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Die Sehnsucht nach Spiritualität wächst. Gott zu erfahren ist die große Sehnsucht vieler Menschen. Dieses Buch zeigt eine neue Dimension der Erlebnispädagogik und der Verkündigung. Erfahrungen aus erlebnispädagogischen Übungen werden verwurzelt in biblischen Aussagen. Deutungen aus der Bibel werden den Teilnehmenden angeboten. Der Schatz an biblischen Inhalten, Geschichten und Metaphern bietet viele Chancen, die Sehnsucht nach Spiritualität und Gotteserfahrung zu stillen. Glaube wird erfahren und vertieft. Das Wort Gottes, das bisher oft nur in der Rede weitergegeben wird, wird hier zur erfahrbaren Tat. Für die Arbeit mit Jugendlichen und Erwachsenen öffnet dieser Ansatz einen neuen Zugang zu Glaubenserfahrungen. Neben einem ausführlichen Theorie- und Methodenteil gibt es einen großen Praxisteil mit vielen Übungen. Alles ist leicht umzusetzen, genaue Angaben zu Material, Risiken und Ablauf helfen dabei. Lernen Sie neue Räume kennen, in denen sich Gott offenbaren kann.
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Seitenzahl: 184
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Impressum
Herausgegeben vom Fachausschuss Erlebnispädagogik im EvangelischenJugendwerk in Württemberg (ejw)4. Auflage 2019buch+musik ejw-service gmbh, Stuttgart 2010
ISBN Buch 978-3-86687-049-9ISBN E-Book 978-3-86687-122-9
Gestaltung: AlberDESIGN. Filderstadt
Vorwort
Hermann Hörtling
Die Erlebnispädagogik – ein ganzheitlicher Bildungsansatz
Gerhard Hess
Definition und Grundlagen der Erlebnispädagogik
Gerhard Uzelmaier
Erlebnispädagogik in der Bibel
Rainer Oberländer
Christliches Menschenbild
Achim Großer
Drei Erfahrungsdimensionen in der Erlebnispädagogik
Karin Roth
Leiterbild
Jörd Wiedmayer
Neue Dimensionen erschließen – Reflexion erlebnispädagogischer Aktionen im christlichen Kontext
Oliver Pum
Geschlechtsspezifische Aspekte in der Erlebnispädagogik mit Jungen und Männern
Rainer Oberländer
Geschlechtsspezifische Aspekte in der Erlebnispädagogik mit Mädchen und Frauen
Simone Schickner-Hälbich
Erlebnispädagogik – die Methode für alle Fälle ...?
Oliver Pum
Didaktische Schlussfolgerungen und pädagogische Grundsätze
Rainer Oberländer/Jörg Lohrer
Warm-ups
Achim Großer
Praxis
Übersicht der Übungen
Beispielübung
Exit – wo ist der Ausgang · Karin und Uwe Roth
Dreamwalker · Karin und Uwe Roth
Gott finden · Karin und Uwe Roth
Von ganzem Herzen zuwenden · Achim Großer
Fear not – Fürchte dich nicht · Achim Großer
Zusammenfinden · Achim Großer
Leiter besteigen · Werner Knapp
Netz knüpfen · Werner Knapp
Winde des Vertrauens · Simone Schickner-Hälbich
Schilfmeerdurchquerung · Jörg Lohrer
Barfußlabyrinth · Simone Schickner-Hälbich
Wüstendurchquerung · Uwe Roth
Blind Run · Uwe Roth
Gott hält · Uwe Roth
Wald der Wünsche · Andreas Lindauer
Baumreifen · Jörg Wiedmayer
Mohawk-Walk · Jörg Wiedmayer
Gefangenenmahl · Jörg Wiedmayer
Spinnennetz · Jörg Wiedmayer
Anhang
Literatur zum Thema
Autoren
Erlebnispädagogische Elemente gehören längst zum Standard von Jugendgruppen, Freizeiten, Zeltlagern, Bildungs- und Ausbildungsprogrammen von ehrenamtlich und hauptamtlich Mitarbeitenden in der Kinder- und Jugendarbeit. Es gibt zahlreiche Veröffentlichungen mit vielen praktischen Vorschlägen.
Was ist Erlebnispädagogik im christlichen Kontext? Was kann sie für die Weitergabe des Evangeliums leisten? Erlebnispädagogik verbindet sich mit christlichen Inhalten. Wie geht das zusammen? Antworten auf diese Fragen sind das Neue und Besondere dieses Buches über Erlebnispädagogik, eine Wegbeschreibung in eine neue Dimension.
Mitarbeitende aus dem Bereich des Evangelischen Jugendwerks in Württemberg (ejw) schlossen sich zu einem Arbeitskreis zusammen, treffen sich mittlerweile als Fachausschuss regelmäßig, erarbeiten Konzepte und Sicherheitsstandards, führen Multiplikatorentrainings durch und bieten Beratung und Hilfestellung an. Die Evangelische Hochschule Ludwigsburg ist dabei Kooperationspartner des ejw.
Mit ihr zusammen werden erlebnispädagogische Grundlagen und Vertiefungskurse im Rahmen der Fort- und Weiterbildung durchgeführt. In diesem Rahmen ist das vorliegende Praxisbuch entstanden. Was in diesem Buch steht, hat bereits mehrere Durchgänge in der Praxis hinter sich. Die Mitglieder im Fachausschuss Erlebnispädagogik im ejw haben erlebnispädagogische Ausbildungen und Qualifikationen und/oder reichlich Erfahrung mit erlebnispädagogischen Angeboten in den vielfaltigen Arbeitsformen der Jugendarbeit.
Was bringt dieses Praxisbuch? Was nützt es?
Verbindungen werden aufgezeigt, die es zwischen Erlebnispädagogik, Persönlichkeitsentwicklung, spiritueller Erfahrung und christlicher Glaubenserfahrung gibt.
Chancen und Grenzen der Erlebnispädagogik in der Arbeit mit jungen Menschen werden benannt.
Die Methoden der Erlebnispädagogik werden dargestellt. Es wird ermutigt, sie anzuwenden und nach Ansätzen für die Persönlichkeitsentwicklung sowie spirituellen und christlichen Deutungsmöglichkeiten zu suchen.
Bewährte und erprobte Übungsangebote für die Praxis werden angeboten.
Junge Menschen erfahren Eindrücke, Gefühle und Bilder in erlebnispädagogischen Übungen und Aktionen und reflektieren auf diesem Hintergrund ihre Persönlichkeit. So wirkt sich das einzelne Erlebnis im Alltag und im Glauben bereichernd aus. Dieser Zugangsweg ist eine hervorragende Möglichkeit der ganzheitlichen Verkündigung, weil Menschen dadurch mit allen Sinnen angesprochen werden.
Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sind im Blick. Ehrenamtlich und hauptamtlich Mitarbeitende in der Jugend- und Gemeindearbeit, aber auch aus der Erwachsenenbildung werden fündig. Es gibt Anregungen für vielfältige Arbeitsformen: Gruppenprogramme, Freizeiten, Aktionen, Bildungsmaßnahmen verschiedener Art. Lehrerinnen und Lehrer bekommen Impulse und Pfarrerinnen und Pfarrer profitieren z. B. für die Arbeit mit Konfirmanden.
Der Fachausschuss Erlebnispädagogik im ejw will jungen Menschen den Erwerb von personalen und sozialen Schlüsselkompetenzen ermöglichen. Praktiker aus der christlichen Jugendarbeit bieten Praktikern ihre Erfahrungen an. Die vielfaltigen Möglichkeiten und Methoden der Erlebnispädagogik sollen noch stärker Einzug in die konfessionelle Jugend- und Bildungsarbeit halten. Erlebnispädagogische Übungen und Erfahrungen prägen nachhaltig. Wenn sie reflektiert werden, vertiefen und erweitern sie Glauben und Leben. So fordern sie ganzheitlich und nachhaltig die Persönlichkeit.
Herzlich danke ich allen Mitarbeitenden des Fachausschusses Erlebnispädagogik im ejw, die begeistert und mit großem Zeit- und Kraftaufwand dieses Praxisbuch auf den Weg gebracht haben. Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern, dass sie sich von dieser Begeisterung anstecken lassen und auf diesem Weg eigene Gotteserfahrungen machen.
Hermann Hörtling
Die Autoren haben gemeinsam mit vielen Praktikerinnen und Praktikern aus unterschiedlichen Berufsfeldern einen zweiten Band „Sinn gesucht – Gott erfahren“ aufgelegt. Der erste Band versteht sich als Grundlage, führt in die Systematik einer Erlebnispädagogik im christlichen Kontext ein und verbindet diese mit Übungen und Methoden. Der zweite Band setzt dieses Übungsrepertoire mit neuen Übungen fort und bietet auch sinnvolle Übungsreihen an, die hervorragende Zugänge zu christlichen Glaubensinhalten eröffnen.
Gerhard Hess
„Es gibt tausend Methoden um zu lernen – warum benutzt du immer nur die eine?“
Sie kennen das:
Die Schülerinnen und Schüler sitzen im miefigen Klassenzimmer und versuchen sich auf die Ausführungen des Lehrers zu konzentrieren. Wort- und gestenreich versucht dieser seinen Stoff an die Frau oder den Mann zu bringen. Mit Glück findet mal ein Beispiel Eingang in die ausschweifenden theoretischen Erklärungen, mit viel Glück macht man mal ein Experiment oder eine Gruppenarbeit zur Veranschaulichung oder Diskussion des Erklärten. Im Grunde wartet aber jeder auf die Pause, vielleicht sogar der Lehrer; und was wirklich hängen bleibt von der Unterrichtsstunde ist zumindest offen.
Sie sitzen im Freizeitheim im Schulungsraum. Einer der verantwortlichen Jugendreferenten erklärt mit Schaubildern und per Power-Point-Präsentation wichtige Prinzipien für die Leitung von Gruppen. Natürlich ist man konzentriert, schließlich hat man sich ja freiwillig dafür entschieden mitzuarbeiten und Schulung muss eben sein. Schließlich ist das Engagement in der Jugendgruppe, im Offenen Treff oder in der Gottesdienstprojektgruppe eine verantwortungsvolle Tätigkeit, auf die man sich auch gut vorbereiten sollte – aber muss es denn immer und unbedingt auf diese Art und Weise sein?
...
Dass gelernt werden muss, ist sicher einleuchtend, in der Schule sowieso und für ein verantwortliches ehrenamtliches Engagement gilt dies natürlich auch.
Strittig ist also weniger das „Dass“, aber diskussionswürdig ist auf jeden Fall das „Wie“! Und zu fragen ist hier, ob denn alles immer zuerst über den Kopf gelernt, manchmal eingebläut, selten verstanden, reflektiert ... sein muss, bis dann endlich auch gehandelt werden darf/kann. Oder geht es auch anders?!
Mit diesem Buch stellen wir einen Lernansatz vor, der sich in den letzten Jahren immer größerer Beliebtheit und Nachfrage erfreut. Er geht einen anderen Lernweg als den üblichen, über den Kopf und Verstand und von dort (vielleicht) in die Hände und Füße. Dieser Lernansatz versucht umgekehrt, von den Händen und Füßen, genauer, über den ganzen Körper, in den Kopf und von dort (hoffentlich) auch ins Herz. Die Rede ist von der „Erlebnispädagogik“. Und weil die Erlebnispädagogik heute ein schillerndes Phänomen geworden ist, unter dem jeder etwas anderes versteht und anderes assoziiert, wollen wir in diesen Eingangskapiteln erläutern, was Erlebnispädagogik ist und will, also, „wie sie sich versteht“, woher sie eigentlich kommt und mit welchen Methoden sie arbeitet.
Hier muss natürlich zunächst einmal gesagt werden, dass es die von allen mitgetragene Definition von Erlebnispädagogik nicht gibt, dazu sind die Richtungen, in die sich die Erlebnispädagogik ausdifferenziert hat, zu vielfältig. Aber über allen Richtungsstreit hinweg, findet man doch einen gewissen Grundkonsens. Man könnte sagen:
Die Erlebnispädagogik versteht sich heute als ganzheitlicher Bildungsansatz für vielfältige Zielgruppen, in dem das Erfahrungslernen (also lernen mit Händen und Füßen, allen Sinnen, Herz und Kopf) eine wichtige Rolle spielt.
Ein Prinzip dabei ist, dass das Lernen durch die gemachten Erfahrungen in der Regel der kognitiven, also gedanklich-intellektuellen Zugangsweise und Verarbeitung vorausgeht. Also, wenn man so will: „learning by doing“, oder besser „learning through doing“! Ich mache mit mir oder mit Anderen körperliche, geistige oder geistliche Erfahrungen in unterschiedlichen Bereichen und versuche mir darüber klar zu werden, was ich dabei erlebt und gelernt habe.
Diese Erfahrungen sollen vor allem in drei Bereichen gemacht werden können:
Auf der Ebene individuellen Lernens und der Selbsterfahrung
Erlebnispädagogische Settings sollen so gewählt und geplant werden, dass der Einzelne sich selbst, seinen Körper, seine Emotionen, seine Bedürfnisse ... intensiv wahrnehmen kann. Dabei darf/kann es vorkommen, dass auch die persönlichen-Grenzen offengelegt werden und solche Grenzerfahrungen dann auch zu Schlüsselerfahrungen werden können. Erlebnispädagogik muss sich dabei heute aber abgrenzen von Erlebniskonsumangeboten, die nur den schnellen „Kick“, den Nervenkitzel und den abrupten Adrenalinausstoß zum Ziel haben. Erlebnispädagogik ist auch keine „Abenteuer- und Survivalpädagogik“ bei der es permanent um das „an und über die Grenze gehen“ geht. Es geht der Erlebnispädagogik nicht um die Fortsetzung des leistungs-orientierten Alltags mit andern Mitteln, sondern vielmehr um eine vertiefte ganzheitliche Erfahrung des eigenen Körpers, der eigenen Person, des ganzen Menschen.
Auf der Ebene des sozialen Lernens
Erlebnispädagogische Settings wollen Erfahrungen in Gemeinschaft, also in Gruppen vermitteln. Die Fähigkeit zur Empathie und Rücksichtnahme, zu offenen und effektiven Kommunikationsprozessen, zu kooperativen Beziehungen und kooperativem Verhalten, zu Verantwortungsfähigkeit und Verantwortungsübernahme soll gestärkt und gefördert werden.
Auf der Ebene des ökologischen Lernens und des Umweltbewusstseins
Erlebnispädagogische Settings wollen eine bewusste Umwelt- und Schöpfungserfahrung vermitteln und verstärken. Bei Outdooraktivitäten kann z. B. das Verständnis für zerbrechliche Natur -, die Schöpfungszusammenhänge geweckt und gesteigert werden. Das Staunen über unberührte Natur, über besondere Momente, wie z. B. einen Sonnenaufgang kann geweckt oder gesteigert werden. Es kann ein neues Verantwortungsgefühl für die Bewahrung der Schöpfung gewonnen und gefördert werden.
Und dies alles nicht im stickigen Klassenzimmer oder im überfüllten Schulungsraum, sondern in freier Natur und frischer Luft, mit Händen, Füßen ... allen Sinnen, in Aktion mit Anderen und mit (in der Regel) großem Spaßfaktor. Macht „Lernen“ da nicht gleich doppelt so viel Spaß?
Nun werden vielleicht belesene Mitarbeitende einwenden: Aber das ist doch gar nichts Neues! Das macht doch die Verbandliche Jugendarbeit schon seit den Zeiten des „Wandervogels“ und der „Pfadfinderbewegung“. Camps in freier Natur, Wanderungen, Geländespiele und -erkundungen, Lagerfeuer, sportliche Aktivitäten aller Art gibt es doch schon lange in der Jugendarbeit. Und auch heutige Freizeitmaßnahmen sind häufig erlebnispädagogische Maßnahmen – oder beinhalten zumindest viele erlebnispädagogische Elemente!
Begrifflichkeit für einen bewusst gestalteten Rahmen, ein Arrangement, in dem eine Aktion stattfindet.
Ich würde darauf mit einem klaren „Jein“ antworten. „Ja“ insofern, als Verbandliche und spezifisch christliche Jugendarbeit tatsächlich spätestens seit den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts mit vielfältigen erlebnispädagogischen Elementen und Formen arbeitet. Deshalb ist die Erlebnispädagogik natürlich keine neue Erfindung.
Aber: Die Jugendarbeit wusste lange Zeit nicht, welch wichtiges Instrument sie für ein ganzheitliches Lernen in Händen hält, und teilweise weiß sie es bis heute nicht. In vielen Jugendwerken wird Erlebnispädagogik verstanden und eingesetzt als Lockvogel-Angebot: Man macht spektakuläre Aktionen um junge Menschen anzulocken, weil Erlebnisse und Erlebnisorientierung heute halt im Trend liegen. Dass man aber noch ganz anders mit Erlebnispädagogik arbeiten könnte, dass sie große pädagogische Chancen hat, dass sie persönlichkeitsbildend wirkt, ja möglicherweise glaubensinspirierend, wird bislang bei weitem nicht erkannt und ausgeschöpft. Gerade der letzte Punkt kommt in diesem Buch besonders ins Blickfeld und wir betreten damit auch ein gewisses Neuland. Wie unterstützen/initiieren erlebnispädagogische Erfahrungen Glaubensprozesse? Eine spannende und nachdenkenswerte Frage!
In der Tat, wir praktizieren vielfach bereits erlebnispädagogische Elemente, aber wir sollten es noch bewusster, noch gezielter und vor allem noch reflektierter tun, denn es gilt:
Erkläre mir – und ich vergesseZeige mir – und ich erinnere michLass mich tun – und ich verstehe
Gerhard Uzelmaier
Wenn wir nach dem Ursprung der Erlebnispädagogik fragen, dann begegnet uns immer wieder die Reformpädagogik als einer der Auslöser der modernen Erlebnispädagogik. Michl und Heckmair sehen in ihrem Grundlagenbuch „Erleben und Lernen“ Jean-Jacques Rousseau und David Henry Thoreau als zwei Figuren, die in ihrem Denken und Handeln erlebnispädagogische Inhalte und Ideen beheimateten. Jean-Jacques Rousseau, französischer Erzieher und Philosoph aus dem 18. Jahrhundert liebte die Natur und die Einfachheit. Ein Schwerpunkt seines Seins ist das Erleben. So wandelt er den bekannten Satz von Descartes „ich denke, also bin ich“ um in „ich erlebe, also bin ich“ (Erleben und Lernen S. 3). Rousseau argumentiert, dass drei Dinge den Menschen erziehen und beeinflussen: „Die Natur, die Dinge und die Menschen“. Auch wir können das nachvollziehen, wie uns die Natur mit ihren Gesetzmäßigkeiten und Dingen (Erfahrungen und Erlebnisse) erziehen und unser Handeln und Leben beeinflussen. Diesen Ansatz finden wir in der Erlebnispädagogik wieder, dass nämlich die Natur und die Situationen den Menschen lehren und verändern. Mit dem Amerikaner David Henry Thoreau lernen wir einen weiteren Vordenker der erlebnispädagogischen Idee kennen. Er galt als Praktiker, dem Michl und Heckmair folgende Überschrift widmen:
„Nicht reden über handeln, sondern reden und handeln“ (Erleben und Lernen). Auch er sieht in der Natur einen wichtigen Erzieher. Als Praktiker, der nicht nur darüber reden will, sondern selbst erleben möchte, zieht er 1845 in eine selbstgebaute Hütte am Waldensee. Der Weg in die Einsamkeit ist ein Experiment, das über zwei Jahre dauerte und worin drei Grundmotive zu finden sind:
„Wie erlangt man wirkliche Freiheit? Ist der Sieg des Menschen über die Natur nicht ein Pyrrhussieg, nur ein scheinbarer Sieg? Was sind die eigentlichen Lebensbedürfnisse?“ (Ebd. S. 9) „Thoreau will den neuen Menschen schaffen: aufrichtig soll er sein, einfach, wahrheitsliebend, vertrauenswürdig und weise.“ (Ebd. S.15). Diese will er mit der Unmittelbarkeit als Prinzip erreichen. Das unmittelbare Erleben der Natur die zum Erzieher wird, erfährt er in seinem Experiment hautnah. Die Natur als Erzieherin finden wir später in einem der Lernmodelle aus dem zwanzigsten Jahrhundert wieder.
Als weiteren Vordenker möchte ich Kurt Hahn nennen. Der in Deutschland 1886 geborene Jude studierte in Deutschland und England Philosophie und Philologie. Sein erstes Arbeitsfeld war die Politik bis er 1920 durch Max von Baden zum Leiter des Landerziehungsheimes Schloss Salem berufen wurde. Hahn entwickelte sich zum charismatischen Pädagogen. Er versuchte neue Wege in der Pädagogik zu gehen und gestaltete auch das Lernen im Schloss Salem um. 1932 wurde diese Arbeit jäh durch den Nationalsozialismus unterbrochen. Er emigrierte nach England, wo er dann später Outward Bound gründete.
Der Begriff stammt ursprünglich aus der Schifffahrt und bezeichnet das zum Auslaufen bereite Schiff. Kurt Hahn, einer der Väter der Erlebnispädagogik hat seine von ihm geprägten Einrichtungen so benannt.
Sein pädagogischer Ansatz „Erlebnistherapie“ ist begründet durch die Erkenntnis der Mangelerscheinungen bei den Jugendlichen seiner Zeit. Er nannte dies die vier Verfallserscheinungen.
Mangel an menschlicher Anteilnahme
Mangel an Sorgsamkeit
Mangel an körperlicher Tauglichkeit
Mangel an Initiative
Diesen vier Mangelerscheinungen setzte er in seiner Erlebnistherapie vier Erfahrungselemente dagegen.
Dienst an dem Nächsten
Expedition
Körperliches Training
Projekte
Diese vier Elemente der Erlebnistherapie gehörten zum festen Bestand seiner Arbeit auf Schloss Salem. Sein pädagogisches Arbeiten begnügte sich nicht mit der Vermittlung von Wissen, sondern sein Anliegen war es, die Jugendlichen zu verantwortungsbewussten Personen zu erziehen. Er wollte die Jugend für die Zukunft fit machen, in dem sie für das Leben lernen. Hahn erkannte, dass ein Lernen nur für den späteren Beruf zu kurzsichtig und einseitig ist. Den Kindern und Jugendlichen musste eine „Pädagogik des Erlebens“ ermöglicht werden. Diese Grundlage schaffte Hahn in seiner Erlebnistherapie. Nach dem zweiten Weltkrieg gründete Hahn die Kurzschulen, in denen die Pädagogik des Erlebens außerhalb des Schulalltags einen neuen Rahmen gefunden hat. In diesen Kurzschulen wurde der Grundgedanke der Erlebnistherapie mit seinen vier Elementen Dienst am Nächsten, Expedition, Körperliches Training und Projekt gelebt und ausgebaut.
Basierend auf diesen Grundlagen wurde die Erlebnispädagogik in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich weiterentwickelt und diese Entwicklung schlägt sich in den methodischen Prinzipien und in den Lernmodellen nieder.
Herausforderungen in der Erlebnispädagogik können physischer, psychischer und sozialer Natur sein. Aktivitäten werden häufig aus subjektiver Sicht der Teilnehmenden als äußerst anspruchsvoll empfunden, jedoch nicht als unüberwindbar oder unlösbar angesehen. Solche Aktivitäten fordern den Einzelnen und die Gruppe heraus und können auch Grenzen aufzeigen. Dort wo eine solche subjektive Grenze erlebt wird, kann eine Grenzerweiterung geschehen oder es zu einer Akzeptanz dieser Grenze kommen.
Eine Grenzerfahrung ist mehr als nur der natursportliche Kick.
Aktionen sollen und dürfen nicht in Aktionismus ausarten, nach dem Motto:
„Erleben statt reden“ oder „ich will mehr“.
Es geht darum, dass das Erleben und das Reden aufeinander aufbaut und ineinander greift. Es soll eine gute ausgewogene Mischung zwischen Aktion und Reflexion sein. So sollten die Aktivitäten immer zu einem Bezug des Alltags stehen oder gebracht werden.
Die Reflexion ist ein wichtiger Bestandteil des nötigen Transfers, damit die Aktion nicht als Erlebnis stehen bleibt, sondern zu einer zielgerichteten Lernerfahrung wird.
Die Potenziale der Gruppenmitglieder werden in der Regel von Anfang an herausgefordert. Die Gruppe nimmt und übernimmt für sich Verantwortung und der Trainer ist weniger als Leitender zu sehen. Vielmehr ist er/sie Begleiter, Moderator und Berater.
Die Gruppenmitglieder sind für ihre Lernerfahrungen selbst verantwortlich. Sie setzen sich ihre Ziele sowie die Qualität der Ausführung. Die Gruppe und der Einzelne in der Gruppe ist gefordert, selbst aktiv zu werden und die notwendigen Initiativen zu ergreifen. Sicherheitsaspekte können und müssen jedoch dieses Prinzip der Gruppenselbststeuerung beschränken. Das Eingreifen des Trainers in den Gruppenprozess muss dort stattfinden, wo seelische oder körperliche Sicherheit der Teilnehmenden nicht mehr gewährleistet sind.
Lernen mit Kopf, Herz und Hand war ein Motto von Kurt Hahn. Es ist das Anliegen der Erlebnispädagogik, dass die Gesamtheit des Menschen angesprochen wird. So sollen die verschiedenen Aktivitäten die kognitive, affektive, motorische und soziale Dimension aufgreifen und somit ein ganzheitliches Lernarrangement bieten. Allein natursportliche Fertigkeiten und die körperliche Leistungsfähigkeit dürfen nicht das Maß aller Dinge sein. Das wäre zu einseitig und wenig hilfreich für die Entwicklung des Menschen im ganzheitlichen Sinn.
Kunstvolles, schöpferisches und erlebnisorientiertes Gestalten mit Naturmaterialien in der Natur.
Alleingang. Bei einem Solo macht sich eine Person bewusst alleine auf den Weg. In der Erlebnispädagogik wird diese Methode eingesetzt, um Menschen mit sich selbst zu konfrontieren und störende Impulse von außen weitgehend auszuschließen.
Natursportliche, körperbetonte Aktivitäten wie Klettern, Paddeln oder Biken benötigen die Ergänzung von anderen Naturerfahrungsübungen wie Landart, Solo, Stille und die Fokussierung auf bestimmte Naturelemente und Naturräume. Man kann den Fels als ein Übungsgerät ansehen, an dem ich mich austeste, aber ich kann auch „schöpferische Pausen“ einlegen und das Abseilen oder Klettern in seiner Ganzheit erfassen oder versuchen zu erfassen.
Das ist ein wichtiges Prinzip, damit die Aktivitäten nicht als Spiel angesehen und abgetan werden. Das Gewicht eines Rucksacks bei einer Mehrtagestour, der nicht geplante Einsturz von Schneehöhlen beim Ausgraben oder das gnadenlose Verlaufen trotz Kompass und Karte sind wichtige authentische Elemente. Sie lassen sich nicht wegdiskutieren, sondern sind da und müssen dann gemeinsam oder alleine gelöst werden. Die Verantwortung für sich und andere ist echt, Fehler wirken sich direkt aus und müssen dann bearbeitet werden. Die Echtheit und Ernsthaftigkeit solcher Situationen eröffnen allen Beteiligten die Chance, neue Verhaltensweisen im Umgang mit den Anforderungen auszuprobieren und danach zu bewerten.
Die Teilnehmenden sind für ihre Lernerfolge selbst verantwortlich. Sie bestimmen selbst den Grad ihrer persönlichen Herausforderung. Dahinter steht das Menschenbild, dass der Mensch als ein selbstbestimmendes und selbstverantwortliches Wesen zu sehen ist. Wenn Teilnehmenden die eigene Entscheidungsfähigkeit genommen wird, wird auch schnell die Verantwortung für die Erfolge und die Misserfolge dem Entscheidungsträger zugeschrieben. Diese Außensteuerung hätte zur Folge, dass für den Teilnehmenden kein Lernprozess entsteht. Wobei auch zu beachten ist, dass dieses Prinzip der Freiwilligkeit nicht zur Beliebigkeit wird. Wenn eine Mehrtagestour zum Programm gehört ist diese verbindlich. Über die Strecke und den Grad der Schwierigkeit muss in einem Gruppenprozess entschieden werden.
Um dem Prinzip der Freiwilligkeit gerecht zu werden, sollten immer wieder Alternativen möglich sein. Wenn jemand vollständig das Klettern ablehnt, kann diese Person durch das Sichern in die Aktivität eingebunden werden. Dieses Prinzip erfordert Fingerspitzengefühl, damit das richtige Maß getroffen wird und die Freiwilligkeit bleibt und nicht zur Beliebigkeit wird.
Auch wenn es so scheint, dass die Erlebnispädagogik die Gruppe in den Mittelpunkt stellt, so ist doch der Einzelne der Mittelpunkt der pädagogischen Überlegungen. Jeder soll sich entwickeln können und dies im Rahmen einer Gruppe. Seine Bedürfnisse dürfen nicht so ohne Weiteres durch die Gruppe geopfert oder durch Gruppenzwang unterdrückt werden. Auf die Bedürfnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten der Einzelnen wird eingegangen. Dies schließt nicht aus, dass in bestimmten Situationen der Einzelne zugunsten der Gruppe in den Hintergrund tritt.
Immer wieder tauchte und taucht die Frage nach dem Wirken der Erlebnispädagogik auf. Mit diesem Thema beschäftigte sich Stephen Bacon und Simon Priest. Bacon machte in den achtziger Jahren den Versuch, das Wirken der Erlebnispädagogik in drei Lernmodelle zu fassen. Dabei unterschied er:
The mountain speak for themselvesDie Aktion, die Natur, der Gruppenprozess, das Erlebte und Erfahrene wirkt auf die Teilnehmenden ohne weitere Hilfen oder Anleitungen. Dadurch wird unmittelbar das Verhalten der Teilnehmenden im Alltag verändert.
Outward Bound PlusDahinter steht, dass sich nach einer Aktion eine Reflexionsphase anschließt. Dabei geht es darum, die Erfahrungen für den Alltag fruchtbar zu machen. Die Reflexion will den Transfer in den Alltag unterstützen und fördern.
Metaphorisches ModellIn diesem Modell wird versucht, Alltagssituationen in die Aktivitäten zu integrieren. Dadurch soll durch die Aktion ein unbewusster Vergleich mit dem Alltagsverhalten stattfinden. Dies ermöglicht dann einen direkten Transfer in den Alltag ohne nachfolgende Reflexion. Simon Priest differenzierte die Lernmodelle weiter aus und entwickelte so sechs Modelle die er dem Lernen durch die Erlebnispädagogik zugrunde legt.
Handlungslernen purNimmt die Erkenntnis von „the mountain speak for themselves“ auf. Durch das Erlebte in einer Aktion, ob beim Klettern, beim Paddeln oder Segeln, werden Vorgänge angestoßen, die bis in den Alltag hinein wirken können.
Kommentiertes HandlungslernenDie Gruppe bekommt durch den Trainer ein „Feedback“ nach der Aktion. Er nimmt die Erfahrungen aus der Aktion, auf und fasst diese zu Lernzielen zusammen. Dadurch soll eine bessere Übertragung in den Alltag ermöglicht werden.
Handlungslernen durch ReflexionDieses Modell gleicht dem „Outward Bound Plus“ von Bacon. Der Trainer fördert durch Fragen und Impulse das Reflektieren der Teilnehmenden. Sie sollen dadurch die Erfahrungen aus der Aktion überdenken und mit ihren Erfahrungen und Handlungsmustern aus dem Alltag vergleichen. In diesem Prozess wird ein Transfer zu neuen Handlungsmustern im Alltag gefördert.
Direktives Handlungslernen