Sitz, Platz, Liebe - Isabell Sommer - E-Book
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Sitz, Platz, Liebe E-Book

Isabell Sommer

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Beschreibung

Auf den Hund gekommen und die Liebe gefunden – der zweite Band der Hundeglück-Reihe von Isabell Sommer Für Elena stand die Familie immer an erster Stelle. Doch seit ihr Mann sie verlassen hat, und die Kinder ihre Wochenenden viel lieber bei ihm verbringen, möchte sie sich endlich einen langersehnten Wunsch erfüllen: ein eigener Hund. Im Tierheim entdeckt sie die Dalmatinerhündin Sansa, die mit ihrer wuseligen Art sofort Elenas Herz erobert – aber auch ihren Alltag gehörig durcheinander bringt. Deshalb kontaktiert Elena einen Hundetrainer, bei dessen Anblick sie aus allen Wolken fällt: vor ihr steht Liam, ihre Jugendliebe. Sie haben sich lange nicht gesehen, doch die Anziehung zwischen den beiden ist sofort wieder da. Bekommt nicht nur Sansa eine zweite Chance in Elenas Leben, sondern auch die Liebe? Auf den Hund gekommen und die Liebe gefunden – die Hundeglück-Reihe Band 1: Sitz, Platz, Kuss Band 2: Sitz, Platz, Liebe Band 3: Sitz, Platz, Glück

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Seitenzahl: 283

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Isabell Sommer

Sitz, Platz, Liebe

Hundeglück-Roman

 

 

Über dieses Buch

 

 

Elena hat sich immer zuerst um ihre Kinder und ihren Mann gekümmert. Als der sie für eine andere verlässt, und das Familienleben auseinanderbricht, beschließt Elena, sich einen Herzenswunsch zu erfüllen: ein eigener Hund. Ihre Freundin Clara von der Hundetagesstätte Zum Pfotentreff versorgt sie mit Tipps. Doch allen guten Ratschlägen zum Trotz verguckt sich Elena im Tierheim in die wuselige Dalmatinerhündin Sansa. Und die bringt ihr Leben gehörig durcheinander. Ein Hundetrainer soll den beiden helfen, besser miteinander klarzukommen. Und dieser Hundetrainer ist kein Geringerer als ihre Jugendliebe Liam, der Elenas Herz nach langer Zeit wieder höher schlagen lässt.

 

Auf den Hund gekommen und die Liebe gefunden: die Hundeglück-Reihe

 

Band 1: Sitz, Platz, Kuss

Band 2: Sitz, Platz, Liebe

Band 3: Sitz, Platz, Glück

 

 

Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de

Biografie

 

 

Isabell Sommer ist das Pseudonym der österreichischen Autorin Isabell Leitner. Sie studierte Germanistik und Bibliothekswesen, angetrieben von ihrer Liebe zu Büchern. Seit 2014 widmet sie sich ganz ihrer Leidenschaft: dem Schreiben. Mit ihrem Partner und ihrer Collie-Hündin Skadi lebt sie in Nordrhein-Westfalen, in einem Dorf nahe der holländischen Grenze. Ihre süße Fellnase spielt eine Hauptrolle in ihrem Herzen und war der Antrieb für die Hundeglück-Reihe.

Impressum

 

 

Erschienen bei FISCHER E-Books

 

© 2023 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstraße 114, D-60596 Frankfurt am Main

 

© 2023 Isabell Sommer

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Langenbuch & Weiß Literaturagentur.

Redaktion: Silke Reutler

Covergestaltung: www.buerosued.de

Coverabbildung: www.buerosued.de

Ziertrenner unter Verwendung eines Motivs von Ihor/Adobe Stock

 

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.

ISBN 978-3-10-491667-5

 

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Inhalt

[Kapitel]

Kapitel 1 Elena

Kapitel 2 Elena

Kapitel 3 Clara

Kapitel 4 Elena

Kapitel 5 Elena

Kapitel 6 Elena

Kapitel 7 Clara

Kapitel 8 Elena

Kapitel 9 Elena

Kapitel 10 Elena

Kapitel 11 Elena

Kapitel 12 Elena

Kapitel 13 Liam

Kapitel 14 Clara

Kapitel 15 Elena

Kapitel 16 Clara

Kapitel 17 Elena

Kapitel 18 Clara

Kapitel 19 Elena

Kapitel 20 Liam

Kapitel 21 Elena

Kapitel 22 Elena

Kapitel 23 Elena

Kapitel 24 Elena

Kapitel 25 Elena

Kapitel 26 Ronja

Kapitel 27 Elena

Kapitel 28 Ronja

Kapitel 29 Clara

Kapitel 30 Ronja

Kapitel 31 Elena

Kapitel 32 Elena

Kapitel 33 Ronja

Kapitel 34 Clara

Kapitel 35 Elena

Kapitel 36 Clara

Kapitel 37 Elena

Kapitel 38 Elena

Kapitel 39 Julius

Kapitel 40 Elena

Kapitel 41 Elena

Kapitel 42 Ronja

Kapitel 43 Ronja

Kapitel 44 Elena

Kapitel 45 Elena

Kapitel 46 Ronja

Kapitel 47 Clara

Kapitel 48 Elena

Kapitel 49 Liam

Kapitel 50 Ronja

Kapitel 51 Elena

Kapitel 52 Liam

Kapitel 53 Elena

Kapitel 54 Clara

Kapitel 1Elena

»Hallo Julius! Schön, dich zu sehen«, flöte ich und lege alle Überzeugungskraft, die ich aufbringen kann, in diese Worte.

Aber nicht einmal mein Spiegelbild glaubt mir.

Das Gesicht, das mir entgegenblickt, straft meine honigsüßen Worte Lügen. Mein Blick sagt: Fahr zur Hölle, miese Kröte, dorthin, wo du hingehörst.

Und wenn ich nicht mal das verdammte Spiegelbild überzeugen kann, wie soll mir das dann erst mit dieser miesen Kröte gelingen, mit der ich siebzehn Jahre, fünf Monate und zwölf Tage verheiratet gewesen bin?

Der Bleistift kratzt übers Papier der bonbonrosa Post-its. »Julius« schreibe ich auf den einen Zettel, »Louisa« auf den anderen. Wütendes Gekritzel, aber die Schönschrift ist mir vor vielen Jahren so in Fleisch und Blut übergegangen, dass die Buchstaben jetzt trotzdem fein verschnörkelt sind. Buchstaben, die vor meinen Augen in Flammen aufgehen, als ich das Feuerzeug klacken lasse.

»Mama!« Ronja reißt die Tür auf und stürmt in mein Schlafzimmer, wo ich am Schminktisch sitze – sie ist eine Naturgewalt mit der Statur einer Elfe. Nach vierzehn Jahren staune ich noch immer darüber, wie laut mein zierliches Mädchen trampeln und poltern kann. Bei ihrem Körpergewicht sollte so ein Geräuschpegel doch eigentlich gar nicht möglich sein, sagt mir mein physikalisches Verständnis. Meine Teenie-Tochter setzt zu einer Frage an, rümpft dann aber irritiert die Nase. »Wieso stinkt’s denn hier so verbrannt?«

Die Antwort bleibt mir erspart – Gott sei Dank –, denn etwas anderes brennt ihr drängender unter den Nägeln. »Mama, wo ist denn mein Ladekabel fürs Handy?«

Aus Selbstschutz verkneife ich mir ein Da-wo-du-es-hingelegt-hast, das mir auf der Zunge liegt. »Hast du in der Sofaritze nachgesehen?«

Sie ist schon wieder rausgestürmt. »Ja, da sind nur die angebissenen Kekse von Finn«, brüllte sie über die Schulter zurück.

Bevor ich loslaufe, um die Keksvorräte meines kleinen Sohnes zu beseitigen und eine Sofareinigungsaktion zu starten, schaue ich noch einmal in den Spiegel. Hektische rote Flecken auf blasser Haut – eine reizvolle Kombination, und optimal geeignet, mich gegen Julius’ Neue noch mehr abstinken zu lassen. Als wäre die Tatsache, dass mein Ex voll das Klischee bedient und mich gegen eine Jüngere, Schlankere, Blondere ausgetauscht hat, nicht schon ausreichend, um mein Selbstbewusstsein zu torpedieren.

Schmerzensschreie dringen von oben aus einem der beiden Kinderzimmer. Ich fahre zur Treppe herum.

»Finn hat wieder sein Lego mitten im Zimmer liegen lassen.« Jammernd kommt Ronja die Treppe runtergehumpelt. Unter der hauchdünnen Strickjacke, die ihr locker von den schmalen Schultern hängt, trägt sie ein schwarzes Top mit aufgedruckten Blutstropfen.

»Ronja ist auf meinen Lego-Millennium-Falken getrampelt, und jetzt ist er kaputt«, schluchzt mein Achtjähriger herzzerreißend. Sein süßes Gesicht, um das sich weiche, hellblonde Locken ringeln, ist gerötet.

»Aber nicht mit Absicht! Oder glaubst du, ich bin masochistisch?«, empört sich Ronja.

»Was ist maso …?«

Für einen Moment lässt Finn zu, dass ich ihn tröstend in den Arm nehme, dann windet er sich schon wieder aus meinem Griff und rennt los, um seine Spielekonsole zu holen.

»Vergesst eure Schulsachen nicht«, versuche ich, die Liste wichtiger Punkte aus meinem Kopf abzuspulen. »Ronja, du schreibst doch nächste Woche eine Mathearbeit und wolltest am Wochenende lernen.«

»Von wollen kann keine Rede sein.« Ihr Blick durchbohrt mich, und ich frage mich, wann mir meine Große das letzte Mal ein Lächeln geschenkt hat.

»Und du, Finn … Die Lehrerin hat dir Übungsblätter fürs Wochenende mitgegeben. Bitte denk dran, die zu machen.«

»Klaaar«, kommt es langgezogen zurück, und ich weiß jetzt schon, dass ich ihm am Sonntagabend helfen muss, die Übungsblätter noch schnell fertig zu bekommen. Wenn die Kinder übers Wochenende bei Julius sind, gelten andere Regeln – genau genommen, gar keine.

»Ich meine es ernst. Spielt nicht nur Computer«, unternehme ich trotzdem einen wackeren Versuch, sie ans Arbeiten zu kriegen.

»Bei Papa und Louisa dürfen wir zocken, so viel wir wollen.« Ronjas Tonfall macht klar, dass das ihrer Meinung nach das Maß aller Dinge ist, während meine Reglementierungen völlig inakzeptabel sind.

Keine Zeit, das zum hundertachtundneunzigsten Mal auszufechten. Wenn wir uns jetzt nicht ranhalten, haben die Kinder zwar Handyladekabel und Spielekonsole, aber keine Klamotten dabei. Ich lege ordentlich gefaltete Shirts und Hosen in zwei kleine Rollkoffer, während Ronja auf der Suche nach einem ganz bestimmten Kleid – und keinesfalls einem anderen, das käme einem Weltuntergang gleich – durchs Haus wütet und Finn kläglich nach Milchreis verlangt.

Die Klingel schrillt durchs Haus. Im selben Moment schwingt die Tür auch schon auf, und mein Exmann spaziert herein, als wäre das immer noch sein Haus – gefolgt von seiner hübschen Freundin, deren honigblonder Pferdeschwanz aufreizend wippt, als sie sich neugierig im Flur umschaut. Ich zerre beide Handgepäckkoffer die Treppe runter.

Sag bloß, der hat noch immer einen Haustürschlüssel, kann ich meine beste Freundin fragen hören und gebe ihr innerlich recht, ich hätte ihm den Schlüssel längst abnehmen müssen.

Warum ich es nicht getan habe? Vielleicht, um einmal nicht kompliziert zu sein und kein Drama zu machen. Denn immerhin gehören seiner Aussage nach mein Kompliziert-Sein und mein andauerndes Drama zu den Gründen, warum er sich der völlig unkomplizierten und absolut entspannten Louisa zugewandt hat. Dass ich ihm, als er mir das gesagt hat, nicht ins Gesicht gesprungen bin, ist mir nach wie vor ein Rätsel. Aber ich bin in dem Moment wohl zu perplex gewesen.

Mein Ex und seine Neue stehen in meinem Haus. Meine beiden Kinder, die gerade noch übellaunig waren, rennen jetzt jauchzend auf ihren Papa und seine neue Freundin zu und fallen beiden um den Hals.

»Papa, zocken wir wieder Minecraft?« Finns Augen strahlen.

»Louisa, ich muss dir unbedingt erzählen, was dem Markus aus meiner Klasse passiert ist.« Keine Spur mehr von Ronjas dauermuffeliger Teenagerattitüde, als sie so vertraut mit der neuen Partnerin ihres Vaters spricht, wie mit einer ihrer Freundinnen.

Und ich stehe schweißgebadet da – mit den Koffern in beiden Händen und den roten Flecken im Gesicht – und fühle mich in meinem eigenen Zuhause fehl am Platz.

»Hey El. Louisa muss mal zur Toilette. Lou, da drüben die erste Tür rechts. Nein, dahinter, das ist der Abstellraum«, ergreift Julius das Wort und die Initiative, als würde ihm hier alles gehören.

Louisa lächelt mich zumindest entschuldigend an und flötet ein »Dankeschön«, als sie mit ihrem wippenden Pferdeschwanz und ihren schwingenden, schmalen Hüften in engen Jeans an mir vorbeistolziert.

Die Kinder schnappen sich ihre Rollkoffer und stürmen hinaus zum Auto. Ich bleibe allein mit meinem Ex im Flur zurück.

»Hallo Julius. Schön, dich zu sehen«, erinnere ich mich an meinen Text und merke selbst, dass ich sogar noch weniger überzeugend bin als eben vorm Spiegel.

Seine blonden Locken sind nur eine Nuance dunkler als Finns, das Blau seiner Augen gleicht dem von Ronja. Beide Kinder ähneln ihrem Vater äußerlich sehr. Es tut weh, daran zu denken, dass wir vier bis vor gar nicht langer Zeit eine Familie waren. Bis zu dem Moment, in dem mein damaliger Ehemann entschieden war, sich in eine Mistkröte zu verwandeln und alles, was wir hatten, wegzuwerfen für eine Praktikantin, die frisch von der Uni in seine Firma gestolpert und geradewegs auf seinem Schoß gelandet ist.

»El, du siehst gut aus«, behauptet er, aber sein Blick sagt etwas anderes. Nur ganz kurz wünsche ich mir, ich hätte etwas anderes angezogen als die schwarzen Leggings, die an den Knien schon etwas ausgeleiert sind, und das graue Sweatshirt, nur um den Gedanken gleich darauf wieder energisch zu verdrängen. Scheiß drauf, wie ich aussehe. Er schuldet mir verdammt nochmal Respekt, und zwar nicht für mein Aussehen, sondern dafür, dass ich seine Partnerin war und die Mutter seiner Kinder bin.

»Ja. Danke«, erwidere ich knapp und verschränke die Arme vor der Brust. »Hör mal, beim letzten Mal habt ihr vergessen, Finn an seine Hausaufgaben zu erinnern. Ich habe dir eine Liste geschrieben. In Mathe muss er die Übungsblätter machen. Und Ronja …«

»Ja, ja.« Einer seiner Mundwinkel zuckt hoch. »Ich bin sicher, du hast alles genau notiert. Ich werde sehen, wie weit wir damit kommen. Lou und ich haben geplant, mit den beiden in den Kletterwald und zum Bowling zu gehen.«

Er kleidet sich anders, seit wir kein Paar mehr sind. Jünger. Die konservativen Bundfaltenhosen und Hemden sind schmalgeschnittenen Anzügen oder Jeans mit teuren Marken-Poloshirts gewichen. Seine Locken trägt er auf dem Oberkopf länger und an den Seiten kürzer. Zweifellos der Versuch, mit seiner knackigen Freundin mitzuhalten.

Heute reicht seine Hose nur knapp bis zu den Knöcheln, darunter trägt er blütenweiße Sneakers. Über die Schultern hat er sich einen Kaschmir-Pullover geworfen, die spiegelnde Sonnenbrille hat er sich ins Haar geschoben. Ich würde gerne behaupten, ich fände sein jugendliches Makeover nur lächerlich, dummerweise bin ich aber auch ein bisschen neidisch. Ihm gelingt ein Neustart, mit Anlauf stürzt er sich in sein neues Leben, während ich seit der Trennung im Hamsterrad gefangen bin und nur darum kämpfe, nicht von meinem Alltag aus der Bahn geworfen zu werden.

»Hört sich gut an und freut mich für die beiden, aber die Schulsachen müssen nun mal auch erledigt werden.«

»Spaßbremse«, feuert er gegen mich und lenkt dann lachend ein, bevor ich aufbrausen kann. »Ich sag doch, wir sehen zu, dass wir das Pflichtprogramm durchbekommen. Aber Quality time ist eben auch wichtig. Ich sehe die beiden nur noch jedes zweite Wochenende, da ist es umso wichtiger, dass wir schöne Dinge unternehmen.«

Das Totschlagargument. Mir ist heiß, und ich beginne, im dicken Sweatshirt zu schwitzen. »Klar ist Quality-Time wichtig. Aber wenn ihr euch ein schönes Wochenende macht, und ich Sonntagabend zusehen muss, dass die beiden ihren Schulkram fertigkriegen, ist das auch Mist.« Nicht laut werden, nicht streiten. Für die Kinder ist es besser, wir bekommen das zivilisiert hin.

»Bekommst du das hin? Nimm es mir nicht übel, aber du klingst ziemlich gestresst. Wenn du Hilfe brauchst, sag Bescheid«, sagt er gönnerhaft.

Zum Glück kommt Louisa zurück, bevor meine Gedanken aus mir herausplatzen können.

»Also dann, bis Sonntag.« Julius legt seiner Freundin den Arm um die Taille, ganz beiläufig, als sei ihm gar nicht bewusst, dass mir das einen Stich versetzen könnte. Was es nicht tut, nicht mehr – ich will ihn nicht zurück. Aber dass mein Ex als Partner für mich gestorben ist, heißt noch lange nicht, dass alles gut und leicht ist.

»Hey, bekomme ich keine Umarmung?«, rufe ich den Kindern hinterher, die am Auto warten und sich schon wieder wegen irgendetwas in den Haaren haben.

Ronja hebt nur kurz die Hand, bevor sie sich auf die Rückbank fallen lässt. Aber Finn fliegt förmlich auf mich zu und wirft sich in meine Arme. Ich wuschle durch seine weichen Haare und hätte ihn am liebsten festgehalten, aber schon macht er sich wieder los und stürmt zum Wagen. Es ist so weit – mein Ex nimmt unsere Kinder übers Wochenende mit, ich bleibe allein zurück.

Schon wünsche ich mir wieder den Trubel, sogar die endlosen Streitigkeiten. Jetzt dröhnt nur die Stille in meinen Ohren. Ich weiß nichts mit mir anzufangen und starre gedankenverloren auf die Sofaritze, aus der ein Keks herauslugt.

Kapitel 2Elena

»Sag bloß, die elende Mistkröte hat noch immer einen Schlüssel. Es ist dein Haus, nicht mehr euer gemeinsames.« Clara schüttelt den Kopf. »Elena, du musst lernen, für dich einzustehen.«

»Ich weiß, ich weiß. Aber die Kinder …«

»Danken es dir nicht, wenn du um des lieben Friedens willen alles mit dir machen lässt.«

»Autsch. Darauf erst mal einen Schluck. Oder gleich zehn. Mit dem Danken ist das momentan ohnehin so eine Sache. Oder mit der Höflichkeit im Allgemeinen. Oder der Freundlichkeit.« Ich greife nach der Flasche mit Claras selbstgemachtem Mirabellenlikör und schütte mein Glas randvoll, so dass ich es ganz vorsichtig zum Mund führen muss.

Clara hat die Flasche extra für mich aufgemacht, sie selbst trinkt das süße Zeug gar nicht so gerne, sagt sie. Aber sie liebt es, einzukochen und einzuwecken, einzulegen und zu dörren, so dass es in ihrer Küche fast immer brodelt und dampft.

Die Mirabellenbäume neben ihrem zauberhaften Häuschen, auf dessen Veranda wir gerade sitzen, pflegt sie mit Hingabe. Ich habe meine beste Freundin schon immer dafür bewundert, wie passioniert sie sich um alles kümmert, für das sie die Verantwortung übernommen hat, und wie sehr unter ihren Händen alles gedeiht. Die Blumen, die sie rings ums Haus gepflanzt hat, blühen in verschwenderischer Pracht und verströmen auch jetzt noch, während sie allmählich ihre Blüten für die Nacht schließen, einen süßen Duft. Ich könnte schwören, die Früchte, die Clara selbst anbaut, schmecken viel süßer und aromatischer als die aus dem Laden.

»Noch immer?«, fragt sie mitfühlend und nimmt einen großen Schluck aus ihrer Bierflasche.

Ich seufze. »Ronja steckt immer noch mittendrin in dieser Phase.«

»Pubertät«, meint sie schulterzuckend. »Geht vorbei.«

»Hat aber gerade erst angefangen«, murmle ich. »Sie ist doch erst vierzehn. Wenn das noch jahrelang so weitergeht, gebe ich mir die Kugel.«

Die Zeiten, als sie mein kleines Mädchen gewesen ist und mich mit leuchtenden Augen freudestrahlend angelacht hat, wenn wir in den Tierpark gegangen sind, einen Prinzessinnenfilm geguckt oder die Eisdiele besucht haben, scheinen unendlich fern. Die paar Jahre, die seither vergangen sind, haben Ronja mitten in die Pubertät und mich in einen Zustand latenter Verzweiflung katapultiert. Finn ist mein Lichtblick, er erlaubt mir noch, ihn zu bemuttern. Aber in letzter Zeit habe ich das Gefühl, auch er entgleitet mir immer mehr.

»Ich kann es nicht mehr hören. Papa hier, Papa da. An den Papa-Wochenenden ist alles besser.« Es tut so gut, meinen Frust bei Clara abzuladen, die immer ein offenes Ohr hat. »Im Ernst, es versetzt mir jedes Mal einen Stich, wenn Ronja und Finn sagen, wie lustig und entspannt es bei ihrem Papa ist.« Ich senke die Stimme. »Oder wie cool Louisa ist.«

Clara verzieht den Mund. »Klar. Die machen doch auch nur spaßige Ausflüge, während der anstrengende Alltagskram an dir hängenbleibt. Die Schulthemen, die Erziehung … Julius gefällt sich in der Rolle als cooler Papa. Er macht es sich leicht, zieht sich geschickt aus der Affäre.«

»Ist wahr. Ich meine … ich versuche mich nicht drüber aufzuregen. Es könnte schlimmer sein. Wenigstens kümmert er sich um die beiden, bemüht sich um ein gutes Verhältnis. Wenn ich da an einige Mütter in meinem Bekanntenkreis denke, deren Exmänner so gar nichts mehr mit den Kindern zu tun haben wollen und deren väterliche Pflichten sich darauf beschränken, gezwungenermaßen Unterhalt zu überweisen …«

Ich starre vor mich hin. Alles, was ich da sage, stimmt. Und trotzdem fühlt sich das alles ziemlich scheußlich an.

Der Blick aus Claras klugen, blauen Augen ruht auf mir. Sie durchschaut mich mit Leichtigkeit, ihr konnte ich noch nie etwas vormachen. »Damit kriegt er aber noch lange nicht den Vater-des-Jahres-Preis. Und glücklich bist du nicht, Elena.«

Bin ich nicht.

»Die Kinder sind doch jetzt groß«, fährt sie fort. »Na ja, in Finns Fall vielleicht nicht wirklich groß, aber zumindest nicht mehr ganz winzig. Die brauchen dich nicht rund um die Uhr. Aus dem Gröbsten sind sie längst raus. Höchste Zeit, wieder mehr auf dich selbst zu achten und was für dich zu machen.«

Ich muss lachen, aber fröhlich klingt es nicht. »Ich wüsste nicht mal, was. Für Hobbys fehlt mir doch seit Jahren die Zeit.«

Sie öffnet die Blechdose, die auf dem Tischchen zwischen unseren gemütlichen Sesseln steht, und bietet mir ihre selbstgebackenen Haferkekse an. »Frag dich doch mal, welche Träume und Ziele du hattest, bevor du angefangen hast, rund um die Uhr für die Familie da zu sein? Wovon träumst du? Was stellst du für deine Familie zurück?«

Aber ich weiß es nicht. Mir fällt nichts ein.

Ich will nicht die ganze Zeit nur jammern, also beschließe ich, das Thema zu wechseln, aber da kommen die Worte einfach über meine Lippen. So leise, dass sie im Gebell der vielen spielenden Hunde auf der angrenzenden Wiese untergehen. »Das klingt so scheußlich pathetisch, dass ich mir selbst nicht zuhören mag. Aber ich … ich weiß doch selbst nicht mehr, wer ich bin und was ich möchte. Ich habe mich aufgelöst im Familienalltag. Irgendwo zwischen den Pflichten als Hausfrau, als Mutter und bis vor kurzem auch noch als Ehefrau. Ehrlich, Clara, ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, was ich früher gern gemacht habe.«

Es wird dunkel. Die Sonne versinkt hinter den Baumwipfeln, die Schatten werden länger und legen sich über die eingezäunten Auslaufwiesen, auf denen die Hunde – aufgeteilt in Gruppen, je nach Alter und Temperament – tagsüber gespielt haben. Clara steht auf.

»Soll ich dir helfen?«, rufe ich ihr hinterher.

Sie lacht nur. »Leg die Füße hoch, ausnahmsweise mal. Das hast du dir verdient.«

Es wird eine Weile dauern, bis sie alle Hunde eingesammelt und in ihre Übernachtungsräume gebracht hat. Die einen brauchen noch eine späte Mahlzeit, die anderen nur ein paar Streicheleinheiten. Einigen Kandidaten muss Clara Medikamente verabreichen. Jeder Hund, der von seinen berufstätigen oder verreisenden Besitzern in Claras Hundetagesstätte Zum Pfotentreff gebracht wird – ob nur tagsüber für einige Stunden oder gleich für mehrere Wochen –, bekommt die Behandlung, die er braucht. Jeder ihrer vierbeinigen Gäste liegt Clara am Herzen. Der Wind zupft Strähnen aus ihrem dicken, grauen Flechtzopf, als sie in ihren Gummistiefeln über die Wiese stapft.

Ihr Mitarbeiter Kilian, der dabei gewesen ist, die Fassade des Schuppens zu streichen, unterbricht jetzt seine Arbeit und geht ihr zur Hand. Ihn habe ich schon häufiger hier gesehen, wenn ich bei Clara zu Besuch bin. Eine Plaudertasche ist er noch nie gewesen, also wundert es mich nicht, dass sie jetzt kaum drei Worte miteinander wechseln, aber mir fällt auf, dass dennoch etwas zwischen ihnen anders ist. Ganz gewaltig anders. Könnte man es sichtbar machen, dann würde da jetzt mit Sicherheit eine solide Ziegelsteinmauer zwischen ihnen auf der Wiese stehen. Die beiden vermeiden Blickkontakt, es gibt kein Lächeln, obwohl sie doch ein eingeschworenes Team sind. Sobald alles geschafft ist und die Hunde sicher für die Nacht untergebracht sind, verabschiedet sich Kilian mit einem knappen Nicken erst von Clara, dann von mir, und verschwindet mit großen Schritten im Wald, wo er ein kleines Stück von der HuTa entfernt seine eigene Hütte bewohnt.

Als Clara zurückkommt, sitze ich im Dunkeln und bin gar nicht auf die Idee gekommen, etwas daran zu ändern. Gedankenverloren knabbere ich an einem Haferkeks.

»Was war das denn?«

Sie zündet umständlich eine große Bienenwachskerze mit mehreren Dochten an, zweifellos, um Zeit zu schinden, obwohl das eigentlich nicht ihre Art ist. Ihre Hand ist kräftig, überhaupt alles an ihr strahlt eine Stärke aus, um die ich sie manchmal beneide. Wenn ich selbst im Chaos versinke, wirkt sie immer wie ein Fels in der Brandung. Und genau das ist auch die Stärke, die sie davor bewahrt hat unterzugehen, als das Schicksal wie eine zerstörerische Flutwelle über ihr Leben hereingebrochen ist.

»Was meinst du?« Sie schaut mich nicht an.

Ungeduldig verdrehe ich die Augen. »Das mit Kilian und dir. Seit Jahren schleicht ihr umeinander herum, wie die Katzen um den heißen Brei. Dass sich da was anbahnt, ist gar nicht zu übersehen, aber keiner von euch traut sich, den ersten Schritt auf den anderen zu zu machen. Und jetzt? Auf einmal schaut ihr einander nicht mal mehr an. Was ist passiert? Habt ihr euch gestritten?«

Grimmig zieht sie die Mundwinkel hoch. »Es ist kompliziert.«

»Mit ›kompliziert‹ kenne ich mich bestens aus. Also, was ist los?«

»Seine Ex ist wieder da«, sagte sie, und daraufhin bin ich tatsächlich kurz sprachlos.

»Seine Ex? Die Ex, die ihn vor hundert Jahren verlassen hat und nie wieder was von ihm hören wollte, woraufhin er zum Einsiedler mutiert ist?«, vergewissere ich mich. Und das ist eigentlich auch schon alles, was ich über die Vergangenheit des schweigsamen, blonden Hünen weiß. Clara hat mir das mal im Vertrauen bei einem Gläschen Schnaps erzählt.

»Genau die. Da gab es überhaupt keinen Kontakt mehr. Weder zu ihr, noch zum gemeinsamen Sohn. Und jetzt … ist sie plötzlich wieder aufgetaucht. War auf einmal da, als ich gerade zu ihm gehen wollte.«

»Und jetzt?«

»Wie ›und jetzt‹?«, fragt sie barsch zurück. »Das ändert gar nichts.«

»Aber …«

»Nichts aber. Na gut, irgendwie ist es gerade seltsam zwischen uns. Er redet nicht über sie. Ich frage ihn nicht nach ihr. Aber offensichtlich gibt es da Gespräche zwischen ihnen, eine Annäherung, was weiß ich. Wie es aussieht, ist sie zu ihm zurückgekehrt. Und das ist verdammt nochmal das Beste, was ihm passieren kann. Die Trennung damals war sein persönlicher Supergau. Nicht nur ihretwegen, sondern vor allem wegen seines Sohnes. Wenn sie nun also wieder zueinander finden – perfekt, besser geht’s nicht.«

Sie beißt die Zähne zusammen und starrt geradeaus in Richtung Hundewiesen, die jetzt in der Dunkelheit verschwunden sind.

»Aber du magst ihn sehr«, sage ich leise.

Sie nickt, nur einmal ganz kurz. »Na und? Ich hatte meine Liebe. Meinen Andi. Das muss reichen.«

Muss es nicht. Sollte es nicht. Aber ich kenne sie gut genug, um zu wissen, dass sie das Thema jetzt nicht weiter vertiefen will und dass es keinen Sinn hat, sie zu bedrängen.

Als sie seufzt, löst sich ein großer schwarzer Umriss aus der Dunkelheit. Ein riesengroßer Umriss – Claras Dogge Gisela, ein gigantisches Tier, das nur aus schlaksigen Beinen und schlabbrigen Lefzen zu bestehen scheint. Treuherzig legt Gisela ihren massigen Kopf auf Claras Oberschenkel. Die Sabberspuren auf ihrer Cargohose sind Clara egal. Es wirkt so, als hätte die Hündin feinste Antennen für die Stimmung ihres Frauchens und wollte ihr jetzt beistehen.

Und plötzlich weiß ich es. »Ein Hund!«

Gisela tappt auf mich zu, als hätte sie mich verstanden, und grunzt zufrieden, als ich sanft die Falten auf ihrer Stirn kraule.

»Hm?« Clara schaut verdattert drein.

Aber ich bin mir auf einmal ganz sicher. »Ein Hund. Das ist es, was ich immer wollte. Was ich mir immer gewünscht habe. Aber es hat nie so recht gepasst. Als die Kinder noch kleiner waren, hatten wir immer zu wenig Zeit für alles, so ist es mir zumindest vorgekommen. Und Julius konnte Hunde ohnehin nie ausstehen. Zu haarig und unpraktisch.«

Jetzt grinst sie breit. »Ein Grund mehr, sich einen zuzulegen.«

Auf dem Rückweg scheinen meine Füße kaum den Boden zu berühren.

Ich möchte einen Hund haben. Etwas, das ich nur für mich haben will. Nicht für die Kinder, nicht für Julius, nicht für den Haushalt, einfach nur für mich. Der Gedanke fühlt sich fast verboten an.

Verrückt. Da treffe ich seit Jahren zum ersten Mal eine Entscheidung, bei der nicht das Wohl aller anderen oder das große Ganze im Vordergrund steht, und mein Gewissen sagt mir sofort, das sei ein mittelgroßer Skandal.

Klappe, dummes Gewissen. Ich will das unbedingt. Die Idee ist wie aus dem Nichts gekommen, als ich Clara mit ihrer lieben, friedlichen Hündin gesehen habe, und lässt sich nicht mehr abschütteln – genau das wünsche ich mir auch für mein Leben. Genau das würde mich glücklich machen.

Der weiche Boden dämpft meine Schritte. Der Pfad, über den man von der Straße und dem kleinen Parkplatz aus zur Hundetagesstätte kommt, führt durch ein kleines Waldstück und ist zu beiden Seiten von Bäumen und Sträuchern gesäumt. Nur der Mond oben am Himmel spendet sein sanftes, bleiches Licht, dringt aber nicht bis hier unten vor. Es ist ganz dunkel. Immer wieder höre ich Rascheln im Unterholz. Der Ruf eines Käuzchens hallt durch die Finsternis.

Es könnte gruselig sein, aber das ist es nicht. Meine Schritte sind groß und beschwingt. Das Lächeln auf meinem Gesicht kommt nicht vom Alkohol, auch wenn der dazu beiträgt, dass mir wunderbar federleicht zumute ist. Tief und genussvoll atme ich die frische Nachtluft ein, die nach Moos und Tannen duftet, und schwinge die Arme.

Der Wind kühlt meine erhitzten Wangen. Ich glühe vor Vorfreude.

»Ein Hund für mich«, flüstere ich in den Nachtwind.

Kapitel 3Clara

Als Elena gegangen ist, hält auch Clara nichts mehr draußen. Sie packt ihre Sachen, ruft Gisela mit einem leisen Zungenschnalzen zu sich und zieht sich ins Haus zurück, das heute bis in den letzten Winkel von Lavendelduft erfüllt ist. Vorhin hat sie die blühenden Stiele geerntet und in großen Büscheln in die Küche gelegt.

Gisela kräuselt die Schnauze und niest vernehmlich. Grinsend streicht Clara ihr über die faltige Stirn, wofür sie sich gar nicht bücken muss, weil ihr der Kopf der Dogge bis zum Bauch reicht.

»Alles gut, Mäuschen, du musst mir nicht helfen. Ich kriege das alleine hin. Erhol du dich nur von deinem Nickerchen. Am besten mit einem weiteren Nickerchen.«

Als hätte Gisela jedes Wort verstanden, trottet sie zu ihrer flauschigen Karodecke und lässt sich mit einem Seufzer darauf fallen. Von dort aus beobachtet sie, wie Clara zu werkeln beginnt, einen Teil der Lavendelzweige zu Sträußen zusammenbindet und zum Trocknen an einen Balken hängt, den Rest der Blüten zu Sirup einkocht.

Längst ist die Nacht hereingebrochen. Die Wiesen, auf denen tagsüber so viele Hunde herumtollen, liegen jetzt friedlich im Mondlicht da. Eine Stille und Ruhe, die Clara gerade schwer ertragen kann. Sie schaltet das Radio ein, hält ihre Ohren mit Musik und Geplapper und ihre Hände mit dem Zupfen von Lavendelblüten und dem Rühren im großen Topf beschäftigt. Den Blick zur Wanduhr vermeidet sie. Es ist spät, das ist ihr klar, aber ins Bett will sie dennoch nicht. Sie schindet Zeit, um sich noch nicht den Grübeleien ausliefern zu müssen, die nachher zweifellos über sie hereinstürzen werden. Später, wenn sie allein im Bett liegt und es nichts mehr gibt, was sie ablenkt.

Energisch rührt sie noch einmal im Blüten-Zucker-Sud, so kräftig, dass etwas auf die Herdplatte schwappt.

»Reiß dich zusammen, alte Frau«, knurrt sie gegen das Ticken der Wanduhr an.

Und wie so oft reagiert Gisela auf irgendetwas in Claras Tonfall oder an ihrer Haltung. Sobald Clara am Küchentisch Platz nimmt, trottet die Dogge herbei, klettert auf die Holzbank und dann auf Claras Schoß – so gut sie das mit ihrem riesigen Körper und ihren fast sechzig Kilo hinbekommt.

Lachend schlingt Clara die Arme um sie und legt ihre Wange an das glatte, kurze Fell. »Du Huhn. Wirst du denn nie kapieren, dass du kein Schoßhund bist?«

Irgendwann ist es so spät, dass ihr die Augen zufallen und sie einsieht, dass es höchste Zeit fürs Bett ist. Schon früh am Morgen werden die ersten vierbeinigen HuTa-Gäste vorbeigebracht, damit sie den Tag hier verbringen, während ihre Besitzer arbeiten gehen – und Clara verzieht das Gesicht, als sie auf die Uhr schaut und feststellt, dass es schon in wenigen Stunden so weit sein wird. Und dann muss sie fit sein, die Hunde haben ihre volle Aufmerksamkeit verdient. Und die schuldet sie nicht nur den Tieren, sondern auch deren Besitzern, die ihre vierbeinigen Familienmitglieder vertrauensvoll Clara und ihrem Pfotentreff überlassen.

Ein letztes Mal wirbelt sie durch die Küche, wischt alle Flächen sauber, deckt den Sirup ab, damit er bis morgen ziehen kann und singt dabei lautstark zur Musik aus dem Radio. Auch beim Zähneputzen summt sie weiter vor sich hin.

Aber sobald ihr Kopf das Kissen berührt und sie die Augen schließt, sind die Erinnerungen da. Sie sieht sich selbst, zerrissen zwischen der Sehnsucht nach ihrem verstorbenen Mann und der Sehnsucht nach einem anderen Mann, einem, der in den letzten Jahren zu einem unentbehrlichen Teil ihres Lebens geworden ist. Einem, der mit ruhiger Selbstverständlichkeit tagtäglich an ihrer Seite ist und von dem sie sich verstanden fühlt, ohne viele Worte zu verlieren. Kilian.

Clara legt einen Unterarm über ihre Augen. Die Stille im Schlafzimmer ist drückend und schwer.

Sie sieht sich auf dem schmalen Waldweg, der zu Kilians Hütte führt – entschlossen, die vielen ungesagten Worte endlich auszusprechen und ihm zu gestehen, wie sie empfindet. Dass sie Andi vermisst und liebt und ihn für immer vermissen und lieben wird. Aber dass sie dennoch nicht vorhat, ihr restliches Leben allein zu verbringen. Dass es jemanden gibt, der ihr ans Herz gewachsen und wichtig ist. Und dass dieser Jemand er, Kilian, ist.

Aber dazu ist es nicht gekommen. Nichts von alldem hat sie ihm gesagt. Denn da hat ein Auto vor seinem Haus gestanden, das sie nicht zuordnen konnte, und durch das Fenster hat sie ihn dann mit einer anderen Frau gesehen – mit einer, die sie sehr wohl zuordnen konnte.

Dass Kilians Exfrau wieder da ist, ändert alles.

Seit so vielen Jahren sind die beiden getrennt, seit einer Ewigkeit hat er keinen Kontakt mehr gehabt. Weder zu ihr, noch zum gemeinsamen Sohn. Und plötzlich ist Elisabeth aufgetaucht, hat mit einem Koffer mitten in Kilians Wohnzimmer gestanden und ihn umarmt.

Clara sieht sich selbst vor der Hütte stehen, im Schatten verborgen und wie vom Donner gerührt. All die Worte, die sie endlich aussprechen wollte, brannten ihr in der Kehle. Ihr Mund war trocken, sie konnte nicht schlucken.

Es ist schön, redet sie sich auch jetzt wieder gut zu. Schön, dass es offenbar eine Familienzusammenführung gibt, denn mit Sicherheit wäre Elisabeth aus keinem anderen Grund hier aufgekreuzt. Nicht nach all den Jahren der Funkstille. Clara weiß, wie sehr Kilian unter der Trennung von seiner Familie gelitten hat. Nicht mehr Teil vom Leben seines Sohnes Marlin zu sein und ihn nicht aufwachsen zu sehen, hat ihm zugesetzt, wie ihm immer deutlich anzumerken war. Also wer ist sie, ihm das jetzt nicht zu gönnen? Es ist das Beste, was Kilian passieren kann. Nie im Leben würde sie ihm im Weg stehen wollen, wenn sich ihm jetzt die Chance bietet, seine Familie zurückzubekommen.

Also tut Clara das, was sie beide schon viel zu oft getan haben: Sie schweigt. Und er tut es ihr gleich.

Sie waren noch nie gut darin, miteinander zu reden. Natürlich haben sie sich miteinander unterhalten, aber immer hat es Tabuthemen zwischen ihnen gegeben, die wie schwarze Löcher in jeder Konversation klafften und Worte verschluckten, so dass diese nie ausgesprochen werden konnten.

Und jetzt ist dieses Schweigen noch weiter gewachsen, riesig und finster steht es zwischen ihnen. Kilian spricht nicht über Elisabeth und ihre Rückkehr in sein Leben. Clara hat keine Ahnung, ob Kilian seine Exfrau jetzt regelmäßig sieht, ob sie schon bei ihm eingezogen ist oder es vorhat und ob die beiden ihre Liebe aufgewärmt haben. Und Clara fragt auch nicht nach.

Es gab nur diesen einen kurzen mutigen Moment, in dem sie sich aufgerafft und auf den Weg gemacht hat, um Kilian zu sagen, was in ihr vorgeht. Diesen Moment hat der Anblick von Kilian mit seiner Exfrau zunichtegemacht, jetzt zieht Clara sich erst recht vor ihm zurück.