sie sich zu benehmen und nur dann zu sprechen hatten, wenn sie dazu aufgefordert wurden. Mehr dazu erfahren Sie hier.