Sexuelle Liebe mit 50+ - Jürgen Fischer - E-Book

Sexuelle Liebe mit 50+ E-Book

Jürgen Fischer

0,0
10,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
  • Herausgeber: Neue Erde
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2017
Beschreibung

Ein Denkanstoß für alle, die im besten Alter wirklich guten Sex wollen Viele der heute über Fünfzigjährigen haben die »sexuelle Revolution« miterlebt und mitgestaltet, eine Befreiung aus vielen Zwängen, die jedoch vom Charakterpanzer jedes einzelnen beschränkt wurde. Jetzt ist Zeit für die Hinwendung zur energetischen Liebe. Sex wird nicht mehr »gemacht«, sondern als tiefes menschliches Bedürfnis gelebt. Gerade, wenn man älter ist, ergeben sich Räume, der erfüllenden Sexualität den Stellenwert zu geben, der ihr gebührt.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 177

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Jürgen FischerSexuelle Liebe mit 50+

Jürgen Fischer

Sexuelle Liebemit 50+

Tantra und energetische Liebefür erwachsene Menschen

Bücher haben feste Preise.

1. Auflage 2016

Jürgen Fischer

Sexuelle Liebe mit 50+

© Neue Erde GmbH 2016

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlag:

Fotos: Squaredpixels/istockphoto.com,

coka/shutterstock.com (hinten)

Gestaltung: Dragon Design, Elbe

Satz und Gestaltung:

Dragon Design, Elbe

Gesetzt aus der Minion

eISBN 978-3-89060-200-4

ISBN 978-3-89060-680-4

Neue Erde GmbH

Cecilienstr. 29 · 66111 Saarbrücken

Deutschland · Planet Erde

www.neue-erde.de

Inhalt

Einführung

Gibt es ein Tabu »Sexualität älterer Menschen«?

Let’s Talk About Sex: Was ist »gute Sexualität«?

Energetische Liebe – ein persönlicher Überblick

Energetische Sexualität

Schmerzkörperarbeit in der Paarbeziehung

Weiterlesen

Über den Autor

Einzelberatungen und Seminare

Einführung

Ich möchte über Sexualität sprechen – zu dir und deinem Partner beziehungsweise deiner Partnerin. Ich möchte dich inspirieren, dich auf einige Gedankengänge einzulassen und das gesamte Thema Sexualität noch einmal neu aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Ich habe über diese Themen mit vielen Menschen geredet, die das Bedürfnis haben, sich angemessen und intelligent über das Thema Nummer Eins auszutauschen.

Ich bin kein Therapeut, kein professioneller »Sexual-Fachmann«, ich führe zum Thema Sexualität keine speziellen Seminare durch und biete keine Übungen und schon gar keine Gruppenerfahrungen an. Was ich hier beschreibe, ist das Ergebnis vieler Gespräche mit interessierten Menschen und vor allem meiner eigenen Erfahrungen und jahrzehntelanger, intensiver praktischer und theoretischer Auseinandersetzung mit der Frage: »Was ist eigentlich gesunde, erfüllende Sexualität?«

Ich möchte dich auch mit einer neuen ganz praktischen Sicht auf die Sexualität vertraut machen: der energetischen Liebe. Es könnte sein, dass du durch das, was ich hier beschreibe, zu neuen Einsichten gelangst und damit dem sexuellen Glück, dem Erleben sexuell erfüllter Liebe, neue Chancen gibst, die innerhalb deiner charakterlichen Möglichkeiten und den Möglichkeiten deines Partners oder deiner Partnerin liegen. Ob und in welcher Form ihr meine Gedanken nutzen könnt, liegt ganz bei euch, an den charakterlichen Bedingungen, die ihr in eure Beziehung einbringt und am Grad der gesellschaftlichen Kontrolle, die auf euer sexuelles Leben Einfluss nehmen kann.

Dieses Buch ist ganz bewusst in einem sehr persönlichen Ton geschrieben. Ich spreche viel von mir, von meinen eigenen Erfahrungen, und ich möchte euch damit ermutigen, miteinander viel von euch selbst, von euren Erfahrungen mit der Sexualität zu reden.

Ich bin jetzt in meinem letzten Lebensdrittel. Ich habe keine Lust mehr, meinen Mund zu halten, schamhaft Rücksicht zu nehmen auf genau die moralischen Vorbehalte, die ein wesentlicher Grund für das weitverbreitete sexuelle Unglück sind. Und so, wie mir, geht es vielen älteren Menschen. Ich lasse mir einfach nicht mehr sagen, dass ich oder ein anderer Mensch auf sein sexuelles Glück aus diesem oder jenem Grund verzichten muss. Ich nehme mir mein Recht, sexuell glücklich zu sein, indem ich deutlich sage, was ich will, und es auch tue. Und damit bin ich bisher gut gefahren, bin auch recht oft auf die Nase gefallen, habe tiefe Beziehungen erlebt, die dann auch teilweise wieder grausam gescheitert sind und bin wieder aufgestanden, habe von vorne begonnen und aus den vermeintlichen Misserfolgen »erfolgreiches Scheitern« machen können, indem ich aus meinen Erfahrungen gelernt und Konsequenzen gezogen habe.

Vieles von dem, was ich hier beschreibe, mag provokant klingen, nicht nur weil ich über die Sexualität älterer Menschen schreibe. Ich schreibe über Tabus, also über gesellschaftlich stark verankerte Irrtümer, die nicht nur als Gedanken und Moral existieren, sondern die als Gefühle und Emotionen in den Charakterstrukturen der Menschen tief verinnerlicht sind. Und ich blicke auf neue Tabus und neue Irrtümer, die in den letzten Jahren mit Neo-Tantra, Karezza, Tao-Sex und weiteren Angeboten das »Spirituellen Supermarktes« aufgetaucht sind. In diesen Angeboten liegen einerseits viele gute neue Ansätze verborgen, sich grundlegend neu mit dem Thema Sexualität zu beschäftigen, und es werden andererseits dennoch immer wieder die alten patriarchalischen Dogmen bedient. Deshalb bemühe ich mich, sehr genau hinzusehen, auch wenn dabei einige Wunschträume platzen sollten, es gäbe schnelle und schmerzlose Auswege aus der sexuellen Misere.

Ich gebe zwar auch Anregungen, wie du mit deinem Partner zu neuen, erfüllenderen sexuellen Erfahrungen kommen kannst, indem ich die energetische Liebe vorstelle, aber ich zeige dir eben auch, dass dies nicht automatisch alle eure sexuellen und emotionellen Probleme lösen kann. Im Gegenteil: Ich zeige euch, wo die Probleme stecken, die Menschen – also auch ich, genauso wie ihr – in ihren eigenen Strukturen mit sich herumschleppen und die anzusehen eventuell sehr schmerzhaft sein kann. Die aktuelle Sexualaufklärungsliteratur vermeidet es, diese Probleme aufzuzeigen, denn es sollen Workshops, Bücher, Videos und Jahrestrainings verkauft werden. Deshalb werden diese Produkte mit dem Image der Hoffnung verkauft: »Tue dies – also kaufe das Buch, die DVD, den Workshop oder diese Therapie –, und du wirst glücklich werden!« Wieder einmal wird Sex zum Marketing missbraucht. Ich glaube nicht daran, dass es eine wohlfeile Lösung aus dem Jammertal des allgemeinen sexuellen Elends gibt, und ich erkläre auch, warum.

Deshalb richte ich meinen Blick nicht nur darauf, wie erfüllend und befreiend Sexualität sein kann, sondern auch darauf, wo die Probleme verborgen liegen, wenn Menschen versuchen, aus der Falle der Lieblosigkeit auszubrechen. Das mag oft sehr unangenehm sein und auch deinen Widerspruch provozieren. Gut so. Es geht mir nicht darum, dich zu manipulieren, dich von meinen Gedanken zu überzeugen, sondern ich möchte, dass du selbst über das, was ich hier schreibe, nachdenkst, und vor allem, dass du mit deinem Partner/deiner Partnerin zu reden beginnst. Ich kann euch nichts versprechen. Ich sage nicht: »Tut dies und das, macht jene Übungen, diese Therapie, und alles wird gut.« Es geht mir nur darum, euch mit neuen Gedanken über die sexuelle Liebe vertraut zu machen. Was ihr daraus macht, ist eure Sache. Ich wünsche euch dabei viel Erfolg, viel Liebe, viel Glück und Erfüllung.

Es gibt keinen Grund, Vertrauen in eine Methode zu setzen, bevor sie ihre Wirksamkeit bewiesen hat. Solange sie nicht funktioniert, gibt es auch keinen Grund, an sie zu glauben. Und wenn die Methode Wirkung zeigt, sollte für Sie klar sein, dass das nicht daran liegt, dass Sie fest daran geglaubt haben. Es ist umgekehrt: Weil es funktioniert, glauben Sie daran. Ich erwarte also von Ihnen nicht, dass Sie für bare Münze nehmen, was ich Ihnen sage. Vertrauen Sie der eigenen Erfahrung.

Manche Autoren ermuntern Sie, sich sozusagen an der Hand nehmen und von ihnen führen zu lassen. Ich dagegen sage: Vertrauen Sie mir nicht. Denn Sie haben keinen Grund dazu, und es wäre auch Ihrer Differenzierung nicht förderlich. Wenn Sie mir vertrauen, ändert sich nichts bei Ihnen. Entscheidend ist vielmehr, dass Sie Vertrauen zu sich selbst haben (und aus eigenem Impuls aktiv werden). (David Schnarch, Die Psychologie sexueller Leidenschaft, S. 23)

Gibt es ein Tabu »Sexualität älterer Menschen«?

Ich höre immer wieder, dass die Sexualität älterer Menschen ein »Tabu« sei, ein Thema, über das deshalb noch weitgehend schamhaft geschwiegen wird. Ich sehe das nicht so, aber ich verstehe, was mit »Tabu« gemeint ist. Das Thema ist in der Öffentlichkeit bisher wenig präsent. Ich denke, das wird sich jetzt bald gründlich ändern. Das Thema des sexuellen Tabus, über das ich in diesem Buch schreibe, betrifft jedoch nicht in erster Linie die Sexualität im Alter, sondern dieses: »die sexuelle Erfüllung in jedem Lebensalter«.

Es mag durchaus so sein, dass in unserer Kultur die Ansicht verbreitet ist, dass die Sexualität im Alter nachlässt und dass ältere Menschen das Interesse daran verlieren. Das ist natürlich richtig beobachtet. Aber meiner Ansicht nach liegt das nicht in erster Linie daran, dass das Thema »Sexualität im Alter« tabuisiert ist, sondern daran, dass einseitig eine Art von Sexualität verbreitet ist, die langfristig zur Verödung der Gefühlswelt führt und die von den Menschen dann als Belastung erlebt wird. Warum sollten sich ältere Menschen, wenn sie sich nach getaner Arbeit intensiver um ihre Lebensqualität kümmern können, ausgerechnet mit dem belasten, was ihnen über Jahrzehnte hinweg vor allem Probleme bereitet hat?

Selbst von Experten, also von Sexualwissenschaftlern, Therapeuten und von aufklärenden Organisationen wird »Sex« als ein monolithisches Thema behandelt, es gibt nur »den Sex«, bei dem man (zumeist) ins Bett geht, sich selbst und den Partner in Erregung versetzt, um diese Erregung dann mehr oder minder schnell wieder loszuwerden, es geht ums »Sex-Machen« mit Betonung auf »machen«. Da geht es also vorwiegend um sexuelle Erregung und dessen Lösung im Orgasmus. Es geht um die Quantität, also darum, wie oft und wie geschickt man es macht und wie stark die erlebte Erregung ist, und es wird kaum oder gar nicht über den Grad an Befriedigung und Erfüllung geredet, der tatsächlich erlebt wird. Das Bild, das in der Öffentlichkeit von Sexualität gegeben wird, ist derart banal und eingeschränkt. Viele – vor allem Frauen und ältere Menschen – können dieser Form von Sexualität ganz zu Recht nichts mehr abgewinnen. Und ich denke, sie haben allen Grund dazu.

In jungen Jahren scheint diese Art, erregenden Sex zu erleben, auch mehr oder weniger natürlich zu sein. Es ist aufregend, einen anderen Körper – meist aufregender, als den dazugehörenden Menschen – zu entdecken. Dieser andere Mensch ist dann eben oft nur die Hülle, das obskure Objekt der Begierde, das einem selbst zum Genuss gegeben ist. Dahinter steht ein Bild von Sexualität, das nicht zwischen Geschlechtsreife und sexueller Reife unterscheidet. Für junge Menschen, die ihre sexuelle Potenz erforschen, reiht sich eine sinnliche Sensation an die andere. Die Erlebnisse sind überwältigend machtvoll und durchdringen den ganzen Menschen in allen Aspekten des Seins. Das verstellt den Blick darauf, dass die Schönheit der Sexualität nichts mit der Potenz, der Erektionsfähigkeit und anderen sichtbaren und messbaren Bedingungen zu tun hat. Man fragt nicht: »Wie erfüllt bist du von der Begegnung? Wie tief ist das Erkennen deines Partners? Erlebst du die Dimensionen der Auflösung des Ichs und der Verschmelzung zu einer sinnlichen und geistigen Einheit? Vergisst du Zeit und Ort und alle beschränkenden Gedanken des unvollkommenen Alltagslebens?« Nein, gefragt wird: »Wie oft kommst du zum Orgasmus? Welche Sexualtechnik macht dich geil? Wie schnell hast du nach der Ejakulation eine erneute Erektion? Kommst du zu früh oder zu spät? Kannst du deine Frau (deinen Mann) geschickt zum Orgasmus bringen? Welche Anreize benutzt du, um erregt zu werden?«

In den meisten Lehrbüchern zu den Themen menschliche Sexualität, Entwicklung in der Pubertät oder Familienleben ist zu lesen, Männer würden ihre sexuelle Reife erreichen, noch ehe sie zwanzig sind, Frauen dagegen einige Jahre später – und darin läge angeblich unser Grundproblem. Viele Psychotherapeuten erliegen demselben Irrtum und verwechseln Geschlechtsreife mit sexueller Reife. […]

Das körperliche Entwicklungstempo ist nur ein Indikator der sexuellen Reife. Diese hat in erster Linie mit Ihrer persönlichen Reife zu tun. Genau deshalb ist Sexualität nicht von Natur aus etwas Schönes, sondern erst, wenn wir etwas Schönes daraus machen. Die Verwechslung von Geschlechts- und sexueller Reife hindert viele Menschen daran, ihr sexuelles Potential zu entfalten. Denn was das menschliche Liebesleben in erster Linie angeht, können Siebzehnjährige gesunden Sechzigjährigen nicht im Entferntesten das Wasser reichen! (David Schnarch, Die Psychologie sexueller Leidenschaft, S. 91)

Diese Art des »Sex-Machens«, des gegenseitigen »Sich-Benutzens«, baut auf Sensationen auf, wie sie Jugendliche im ersten Rausch von Sex erleben, die mit zunehmendem Alter immer weiter gesteigert werden müssen, damit sie langfristig den Grad der Erregung bieten können, den sie früher einmal für den jungen Menschen hatten. Irgendwann erreichen die Menschen dann das Ende dieser Spirale. Je älter sie werden, desto mehr Aufwand muss getrieben werden, um dieses »Kribbeln im Bauch«, diese ungeheure Sensation zu spüren. Dann machen Menschen immer öfter die Erfahrung, dass Sex eben keinen besonderen Spaß mehr macht, dass sie immer öfter Frustration, Langeweile, Ernüchterung erfahren und dass sie immer drastischere Maßnahmen ergreifen müssen, um diese enorme Erregung des potenten jugendlichen Entdeckers zu ermöglichen.

Die Standardlösung, die viele Männer kennen, ist die »Midlife Crisis«, also der Versuch, sich in etwas fortgeschrittenem Alter eine junge Geliebte zu nehmen, sich in aufregende Affären zu stürzen oder eine unangemessene, aufgesetzte Jugendlichkeit zu leben, um an den sexuellen Kick zu kommen. Man(n) stellt fest, dass nur noch extreme Formen von Sexualität wie Domina-Sex oder andere Rollenspiele, die ständige Zufuhr von »Frischfleisch« über Partnertausch, Prostituierte oder Swingerclubs, die exzessive Nutzung von Pornographie und viele andere Mittel und Methoden nötig werden, um überhaupt noch eine sexuelle Erregung zu ermöglichen, die an die Erlebnisse des potenten Jugendlichen erinnert. Bei Frauen führt die sexuelle Frustration dagegen oft dazu, sich dem Sex vollständig zu verweigern und ein weitgehend unsexuelles Leben zu wählen. Natürlich sind das Verallgemeinerungen, es sind Tendenzen, die auf den einzelnen nicht passen müssen und oft auch umgekehrt auftreten können.

Unser Problem ist, dass wir uns blind das zu eigen gemacht haben, was ich das »Frischfleisch«-Modell der Sexualität nenne. Wir verklären einen »straffen Po« und makellose Haut zum Gipfel der sexuellen Attraktivität und verehren Jugendlichkeit als das A und O der Erotik. […]

Es zählt jedenfalls nicht zu unseren Aufgaben im reifen Erwachsenenalter, uns in Verzicht zu üben und unsere Sexualität »zurückzuschrauben«. Dies ist vielmehr die Phase, in der wir unser sexuelles Potential entscheidend erweitern können. Die meisten von uns sind erst ab einem gewissen Alter in der Lage, gängige Denkfehler hinter sich zu lassen. Isadora Duncan traf den Nagel auf den Kopf, als sie schrieb, dass die meisten von uns 25 oder 30 Jahre verschwenden, ehe sie die konventionellen Lügen über die Sexualität, die in unserer Gesellschaft herrschen, durchschauen. (David Schnarch, Die Psychologie sexueller Leidenschaft, S. 94f)

In dieses Bild von Sexualität, das einem unkritischen Jugendwahn verfallen ist, passen ältere Menschen tatsächlich nicht hinein. Wenn Menschen sich selbst mit ihren angeblichen Defiziten nicht mehr nackt im Spiegel sehen mögen, weil die Haut runzelt, weil Brüste und Po hängen, weil dicke Rettungsringe Bauch und Schenkel zieren, und wenn sie diesen Anblick auch ihren Partnern nicht zumuten wollen, dann hat die Falle des »Frischfleisch«-Modells zugeschlagen. Sich diesem Diktat zu unterwerfen, bedeutet, die sexuelle Erfüllung an den biologischen Sexualtrieb zu binden. Wenn man die eigene Sexualität an den Möglichkeiten von Teens und Twens orientiert, ist es völlig logisch, dass die Sexualität mit den Jahren an Intensität einbüßt und im fortgeschrittenen Alter völlig zu versiegen droht.

Aber das »Frischfleisch-Modell« ist nicht die Ursache dieser Situation, sondern auch nur ein Symptom für die tiefere Ursache: Die meisten neurotisch »normal blockierten« Menschen haben aufgrund ihrer Charakterstruktur keinen Zugang zu wirklich tiefen Empfindungen. Sie fürchten die Hingabe, den Kontrollverlust, die Ekstase. Und das geht alle Menschen an, auch diejenigen, die als Sexualtherapeuten, als Ärzte, als Sexualberater oder als Tantralehrer in der Öffentlichkeit auftreten und in Büchern, in Zeitschriftenartikeln, in Fernsehdokumentationen und in verschiedenen Therapie- und Seminarangeboten das öffentliche Klima von »Sexualaufklärung« bestimmen. Dies ist eine Kultur von fast hundert Prozent sexuell unglücklichen Menschen, und auch die »Fachleute« gehören dazu. Das sollten alle im Hinterkopf behalten, die glauben, sie könnten in den Medien und in Seminarangeboten eine kompetente Hilfe erwarten. Ich würde mich auch nicht von einem Blinden, der die Farbenlehre nur vom Hörensagen kennt, in Malerei unterrichten lassen.

Es gibt in der aktuellen, hitzig erotisch aufgeladenen Medien- und Werbelandschaft sehr viel Sexualberatung – eben weil jeder darüber schreiben kann, unabhängig davon, ob er selbst sexuell glücklich ist oder nicht. In Frauenzeitschriften, in der Boulevard-Presse, in Fernsehdokumentationen, auf Web-Portalen – überall springen uns irgendwelche »Sex-Tips« an. Dabei dürfte klar sein, dass es in den meisten Angeboten weder um Aufklärung noch um die Verbesserung des sexuellen Erlebens geht, sondern um das Prinzip »sex sells«.

Warum springen die Menschen darauf an? Was macht das Thema so interessant, dass fast jeder einen Blick darauf werfen mag? Die meisten Menschen sind sexuell unerfüllt. Ein jeder ist auf der Suche nach einem Ausweg aus der eigenen Katastrophe. Und die Menschen sollen unerfüllt bleiben, damit dieser Werbeträger auch weiterhin noch lange funktioniert.

Was mir jedoch auch bei der ernsthaften Sexualberatungs-Literatur aufgefallen ist: Die anscheinend »seriösen« Autoren stellen sich meist auf einen abgehobenen medizinisch-psychiatrischen oder auch auf einen esoterisch-spirituellen Standpunkt, und es werden irgendwelche Übungen, Rituale und Techniken gegeben, wie man sein Sexleben auf die eine oder andere Weise aufpeppen kann. Die Sexualberatung, die von professioneller Seite gegeben wird, hat im Hintergrund die Erfahrung der Therapeuten und Berater, die bei ihren Klienten die verschiedensten Funktionsstörungen aufarbeiten. Das ist der Beruf dieser Fachleute und daran ist nichts falsch. Aber es entsteht folgerichtig ein eigenartig verzerrter Blick auf die Sexualität: Im Vordergrund steht das Kranke, die Störung, die behoben werden soll. Und was dabei leicht aus den Augen verloren geht, ist die Frage: Was ist überhaupt gesunde, erfüllende Sexualität? Was soll das Ziel einer Therapie oder Beratung sein, das über die Behandlung der individuellen Verzweiflung des jeweiligen Klienten hinausgeht? Und wenn die Berater selbst kein überzeugendes Bild davon abgeben können, was erfüllende Sexualität sein könnte – könnte es vielleicht daran liegen, dass sie selbst es nicht wissen, dass sie selbst es nicht leben? Für mich liegt diese Vermutung sehr nahe.

Da ich, durch meinen Beruf bedingt, viel mit Psychotherapeuten zu tun hatte, kann ich voller Überzeugung sagen: Sie haben dieselben Probleme wie alle anderen auch. Ja mehr noch: Gerade weil sie sich als »Fachleute« qualifizieren wollen, scheinen sie besonders ängstlich auf »Seriosität« zu achten. Und deshalb scheuen sie sich, selbst persönlich Farbe zu bekennen. Ihr emanzipatorisches Image ist oft aufgesetzt. Nur weil man Psychologie studiert hat und eine Praxis für Sexualberatung betreibt oder weil man einen mehrjährigen Tantra-Ausbildungskurs absolviert hat und nun Seminare und Trainings veranstaltet, muss man der eigenen sexuellen Erfüllung keinen Schritt näher gekommen sein. Mir kommt es jedenfalls so vor, als würden Kurse in Farbenlehre von Blinden angeboten.

Die Menschen in den westlichen Gesellschaften werden immer älter. Die Lebenserwartung steigt Jahr für Jahr um drei Monate. Um 1840 betrug die Lebenserwartung etwa 40 Jahre. Bis heute hat sie sich etwa verdoppelt. Und die Steigerung ist weiterhin linear. Ein Mädchen, das heute geboren wird, hat eine statistische Wahrscheinlichkeit von 50%, über 100 Jahre alt zu werden. Das heißt für das Thema Sexualität im Alter: Es gab in früheren Jahrzehnten einfach viel zu wenige alte Menschen, die mit 50, 60, 70, 80, 90 oder mehr Jahren noch so vital waren, um sich ernsthaft und existentiell mit dem Thema »Sexualität« zu konfrontieren. Dass über die Sexualität älterer Menschen nicht geredet und geforscht wurde, ist also nur zum Teil als Tabu zu sehen, es gab einfach viel weniger alte Menschen, und die waren dann auch noch im patriarchalischen Rollenverständnis ihrer Generation gefangen. Klar, das hat den Geschmack von Tabu, aber es ist nachvollziehbar, dass Menschen ihre Lebenseinstellungen nicht ohne weiteres verändern. Daher wandelt sich das Rollenverständnis älterer Menschen eben sehr viel langsamer, als dies bei jüngeren der Fall ist. In einer Gesellschaft, in der bald mehr als fünfzig Prozent der Menschen über 60 Jahre alt sein werden, wird sich die Haltung zur Sexualität im Alter in den nächsten Jahren und Jahrzehnten grundlegend ändern.

Ich bin ein typischer Repräsentant einer Generation, die man »die 68er« nennt, einer durch die Alternativkultur geprägten Generation. Ich habe mein Leben fast ausschließlich in alternativen Rand- und Gegenkulturen verbracht. Ich habe jedoch auch etwa fünfzehn Jahre lang versucht, mich als Ehemann, Vater und Geschäftsmann in die Mainstream-Gesellschaft zu integrieren – das aber eher mit wenig Erfolg: Mir ist dann doch irgendwann klar geworden, dass in dieser Art der Existenz für mich keine wirkliche Erfüllung zu finden ist – eben weil ich beide Lebensentwürfe sehr gut kennengelernt habe.

Ich bin jetzt 65. Und ich fühle mich, was meine sexuellen Bedürfnisse angeht, überhaupt nicht eingeschränkt. Der tiefe Wunsch nach sexueller Erfüllung ist, soweit es mich angeht, eher stärker und bewusster, als das vor dreißig oder vierzig Jahren der Fall war. Und meine Möglichkeiten, diese Bedürfnisse tatsächlich auch umzusetzen, sind inzwischen erheblich einfacher zu realisieren, weil ich andere Prioritäten setzen kann und diese auch so konsequent wie möglich umsetze.

Ich habe bei vielen Menschen meiner Generation den Eindruck, dass sie nicht anders empfinden, nur dass ein großer Teil der älteren Menschen nicht wissen, wie sie ihre sexuelle Sehnsucht tatsächlich leben können. Und ich denke, dass »wir« es mal wieder sind – die Revoluzzer-Generation, die einst »die 68er« waren – die dieses Thema, also »sexuelle Erfüllung im Alter«, in die öffentliche Diskussion bringen werden. Einfach, weil es unser Lebensproblem ist, so wie wir im jungen Alter die Jugendrevolte angezettelt, in Kommunen gelebt und in kollektiven Betrieben gearbeitet haben. Ich hatte das nicht getan, um »revolutionär zu sein«, sondern, weil mir einfach nichts anderes übrigblieb, wenn ich selbstbestimmt leben und arbeiten wollte, und weil ich in einer Gesellschaft lebe, die nicht die Freude an der Arbeit und die sexuelle Selbstverwirklichung in den Mittelpunkt stellt, sondern Leistung, materiellen Wohlstand und die ängstliche Absicherung in jeder Beziehung.

So werde ich, wie viele andere, jetzt genauso mit der Sexualität im Alter experimentieren, wie wir es vor 30 oder 40 Jahren mit der »Sexuellen Revolution« getan haben. Und es wird viele geben, die erkennen, dass ihnen nichts anderes übrigbleibt, als die Sexualität im Alter öffentlich zu thematisieren, wenn sie sich nicht der allgemein gelebten Frustration ergeben wollen. Es scheint das Schicksal dieser Nachkriegsgeneration zu sein, immer wieder neue Themen in die Öffentlichkeit zu bringen, die als »alte Zöpfe« unsere Lebensqualität beeinträchtigen.