Skrupellose Einheit (Ein Troy Stark Thriller – Buch #1) - Jack Mars - E-Book

Skrupellose Einheit (Ein Troy Stark Thriller – Buch #1) E-Book

Jack Mars

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Beschreibung

»Ein Kriminalroman vom Feinsten. Thriller-Liebhaber, die die präzisen Ausführungen eines grenzüberschreitenden Thrillers genießen, aber auch psychologische Tiefe und Glaubwürdigkeit eines Protagonisten suchen, der sich gleichzeitig beruflichen und persönlichen Lebensherausforderungen stellt, werden in diesem Buch eine fesselnde Geschichte finden, die man nur schwer aus der Hand legen kann.« – Midwest Book Review, Diane Donovan (über Koste es, was es wolle) »Einer der besten Thriller, die ich dieses Jahr gelesen habe. Der Plot ist intelligent und fesselt einen von Anfang an. Der Autor hat hervorragende Arbeit geleistet und eine Reihe von Charakteren geschaffen, die voll entwickelt und sehr unterhaltsam sind. Ich kann es kaum erwarten, die Fortsetzung zu lesen.« – Books and Movie Reviews, Roberto Mattos (über Koste es, was es wolle) Von USA Today-Bestsellerautor Jack Mars, Autor der hochgelobten Luke Stone und Agent Zero Serien (mit über 5.000 Fünf-Sterne-Rezensionen), kommt eine explosive neue, actiongeladene Thriller-Serie, die den Leser auf eine wilde Fahrt quer durch Europa, Amerika und die Welt mitnimmt. Als der Elite-Navy Seal Troy Stark wegen seines zweifelhaften Respekts vor Autoritätspersonen in den Ruhestand versetzt wird, fürchtet er sich vor dem ruhigen Leben, das ihn mit seinen Brüdern und Kumpels in Yonkers, New York, erwartet. Aber die Ruhe währt nicht lange: Das NYPD braucht Troys militärische Expertise, um eine große terroristische Bedrohung New York Citys aufzuspüren und zu stoppen. Um dem Angriff zuvorzukommen, muss er nach Europa fliegen und ihn an der Quelle ausschalten – mit allen nötigen Mitteln. Troy findet sich als Partner eines grundverschiedenen Interpol-Agenten wieder und ihre Abneigung beruht auf Gegenseitigkeit. Aber sie müssen einen Anschlag verhindern und haben nur wenige Tage Zeit, um das zu tun. Sie brauchen die Hilfe des anderen, während sie Europa in einer rasanten Katz-und-Maus-Jagd durchqueren, um die Terroristen zu stoppen. Doch was als einfache Mission beginnt (und als Gelegenheit, seinen Namen reinzuwaschen), katapultiert Troy bald kopfüber in eine globale Verschwörung. Diese Kriminellen sind raffinierter als sie scheinen und selbst mit Troys unvergleichlichen militärischen Fähigkeiten, kommen er und sein Team ständig einen Schritt zu spät. Da das Schicksal von New York City auf dem Spiel steht, könnte der Einsatz nicht höher sein. Wo werden sie zuschlagen? Und wann? Und kann Troy sie aufhalten, bevor es zu spät ist? SKRUPELLOSE EINHEIT ist der erste Band einer aufregenden neuen Serie eines #1-Bestsellerautors, der dich dazu bringen wird, dich in einen brandneuen Actionhelden zu verlieben – und bis spät in die Nacht zu lesen. Die Bücher #2 und #3 der Serie – DAS KOMMANDO DER SKRUPELLOSEN und DAS ZIEL DER SKRUPELLOSEN – sind jetzt ebenfalls erhältlich.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 451

Veröffentlichungsjahr: 2022

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S K R U P E L L O S E

E I N H E I T

EIN TROY STARK THRILLER – BUCH 1

J A C K   M A R S

Jack Mars

Jack Mars ist der USA Today-Bestsellerautor der LUKE STONE-Thrillerserie, die sieben Bücher umfasst. Er ist auch der Autor der neuen, sechsteiligen Prequel-Serie DER WERDEGANG VON LUKE STONE, der Spionagethriller-Serie AGENT ZERO mit zwölf Bänden und der Thriller-Serie TROY STARK, die derzeit aus drei Büchern besteht (Tendenz steigend).

Jack freut sich, von dir zu hören, also besuche www.jackmarsauthor.com, um dich in die E-Mail-Liste einzutragen, ein kostenloses Buch zu erhalten, Gratis-Geschenke zu bekommen, dich auf Facebook und Twitter zu vernetzen und in Kontakt zu bleiben!

BÜCHER VON JACK MARS

EIN TROY STARK THRILLER

SKRUPELLOSE EINHEIT (BUCH #1)

LUKE STONE THRILLER SERIE

KOSTE ES WAS ES WOLLE (BUCH #1)

AMTSEID (BUCH #2)

LAGEZENTRUM (BUCH #3)

UMGEBEN VON FEINDEN (BUCH #4)

DER KANDIDAT (BUCH #5)

UNSERE HEILIGE EHRE (BUCH #6)

DAS GESPALTENE REICH (BUCH #7)

DER WERDEGANG VON LUKE STONE

PRIMÄRZIEL (BUCH #1)

DER HÖCHSTE BEFEHL (BUCH #2)

DIE GRÖSSTE BEDROHUNG (BUCH #3)

DIE HÖCHSTE EHRE (BUCH #4)

DER HÖCHSTE HELDENMUT (BUCH #5)

DIE WICHTIGSTE AUFGABE (BUCH #6)

EINE AGENT NULL SPIONAGE-THRILLER SERIE

AGENT NULL (BUCH #1)

ZIELOBJEKT NULL (BUCH #2)

JAGD AUF NULL (BUCH #3)

EINE FALLE FÜR NULL (BUCH #4)

AKTE NULL (BUCH #5)

RÜCKRUF NULL (BUCH #6)

ATTENTÄTER NULL (BUCH #7)

KÖDER NULL (BUCH #8)

HINTER NULL HER (BUCH #9)

RACHE NULL (BUCH #10)

NULL–AUSSICHTSLOS (BUCH #11)

INHALT

PROLOG

KAPITEL EINS

KAPITEL ZWEI

KAPITEL DREI

KAPITEL VIER

KAPITEL FÜNF

KAPITEL SECHS

KAPITEL SIEBEN

KAPITEL ACHT

KAPITEL NEUN

KAPITEL ZEHN

KAPITEL ELF

KAPITEL ZWÖLF

KAPITEL DREIZEHN

KAPITEL VIERZEHN

KAPITEL FÜNFZEHN

KAPITEL SECHZEHN

KAPITEL SIEBZEHN

KAPITEL ACHTZEHN

KAPITEL NEUNZEHN

KAPITEL ZWANZIG

KAPITEL EINUNDZWANZIG

KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG

KAPITEL DREIUNDZWANZIG

KAPITEL VIERUNDZWANZIG

KAPITEL FÜNFUNDZWANZIG

KAPITEL SECHSUNDZWANZIG

KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG

KAPITEL ACHTUNDZWANZIG

KAPITEL NEUNUNDZWANZIG

KAPITEL DREISSIG

KAPITEL EINUNDDREISSIG

KAPITEL ZWEIUNDDREISSIG

KAPITEL DREIUNDDREISSIG

PROLOG

15. Oktober

13:35 Uhr Eastern Daylight Time

Ross Dock Picnic Area

Fort Lee, New Jersey

Fast nichts an dem Mann war so, wie es den Anschein hatte.

Er schien groß zu sein, etwas über 1,80 Meter, aber er trug fünf Zentimeter hohe Lifts in seinen edlen Lederstiefeln, die wiederum zweieinhalb Zentimeter hohe Absätze hatten. Er schien einen dicken, blonden Bart zu haben. In Wirklichkeit war dies eine raffinierte Fälschung, die mit der gleichen Sorgfalt auf sein Gesicht geklebt worden war, die Hollywoods Kosmetikspezialisten bei der Arbeit an Filmschauspielern anwandten.

Er schien langes, blondes Haar zu haben, das zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden waren. Gleiches Muster. Die Perücke war genauso hochwertig wie der Bart und mit der gleichen Sorgfalt auf seinem Kopf fixiert worden. Tatsächlich war sein Kopf glattrasiert, sein eigentliches Haar war dunkel und würde, wenn man es wachsen ließe, zeigen, dass er ein Opfer des vorzeitigen männlichen Haarausfalls war. Er trug farbige Kontaktlinsen, um seine braunen Augen blassblau erscheinen zu lassen. Seine Augenbrauen waren blond gefärbt und konnten leicht und schnell wieder in ihre normale Farbe zurückgebracht werden.

Oft nannte er sich »Sven«. Er wusste nicht, warum, aber er empfand es als amüsant. Vielleicht, weil er so wenig von einem nordischen Sven hatte, wie es nur möglich war, sowohl körperlich als auch vom Denken her. Er fand es auch belustigend, dass ein Mann wie er, den manche einen wahren Gläubigen, ja sogar einen religiösen Extremisten nennen würden, mit einem nihilistischen Geschäftsmann gemeinsame Sache machen konnte. Einem Mann, der gerne erzählte, dass er an nichts anderes glaubte als an die materielle Welt, die er anfassen und sehen konnte.

Er schüttelte den Kopf und lächelte. Es half, dass die Bezahlung gut war. Sehr gut sogar.

Er ließ das Auto auf dem Parkplatz stehen und ging über den Rasen in die südöstlichste Ecke des Parks. Ein großes Familientreffen mit schätzungsweise dreißig Personen, das vier Picknicktische und zwei Holzkohlegrills in Beschlag nahm, passierte er. Die Erwachsenen standen herum, tranken Bier und aßen Hotdogs und Hamburger. Die Kinder jagten einander im Kreis. Ein paar Hunde sprangen herum und bellten. Ein paar der älteren Kinder spielten mit einer kleinen Spielzeugdrohne.

Es war ein schöner Herbsttag, ideal für ein Grillfest.

Der Park befand sich nördlich und deutlich unterhalb der George Washington Bridge. Die Brücke ragte in der nahen Ferne in den hellblauen Himmel. Sven konnte die Autos und Lkws sehen, die sie auf der oberen Ebene in Richtung Westen überquerten und von New York City nach New Jersey fuhren. Unterhalb der Brücke, auf der entfernten Seite des Hudson River, zog die Skyline von Manhattan nach Süden.

Das war ein guter Platz. Er hatte den Liberty State Park in Betracht gezogen, aber der lag zu dicht am Zielort. Der Impakt würde von dort aus viel schneller erfolgen, was ihm keine Zeit gegeben hätte, zu verschwinden. Ja, die Chance auf Störungen war größer, wenn er aus dieser Entfernung startete, aber wie hoch war die Wahrscheinlichkeit wirklich?

Nicht sehr hoch. Überhaupt nicht hoch.

Sven trug einen großen, schweren Rucksack, der auf seinen Schultern lastete. Als er in der Nähe der Wasserfront war, setzte er ihn ab. Dann ging er zurück zum Auto und holte einen weiteren Rucksack, der fast genauso schwer war wie der erste. Er warf einen Blick zurück auf die Familie. Niemand dort beachtete ihn. Bald war er wieder allein am Wasser. Er öffnete beide Rucksäcke und holte die verschiedenen Teile der Drohne heraus. Sie ließen sich relativ leicht zusammenstecken.

Sie war viel größer als die Spielzeugdrohne, die die Kinder besaßen, aber für eine Drohne war sie immer noch relativ klein. Er verband die vier Teile des Rumpfes miteinander, sodass der Korpus insgesamt etwa zwei Meter lang und ziemlich bauchig war. An der Innenseite jeder Seite des Rumpfes befand sich ein geschlossenes Fach, das die Ladung der Drohne enthielt und zu dem er keinen Zugang hatte. Das waren die mit Abstand schwersten Teile.

Langsam und akribisch verband er die vier Arme und acht Rotoren der Drohne. Am Ende jedes Arms wurden die Rotoren waagerecht über und unter der dortigen Halterung befestigt. Als er fertig war, sah die Drohne aus wie eine sehr große, sehr beängstigende und sehr schwangere Spinne. Sie war ganz schwarz, mit zwei Sensoren an der Oberseite und neun Kameras, die an einem Ausleger an der Unterseite angebracht waren. Acht der Kameras waren multidirektional und konnten sich selbstständig bewegen, auch nach oben und unten. Die neunte Kamera zeigte nach unten und war ebenfalls multidirektional. Das Ding hatte ein Blickfeld, mit dem kein Lebewesen mithalten konnte.

Sven nahm den Controller heraus, öffnete ihn, schaltete ihn ein und ließ ihn seine Diagnosetests durchlaufen. Der Controller war einfach ein kleiner schwarzer Laptop, mit ein paar Tasten und einer winzigen Anzeige. Um die Drohne zu starten, musste man sich ihr bis auf etwa zehn Meter nähern. Es war eher ein Startgerät und ein Navigator als ein Controller.

Sobald das Gerät in der Luft war, waren keine Eingaben des menschlichen Anwenders mehr nötig. Das System würde dann völlig autonom arbeiten. Das Ziel der Drohne war vorprogrammiert. Der Navigator würde mit ihr in Kontakt bleiben und sie dorthin leiten. Die Aktionen der Drohne am Zielort hingen davon ab, wie sich die Ziele präsentierten.

»Wow«, sagte eine Stimme hinter ihm. »Können wir deine Drohne mal sehen?«

Sven war auf seinen Knien. Er drehte sich um und da waren zwei kleine Kinder, ein Junge und ein Mädchen. Die Kinder waren dunkelhäutig, mit dunklem Haar. Der Junge war etwa einen Kopf größer als das Mädchen.

Sven wäre es lieber gewesen, wenn ihm niemand so nahe gekommen wäre. Aber es spielte keine Rolle. Er war ein großer, blondhaariger, blauäugiger Mann, der in seiner Freizeit Drohnen steuerte. Er würde längst weg sein und sich optisch verändert haben, bevor jemand auf die Idee käme, etwas anderes über ihn zu denken. Er lächelte und stand auf. Er stellte sicher, dass er seine volle Körpergröße erreichte.

»Er war sehr groß«, konnte er sich die Kommentare der Kinder bereits vorstellen.

»Klar, Kinder«, sagte Sven. »Ist eine gute, was?«

Englisch war nicht seine Muttersprache, aber er hatte jahrelang geübt, um jeden Anflug eines Akzents in seiner Stimme zu beseitigen.

»Sie ist der Hammer«, sagte der kleine Junge.

Das Mädchen schwieg und starrte das Ding staunend an.

Der Controller hatte seine Tests abgeschlossen. Natürlich war alles an der Drohne funktionsfähig. Sie war erst heute Morgen getestet und erneut überprüft worden. Der Mann hatte sie mit fast unendlicher Sorgfalt hierher gebracht. Jetzt war sie bereit.

»Schaut zu, wie sie fliegt!«, sagte er.

Er drückte den grünen Knopf auf seinem Controller. Die Rotoren drehten sich und gaben ein leises, heulendes Geräusch von sich. Nach einem Moment hob das Ding zaghaft vom Boden ab. Ein paar Sekunden lang schien die Drohne mit dem Gewicht der Ladung, die sie trug, zu kämpfen. Dann stieg sie etwa ein oder zwei Stockwerke hoch, schwebte einen Moment und flog dann auf die Brücke zu.

»Wow«, sagte der Junge.

»Wow«, wiederholte das Mädchen.

Der Mann, dessen richtiger Name nicht Sven war, griff nach unten, hob die leeren schwarzen Taschen auf, schloss den Controller und klemmte ihn unter seinen Arm. »Nun«, sagte er. »Das war’s für mich. Habt einen schönen Tag, Kinder.«

»Aber was ist mit der Drohne?«, fragte der Junge. Er zeigte nach Süden, wo die Drohne jetzt ein dunkler Fleck war, der gerade unter der George Washington Bridge durchflog.

»Willst du sie nicht mehr haben?«

Die Gesichter des Jungen und des Mädchens verrieten, dass sie beunruhigt darüber waren, dass der Mann ein so wunderbares Spielzeug starten und dann einfach weggehen und es vergessen würde.

Er lächelte wieder fröhlich, um ihnen zu versichern, dass es kein Problem gab.

»Oh, das geht schon in Ordnung. Die Drohne wird auf der anderen Seite der Brücke ein paar Freunde treffen.«

* * *

Die Drohne flog in Richtung Süden über den Hudson River.

Innerhalb von zwei Minuten passierte sie die George Washington Bridge. Sie bewegte sich niedrig und schwebte nur fünf Meter über dem Wasser, während die riesige Spannweite der Brücke wie ein Schatten über ihr thronte. Nach der Brücke stieg sie auf zwanzig Meter auf und flog weiter.

Sie war auf sich allein gestellt. Sie hatte keinen Verstand, so wie wir Menschen ihn uns vorstellen könnten. Sie hatte keine Erinnerung an die Vergangenheit und keine wirkliche Erwartung an die Zukunft. Sie hatte keine geliebten Menschen. Sie hatte keine Angst und auch keinen Mut im Angesicht der Angst. Sie war nicht fähig, Schuld oder Reue zu empfinden. Sie hatte keine Vorlieben. Sie bewertete nichts als gut oder schlecht. Sie hatte keine Meinung zu dem, was sie tun wollte. Sie war weder aufgeregt noch hatte sie Zweifel jeglicher Art. Sie verspürte keine Angst in ihrem Bauch.

Aber ihr Computergehirn war mehr als genug, um sie zu steuern. Es absorbierte und verarbeitete einen ständigen Strom von Daten über seine Umgebung – Höhe, Windgeschwindigkeit und -richtung sowie visuelle Daten über Objekte auf dem Weg, wie etwa große Schiffe oder mögliche feindliche Eingriffe, die es an der Ausführung seiner Anweisungen hindern könnten.

Einen solchen Eingriff gab es nicht und das war auch nicht zu erwarten. Angesichts der Weite des Flusses, der Stadt und der Höhe der Drohne über dem Wasser war sie hier draußen fast unsichtbar. Wenn sie auf dem Radar auftauchte, dann als Spielzeug eines besessenen Hobbyisten. Die Menschen hatten noch nicht damit begonnen, sich über Drohnenangriffe auf Zivilisten Gedanken zu machen.

Ihr Ziel lag jetzt zwölf Kilometer südöstlich. Die hohen Gebäude von New York City befanden sich unmittelbar östlich von ihr und zogen mit etwa 45 Kilometer pro Stunde an ihr vorbei. Es war ein sonniger, windiger Tag und die Drohne war sehr stabil in ihrem Flug. Sie beschleunigte und ihre Geschwindigkeit nahm rapide zu. In den letzten Sekunden vor dem Kontakt sollte sie eine Höchstgeschwindigkeit von etwas über hundertsechzig Kilometer pro Stunde erreichen.

Die Sicht war ausgezeichnet. In ein paar weiteren Sekunden sollte sie die ersten visuellen Daten zum Ziel erhalten. Das Ziel hieß Vessel, eine beliebte Touristenattraktion im Hudson Yards-Viertel von Manhattan.

KAPITEL EINS

14:05 Uhr Eastern Daylight Time

Vessel

Hudson Yards

New York City

»Was für ein herrlicher Tag«, sagte Kate. »Und was für eine Aussicht.«

»Traumhaft«, sagte Adam.

Er wusste nicht, woher er dieses Wort hatte, aber er sagte es heute sehr oft. »Traumhaft.« Es war fast eine mechanische Antwort, aber sie schien meistens zu passen.

Er und Kate waren mit dem PATH-Zug von ihrer Hafenwohnung drüben in Jersey City nach Manhattan gekommen. Kate war tatsächlich traumhaft, fast wie ein Model. Sie war groß, hatte langes blondes Haar, hohe Wangenknochen und eine nach oben gerichtete Nase. Heute trug sie Röhrenjeans, eine leichte Jacke und flauschige Stiefel. Wenn sie aufgeregt war, wie jetzt, erhellten ihr Gesicht und ihr Lächeln die Welt. Wenn sie traurig oder gelangweilt war, was sie oft war, würde man alles tun, um sie wieder glücklich zu machen. Nach acht Jahren im Anleihenverkauf bei Stifel verdiente Adam jetzt richtig Geld. Er hoffte, dass das Geld reichen würde, um sie zu behalten.

Und der Tag war natürlich traumhaft. Der blaue Himmel war weit offen, es war windig, ein Hauch des nahenden Winters lag in der Luft und dünne weiße Wolken zogen über den Himmel. Und die Aussicht von diesem seltsamen … Er war sich nicht sicher, wie er es nennen sollte. Gebäude? Skulptur? Monument? Im Grunde war es eine ineinandergreifende Bienenwabe aus Treppen und Podesten, Treppen und Podesten, Treppen und Podesten, in einer Art kreisförmigem Muster, sechzehn Stockwerke hoch. Es sah aus, als hätte ein Architekt beim Kiffen auf eine Skizze von MC Escher gestarrt und beschlossen, das zu bauen, was er sah.

Der Blick von hier oben auf die Weite des Flusses, die Stahl- und Glastürme von Hudson Yards im Vordergrund und die alten Bahnhöfe, die unterhalb der Straße noch zu sehen waren, war … großartig.

Es gab kein besseres Wort dafür.

»Traumhaft, Schatz«, sagte Adam. »Wirklich traumhaft.«

Kate lachte. Vielleicht freute sie sich über den Tag. Vielleicht freute sie sich über das Wort, das er immer wieder sagte. Was auch immer sie erfreute, sie lachte, als sie sich gegen das Geländer und die klare Glasscheibe lehnte. Und das war genug. Wenn sie lachte, verblasste jeder um sie herum und verschwand dann. Das war die rohe Kraft ihrer Schönheit. Und heute war es hier voll – viele Leute verschwanden leise im Hintergrund.

Das Vessel hatte erst vor einer Woche wiedereröffnet. Ein frustrierter Teenager hatte sich vor ein paar Monaten von der Spitze gestürzt – und es war ein langer Weg nach unten. Die Besitzer hatten den Laden geschlossen, um zu überlegen, was man dagegen tun könnte. Offenbar war die Antwort: nichts. Menschen sprangen manchmal von hohen Gebäuden. Jetzt war das Vessel wieder in Betrieb und es gab großen Nachholbedarf. Die Leute wollten hier sein. Adam und Kate wollten hier sein. Es war der Ort, an dem man sein wollte.

Vielleicht war es der Ort, an dem man gerade sein sollte. Adam gefiel der Gedanke.

»Lass mich ein paar Fotos von dir machen!«, sagte er.

Sein Handy war stets in Reichweite. Es war ein neues, teures Modell, das von einer hellblauen Gummihülle ummantelt war, um es vor Stürzen, Spritzwasser und all den anderen Gefahren zu schützen, denen ein Smartphone ausgesetzt wurde. Es hatte eine hochauflösende Kamera und die Möglichkeit, Fotos und Videos sofort in die Cloud hochzuladen. Die TV-Spots ließen vermuten, dass irgendwo in diesem Moment ganze Filmteams mit diesem Handy drehten. Vielleicht taten sie das auch.

Er musste sie nicht zweimal bitten. Kate war ein Naturtalent. Sie liebte es, fotografiert zu werden. Er schaltete auf Video, während sie sich wie ein Model von Pose zu Pose bewegte. Es war beunruhigend, mit welcher Leichtigkeit sie von einem Schmollmund zu einem strahlenden Lächeln und zu einem glühenden Blick wechseln konnte, ohne eine Pause dazwischen einzulegen. Für den Bruchteil einer Sekunde kam Adam der Gedanke, dass sie diese Bewegungen übte, vielleicht vor einem Spiegel.

Doch dann fiel ihm etwas anderes auf. Hinter Kate tauchte eine Art schwarzer Fleck auf. Nein, es war mehr als nur ein Fleck. Vor einer Sekunde war es noch ein Fleck gewesen. Eine Sekunde davor war er nicht einmal zu sehen gewesen.

Jetzt wurde der Fleck größer. Er kam aus der Richtung des Flusses und erhob sich, als wäre er aus der Wasseroberfläche aufgestiegen. Adams Augen versuchten, eine Form zu finden, die er wiedererkannte. War es ein Vogel? Für einen Vogel flog es ziemlich schnell. Auf dem Bildschirm warf Kate ihren Kopf zurück, wodurch ihr üppiges Haar eine wellenartige Bewegung machte. Hinter ihr kam das Ding immer näher.

Was war das?

Jetzt waren auch andere Leute darauf aufmerksam geworden. Ein Mann in einer dunkelblauen Windjacke zeigte auf das Ding. Adam bemerkte das weiße Logo auf der Jacke des Mannes: North Face.

Eine Frau hob ihr blondes Kleinkind hoch und umklammerte es.

Drei gelangweilte Teenager, alle schwarz gekleidet und mit einer Haut so weiß wie Alabaster, saßen auf einer der vielen Treppenstufen. Jetzt drehten sie sich um und beobachteten das herannahende Ding.

Während Adam es verfolgte, löste es sich in eine Form auf, die er wiedererkannte – es sah aus wie eine fliegende Spinne. Sein Gehirn konnte sich einen Reim darauf machen.

»Es ist eine Drohne«, sagte er.

»Was?«, fragte Kate, immer noch lächelnd, immer noch in Bewegung, immer noch in Fahrt.

Adam deutete mit seinem Kinn hinter sie. »Da kommt so eine komische Drohne.«

Es war die Geschwindigkeit, die seine Aufmerksamkeit erregt hatte. Vor weniger als zehn Sekunden hatte es das Ding noch gar nicht gegeben. Jetzt war es fast da. Es kam in diese Richtung. Daran gab es keinen Zweifel. Es war fast so, als würde es direkt auf das Vessel zusteuern.

Kate drehte sich um und musterte es.

»Seltsam.«

Adam konnte die Drohne jetzt hören. Sie machte dieses wimmernde Geräusch, das viele Drohnen von sich gaben.

Jemand in der Nähe keuchte auf. Plötzlich schnellte die Drohne über ihren Köpfen in die Höhe. Durch den abrupten Wechsel und den steilen Aufstieg wurde das Heulen noch lauter. Sie würde direkt über sie hinwegfliegen.

Adam verfolgte die Flugbahn mit seiner Kamera. Er wusste nicht, warum. Weil es interessant war. Weil es beunruhigend war. Weil sich das Ding so schnell bewegte, dass es eine echte Herausforderung war, ihm zu folgen.

Dann stoppte die Drohne. Sie schwebte vielleicht vier Stockwerke über den Menschen, die nun alle nach oben starrten.

»Da hält sich wohl jemand für ziemlich schlau«, sagte ein Mann.

Klar. Irgendein Idiot spielte mit einer hochwertigen Drohne herum, wahrscheinlich um zu filmen, und wollte ein paar Leuten einen Schrecken einjagen.

Dann brach die Drohne auseinander.

Eine Frau schrie auf und Adam lief ein unwillkürlicher Schauer über den Rücken.

Die Drohne schien sich in der Mitte zu teilen und in zwei dicke Hälften zu zerfallen. Aber dann lösten sich diese Teile auf und wurden zu Dutzenden von viel kleineren Fragmenten. Das Wimmern wurde immer lauter.

Die Bruchstücke fielen nicht mehr, sondern flogen nur noch. Sie waren wie eine Wolke aus schwarzen Insekten. Das waren sie auch. Sie sahen aus wie winzige Libellen. Viele von ihnen. Und sie kamen herunter.

»Kate. Wir sollten besser …«

Die Leute begannen zu rennen.

»Kate.«

Der Mann in der Windjacke stürmte auf die nächste Treppe zu und stieß mit Kate zusammen, sodass sie auf den Fußweg stürzte.

»Hey«, schrie Adam. »Hey.«

Die Frau, die ihr Kind hochgehoben hatte, wurde von etwas getroffen. Ein roter Fleck erschien auf ihrer Stirn, ihre Augen wurden leer und sie sank zu Boden und kippte auf ihr Kind. Der Junge lag unter ihrem Körper und schrie.

Adam schien sich nicht bewegen zu können. Er war wie erstarrt.

In Gedanken ließ er noch einmal Revue passieren, was mit der Frau geschehen war. Eine winzige Libelle war blitzschnell heruntergekommen und gegen ihre Stirn geprallt. Dabei war eine Art Knall entstanden, als wäre ein kleiner Feuerwerkskörper explodiert. Es war, als hätte man ihr eine Kugel in den Kopf gejagt.

Er schaute sie wieder an. Ihre Augen waren weit aufgerissen und starr. Seit dem Sturz hatte sie sich nicht mehr bewegt. Ihr Kopf stand in einem merkwürdigen, knochenlosen Winkel zu ihrem Körper. Ein schmaler Blutstrom floss nach unten und tropfte auf den betonierten Gehweg. Ihr Kind zappelte unter ihr, umarmte sie und schrie.

Adam beobachtete die Szene in einer Art Zeitlupe.

North Face war jetzt auch am Boden. Er hatte die Treppe erreicht, war aber nur zwei oder drei der Stufen hinaufgestiegen. Er lag ausgebreitet, mit dem Gesicht nach unten.

Kate kroch aus irgendeinem Grund auf allen Vieren auf den Mann zu. Vielleicht wollte sie zur Treppe. Dabei traf sie ein schwarzer Fleck am Hinterkopf. Ein kleiner Nebel aus rosafarbener Flüssigkeit spritzte nach oben und Kate fiel wie eine zerbrochene Puppe zu Boden. Sofort hörte sie auf, sich zu bewegen.

Ein leises Geräusch entwich Adam.

»Unh.«

Es war zu furchtbar. Das konnte nicht sein. Wie konnte das sein? Er machte einen zaghaften Schritt auf sie zu. Sie bewegte sich überhaupt nicht. Ihr Hinterkopf, ihr schönes Haar, war rot gesträhnt. Ihre Arme waren auf beiden Seiten von ihr ausgebreitet. Ihr Gesicht zeigte gen Boden. Bewegte sie sich? Eine Sekunde lang schien es fast so, als würde sie sich bewegen. Vielleicht ging es ihr gut. Vielleicht war sie noch …

»Kate?«

»Kate?«

Er machte einen Schritt und dann noch einen. Er schien über ihr zu schweben. Die Menschen schrien. Überall in den oberen Stockwerken lagen Leichen verstreut. Adam ging auf Kate zu. Um ihren Kopf herum sammelte sich jetzt Blut.

KAPITEL ZWEI

14:15 Uhr Eastern Daylight Time

E. 239th Street

Woodlawn, Bronx

New York City

»Wie ich sehe, ist der internationale Mann der Mysterien zurück.«

»Du bist ein guter Beobachter«, sagte Troy Stark. Er stand auf der Veranda seinem Bruder Donnie gegenüber. Es wurde gerade gegrillt. Die vier Stark-Brüder, ein paar Cousins und Cousinen, ihre Frauen und Kinder – sie waren alle da.

Donnie war gerade angekommen und trat durch die Küchentür. Er war der älteste Bruder im Clan, fast ein Jahrzehnt älter als Troy. Und er war groß. Sie waren alle groß und breit, aber Donnie war der Größte. Alle zusammen ließen sie die Veranda winzig und beengt erscheinen, als wäre sie ursprünglich für Liliputaner gebaut worden.

»Das ist eine deiner feineren Charaktereigenschaften«, sagte Troy.

Eddie Stark, ein anderer der Brüder, lächelte. »Ja? Was ist eine weitere?«

Eddie war der zweitälteste. Er war groß – mit breiter Brust, breiten Schultern, dicken Armen und Beinen wie Baumstämme. Er war eine Sportskanone, die ständig Eisen stemmte. Er trug Jeans und ein dunkelblaues T-Shirt mit der Aufschrift NYPD in Weiß auf der Vorderseite. Eddie hatte lange Zeit undercover bei der Drogenfahndung gearbeitet. Jetzt war er Detective bei der Mordkommission. Er behauptete, er habe das getan, damit seine Mutter und seine Frau besser schlafen konnten. Vielleicht schlief er auch etwas besser. In der Hand hielt er eine Dose Miller Lite. Der Typ war ein Rückschritt in die Zeit des schlechten Biers. Die Dose sah in seiner Hand wie ein Spielzeug aus.

Troy schüttelte traurig den Kopf. »Wenn ich es mir recht überlege, gibt es da keine.«

Donnie grinste. Er kam über die Veranda und umarmte Troy herzlich. Donnie war mit seinen 1,85 Meter etwa zehn Zentimeter größer als sein jüngster Bruder. Das war eine komische Sache. Nirgendwo auf der Welt wurde Troy Stark als kleiner Mann angesehen. Nirgendwo, außer in dem Haus, in dem er aufgewachsen war.

Einmal hatte er seine Mutter gefragt, warum sie glaubte, dass er so klein war. Sie überlegte einen Moment, dann zuckte sie mit den Schultern und sagte: »Du warst der Letzte. Ich war schon zweiunddreißig Jahre alt, als ich dich bekam. Meine Eier waren nicht mehr gut.«

Die beiden Brüder lösten sich aus ihrer Umarmung und Donnie blickte auf Troy hinunter. Er berührte mit einer Hand Troys Gesicht.

»Was hast du gemacht, seit du zurück bist? Hast du dich heute überhaupt rasiert?«

Troy zuckte mit den Schultern. »Ja, ich habe mich rasiert.« Er hatte sich nicht rasiert, aber das war nebensächlich.

»Na ja, dann stell dich das nächste Mal etwas näher an den Rasierer!«

Das sorgte für ein paar Lacher. Donnie war nicht nur der Älteste und der Größte, er übernahm auch oft die Rolle des Moderators.

Er drehte sich um und wandte sich an die Menge. »Was macht der Junge eigentlich beruflich?« Das war immer ein Spaß. Ihn dort zu treten, wo es wehtat. Das gehörte dazu, wenn man nach Hause kam. Troy wusste das. Es war nur nicht sein liebster Aspekt.

»Er würde es dir sagen …«, sagte Eddie.

Donnie beendete die Pointe. »Aber dann müsste er mich umbringen.«

Ja, ja, ja. Sie alle wussten, womit Troy seinen Lebensunterhalt verdient hatte. Wenn auch nicht im Detail, so doch in groben Zügen. Er war direkt nach der Highschool über den SEAL-Challenge-Vertrag zur Navy gegangen. Zwei Wochen nach seinem Abschluss war er im Boot Camp in Great Lakes, Illinois gelandet. Er hatte ein Jahr damit verbracht, sich auf BUD/S vorzubereiten, und wurde mit neunzehn Jahren ein SEAL.

Zwei Einsätze in Afghanistan. Noch mehr Training. Ein paar geheime Einsätze mit dem Joint Special Operations Command. Noch mehr Training. Dann wurden die Dinge ein wenig unübersichtlich. Er wurde für eine Weile an die CIA ausgeliehen und pendelte zwischen ihr und den SEALs hin und her. Dann wurde er an eine andere Behörde weitergegeben, wenn man das so nennen konnte, einen geheimen Haushaltsposten, der nicht einmal einen Namen hatte.

Im Pentagon nannte man die Gruppe »The Metal Shop«. Oder oft auch nur »The Shop«.

Troy war lange Zeit in Kriegsgebieten und vielerorts undercover im Einsatz gewesen. Er war zweiunddreißig Jahre alt. Jetzt war er auf dem Weg nach draußen und stand kurz vor seiner Entlassung. Das war nicht ideal, aber er hatte sich damit abgefunden. Leute, die ihn mochten, hatten ihre Beziehungen spielen lassen, um ihm das zu ermöglichen. Es war viel besser als eine unehrenwerte Entlassung und um Längen besser als eine wegen schlechter Führung.

Er hatte sein ganzes Leben für sein Land geopfert. Und jetzt …

Er schüttelte den Gedanken ab. Stattdessen machte er sich einen Spaß daraus und hob Zeige- und Mittelfinger seiner rechten Hand. Er nahm einen Schluck von seinem Bier, um sein Lächeln zu verbergen.

»Und er würde es mit nur zwei Fingern machen«, sagte Eddie.

Natürlich würde er das. Diese Jungs waren alle Polizisten und hatten die Polizeiakademie hinter sich. Donnie war zum Inspektor aufgestiegen. Er hatte die letzten Jahre am Schreibtisch verbracht und das sah man ihm an. Heutzutage lebte er schick auf der anderen Seite des Hudson River in Piermont. Er trug keinen Trenchcoat zur Arbeit, weil es cool aussah. Er trug ihn, um seine Pfunde zu verstecken.

»Lasst ihn in Ruhe!«, sagte ihre Mutter.

Sie kam auf die Veranda und trug ein großes Tablett mit Makkaroni und Geflügelsalat darauf. Troy betrachtete sie eingehend. Mary Stark. Sie war in den Jahren, in denen er weg gewesen war, ziemlich gealtert.

Ihr Haar war grau und sie machte sich nicht die Mühe, es zu färben. Die Haut in ihrem Gesicht war jetzt faltig wie altes Pergament. Laut Eddie war sie von Sorgen gezeichnet. Sie machte sich Sorgen, weil zwei der drei Jungs, die zu Hause geblieben waren, als Polizisten arbeiteten und der andere bei der Feuerwehr war. Aber vor allem machte sie sich Sorgen und blieb nachts lange auf, weil ihr Baby eine Art Geheimagent der Special Forces war und die meiste Zeit einfach weg war. Abwesend und das ohne jeden Kontakt. Er konnte am Leben sein oder tot und niemand wusste, was zutraf.

»Ma, lass mich das machen!«, sagte Donnie.

Sie wandte sich von ihm ab. »Raus hier! Der Tag, an dem ich kein Tablett mit Essen tragen kann, ist der Tag, an dem ich zum Gate of Heaven gehe.«

Troys Lächeln wurde breiter. Seit er ein Kind war, hatte sie davon gesprochen, zum Gate of Heaven zu gehen. Es war ein riesiger Friedhof auf den sanften Hügeln der Vorstadt. Jeder, von Babe Ruth bis zu Mrs. O'Malley von gegenüber, war dort begraben. Auch Troys Vater lag dort, nicht, dass ihn jemand vermisst hätte.

Was Troy am meisten verblüffte, war, dass seine Mutter nie davon sprach, in den Himmel zu kommen, sondern lediglich vom Gate of Heaven. Das war ein großer Unterschied.

Pat Stark kam jetzt auf die Veranda. Er war der dritte Bruder. Bis Troy aufgetaucht war, hatte Patty die Rolle des Rebellen übernommen. Er hatte der Polizei den Rücken gekehrt und war stattdessen der Feuerwehr beigetreten. Er gehörte zum medizinischen Notdienst.

Er trat mit dem Handy am Ohr heraus. Er verabschiedete sich gerade von jemandem. Sein Gesicht zeigte Verwirrung, gemischt mit etwas anderem. Troy hatte diesen Blick schon oft gesehen, an vielen Orten. Er hätte diesen Blick nicht von jemandem wie Pat erwartet, der schon so ziemlich alles gesehen hatte, was es an Blut und Gedärmen zu sehen gab.

Es war der Blick des Schocks.

»Jungs, habt ihr davon gehört?«, fragte er. »In der Stadt ist etwas passiert. Hudson Yards.«

»Was denn?«, sagte Donnie.

Pat warf einen Blick auf zwei Kleinkinder auf dem Boden und eine Neunjährige, die gerade ihre Mutter umarmte. Es war klar, dass er sich nicht traute, es vor den Kindern auszusprechen. »Ich weiß es nicht. Sie sagen, es war vielleicht … Ihr wisst schon. Wie eine Explosion, aber nicht direkt. Sie glauben, es war eine Drohne. Sie sind sich nicht einmal sicher, was passiert ist.«

»Wann?«, fragte Troy.

Pat zuckte mit den Schultern. »Vielleicht vor zehn Minuten. Ich wurde gerade erst benachrichtigt.« Er schaute auf das Bier in seiner Hand. Wenigstens war es ein IPA. Dann schaute er zu seiner Frau Holly und schüttelte den Kopf. Hollys Augen waren groß geworden. »Nicht, um dorthin zu gehen. Sie verlegen Ressourcen und setzen Leute, die bereits im Einsatz waren, in der betroffenen Zone ein. Ich übernehme eine Ersatzschicht in einer Feuerwache in Long Island City.«

Donnie war schon am Telefon und ging ins Haus.

Eddie schüttelte den Kopf. »Nicht meine Abteilung.«

Troy sah Pat an. »Ist es schlimm?«

Pat trank sein Bier aus und nickte. »Ich glaube schon, ja.«

Troy dachte darüber nach. Eine Drohne. Wie eine Explosion, aber nicht wirklich. Pat sprach von einem Terroranschlag. In Manhattan.

Donnie kam zurück aufs Deck. »Es ist auch nicht meine Abteilung. Zumindest noch nicht. Aber es hört sich nach einem echten Schlamassel an. Da haben wir’s wieder. Das hat mein Chef auch gesagt.« Donnie zeigte auf Troy. »Kommst du heute Abend mit in die Bar?«

Troy nickte. »Ja. Ich denke schon.«

»Gut. Ich will mit dir reden.«

»Bring deinen Bruder nicht in Schwierigkeiten!«, sagte ihre Mutter. »Er ist gerade erst zurückgekommen.«

»Mach dir keine Sorgen!«, sagte Donnie. »Ich passe auf ihn auf. Ich weiß, dass er noch ein Baby ist.«

* * *

»Also, hör mal!«, sagte Donnie. »Wie viele Jahre hast du schon hinter dir?«

Sie saßen mit vollem Bauch am Ende der Bar von Michael Collins, einem Lokal, in dem sie im Laufe der Jahre viele, viele Male gewesen waren. Jeder von ihnen hatte ein leeres Schnapsglas und ein halb ausgetrunkenes Guinness vor sich stehen. Es war dunkel hier drinnen. Hinter ihnen saß Eddie mit ihrem Cousin Marty an einem Ecktisch. Sie unterhielten sich mit einem Haufen Typen, die Troy nicht kannte.

Auf den Fernsehern über der Bar lief ununterbrochen der Bericht über den Terroranschlag in Manhattan. Es war wirklich schlimm. Mindestens vierzig Menschen waren gestorben. Andere befanden sich in kritischem Zustand in den umliegenden Krankenhäusern. Das Beste an der Berichterstattung war, dass der Ton leise war. Die Jukebox hier war laut und spielte oft Sachen wie die Pogues und die Dropkick Murphys. Gerade lief eine schnelle Version von »Come Out Ye Black and Tans« von The Battering Ram.

Dieser Laden war durch und durch irisch-republikanisch. In den 1990er-Jahren, als die Stark-Jungs noch Kinder gewesen waren, war der Besitzer angeklagt worden, weil er Waffen an die IRA geliefert hatte. Kenny Dolan. Diese Tatsache verlieh dem Schuppen immer noch einen Hauch von Geheimnis, so als würden im New Yorker Hafen waffenschwere Schiffe auslaufen und Geschäfte gemacht werden, die außerhalb deiner Hörweite lagen.

Kenny war immer noch in der Gegend; er war sogar heute Abend hier. Er war jetzt ein alter Mann, stämmig, mit einem aufgedunsenen Gesicht und weißem Haar. Im Kontext der Anklage wegen Waffenschmuggels hatte er nicht eine Minute im Gefängnis verbracht. Es hieß, er habe zu viele Freunde unter den Polizisten und Staatsanwälten.

Troy zuckte mit den Schultern. »Vierzehn. Ich bin seit vierzehn Jahren bei der Navy.«

Der Gedanke an diese Zahl ließ Troy ein wenig erschaudern, als würde eine Last auf ihm ruhen. Er mochte nicht aufzählen, auf wie viele Arten es eine Verschwendung war. Troy Stark war immer hart gewesen, schon als Junge. Und er war ein noch härterer Mann geworden. Er hatte im Namen seines Landes eine Menge hässlicher Dinge gesehen und getan. Seine Brüder waren hier geblieben, hatten Karrieren gemacht und Familien gegründet. Troy war da rausgegangen, bis an die Grenze und dann darüber hinaus.

Wie lautete das alte Sprichwort?

Schau dir die Welt an! Triff interessante Menschen! Und töte sie!

Donnie nickte. Donnie war der Älteste und damit die Stimme der Vernunft. »Es ist gut. Es ist in Ordnung. Du bist erwerbstätig. Du bekommst eine kleine Rente. Du bekommst eine lebenslange Krankenversicherung. Mom hat mir erzählt, dass du morgen ein Gespräch mit dem Department führen wirst. Ein ehemaliger Vorgesetzter von dir …«

Troy nickte. »Natürlich hat sie es dir erzählt.« Er hatte sie gebeten, es niemandem zu sagen, was einer Aufforderung an sie gleichkam, es im nationalen Fernsehen zu verbreiten.

»Dann hat sie es mir eben erzählt. Na und? Hör zu, du hast bereits eine Rente, wie wir gesagt haben. Du hast deine Sozialleistungen. Wenn du den Job morgen annimmst …«

Troy schüttelte den Kopf. »Ich will kein Polizist sein, Donnie. Ich will nicht von vorn anfangen.«

Donnie hob seine kräftige Hand. »Es ist nichts Schlimmes daran, ein Polizist zu sein.«

»Nichts für ungut«, sagte Troy. »Ich habe nicht gesagt, dass etwas falsch daran ist. Ich habe gesagt, dass ich kein Polizist sein will.«

»Wie dem auch sei«, sagte Donnie, »hör dem Kerl zu. Du nimmst diesen Job an, investierst deine zwanzig Jahre, bekommst eine schöne Rente zusätzlich zur Navy-Pension und bist zu diesem Zeitpunkt erst 52 Jahre alt. Du bist immer noch ein junger Mann.«

Troy lächelte. »Sagte der 42-Jährige.«

Donnie lächelte und schüttelte den Kopf. Er deutete auf den Barkeeper und dann auf die leeren Schnapsgläser. »Noch zwei, Vinny? Danke, Mann.«

»Jedenfalls glaube ich nicht, dass es sich um ein Zwanzig-Jahres-Angebot handelt. Der Typ erkennt, dass ich in der Klemme stecke, und wirft mir ein Rettungsseil zu. Ich weiß nicht, ob er will, dass ich es nehme oder mich damit aufhänge.«

Einer von Troys alten SEAL-Kommandanten, Colonel Stuart Persons, war vor ein paar Jahren aus der Navy ausgeschieden. Er war in New York aufgekreuzt und gehörte nun zu einer Art Sondereinsatzkommando. Hafen- und Küstenschutz.

Es unterstand der NYPD, umfasste aber auch Mitarbeiter der Feuerwehr, der Küstenwache, den Hafenbehörden von New York und New Jersey, der Metropolitan Transit Authority und etwa einem Dutzend anderer Behörden. Das Kommando sollte aufkommende Bedrohungen erkennen und sie neutralisieren, bevor sie eintraten. Für Troy wirkte es wie eine Art Expertenkommission. Auf dem Papier ganz nett – aber was hatte das Gremium heute bewirken können? Troy wollte morgen hingehen, vor allem, um höflich zu sein.

»Es klingt nach einem Schreibtischjob«, sagte er jetzt.

Donnie hob eine Augenbraue. Zum Glück versuchte er nicht, die Heiligkeit von Schreibtischjobs zu verteidigen. »Es klingt so, als könntest du daraus machen, was du willst.«

»Ja«, sagte Troy. »Vielleicht. Wie gesagt, ich werde mit ihm reden.«

Die Shots kamen und sie leerten sie beide ohne ein weiteres Wort. Troy spürte, wie ihm die Hitze die Kehle hinunter in den Magen stieg. Seine Augen tränten.

»Amen«, sagte Donnie.

Sie drehten sich mit ihren Biergläsern um und betrachteten das Treiben in der Bar. Es war schon spät und der Laden füllte sich. Die Musik wirkte lauter als zuvor. Eine Gruppe junger Leute fing an, auf der Tanzfläche herumzuspringen. Die Menge um Eddies Tisch war gewachsen.

Troy war jetzt etwas angeheitert und das gab dem Ganzen einen gewissen Glanz. Er wollte sich nicht zu sehr betrinken, auch wenn es Samstagabend und das Haus seiner Mutter nur fünf Minuten Fußweg von hier entfernt war. Sowohl Eddie als auch Donnie übernachteten heute dort. Es sollte wie in alten Zeiten sein.

»Wer sind Eddies neue Freunde?«, fragte er und schrie dabei ein wenig.

Donnie zuckte mit den Schultern. »Primitivlinge. Polizisten aus Mount Vernon. Ich weiß nicht, warum sie hier rumhängen. Sie sind nicht wirklich Freunde. Eddie vermutet, dass ein paar von ihnen Dreck am Stecken haben. Sie halten die Dealer fest, nehmen das Geld und die Drogen. Er hängt mit ihnen ab, um herauszufinden, ob er recht hat.«

»Und was dann?«

»Eddie ist ein Weltverbesserer«, sagte Donnie. »Das weißt du. Ich glaube, er vermisst den Rausch des Undercover-Einsatzes. Ich habe ihm gesagt, dass er sich nicht umbringen lassen soll. Er hat jetzt eine Frau und eine Tochter. Das ist unverantwortlich. Aber hört er auf mich?«

»Sieht aus, als würde er noch leben«, sagte Troy.

Donnie schüttelte den Kopf, als würde er bereits den Tod seines Bruders beklagen. »Gerade noch so.«

Es war, als hätten Donnies Worte das Signal dazu gegeben. Einer der Kerle mit Bürstenschnitt an Eddies Tisch stand plötzlich auf, drehte seine Bierflasche um und versuchte, Eddie damit auf den Kopf zu schlagen. Eddie hob einen Arm und wehrte ihn ab. Die Flasche zerbrach und Glas und Bier spritzten über ihn hinweg.

»Ich schätze, er ist nicht so undercover, wie er dachte«, sagte Donnie.

Troy nahm einen Schluck Bier. »Er scheint niemandem etwas vorzumachen.«

Donnie schüttelte den Kopf. »Nein.«

Eine Sekunde später schlug ein anderer der Typen, der bereits aufgestanden war, dem wehrlosen Marty ins Gesicht. Der Schlag saß perfekt. Marty fiel nach hinten und seine Arme flogen in die Luft. Sein Stuhl kippte um und er landete auf dem Boden. Zwei Kerle waren blitzschnell auf ihm drauf.

Die Leute fingen an, zu schreien. Eine schrille Stimme kreischte.

Troy starrte eine lange Sekunde lang auf das Handgemenge. Er zählte sechs Männer, die Eddie und Marty angriffen. Eddie war auf den Beinen und lieferte sich mit drei von ihnen einen Schlagabtausch. Marty lag auf dem Boden und wurde von den anderen drei getreten und geschlagen.

Armer Marty. Der Typ arbeitete im Bankwesen – Hypotheken und so weiter. Junge Familien. Alte Leute und ihre Rentenkonten. Troy konnte nichts mehr von Marty sehen, außer seinen Füßen. Es waren nette Schuhe, wohlgemerkt. Schwarze Lederschuhe. In eine Bar wie diese sollte man nicht mit netten Schuhen kommen.

Troy blickte auf seine eigenen Arbeitsstiefel mit Stahlkappen hinunter. Macht der Gewohnheit.

Donnie nahm einen letzten Schluck von seinem Bier und stellte das Glas auf die Theke. Dann seufzte er. »Willkommen zu Hause, Junge.«

Troy nickte. »Ja.«

Sie durchquerten den Raum zwischen Bar und Tisch. Troy watete hinein, daran war nichts Heldenhaftes. Die drei Jungs, die mit Eddie kämpften, standen mit dem Rücken zu ihm. Er tippte niemanden an, um dessen Aufmerksamkeit zu erregen. Er ging einfach auf den mittleren Kerl zu, packte ihn am Kopf und verpasste ihm eine harte Rechte in den Nacken.

BÄM!

Der Kopf des Mannes kippte nach hinten. Er machte eine Art halbe Drehung und verlor fast die Kontrolle über seine Füße. Troys Linke kam und traf den Mann genau am Kiefer. Der Kopf des Mannes drehte sich wieder in die andere Richtung. Er machte eine Art Pirouette, drehte sich und kippte auf den Tisch.

Aus dem Augenwinkel sah Troy, wie der riesige, ungeheuer starke Donnie einen der Jungs, die Marty getreten hatten, packte und ihn mit dem Hintern gegen die Wand schleuderte. Ein großer Glasspiegel mit den New York Yankees drauf krachte auf den Boden und zerbrach. Donnie rammte den Kopf des Typen erneut gegen die Wand und ließ ihn dann auf das Glas fallen.

Der Typ, der den Kampf begonnen hatte, schlug Troy ins Gesicht. Das weckte Troy auf. Sieh nicht zu Donnie! Konzentriere dich auf das, was du gerade tust!

Sie kämpften Kopf an Kopf. Der Typ war RIESIG, breit, eine Sportskanone wie Eddie, aber einer, der wahrscheinlich Steroide nahm. Seine Augen waren hart. Sein Gesicht war perfekt rasiert. Seine Arme waren so groß, dass er Schwierigkeiten hatte, nach vorn zu schlagen. Seine Schläge ähnelten den Bewegungen einer Windmühle.

Troy trat näher heran. Die Faustregel für einen kleineren Mann lautete, sich außerhalb der Reichweite des größeren Gegners aufzuhalten, aber diese Regel galt nicht für Troy Stark. Er drückte das Gesicht des Mannes mit der Linken nach hinten und legte seine Kehle frei. Der Mann nahm Troy in einen kräftigen Klammergriff. Seine Arme waren stark. Er zog Troy fest an sich. Sie standen zu dicht beieinander, als dass Troy einen sauberen Schlag hätte ausführen können. Sie waren sich so nahe, dass sie sich hätten küssen können.

Troys Knie ging hoch wie eine Rakete. Ein heftiger Stoß in die Eier.

Die Augen des Mannes wurden groß.

Troy tat es erneut.

Der Mund des Mannes öffnete sich.

»Verdammt«, grunzte der Kerl. »Verdammte Scheiße …«

»Ja«, sagte Troy. Jetzt hatten sich die Arme des Mannes gelockert. Troy trat zurück und hämmerte seine Rechte in das Gesicht des Mannes. Mit dem ersten Schlag brach er ihm die Nase.

Er schlug ihn erneut.

Der Kopf des Mannes kippte zur Seite.

Seine Augen waren immer noch hart und herausfordernd. Er war nicht bewusstlos, aber er wehrte sich auch nicht mehr. Troy packte ihn vorn an seinem kurzen Haar. Dieser Schlag würde ihn erledigen.

Etwas bohrte sich in Troys Seite. Hart.

Er drehte sich um, um zu sehen, wer das getan hatte. Es war der alte, weißhaarige Kenny Dolan, der berüchtigte Waffenschmuggler. Er hatte Troy mit einem abgesägten Billardqueue in die Seite gestoßen. Seine Augen waren trübe und vom Alkohol blutunterlaufen.

»Raus! Raus, ihr Stark-Jungs, und macht meinen Laden nicht kaputt!«

»Tut mir leid, Mr. Dolan«, sagte Troy.

Er drehte sich wieder zu dem Steroid-Typen um. Der Kerl wachte gerade auf. Troy positionierte sich vor ihm und schlug ihm erneut auf die Nase.

BÄM!

Der Typ fiel zu Boden, als hätte sich eine Falltür unter ihm geöffnet.

»Raus, sagte ich!«

Dolan stupste Troy erneut an.

»Okay. Ich gehe ja schon«, sagte Troy.

Die Seitentür zur Gasse war offen. Troy ging in diese Richtung, Kenny Dolan folgte ihm.

»Welcher Stark bist du?«, fragte Dolan.

»Troy. Erinnern Sie sich nicht an mich?«

»Troy? Troy. Wo bist du gewesen?«

»Ich war bei der Navy.«

»Bei der Navy, ja? Na dann, willkommen zu Hause.«

»Danke.«

Eddie half Marty in die Gasse hinaus. Martys Gesicht war ein blutiges Wrack.

Donnie kam durch die Tür. Er blieb kurz stehen und schüttelte Kenny Dolan die Hand. Er überragte den älteren Mann.

»Mach meine Kneipe nicht kaputt, Donnie! Alles klar?«

Donnie nickte. »Ich komme unter der Woche vorbei. Sag mir Bescheid, wie hoch die Rechnung ist, okay?«

Dolan schüttelte den Kopf und lächelte. »Raus hier! All die Handys hier drin. Zehn Leute haben schon die Bullen angerufen.«

»Wir sind die Bullen«, sagte Donnie. Er deutete mit dem Kopf nach drinnen. »Genau wie die.«

Dolan stupste ihn mit dem Billardqueue an.

»Raus mit euch, ihr Penner!«

Sie gingen die Gasse hinauf in Richtung Hauptstraße. Donnie atmete schwer und hielt sich die Seite. Er klang wie eine Druckluftmaschine, die am Ende ihrer Lebensdauer stand und nur noch keuchte. Er schleppte zu viel Gewicht mit sich herum.

Eddie stand am Eingang der Gasse und schaute in beide Richtungen nach möglichen Bullen, bevor er auf die Straße hinausging. Er hielt eine Hand in einer STOPP-Geste hoch. Aber die Luft war rein und er winkte sie weiter.

Sie gingen zu viert auf dem Bürgersteig des breiten Boulevards entlang. Überall um sie herum waren die Geschäfte geschlossen, die Wellbleche über den Fenstern heruntergezogen. Marty wischte sich mit seinem Hemd das Blut aus dem Gesicht. Er schaute Troy an. »Ich dachte, ihr wärt über solche Dinge hinausgewachsen.«

Troys Blut war in Wallung. Der Kampf war zu Ende gegangen, bevor er bereit gewesen war. Er schüttelte den Kopf. »Nee.«

Sie waren in der Bar in eine Schlägerei geraten. Troy war betrunken, er ging mit seinen Brüdern durch die ruhigen Straßen der Nacht und musste früh am Morgen für ein Vorstellungsgespräch aufstehen.

KAPITEL DREI

16. Oktober

8:05 Uhr Eastern Daylight Time

New York City Police Department

Amt für Terrorismusbekämpfung

One Police Plaza

Lower Manhattan, New York City

In dem Laden herrschte das reinste Chaos.

Es war früher Sonntagmorgen und Troy vermutete, dass an den meisten Sonntagen kaum jemand da war.

Nicht so heute. Der Terroranschlag vom Vortag bedeutete, dass alle Mann an Deck waren. Die Sicherheitsvorkehrungen waren streng, schon um in das Gebäude zu gelangen. Die Schlange reichte von den Doppeltüren bis auf den Platz vor dem dreizehnstöckigen, stalinistischen Betonmonstrum, dem Hauptquartier der NYPD.

Troy wartete in einer langen Schlange, um zuerst in das Gebäude zu gelangen und dann den Metalldetektor zu passieren, während die Beamten jede zweite Person beiseite zogen und sie mit dem Handgerät noch mal zusätzlich durchleuchteten. Er hatte pochende Kopfschmerzen und zitterte leicht am ganzen Körper. Er trug das, was er für »anspruchsvoll« hielt – Stiefel, eine kakifarbene Hose, ein blaues, offenes Hemd und eine Windjacke.

Dies war weder eine Hochzeit noch eine Beerdigung. Es war kein Interview. Es war einfach nur ein Gespräch.

Er trank seine dritte Tasse Kaffee aus einem dieser dicken Pappbecher, die es überall in New York City gab. Der Becher war blau, mit griechischen Säulen darauf. Man sah ihn in jedem Coffeeshop, in jedem Imbiss an der U-Bahn-Haltestelle, in jeder Hand, überall, wo man hinsah. Er starrte den Becher an. Er schien zu schillern und zu zittern. Der Kaffee war bereits kalt. Er hatte etwa vier Stunden schlecht geschlafen.

Schließlich kam er durch, fuhr mit dem Aufzug in den zwölften Stock und wurde von einem Mädchen, das er an der Rezeption antraf, durch ein Gewirr von engen Gängen zu einem Hinterzimmer geführt. Die Holztür, die nicht beschriftet war – kein Wort, keine Nummer, nichts – entsprach dem Ende des Flurs. Das war nicht das, was Troy erwartet hatte. Er hatte gedacht, dass Colonel Persons …

»Hier entlang«, sagte das Mädchen. »Es sollte offen sein.«

Er ging hinein. Der Mann selbst saß an einem Schreibtisch in einem beengten Raum direkt der Tür gegenüber. Um ihn herum stapelten sich Kisten auf dem Boden. Der Schreibtisch war mit Papierkram bedeckt. Er hatte einen Laptop, der auf verschiedenen Dokumenten ruhte.

Das Einzige, was das Büro zu bieten hatte, war ein großes, hohes Fenster hinter dem Schreibtisch, durch das man direkt auf die Brooklyn Bridge blicken konnte. Die Karte in Troys Kopf suggerierte, dass das winzige Büro im hinteren Teil des Gebäudes versteckt war.

Der Mann stand auf. Troy kannte den Kerl durch und durch.

Colonel Stuart Persons. Pensioniert. Ehemaliges Mitglied der United States Army Special Forces. Ehemaliges Mitglied des Joint Special Operations Command. Troy schätzte ihn auf etwa fünfzig. Er war groß und schlank und hatte ein markantes Gesicht. Sein Markenzeichen war die schwarze Augenklappe, die er fest auf seinem hauptsächlich kahlen Kopf trug. Heutzutage befand sich die Augenklappe unter einer Brille. Die Brille ließ Persons älter aussehen, als er war.

Persons hatte nie erzählt, was mit seinem Auge geschehen war. Es gab viele Gerüchte: Er hatte es im Kampf in Fallujah verloren. Er hatte es bei einem schief gelaufenen Fallschirmjäger-Training in der Wüste von Arizona verloren – sein Hauptschirm hatte versagt, er war hart aufgeschlagen und mit dem Gesicht voran in einen Kaktus gestürzt. Eine Prostituierte auf den Philippinen hatte es ihm während eines betrunkenen Streits mit einem Messer herausgerissen. Es könnte keine dieser Möglichkeiten gewesen sein. Oder alle. Persons hatte auf jeden Fall diesen Ruf. Manche Leute nannten ihn »Missing« Persons (allerdings nie ins Gesicht). Wie auch immer, das Auge war bereits weg gewesen, als Troy ihn zum ersten Mal getroffen hatte.

Sie reichten sich über den Schreibtisch hinweg die Hand. »Stark. Danke, dass du gekommen bist.«

»Colonel«, sagte Troy. »Was ist mit Ihrem Auge passiert?«

Persons lächelte und schüttelte den Kopf.

Es war ein alter Witz. »Was ist mit Ihrem Auge passiert?« zu Missing Persons zu sagen, war so, als würde man einen normalen Menschen fragen: »Wie geht es dir?«

»Das ist eine lange Geschichte«, sagte Persons. »Warum setzt du dich nicht?« Er deutete auf den Stuhl auf Troys Seite des Schreibtischs. »Und nenn mich Stu. Der ganze Colonel-Kram ist vorbei.«

Troy setzte sich. Die Idee, diesen Mann »Stu« zu nennen, war ungefähr so abwegig wie den Besitzer der Michael Collins Bar »Kenny« zu nennen. Oder Mrs. Lynch, die gegenüber von seiner Mutter wohnte, »Margaret«. Nichts von alledem würde passieren.

Persons nickte in Richtung Troys großer Hände. »Wie geht’s deinen Händen?«

Troy schaute sie an. Ihm war erst jetzt aufgefallen, dass sie an den Knöcheln vom Streit gestern Abend wund gescheuert waren. Nein, das stimmte nicht. Er hatte es zwar bemerkt und den Schmerz gespürt, aber er war zu müde und verkatert gewesen, um sie wirklich zu betrachten. Die rechte Seite war schlimmer dran als die linke. Das war normalerweise der Fall. Die rechte Hand war seine Powerhand.

Er bewegte und streckte die Finger. »Äh, gut. Gut. Nur ein kleiner Angelunfall.«

Persons hob eine Augenbraue. »Kleiner Angelunfall, was? Im Urlaub?«

Troy zuckte mit den Schultern. »Heutzutage ist alles Urlaub.«

»Tut mir leid, was passiert ist«, sagte Persons.

Troy nickte. »Danke. Ich weiß das zu schätzen.« Darüber wollte er nicht sprechen, nicht mit Persons, mit niemandem, um ehrlich zu sein. Zumindest nicht jetzt. Es war immer noch zu schmerzhaft. Zum Glück schien Persons auch nicht darüber reden zu wollen.

»Das Militärleben kann alles andere als fair sein. Du bist ein außergewöhnlicher Soldat, Stark. Einer der Besten. Das habe ich schon immer zu jedem gesagt, der mir zuhören wollte. Deshalb habe ich dich heute hierher eingeladen.«

Er hob die Arme und sah sich im Raum um. »Willkommen in meinem Imperium. Und das ist erst der Anfang.«

Troy beäugte ihn. »Ich hatte die Vorstellung, dass Sie Teil der Anti-Terror-Einheit sind. Sie vielleicht sogar leiten. Ich hatte einen großen Raum, mit einer Reihe von Überwachungsbildschirmen an der Wand und eine Reihe von Hackern erwartet, die Codes knacken. Einen Haufen Jungs mit Headsets. Leute, die rein und rausrennen. So etwas in der Art.«

Persons nickte. »Vielleicht habe ich dir diesen Eindruck vermittelt. Die Typen sind unten im achten Stock. Ziemlich genau so, wie du es beschrieben hast. Allerdings ist das nicht mein Gebiet.«

»Und was machen Sie dann hier …?«

Persons sprach langsam, als würde er seine Worte sorgfältig auswählen. »Es ähnelt der Terrorismusbekämpfung. Man könnte sogar sagen, wir sollten Teil dieser Einheit sein. Aber das sind wir nicht.«

Troy schaute sich im Raum um und fragte sich, wer mit »wir« gemeint war. Es waren nur zwei Personen im Raum und Persons war der einzige, der hier arbeitete.

»Also …«

»Du warst Teil der Einheit, die manche Leute den Metal Shop nennen.«

Jetzt war Troy derjenige, der auf der Hut sein musste. Plötzlich bewegte er sich in einem Minenfeld. »Was war ich? Davon habe ich noch nie gehört. Den … was?«

Persons lächelte. »Ich habe deine Akte gesehen, Stark. Darin hast du keine Geheimnisse.«

»Colonel, ich weiß nichts von einer Einheit, die als Metal Shop bekannt ist. Und selbst wenn ich von einer solchen Einheit wüsste, wäre es mir nicht freigestellt …«

Persons hob eine Hand. »Ich weiß. Es ist vertraulich. Aber deshalb bist du hier. Ich habe einen Job für dich, wenn du ihn willst. Es ist nicht die Anti-Terrorismus-Einheit. Es ist kein Schreibtischjob. Du würdest zwar von der NYPD bezahlt werden, aber deine Verbindung zur Polizei wäre bestenfalls gering. Es ist eine Ermittlungsabteilung, aber sie ist gewissermaßen für Leute, die sich nicht an die Regeln halten. Hast du eine Ahnung, wovon ich spreche?«

Troy starrte den Mann an. Er war auf das eine, noch verbliebene, sehr blaue Auge von Persons fixiert.

»Vielleicht. Ja.«

»Wenn du heute anfangen willst, deine Papiere sind bereits ausgefüllt. Du musst dir nichts mehr ansehen. Keine Einweisung. Keine Filmstreifen. Keiner, der deinen Blutdruck oder deine Temperatur misst. Du musst nichts unterschreiben. Du musst mir einfach vertrauen, dass alles in Ordnung und die Sache erledigt ist.«

»Was würde ich tun?«, fragte Troy.

Persons zuckte mit den Schultern. »Gestern gab es einen Terroranschlag. Du hast vielleicht davon gehört.«

Troy sagte nichts.

»Wir glauben, es war eine Aufwärmübung. Das Ziel war wahllos, nicht besonders wertvoll. Ein Haufen Touristen und Tagesausflügler an einer seltsamen Attraktion in der Nähe des Flusses. Und nicht einmal so viele von ihnen.«

»Ich habe gehört, dass es bisher achtundvierzig Tote gab«, sagte Troy.